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Die Zwillingsschwestern von Machecoul

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XVI.
Die Diplomatie Courtins. (Fortsetzung.)

Als Courtin kaum zweihundert Schritte auf dem zu seinem Meierhofe führenden Wege fortgegangen war, hörte er ein Rauschen in den Gebüschen.

»Wer ist da?« fragte er, indem er auf die Seite trat und sich mit seinem Stocke in Vertheidigungsstand setzte.

»Ein Freund,« antwortete eine jugendliche Stimme.

Der Antwortende kam zum Vorschein.

»Ei! der Herr Baron!« sagte Courtin.

»Ja wohl, ich bin’s.«

»Mein Gott! was machen Sie denn mitten in der Nacht hier? Wenn die Frau Baronin wüßte, daß Sie nicht zu Hause sind, was würde sie dazu sagen?« erwiderte Courtin mit erheucheltem Erstaunen.

»Es ist nun einmal so, Courtin.«

»Aber ich vermuthe,« sagte der schlaue Landmann lauernd, »daß der Herr Baron seine Gründe hat.«

»Ja wohl, und seine Gründe sollst Du erfahren, wenn wir in deinem Hause sind.«

»In meinem Hause?« erwiderte Courtin erstaunt, »sind Sie denn bei mir gewesen?«

»Willst Du mich etwa nicht mitnehmen?« fragte der junge Baron.

»Gerechter Himmel, ich sollte mich weigern, Sie in ein Haus zu lassen, welches im Grunde Ihnen gehört?«

»Dann wollen wir keine Zeit verlieren, es ist spät. »Gehe voran, ich folge Dir.«

Courtin, über den gebieterischen Ton seines jungen Herrn etwas betroffen, gehorchte. Nach ein paar hundert Schritten öffnete er eine kleine Pforte, ging durch den Baumgarten und befand sich vor seinem Hause.

In der Wohnstube, die zugleich als Küche diente, legte er einige auf dem Herde zerstreute Feuerbrände zusammen und zündete eine gelbe Wachskerze an, die er auf den Camin stellte.

Erst jetzt bemerkte er, daß Michel todtenbleich war.

»Mein Gott!« sagte Courtin, »was fehlt Ihnen denn, Herr Baron?«

»Courtin,« sagte Michel mit drohendem Stirnrunzeln, »ich habe dein Gespräch mit meiner Mutter gehört.«

»Was!« sagte der Bauer etwas betroffen; aber er faßte sich schnell wieder und setzte hinzu: »Und was wünschen Sie jetzt von mir?«

»Du wünschest nächstes Jahr deinen Pachtcontract zu erneuern?«

»Ich, Herr Baron —«

»Und es ist Dir mehr daran gelegen, als Du zugibst.«

»Nun ja, es wäre mir gar nicht unlieb, Herr Baron – aber wenn's nicht anginge, so würde man auch nicht davon sterben.«

»Courtin, den Contract werde ich erneuern,« sagte der junge Gutsherr, »denn zur Zeit, wo der jetzige Contract abläuft, »bin ich volljährig.«

»Ganz recht, Herr Baron.«

»Aber Du siehst wohl ein, Courtin,« setzte Michel hinzu, dem sein Wunsch, den Grafen von Bonneville zu retten und bei Mary zu bleiben, eine ihm sonst ganz fremde Entschlossenheit gab, »Du siehst wohl ein, daß ich deinen Contract nicht erneuern werde, wenn Du thust, was Du diesen Abend gesagt hast, nämlich wenn Du meine Freunde anzeigst, denn einen Angeber will ich nicht als Pächter haben.«

»O! o!« sagte Courtin.«

»Bedenke daher, was Du thust,« fuhr Michel fort, »wenn Du den Meierhof einmal verlassen hast, so mußt Du ihm auf immer Lebewohl sagen, denn Du wirst nie wieder einziehen.«

»Aber die Regierung – und die Frau Baronin —«

»Alles dies kümmert mich nicht, Courtin. Ich bin der Baron Michel de La Logerie, das Gut gehört mir, sobald ich volljährig bin, weil es mir von meiner Mutter abgetreten wird; ich bin in elf Monaten volljährig und dein Contract ist in dreizehn Monaten zu Ende.«

»Aber wenn ich meinen Plan nicht in Ausführung bringe?« erwiderte Courtin mit gleißnerischer Freundlichkeit.

