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Erster Teil

Vorwort an den Leser

Es ist eine sonderbare Geschichte, die dem geneigten Leser erzählt werden soll; sie ist von einem Manne geschrieben, der außer dieser Geschichte nie etwas geschrieben hat.

Es ist ein Abschnitt seines Lebens, oder vielmehr sein ganzes Leben.

Das leben des Menschen ist nicht nach der Anzahl der von ihm durch lebten Jahre zu messen, sondern nach den Minuten, in denen sein Herz geschlagen hat.

Mancher Greis, der im Alter von achtzig Jahren stirbt, hat in der Wirklichkeit nur ein Jahr, einen Monat, einen Tag gelebt.

Leben ist glücklich sein oder leiden.

Man lasse vor einem sterbenden alle durchlebten Tage vorüberziehen, er wird nur die anerkennen, die ihm mit lächelnden Munde oder thränenfeuchten Augen erscheinen.

Die übri-....

Solche Tage hat er verlebt, aber nicht gelebt.

Am längsten gelebt hat der Mensch, der am meisten erfahren und empfunden hat.

* * *

Ich hatte einen Freund.

Es ist bekannt wie weit man den Namen Freund auszudehnen pflegt.

In unserer conventionellen Sprache bedeutet ein Freund nicht immer einen Genossen, einen Cameraden, ein Freund heißt oft nichts als ein Bekannter.

Für uns soll dieses Wort weder einen Genossen noch einen Cameraden, sondern einen angenehmen lieben Bekannten bedeuten.

Wir werden ihn nur mit dem Namen Max bezeichnen, die weibliche Hauptperson aber Edmée nennen.

Ich hatte Max auf einer Jagdpartie im Park von Campiegne zu der Zeit, wo der Herzog von Orleans das Lager befehligte, kennen gelernt.

Es war im Jahre 1836, ich schrieb damals den Caligula zu Corneille.

Max war ein Schulcamerad des Herzogs von Orleans, und etwa zehn Jahre jünger als ich.

Er war ein feingebildeter junger Mann nein fünf- bis sechsundzwanzig Jahren, von vornehmen Manieren und Gentleman vom Kopf bis zur Zehe.

Ich entlehne den Engländern diesen uns mangelnden Ausdruck, um genau zu bezeichnen was ich sagen will.

Ohne reich zu seyn, hatte er einiges Vermögen ohne schön zu seyn, war er einnehmend; ohne gelehrt zu seyn, hatte er viel gelernt; ohne Maler zu seyn, war er Künstler und zeichnete unglaublich schnell und treffend die Züge eines Gesichtes oder die Umrisse einer Landschaft.

Er war ein großer Freund von Reisen. Er kannte England, Deutschland, Italien, Griechenland, Constantinopel.

Während der fünf oder sechs Jagden, die wir mit dem Herzoge von Orleans machten, gewannen wir einander lieb, wir wählten unsere Plätze neben einander.

So war’s auch bei Tische, wo wir uns nach Belieben setzen konnten; ein Blick genügte, um uns gegenseitig zu nähern, und während der ganzen Mahlzeit berührten sich unsere Stuhle und wir plauderten nach Herzenslust.

Er gehörte zu den wenigen Menschen, die geistreich sind ohne es zu ahnen.

Seine Nachbarschaft war mir daher höchst angenehm: auf der Jagd, weil er vorsichtig, bei Tische, weil er unterhaltend war.

Ich glaube, daß er mir ebenfalls sehr zugethan war.

Wir hatten Übrigens Vieles mit einander gemein; wir spielten nicht, rauchten nicht und tranken nur Wasser.

Er sagte mir sehr oft:

»Wenn Sie einmal eine Reise machen, so zeigen Sie mir’s an, wir reisen zusammen.«

* * *

Im Jahre 1838 reiste ich nach Italien und ich hörte nichts von Max. Im Jahre 1842 erfuhr ich in Florenz den Tod des Herzogs von Orleans: ich reiste mit Extrapost nach Paris zurück und kam eben noch zur rechten Zeit an, um dem Trauergottesdienst in der Notredamekirche beizuwohnen und mich dem Leichenzuge nach Dreux anzuschließen.

Die erste Person, die ich in der Kirche bemerkte, war Max.

Er gab mir durch einen Wink zu verstehen, daß neben ihm auf den stufenweise erhöhten Bänken ein Platz leer sey.

Ich stieg zu ihm hinauf; wir begrüßten uns mit Thränen und setzten uns schweigend Hand in Hand neben einander.