»Dann wird der Pachtcontract erneuert.«

»Unter den bisherigen Bedingungen?«

»Ja, unter den bisherigen Bedingungen.«

»Herr Baron, wenn ich nicht fürchtete, Sie zu compromittiren,« sagte Courtin, indem er aus einem Schranke ein Fläschchen mit Tinte, einen Bogen Papier und eine Feder nahm und aus den Tisch legte.

»Was soll das?« fragte der junge Baron.

»Wenn Sie die Güte haben wollten, Herr Baron, mir das Versprechen schriftlich zu geben – es ist für Leben und Sterben – und ich will Ihnen schwören —«

»Ich brauche keinen Schwur, Courtin; denn ich gehe auf der Stelle wieder nach Souday, ich warne Jean Oullier und fordere Bonneville auf, einen anderes Versteck aufzusuchen.«

»Nun, dann haben Sie um so weniger Ursache, sich zu weigern,« sagte Courtin und reichte seinem jungen Gutsherrn die Feder.

Michel nahm die Feder und schrieb:

»Ich, der unterzeichnete August Franz Michel, Baron de La Logerie, verpflichte mich, den Pachtvertrag Courtin’s unter den bisherigen Bedingungen zu erneuern.«

Er wollte das Datum darunter setzen; aber Courtin wollte es nicht zugeben.

»Nein,« sagte er, »lassen Sie das, Herr Baron; wir setzen das Datum, sobald Sie volljährig sind.«

»Gut,« sagte Michel.

Er schrieb nur seinen Namen und ließ Platz für das Datum.

»Wenn Sie bequemer als auf diesem Schämel ruhen wollen, Herr Baron,« sagte Courtin, »so würde ich sagen. Oben steht ein Bett, das nicht ganz schlecht und Ihnen zu Diensten steht – vorausgesetzt daß Sie vor Tagesanbruch nicht ins Schloß gehen wollen.«

»Nein,« erwiderte Michel, »Du hast ja gehört, daß ich nach Souday gehen will.«

»Warum denn, Herr Baron? Sie haben ja mein Versprechen, daß ich nichts sagen will – Sie haben Zeit.«

»Was Du gesehen hast, Courtin, konnte auch ein Anderer sehen,« entgegnete der junge Gutsherr, »und während Du schweigst, weil Du es versprochen, kann ein Anderer, der kein Versprechen gegeben, reden. – Auf Wiedersehen, Courtin!«

»Thun Sie was Sie wollen, Herr Baron,« sagte Courtin, »aber Sie haben wirklich Unrecht, wieder in die Mausefalle zu gehen.«

»Es ist gut, Courtin, ich danke Dir für deinen Rath; aber es freut mich sehr, daß Du mich als einen Mann anerkennst, der seinen freien Willen hat.«

Er stand auf und verließ rasch das Haus.

Courtin, verwundert über diese Entschlossenheit, schaute ihm nach, bis sich die Thür hinter dem jungen Baron wieder geschlossen hatte; dann griff er hastig nach dem Papier, las den Inhalt noch einmal, legte es sorgfältig zusammen und steckte es in seine Brieftasche.

Gleich darauf glaubte er in der Nähe des Meierhofes sprechen zu hören. Er ging ans Fenster, zog den Vorhang etwas auseinander und sah den jungen Baron vor seiner Mutter stehen.

»Aha! mein junger Hahn!« sagte er höhnisch lachend: »bei mir hast Du gar laut gekräht – aber die alte Henne wird Dich bald zum Schweigen bringen!«

Die Baronin, welche ihren Sohn noch eine kleine Weile vergebens erwartet, hatte über ihr Gespräch mit Courtin nachgedacht und die Anwesenheit Michel’s bei dem Maire für wahrscheinlich gehalten.

Sie war anfangs unschlüssig gewesen, sie trug theils aus Stolz und theils aus Furcht einiges Bedenken, in der Nacht auszugehen; aber endlich hatte doch die Muttersorge den Sieg davongetragen und die Baronin hatte, in einen großen Shawl gehüllt, das Schloß verlassen.

Als sie vor dem Meierhofe angekommen war, hatte sie ihren Sohn aus dem Hause kommen sehen.

Als sie ihn gesund und wohlbehalten wiedersah, hörten ihre Besorgnisse auf und ihr herrlicher Charakter bekam wieder die Oberhand.

Michel fuhr ganz bestürzt zurück, als er seine Mutter bemerkte.

»Folge mir,« sagte sie zu ihm, »mich dünkt, daß es nicht zu früh ist nach Hause zu gehen.«

Michel dachte weder an Widerspruch noch an Flucht; er folgte gehorsam und willenlos wie ein Kind.

Unterwegs wurde zwischen der Baronin und ihrem Sohne kein Wort gewechselt.

Dem jungen Baron war dieses Stillschweigen im Grunde lieber als ein Wortwechsel, in welchem sein kindlicher Gehorsam oder vielmehr seine Charakterschwäche unfehlbar den Kürzeren gezogen hätte.

Als Beide in das Schloß kamen, begann der Tag zu grauen.

Die Baronin, die immer noch kein Wort sprach, führte ihren Sohn in sein Zimmer.

Er fand einen gedeckten Tisch.

»Du wirst wohl hungrig und müde seyn,« sagte die Baronin, auf den Tisch und das Bett deutend, »Du siehst, es ist für den Hunger und für den Schlaf gesorgt.«

Dann entfernte sie sich und verschloß die Thür.

Der junge Baron hörte mit Schaudern, wie der Schlüssel zweimal umgedreht wurde.

Er war eingesperrt.

Er sank ganz trostlos auf einen Sessel.

Die Ereignisse folgten einander so rasch, wie Lawinen, und würden einen kräftigeren Charakter, als der Baron Michel besaß, erdrückt haben.

Er hatte nur einen gewissen Grad von Energie, und diesen hatte er in der Unterhandlung mit Courtin erschöpft. Vielleicht hatte er seinen Kräften zu viel zugemuthet, als er dem Maire gesagt hatte, er wolle wieder nach Souday eilen.

Seine Mutter hatte Recht: er war hungrig und ermüdet. In seinem Alter ist die Natur eine gebieterische Mutter, welche ihre Rechte mit Ungestüm geltend macht.

Uebrigens wurde sein Gemüth auch etwas ruhiger. Die Worte seiner Mutter: »Du siehst, es ist für den Hunger und für den Schlaf gesorgt,« schienen anzudeuten, daß sie nicht wieder in sein Zimmer kommen wollte, ehe er gegessen und geschlafen.

Er hatte also immer noch einige ruhige Stunden, ehe es zu einer Erklärung kam.

Michel leistete in aller Eile den Anforderungen seines Magens Genüge, und nachdem er das Thürschloß untersucht und sich überzeugt hatte, daß er wirklich eingesperrt war, legte er sich zu Bett und schlief ein.

Er erwachte gegen zehn Uhr Morgens.

Die Maisonne schien gar freundlich durch die Fenster und füllte das Zimmer mit einem fast blendenden Licht.

Er öffnete die Fenster und ließ die sanfte wohlthuende Wärme ein.

Die Vögel sangen in dem mit zartem jungen Laube bedeckten Bäumen, die ersten Rosenknospen thaten sich auf, die ersten Schmetterlinge flatterten von Blume zu Blume.

An einem so schönen Tage schien das Unglück festgebannt zu seyn und Niemand erreichen zu können.

 

Der junge Baron schöpfte einige Kraft aus diesem Wiedererwachen der Natur, und erwartete mit mehr Ruhe seine Mutter.

Aber eine Stunde verstrich nach der andern, es schlug zwölf und die Baronin erschien nicht.

Michel bemerkte mit einer gewissen Unruhe, daß der Tisch reichlich genug besetzt war, um nicht nur das gestrige Nachtessen zu liefern, sondern auch die heutigen Magenbedürfnisse zu befriedigen.