Wir hatten offenbar ganz gleiche Gedanken: wir dachten in der schwarz ausgeschlagenen Kirche an die Zeit zurück, wo wir neben einander an der Tafel des unglücklichen Prinzen gesessen.

Wir wechselten nur wenige Worte während der Trauerfeierlichkeit.

»Sie gehen doch mit nach Dreux?«

»Ja.«

»Wir können ja mit einander gehen.«

»Sehr gern.«

Wir begaben uns nach Dreux und blieben bis zur Beisetzung der Leiche bei dem Sarge.

Die Freundschaft und innige Zuneigung, die wir Beide fast in gleichem Maße einem Dritten widmeten – ich will nicht sagen einem Prinzen, denn für uns, die wir mit dem Ehrgeiz nichts zu thun hatten, war der Herzog von Orleans kein Prinz – diese Freundschaft für einen Dritten knüpfte die unsrige fester; es war als ob wir uns den Antheil, der dem erlauchten Todten nicht mehr gewidmet werden konnte, gegenseitig zuwendeten.

Wir begaben uns zusammen nach Paris zurück, und als wir schieden, sagte er zum zweiten oder dritten Male:

»Wenn Sie eine Reise machen, so schreiben Sie mir.«

»Aber wo sind Sie zu finden?« fragte ich.

Er gab mir die Adresse seiner Mutter.

»Dort,« antwortete er, »weiß man wo ich bin.«

* * *

Im Jahre 1846, nemlich zehn Jahre nach der Zeit, wo ich Max zum ersten Male gesehen hatte, entschloß ich mich, eine Reise nach Spanien und Afrika zu machen.

Ich schrieb an Max: »Wollen Sie die Reise mitmachen?«

Den Brief schickte ich an die angegebene Adresse.

Zwei Tage nachher erhielt ich folgende Antwort:

Unmöglich, lieber Freund. Meine Mutter liegt im Sterben. Beten Sie für mich.

Max.«

Ich reiste ab. Die Reise dauerte sechs Monate. Nach meiner Rückkehr übergab man mir alle in meiner Abwesenheit eingelaufenen Briefe.

Alle Briefe, deren Schriftzüge mir unbekannt waren, warf ich ungelesen in’s Feuer.

Unter den bekannten Schriftzügen war ein Brief von Max.

Ich erbrach den Brief hastig; er enthielt nur folgende Worte:

Meine Mutter ist todt. Beklagen Sie mich.

Max«
* * *

Das Schloß, welches die Mutter meines Freundes bewohnt hatte, lag in der Picrardie, unweit La Fére.

Ich reiste noch denselben Tag ab, um Max zu trösten, wenigstens zu begrüßen.

In La Fére nahm ich einen Wagen und fuhr nach dem Schlosse Friéres.

Das Schloß wurde mir von weitem von meinem Kutscher gezeigt. Es stand am Abhange eines schön bewaldeten Hügels, welchem große freie Rasenplätze ein parkartiges Aussehen gaben.

Alle Fenster waren geschlossen. Ich vermuthete, daß Max abwesend sey, aber ich setzte doch meinen Weg fort, ich wollte wenigstens Gewißheit haben.

Vor dem Gitterthor ließ ich anhalten. Ein alter Diener erschien, um mich einzulassen.

Ich sage Diener und nicht Bedienter; die alten Diener werden in Frankreich immer seltener, in zwanzig Jahren wird es nur noch Bediente, aber keine Diener mehr geben.

Der erscheinende Diener gehörte zu dem Stamme, welcher sagt: »Unsere gute Dame« und »Unser junger Herr.«

Ich fragte nach Max.

Der Diener schüttelte den Kopf.

»Drei Monate nach dem Tode unserer guten Dame,« sagte er, »ist unser junger Herr auf Reisen gegangen.«

»Wo ist er?«

»Das weiß ich nicht.«

»Wann wird er wieder kommen?«

»Das kann ich auch nicht sagen.«

Ich nahm mein Federmesser aus der Tasche, schnitt ein Kreuz in die Mauer und schrieb darunter: Amen!

»Wenn euer Herr zurückkommt,« sagte ich zu dem alten Diener, »so saget ihm, ein Freund von ihm sey hier gewesen, und zeiget ihm das.«

»Wollen Sie mir Ihren Namen nicht sagen?«

»Das ist nicht nöthig, er wird mich leicht erkennen.«

Ich reiste ab.