Er fing nun an zu fürchten, daß seine Gefangenschaft länger dauern werde, als er geglaubt hätte.

Diese Besorgniß bestätigte sich, als er Zwei und Drei schlagen hörte.

Während er aufmerksam auf das mindeste Geräusch horchte, glaubte er in der Richtung von Montaigu schießen zu hören.

Diese Schüsse hatten die Regelmäßigkeit eines Peletonfeuers. Aber es war nicht möglich zu unterscheiden, ob es wirklich Schüsse waren. Montaigu ist etwa zwei Lieues von La Logerie entfernt; ein fernes Gewitter konnte ein ähnliches Geräusch machen.

Der Himmel war indeß ganz rein und wolkenlos.

Das Schießen dauerte etwa eine Stunde, dann wurde Alles wieder ruhig.

Der junge Baron war so unruhig, daß er außer dem Frühstück gar nichts gegessen hatte.

Er hatte übrigens einen Entschluß gefaßt; sobald es Nacht geworden und Jedermann im Bett wäre, wollte er das Thürschloß mit seinem Messer losschrauben und aus einem Fenster des Erdgeschosses springen, denn die Hausthür würde wahrscheinlich ebenfalls verschlossen seyn.

Diese Möglichkeit zu fliehen, machte dem Gefangenen wieder Appetit. Er ließ sich’s wohl schmecken, denn er hatte aller Wahrscheinlichkeit nach eine stürmische Nacht vor sich, und wollte Kräfte sammeln, um die zu erwartenden Strapazen zu ertragen.

Es war sieben Uhr, als er vorn Tische aufstand. In einer Stunde wurde es Nacht. Er warf sich aufs Bett um die Dunkelheit zu erwarten.

Er hätte gern geschlummert, die Zeit würde ihm dann schneller vergangen seyn; aber er war zu unruhig, er mochte immerhin die Augen schließen, seine beständig lauschenden Ohren vernahmen das mindeste Geräusch.

Zu seinem größten Erstaunen hatte er seine Mutter seit dem frühen Morgen nicht wieder gesehen. Sie müsste doch vermuthen, daß der Gefangene nach Einbruch der Nacht Alles aufbieten werde zu entkommen. Gewiß führte sie etwas im Schilde – aber was konnte sie im Schilde führen?

Plötzlich glaubte der junge Baron das Schellengeläute von Postpferden zu hören.

Er eilte an’s Fenster.

Er glaubte auf der Straße von Montaigu eine Art Gruppe zu bemerken, die sich in der Dunkelheit ziemlich schnell auf das Schloß La Logerie bewegte.

Das Schellengeläute kam immer näher, und endlich hörte er ganz deutlich den Trab von zwei Pferden.

Der Postillon, der das eine Pferds ritt, schnalzte mit der Peitsche, vermuthlich um seine Ankunft anzuzeigen.

Es war nicht mehr zu bezweifeln, es war ein Postillon mit Postpferden.

Der junge Baron warf instinctmäßig einen Blick auf die Nebengebäude, und er sah wie der Reisewagen seiner Mutter aus der Remise gezogen wurde.

Jetzt wurde ihm Alles klar. Die von Montaigu kommenden Postpferde – der mit der Peitsche schnalzende Postillion – der Reisewagen, der aus der Remise hervorgezogen wurde – was anders konnte alles dies bedeuten, als daß seine Mutter abreisen und ihn mitnehmen wollte! Deshalb hatte sie ihn eingesperrt, deshalb hatte sie ihn den ganzen Tag in seinem Zimmer sitzen lassen. Er mußte jeden Augenblick gewärtigen, abgeholt zu werden – und dann ging’s fort, über Stock und Stein.

Die Baronin wußte wohl, welche Gewalt sie über ihren Sohn hatte; sie wußte, daß er sich nicht widersetzen würde.

Dieses Bewußtseyn der Abhängigkeit, von welcher seine Mutter so fest überzeugt war, erbitterte ihn aufs äußerste. Er wußte wohl, daß er keinen Widerstand wagen würde, wenn er ihr gegenüberstände.