* * *

Ich sah Max nicht wieder. Ich erkundigte mich oft nach ihm bei gemeinsamen Freunden, aber Niemand wußte was aus ihm geworden war. Der am besten unterrichtete meinte, er sey in Amerika.

Vor vierzehn Tagen erhielt ich aus Martinique ein großes Parket.

Ich erbrach es mit begreiflicher Neugierde. Es war ein Manuskript.

Im ersten Augenblicke erschrak ich, denn ich glaubte nicht zu Manuscripten, die über den atlantischen Ocean kamen, verurtheilt zu seyn.

Ich war im Begriffe es wegzuwerfen, als meine Aufmerksamkeit durch den Titel gefesselt wurde.

Es war ein Kreuz und darunter stand das Wort Amen!

Ich erkannte nun auch die Schriftzüge.

»O, es ist von Max!« sagte ich.

Und ich las, was ich dem Leser mittheilen will.

I

Amen!
Insel Martinique. Port-Royal. 7.November 1856

Sobald als es mir gestattet ist. ein Lebenszeichen zu geben« fühle ich das Bedürfniß mich Ihnen anzuvertrauen, lieber Freund, und Ihnen die Ereignisse zu erzählen, die mich hieher geführt haben.

Der Tod der Person, die am meisten Ursache hatte, mein Stillschweigen zu wünschen, erlaubt mir Ihnen Dinge zu erzählen, die bei Lebzeiten dieser Person in das undurchdringlichste Geheimniß gehüllt bleiben mußten.

Die letzten Nachrichten, welche Sie unmittelbar von mir erhielten, war der Brief, worin ich Ihnen schrieb:

»Meine Mutter ist todt, beklagen Sie mich!«

Da meine Mittheilungen wahrscheinlich nur von Ihnen gelesen werden, so erlauben Sie mir, daß ich von meiner Wenigkeit ganz offen rede.

Ob es Vertrauen zu Ihnen, ob es Eigendünkel von mir ist, das weiß ich nicht, aber es scheint mir, daß ich für Sie in Bezug auf die Anatomie des Herzens etwa dasselbe thun werde, was ein Mann der Wissenschaft für einen Arzt thun würde, wenn er zu ihm sagt:

 

»Ich habe an einer schmerzhaften innerlichen Krankheit gelitten; jetzt bin ich genesen; secriren Sie mich lebendig, damit Sie die Spuren der Krankheit sehen.«

Vide manus, vide pedes, vide latus!

Aber um mich wohl zu verstehen, lieber Freund, müssen Sie mich genau kennen lernen.

Meine einzige Wissenschaft ist, wie ich glaube, die Selbstkenntniß, und hierin habe ich die Vorschrift des Weisen befolgt.

Als ich Sie zum ersten Male in Compiégne sah, war ich fünfundzwanzig Jahre alt; ich bin im Jahre 1811 geboren. Als ich Sie zum letzten Male in Dreux sah, war ich einunddreißig; als ich meine Mutter verlor, fünfunddreißig.

Meine Mutter war mir Alles. Mein Vater hatte als Oberst eines Uhlanenregimentes den russischen Feldzug mitgemacht. Meine Mutter, die mich jeden Morgen in meiner Wiege küßte, benetzte eines Morgens meine Wangen mit Thränen.

Mein Vater war bei Smolensk gefallen. Sie war Witwe, ich war eine Waise. Ich war der einzige Sohn« sie lebte nur für mich.

Meine Mutter war eine hochgebildete, zumal feinstfülende Frau; sie beschloß daher, meine erste Erziehung, die wichtigste, welche die Blüthen treibt, aus denen einst die Früchte reifen sollen, keiner fremden Person anzuvertrauen.

Sie konnte mich ohne fremde Beihilfe lesen, schreiben und rechnen lehren; sie konnte mich in den Anfangsgründen der Geschichte, Geographie und Musik, sowie im Zeichnen unterrichten.

In dieser letzteren Kunst war sie die Schülerin ihres Oheims Prudhon, dessen Werth man nach seinem Tode anerkannt hat, nachdem er bei seinen Lebzeiten mit Mangel und Elend gekämpft.

Die erste Erinnerung, die ich von meiner Mutter habe, zeigt sie mir als eine sehr schöne schwarzgekleidete Frau.

Sie war dreißig Jahre alt, als mein Vater starb; sie war seit zehn Jahren vermält, eine ältere Schwester war gestorben.