Und Mary sollte er verlassen? er sollte verzichten auf das bewegte Leben, in welches ihn die beiden Schwestern eingeweiht hatten? er sollte nicht mitwirken in dem Drama, welches der Graf von Bonneville und sein unbekannter Begleiter in der Vendée aufführen wollten? Das hielt er für unmöglich und zumal für entehrend.

Was würden die beiden Schwestern von ihm denken?

Michel war entschlossen, lieber Alles zu wagen, als eine solche Demüthigung zu dulden.

Er trat ans Fenster und maß mit den Augen die Höhe.

Das Fenster war etwa dreißig Fuß über dem Erdboden.

Der junge Baron sann einige Augenblicke nach. Er hatte einen schweren inneren Kampf zu bestehen.

Endlich schien er seinen Entschluß zu fassen, er ging an seinen Schreibtisch, nahm eine ziemlich beträchtliche Summe in Gold heraus und füllte damit seine Taschen.

Als er eben damit fertig war, glaubte er draußen aus dem Gange Fußtritte zu hören.

Er schloß hastig den Schreibtisch wieder zu, warf sich auf das Bett und wartete.

Aber an dem ganz ungewöhnlich ernsten Ausdrucke seines Gesichtes war zu erkennen, daß sein Entschluß gefasst war.

Worin dieser Entschluß bestand? Dies wird sich aller Wahrscheinlichkeit später zeigen.

Zweiter Theil

I.
Die Schenke Alains

Es war nicht zu verkennen, und selbst die Behörden, die von der Stimmung des Volkes gemeiniglich zu spät Kenntniß bekommen, sahen ein, daß in der Bretagne und in der Vendée ein Aufstand vorbereitet wurde.

Wie Courtin der Baronin de La Logerie erklärt hatte, waren die Versammlungen der Legitimistenhäupter kein Geheimniß mehr; die Namen der Führer, welche sich an die Spitze der Vendéer stellen sollten, waren bekannt und wurden ganz offen genannt; die früheren Eintheilungen in Kirchsprengel, Capitänerien und Divisionen traten wieder ins Leben; die Pfarrer weigerte sich, das »Domine, salvum fac regem Philippum« zu singen, und sprachen in ihren Predigten ganz offen von Heinrich V., dem Könige von Frankreich und von der Regentin Marie Caroline; kurz, die Stimmung war an der Loire, zumal in den Départements der unteren Loire, und Maine und Loire höchst bedenklich, und es war mit jedem Tage ein Ausbruch der inneren Gährung zu erwarten.

Ungeachtet oder vielleicht wegen dieser allgemeinen Gährung versprach der Jahrmarkt zu Montaigu sehr glänzend zu werden.

Obgleich dieser Markt gemeiniglich nur von mittelmäßiger Bedeutung ist. so fanden sich die Landleute doch immer in großer Anzahl ein, aber als ein bedenkliches Anzeichen mochte es gelten, daß sich mitten unter der Menge von breitgeränderten Hirten und Köpfen mit langen Haaren nur wenige Hauben einfanden.

Das weibliche Geschlecht, welches gemeiniglich auf den Jahrmärkten die Mehrzahl bildet, hatte sich zu Montaigu nicht eingefunden.

Am auffallendsten jedoch war bei dieser Menge von Käufern der Mangel an Pferden, Kühen, Schafen, Getreide und anderen Landesproducten. Die Bauern aus der Umgegend führten keine Waaren, sondern nur ihre dicken, mit Leder beschlagenen Stöcke bei sich, und sie hatten gewiß nicht die Absicht, diese zum Verkauf auszubieten.

Der Marktplatz und die einzige lange Straße von Montaigu hatten ein düsteres fast drohendes Aussehen, welches den Jahrmärkten sonst nicht eigen zu seyn pflegt. Einige Gaukler und Marktschreier mochten immerhin ihre Pauken schlagen, ihre Trompeten blasen und ihre Künste anpreisen, sie fanden kein Gehör bei den vorüberwandelnden finsteren Gesichtern.