Ich erinnere mich nicht, sie ein einziges Mal lachen gesehen oder gehört zu haben; aber sie lächelte, wenn sie mich küßte oder mir einen Verweis gab. Es blieb mir überlassen, dieses doppelte Lächeln zu unterscheiden.

Meine Muttter war sehr religiös, nicht vor den Leuten, sondern im Herzen. Sie lehrte mich zumal Ehrerbietung vor den symbolischen Dingen. Ich glaube nie laut in einer Kirche gesprochen zu haben, nie ohne mich zu verneigen an einem Kreuz vorübergegangen zu seyn.

Diese Verehrung für die Symbole des Glaubens zog mir oft Neckereien von meinen Gespielen zu; ich antwortete nicht darauf.

Hinsichtlich der Priester stand es mir frei, sie nach ihren Handlungen zu beurtheilen, wie alle anderen Menschen. Nach der Ansicht meiner Mutter war der Priester kein mit besonderen Vorrechten ausgerüstetes Wesen, sondern ein Mann, der größere Verpflichtungen hat als andere Menschen und dieselben gewissenhaft halten muß. Den Priester, der seine Pflichten nicht erfüllt, stellte sie in gleichen Rang mit dem Kaufmann« der seine Verbindlichkeiten nicht erfüllt; nur mit dein Unterschiede, daß der Letztere nur fallire, der Erstere aber völlig Bankerott mache.

Sie kennen das Schloß Frières, lieber Freund, Sie sind da gewesen, und der Titel dieses Manuscriptes beweist Ihnen, daß ich Ihre Handschrift erkannt habe.

Das Schloß ist im siebzehnten Jahrhundert erbaut worden und die Bäume des Parkes sind eben so alt.

Ich verlebte dort meine Kindheit bis zum zwölften Jahre.«

Nie sagte meine Mutter zu mir: »Max, Du mußt arbeiten;« sie wartete immer, daß ich sie darum bat.

»Was willst Du machen? fragte sie mich dann.«

Und fast immer wählte ich selbst die Lection, die ich zu nehmen wünschte.

Meine Mutter hatte mich gewöhnt, meine Arbeitsstunden als Erholungsstunden zu betrachten; sie marterte mich nicht mit mechanischem Auswendiglernen, sie lehrte mich Geschichte, Geographie, Musik; sie erzählte mir eine historische Begebenheit oder schilderte mir ein Land.

Was sie mir gesagt hatte, blieb tief in meinem Gedächtnisse haften; was sie mir erzählt hatte, wiederholte ich ihr den folgenden Tag.

Sie spielte mir eine Melodie auf dem Clavier vor und in den meisten Fällen konnte ich am andern Morgen dieselbe Melodie spielen.

So gingen wir vom Einfachen zum Zusammengesetzten über. Die Schwierigkeiten, die natürlich nicht ausblieben, wurden nach meinen Kräften so gut vertheilt, daß ich sie nicht für Schwierigkeiten hielt und sie überwand, ohne sie gesehen zu hoben.

Das Zeichnen lernte ich ohne Unterricht; meine Mutter gab mir, als ich noch ein Kind war, einen Bleistift in die Hand und forderte mich auf zu copiren.

»Was soll ich denn copiren?« fragte ich.

»Alles was Du siehst, jenen Baum, jenen Hund, jenes Huhn.«

»Ich kann’s nicht.«

»Versuch’s nur.«

Ich versuchte es; die ersten Versuche waren abgeschmackt; nach und nach aber begann der Block eine Form anzunehmen, der Embryo erschien, die Umrisse wurden bemerkbar, dann die Schatten, endlich die Perspective. Ich erinnere mich, daß Sie sich über die Leichtigkeit, mit der ich eine Skizze entwerfe, gewundert haben.

»Wer hat Ihnen Unterricht im Zeichnen gegeben?« fragten Sie mich einst.

»Niemand,« antwortete ich.

Wie undankbar war ich1 Ich hatte ja zwei geduldige, zärtliche Lehrerinnen gehabt: meine Mutter und die Natur.

Nie habe ich die den Kindern sonst gewöhnlich eigene Furchtsamkeit gekannt; Tag und Nacht waren mir ganz gleichgültig; ich betrachtete einen Friedhof mit Ehrerbietung, aber nie mit Furcht.

Kurz, ich habe nie gewußt was Furcht oder Schrecken war. Ich war schon früh gewöhnt gewesen, sowohl im Dunkeln als am Tage im Park umherzulaufen, und so war ich mit jedem nächtlichen Geräusch vertraut geworden. Das abendliche Leben und Treiben der Thierwelt war mir genau bekannt; ich wußte den Flug der Nachtschwalbe von dem Fluge anderer Vögel, den leisen Tritt des Fuchses von dem des Hundes zu unterscheiden; ich kannte den Gesang des Rothkehlchens wie des Finken oder Hänflings.

Sie sagten oft zu mir: »Warum schreiben Sie nicht? Warum machen Sie keine Gedichte?« Ich antwortete Ihnen dann naiv oder stolz, wie Sie wollen: »Weil ich in Versen nie schreiben würde wie Hugo, in Prosa nicht wie Chateaubriand.«

Aber an Poesie fehlte es mir keineswegs, lieber Freund, ich wußte ihr nur keine Form zu geben; ich hatte das Herz und nicht die Hand; ich fühlte, aber ich trug Bedenken, meinen Gefühlen einen Ausdruck zu geben.

Sie sehen, daß ich mich endlich dazu entschlossen habe, denn ich sende Ihnen an zweihundertdreißig Seiten von einer Handschrift; ich habe nur zu spät angefangen.

Als ich mein zwölftes Jahr erreicht hatte, sah meine Mutter ein, daß es Zeit sey, mich der Leitung von Männern zu übergeben.

Die Erziehung konnte nach ihrer Meinung nur in Paris vollendet werden, und da sie mich nicht verlassen wollte, entschloß sie sich, ihren Wohnsitz in die Hauptstadt zu verlegen.

Sie gab mich in das College Henri IV. und miethete sich in der Nähe ein, um mich an meinen freien Tagen bei sich haben zu können.

Ich blieb sieben Jahre im College und hatte in dieser ganzen Zeit – ein vielleicht beispielloser Fall – nicht ein einziges Mal Arrest.

Ich wüßte, daß meine Mutter mich erwartete.

Wenn die Ferien begannen, so flüchtete ich mit meiner Mutter nach Frières.

O! wie groß war meine Freude, wenn ich alle Freunde meiner Kindheit, Hausgeräthe, Hunde, Bäume, Bäche wiedersah!

Schon früh hatte mir meine Mutter eine Flinte, mich selbst aber dem Waldhüter, einem gewandten, vorsichtigen Manne, in die Hände gegeben. Sie wissen, daß er einen ziemlich guten Jäger aus mir gemacht hat.

Im Collège Henri IV. machte ich, wie Sie wissen, die Bekanntschaft des unglücklichen Herzogs von Orleans, bei welchem wir uns zuerst sahen.

Das Jahr 1830 kam; sein Vater wurde König, er selbst Kronprinz; ich gehörte zu seinen vertrauten Freunden: er ließ mich kommen und fragte mich was er für mich thun könne.

Ich gestand ihm aufrichtig, ich sey allen ehrgeizigen Bestrebungen von jeher fremd geblieben, ich sey immer ein Glückskind gewesen; warum sollte ich auf der einmal betretenen Bahn des Glückes nicht bleiben?

Ich dankte ihm übrigens für seine Güte und sagte, das ich meine Mutter in Rath nehmen würde.

Ich begab mich nach Hause und erzählte meiner Mutter, was vorgegangen war.

»Nun« was hast Du beschlossen?« fragte sie.

»Nichts liebe Mutter; was räthst Du mir?«

»Ich werde vielleicht eine sonderbare Sprache führen, erwiederte sie; »aber ich will nach meinem Gefühl und Gewissen mit Dir sprechen.«

In dem Tone meiner Mutter lag eine gewisse Feierlichkeit, an welche sie mich nicht gewöhnt hatte.

Ich sah sie an. Sie lächelte.

»Bis jetzt,« begann sie, »bin ich deine Mutter, dein weiblicher Mentor gewesen; ich will jetzt mit Dir reden, als ob ich dein Vater wäre.«

Ich faßte ihre beiden Hände und küßte sie.

»Sprich, liebe Mutter,« sagte ich.

Sie stand vor mir, ich hatte meinen Kopf auf die Hand gestützt, mein Blick war zu Boden gesenkt. Ich lauschte auf ihre Stimme, die mir von oben zu kommen schien, wie die Stimme Gottes.