Wie die Bretagner, ihre nördlichen Nachbarn, sind die Vendéer nicht sehr gesprächig; aber an diesem Tage waren sie noch schweigsamer als sonst.

Die meisten lehnten sich an die Häuser, Gartenmauern und hölzernen Querriegel, mit denen der Marktplatz eingefaßt war, und starrten düster vor sich hin. Andere standen in kleinen Gruppen zusammen, aber diese Gruppen waren eben so schweigsam wie die Einzelnen: sie schienen etwas zu erwarten.

Die Wirthshäuser waren überfüllt, große Massen von Cider, Branntwein und Kaffee wurden bestellt; aber der Vendéer Landmann hat so starke Nerven, dass Flüssigkeiten, selbst in großen Quantitäten genossen, weder auf sein Gesicht noch auf seine Stimmung einen bemerkbaren Einfluß haben. Die Gesichtsfarbe der Zecher war wohl etwas stärker geröthet, die Augen waren wohl etwas feuriger, aber die Leute beherrschten sich mehr als gewöhnlich; sie trauten den Schenkwirthen und den hier und da anwesenden Städtern nicht.

In den Städten, welche an den Hauptverkehrsstraßen der Vendée und Bretagne liegen, huldigt man im Allgemeinen den Ideen des Fortschrittes und der Freiheit; aber diese Ideen verlieren sich allmälig, wenn man weiter in das Innere des Landes kommt. In den Augen der Bauern aber sind die patriotischen Bewohner der Städte Feinde, denen sie alles aus dem großen Aufstande hervorgegangene Unglück zuschreiben.

Die auf dem Jahrmarkte zu Montaigu erschienenen Landleute befanden sich daher unter ihren Gegnern; sie wussten es und beobachteten unter ihrer friedlichen Maske eine Zurückhaltung und Wachsamkeit, wie ein Soldat unter den Waffen.

Unter den Schenkwirthen von Montaigu war ein Einziger, auf den die Vendéer zählen konnten und in dessen Gegenwart sie sich keinen Zwang anthaten.

Die Schenke dieses Mannes war mitten in der Stadt, an der Ecke des Marktplatzes. Ein Seitengässchen führt zu der Maine, welche die Südwestseite der Stadt umfließt.

Diese Schenke hatte kein Schild; die Bestimmung des Hauses war nur aus einem in einer Mauerspalte steckenden Stechpalmenzweige und aus einigen hinter einem bestaubten Fenster ausgestellten Aepfeln zu erkennen. Die gewöhnlichen Gäste bedurften auch keiner äußeren Anzeichen.

Der Wirth hieß Aubin Courte-Joie. Aubin war sein Familienname, Courte-Joie war ein Spitzname, welchen er von seinen Feinden erhalten hatte. Im Alter von zwanzig Jahren war Aubin nämlich so klein und schwächlich gewesen, daß ihn die Conscription von 1812 nicht würdig befunden hatte, unter dem Kaiser zu dienen. Aber im Jahre 1814 hatte die inzwischen um zwei Jahre älter gewordene Conscription viele frühere Bedenklichkeiten aufgegeben. Aubin wurde einberufen, wenn auch nur um auf dem Papier das gegen die coalisirten Mächte zu bewaffnende Heer zu verstärken.

Aber Aubin, durch die frühere Verschmähung seiner Person in seinem Selbstgefühle verletzt, hatte eine unüberwindliche Abneigung gegen den Kriegsdienst bekommen; er beschloß, mit der Regierung zu schmollen, und flüchtete sich unter eine Bande von Mißvergnügten, die sich im Lande umhertrieben.

Je seltener die tauglichen jungen Männer wurden, desto schonungsloser wurden die kaiserlichen Agenten gegen die Widerspenstigen.

Aubin, der keineswegs eitel war, hatte nie geglaubt, daß er in den Augen des großen Napoleon eine so wichtige Person sey; aber er konnte nicht langer daran zweifeln, man suchte ihn überall, sogar in den Wäldern der Bretagne und in den Sümpfen der Vendée.