»Max,« sagte sie, »ich weiß, daß man in unseren sozialen Verhältnissen die Wahl eines Berufes für nothwendig hält. Ich bin nur ein schwaches Geschöpf und vermag keine Meinung, und wäre sie auch irrig, zu widerlegen; aber ich glaube, daß jeder redlich denkende Mann sich vor Allem bestreben muß das Böse zu vermeiden, das Gute zu thun. Wir besitzen ein ganz unabhängiges Vermögen, eine jährliche Rente von vierzigtausend Francs; von heute an trete ich Dir vierundzwanzigtausend ab und behalte sechzehntausend für mich.«

»Mutter, ich kann es nicht annehmen —«

»Es ist genug für mich. Ein junger Mann, der vierundzwanzigtausend Livres Renten hat, muß übrigens immer in der Lage seyn, einem Freunde mit tausend oder fünfzehnhundert aus der Verlegenheit zu helfen. Wenn ich einmal tausend oder fünfzehnhundert Franks brauche, so werde ich mich an Dich wenden«

Ich schüttelte den Kopf, aber ich wagte nicht die Augen aufzuschlagen.

Meine Augen waren mit Thränen gefüllt.

»Dein künftiger Beruf,« fuhr sie fort, »ist keineswegs Sache der Berechnung, sondern der freien Wahl. Wenn Du ein großes Talent hättest, so würde ich sagen: werde ein Maler oder Dichter, oder vielmehr Du würdest es seyn, ohne daß ich Dirs sage. Wenn Du ein kaltes Herz und einen scharfen durchdringenden Verstand hättest, so würde ich Dir sagen: wähle die diplomatische Laufbahn. Wenn jetzt Krieg wäre, so würde ich Dir rathen, Soldat zu werden. Du hast ein gutes Herz und einen klaren Verstand; ich sage Dir also ganz einfach: Bleibe was Du bist, lebe für Dich. – Es gibt wenige Berufsarten, in denen man nicht einen Diensteid ablegen muß. Ich kenne Dich: Du wärst deinen Eid halten; wenn ein Regierungswechsel sitttfindet, wirst Du deine Entlassung nehmen und deine Laufbahn ist abgebrochen. – Mit vierzigtausend Livres Renten —« Ich fuhr auf, aber meine Mutter setzte hinzu: »Du wirst sie einst haben. Ein Mann, der sein Geld gut zu verwenden weiß, ist kein unnützes Mitglied der Gesellschaft. Du wirst auf Reisen gehen; die Reisen dienen zur Vollendung der wahren Bildung. Ich weiß es wohl, daß es mir wehe thun wird, Dich zu verlassen« aber ich selbst werde Dir rathen, Dich von mir zu trennen. Wer ein unabhängiges Vermögen besitzt und von der Regierung eine Anstellung erbittet oder annimmt, entzieht diese Anstellung irgend einem armen Teufel« der sie braucht. Der Mann, welcher den Dir angebotenen Platz erhält, kann vielleicht seine Familie dadurch glücklich machen. Wenn wieder eine Revolution ausbrechen sollte und Du glaubst, daß deine Klugheit, Beredsamkeit oder Biederkeit dem Vaterlande nützlich seyn könne, so wähle wohl deine Partei, um sie nie zu verläugnen oder zu verrathen, und biete dem Vaterlande deine Kraft und Redegabe an. Wenn Frankreich vom Feinde bedroht werden sollte, so biete deinen Arm und dein Leben an, ohne an mich zu denken: ich bin ja nur deine zweite Mutter, das Vaterland hat die ersten Ansprüche an Dich. Der grundsatzlose verderbte Mensch muß durch irgend eine strenge Pflicht geleitet werden., der Biedermann schafft sich selbst die Pflicht, sie braucht ihm nicht anfgelegt zu werden. Uebrigens ziehe die Sache in Erwägung, Du hast Zeit dazu. Denke über meine Worte nach: ich gebe Dir ja nur einen Rath und keinen Befehl.

Ich küßte meiner Mutter die Hände mit aufrichtiger Dankbarkeit, und am folgenden Tage dankte ich dem Herzog von Orleans für seine Güte, erklärte ihm aber zugleich, daß ich für keinen Beruf eine entschiedene Neigung fühlte und daher frei und unabhängig zu bleiben wünschte.

Der Prinz, der so viele Gesuche zurückweisen mußte, war anfangs erstaunt über diese ablehnende Antwort; aber nach kurzem Besinnen erwiederte er:

 

»Bei Ihrem Charakter haben Sie vielleicht Recht; ich bitte daher nur noch um die Fortdauer Ihrer Freundschaft.«

Dann setzte er mit dem Ihnen bekannten freundlichen Lächeln hinzu:

»Natürlich, so lange ich derselben würdig bin.«

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