Die Widerspenstigen wurden von den Gendarmen eifrig verfolgt. In einem der bei diesen Verfolgungen vorgefallenen Scharmützel hatte er durch die Unerschrockenheit, mit der er sein Gewehr abschoß, den Beweis geliefert, daß die Conscription von 1814 nicht ganz Unrecht gehabt hatte, ihn den Erwählten beizuzählen.

In einem solchen Scharmützel war Aubin von einer Kugel getroffen worden und wie todt liegen geblieben.

An demselben Abend fuhr eine Bürgersfrau von Ancenis in einem Einspänner nach Nantes. Es war etwa neun Uhr und folglich ganz dunkel. Das Pferd blieb plötzlich stehen und wollte nicht weiter. Die Bürgersfrau stieg ab und fand Aubin, der mitten auf dem Wege lag.

Solche Vorgänge waren zu jener Zeit nicht selten. Die Bürgersfrau band ihr Pferd an einen Baum und wollte den vermeinten Leichnam in den Graben schleppen, um ihrem Einspänner und vielleicht noch anderen Fuhrwerken Platz zu machen. Aber als sie Aubin anrührte, fühlte sie, daß er noch warm war. Die Bewegung, vielleicht der Schmerz, entriß ihn seiner Ohnmacht; er stöhnte und bewegte den Arm.

Die Bürgersfrau trug ihn nicht in den Graben, sondern in ihren Wagen, und statt nach Nantes zu fahren, begab sie sich nach Ancenis zurück.

Die Witwe war eine Royalistin und sehr religiös. Die Sache, für welche Aubin verwundet worden war, wurde auch von ihr in Schutz genommen.

Man ließ einen Wundarzt kommen.

Dem Unglücklichen waren beide Beine von einer Kugel zerschmettert worden, und man mußte sie ihm abnehmen.

Die Pflegerin hatte, wie es fast immer der Fall ist, ihren Schützling liebgewonnen, und trug ihm nach seiner Genesung Herz und Hand an.

Es versteht sich, daß Aubin den Antrag annahm. Er wurde zum größten Erstaunen seiner Bekannten einer der kleinen Grundbesitzer des Cantons.

Leider war sein Glück nicht von langer Dauer. Seine Frau starb nach einem Jahre; ein von ihr hinterlassenes Testament wurde von ihren Verwandten wegen eines Formfehlers angegriffen, und da das Gericht ihnen die Erbschaft zusprach, so war Aubin wieder so arm wie zuvor.

 

Wegen dieser kurzen Dauer seines Glückes hatten ihn die Einwohner von Montaigu, die ihn beneidet und sich seines Unglückes im Stillen gefreut hatten, den Spitznamen »Courte-Joie« gegeben.

Die Erben, welche das Testament umgestoßen hatten, gehörten der liberalen Partei an, es war daher natürlich, daß Aubin’s Zorn über den Verlust des Prozesses auf die ganze Partei überging. Sein Haß gegen die Patrioten und die Richter, denen er die schreiendste Ungerechtigkeit zuschrieb, war durch die Ereignisse angefacht worden und erwartete nur eine günstige Gelegenheit, sich durch Thaten kundzugeben. Bei seinem düstern, durch sein Gebrechen verbitterten Charakter war allerdings sehr viel von ihm zu fürchten.

Aubin konnte nicht mehr arbeiten, und trotz seines großen Widerwillens gegen das Stadtleben mußte er in der Stadt eine Zuflucht und einen Erwerb suchen. Mit den Trümmern seines kurzen Wohlstandes zog er nach Montaigu, mitten unter Menschen, die er haßte, und errichtete die Schenke, in welcher wir ihn achtzehn Jahre nach den eben erzählten Ereignissen wiederfinden.

Die royalistische Meinung hatte im Jahr 1832 keinen wärmeren Vertheidiger als Aubin Courte-Joie; durch die Förderung dieser Sache befriedigte er ja zugleich seine persönliche Rache.

Ungeachtet seiner hölzernen Beine war Aubin der thätigste, intelligenteste Anstifter des bevorstehenden Aufstandes. Er war gleichsam ein vorgeschobener Posten mitten in dem feindlichen Lager; er benachrichtigte die Führer der Vendéer von allen Maßregeln, welche die Regierung nicht nur im Bezirk Montaigu, sondern in den angrenzenden Départements zu ihrer Vertheidigung ergriff.

Die herumziehenden Bettler, die von Niemand beachtet oder mit Argwohn betrachtet werden, waren seine Hilfstruppen, die er zugleich als Kundschafter und als Vermittler seines Verkehres mit den Landleuten sehr geschickt benützte.

Seine Schenke war daher der Sammelplatz der sogenannten Chouans; es war das einzige Stadthaus, wo sie sich offen aussprechen konnten.

An dem Markttage schien diese Schenke Aubin’s nicht so sehr mit Gästen angefüllt, als man hätte vermuthen können. In der ersten Stube saßen höchstens zwölf Bauern, welche offenbar der wohlhabenden Classe angehörten.

Die Gaststube war von einem zweiten Zimmer, in welchem Aubin wohnte und schlief, durch eine mit bunten baumwollenen Vorhängen versehene Glaswand getrennt. In diesem Zimmer pflegte Aubin bei besonderen Gelegenheiten seine Freunde zu empfangen.

Das zweite Zimmer war, dieser mehrfachen Bestimmung entsprechend, behaglicher eingerichtet, als die Schenkstube. Im Hintergrunde stand ein sehr niedriges Himmelbett mit grünen Vorhängen, und neben demselben lagen zwei große Fässer, aus denen man für die Gäste den Cider und Branntwein holte. Auf der andern Seite war ein breiter und hoher Kamin. In der Mitte stand ein eichener Tisch, von einer Bank umgeben. An einer Wand stand eine Truhe, und über derselben war ein Brett befestigt, auf welchem sechs Teller und sechs zinnerne Krüge standen.

Die Verzierungen des Zimmers bestanden aus einem Crucifix, einigen Heiligenbildern von Wachs und grob colorirten Lithographien.

Am Markttage hatte Aubin dieses Zimmer seinen zahlreichen Freunden geöffnet. Wenn sich in dem Schenkzimmer nur zehn bis zwölf Gäste befanden, so konnte man in der Hinterstube mehr als zwanzig Personen zählen.

Die meisten dieser Leute saßen um den Tisch und tranken und sprachen sehr eifrig mit einander. Einige nahmen runde Brotkuchen aus großen Säcken, zahlten sie, legten sie in Körbe und reichten diese aus einer in der Ecke befindlichen Thür, vor welcher Weiber und Bettler warteten.

Zu dieser Thür gelangte man aus dem oben erwähnten Seitengässchen über einen kleinen Hof.

Aubin Courte-Joie saß auf einem hölzernen Armsessel unter dem Caminmantel. An seiner Seite saß ein Mann in einem ziegenledernen Rock und mit einer schwarzen wollenen Mütze. Zwischen seinen Füßen lagen zwei Hunde. Es ist unser alter Bekannter Jean Oullier.

Hinter ihnen stand Aubins Nichte, eine junge hübsche Bäuerin, die er zur Bedienung der Gäste zu sich genommen hatte; sie schürte das Feuer und achtete auf ein Dutzend brauner Schalen, in denen der sogenannte »Ciderbraten« brodelte.

Während Aubin sehr lebhaft, wenn auch leise, mit Jean Oullier sprach, ertönte in der Schenkstube ein leiser Pfiff, dem Schreien des Rebhuhnes ähnlich.

»Wer kommt da?« fragte Aubin und beugte sich vor, um durch eine in den Vorhängen gelassene kleine Oeffnung zu schauen. »Der Mann von La Logerie! Achtung!«

Sogleich herrschte in Aubin’s Zimmer die größte Stille und Ordnung. Die kleine Thür hatte sich leise geschlossen, die Weiber und Bettler waren verschwunden. Die Männer, welche die Brotkuchen zählten, hatten ihre Säcke zugebunden und sich darauf gesetzt. Die Trinker schwiegen, einige von ihnen waren sogar wie auf Commando eingeschlafen. Auch Jean Oullier hatte sich gegen das Feuer gekehrt, so daß seine Gesichtszüge nicht sogleich bemerkt werden konnten.

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