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Die Zwillingsschwestern von Machecoul

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»Es ist unmöglich, Henri. Glaube nicht, daß ich um meinetwillen meine Mutter fürchte; aber ich würde deine Sicherheit gefährden, wenn ich Dich in das Schloß aufnehmen wollte.«

»Wie so?«

»Meine Mutter ist gewiß noch wach; sie erwartet mich, sie wird uns kommen sehen. Und wie sollen wir dann deine Verkleidung, zumal die deines Begleiters erklären?«

»Er hat Recht,« sagte Petit-Pierre.

»Aber was ist zu thun?«

»Ueberdies,« setzte Michel hinzu, habe ich nicht blos meine Mutter zu berücksichtigen.«

»Wen denn sonst noch?«

»Warte nur,« erwiderte der junge Baron, indem er sich besorgt umsah, »wir wollen uns noch weiter von dieser Hecke, von diesem Busch entfernen.«

»Was hast Du denn zu fürchten?«

»Es kommt auch Courtin in Betracht.«

»Wer ist Courtin?«

»Erinnerst Du Dich nicht mehr des Pächters Courtin«

»Ja wohl – ein guter Kerl, der Dir immer gegen Jedermann, selbst gegen deine Mutter, Recht gab.«

»Ja, der ist’s. Courtin ist Maire und ein eifriger Philippist. Wenn er Dich in der Nacht und in diesem Anzuge sähe, würde er Dich ohne Weiteres arretiren lassen.«

»Das ist allerdings in Erwägung zu ziehen,« sagte Bonneville nachsinnend. »Was sagt Petit-Pierre dazu?«

»Ich sage gar nichts dazu, lieber Rameau-d’or; ich lasse Sie für mich denken.«

»Und das Resultat ist, daß Du uns deine Thür verschließest,« setzte Bonneville hinzu.

»Was kann Dir daran liegen,« sagte der junge Baron, dessen Augen leuchteten, »wenn ich Dir eine andere Thür öffne, die Dir einen sichereren Versteck bietet als das Schloß La Logerie?«

»Es liegt mir sehr viel daran. Was sagt mein junger Reisegefährte dazu?«

»Ich gestehe, daß ich todtmüde bin,« erwiderte Petit-Pierre, »ich sehne mich nur nach Ruhe.«

»Dann will ich den Weg zeigen,« sagte der junge Baron.

»Warte. Ist es sehr weit?«

»Eine Stunde, nicht weiter.«

»Fühlt sich Petit-Pierre stark genug?« fragte Bonneville.

»Petit-Pierre wird alle seine Kräfte sammeln,« antwortete der kleine Bauer lachend. »Wir sollen dem Baron Michel folgen.«

»Gut,« sagte Bonneville. »Vorwärts, Baron!«

Die kleine Gruppe, die seit zehn Minuten stillgestanden, setzte sich in Bewegung.

Aber kaum war Michel fünfzig Schritte gegangen, so klopfte ihm sein Freund auf die Schulter und fragte:

»Wohin führst Du uns?«

»Sey ganz unbesorgt.«

»Ich bin es, wenn Du mir versprichst, daß Petit-Pierre, der wie Du siehst, von zartem Körperbau ist, ein gutes Abendessen und ein gutes Bett finden wird.«

»Er wird Alles finden, was ich selbst ihm anzubieten hätte: das beste Gericht aus der Speisekammer, den besten Wein aus dem Keller, das beste Bett im Schlosse.«

Man machte sich wieder auf den Weg.

»Ich will vorauseilen, damit Ihr nicht warten müßt,« sagte der junge Baron.

»Noch einen Augenblick Geduld,« sagte Bonneville; – wohin eilst Du?«

»In das Schloß Souday.«

»Wie, nicht in das Schloß La Logerie?«

»Ja, Du kennst es ja, mit seinen spitzen Thürmen und Schieferdächern, links von der Straße, vor dem Walde von Machecoul.«

»Das Schloß, wo die Wölfinnen hausen?«

»Ja, wo die Wölfinnen hausen – wenn Du willst.«

»Und dorthin führst Du uns?«

»Ja wohl.«

»Hast Du auch wohl bedacht, Michel, was Du thust?«

»Ich stehe für Alles.«

Der junge Baron, der seinem Freunde genügende Auskunft gegeben zu haben glaubte, eilte nun mit einer Schnelligkeit voraus, von welcher er bereits an dem Tage, als er für den kranken Tinguy den Arzt geholt, einen unleugbaren Beweis gegeben hatte.

»Nun, was sollen wir thun?« fragte Petit-Pierre.

»Wir haben keine Wahl, wir müssen ihm folgen.«

»In das Schloß der Wölfinnen?«

»Ja, in das Schloß der Wölfinnen.«

»Um den Weg abzukürzen, lieber Rameau-d’or,« sagte Petit-Pierre, »erzählen Sie mir etwas von den Wölfinnen.«

»Ich will Ihnen wenigstens sagen, was ich weiß.«

»Mehr kann ich nicht verlangen.«

Der Graf von Bonneville, neben dem Pferde hergehend und die Hand auf den Sattelknopf gelegt, erzählte nun Petit-Pierre die im Département der Niederloire und in den benachbarten Départements verbreitete Legende über die beiden unbändigen Erbinnen des Marquis von Souday, über ihre Meuten und tollen Wolfshetzen und Saujagden.

Als der Graf mitten in der Erzählung war, bemerkte er die spitzen Thürme des Schlosses Souday. Er brach seine Erzählung ab und zeigte seinem Reisegefährten, daß sie das Ziel ihrer nächtlichen Wanderung erreicht.

Petit-Pierre, der an die Hexen Macbeths dachte, waffnete sich mit seinem ganzen Muthe, um das furchtbare Schloß zu betreten. Eine Biegung der Straße führte ihn zudem offenen Schloßthor, und vor demselben bemerkte er zwei weiße Gestalten, welche zu warten schienen. Ein hinter ihnen stehender bäurisch aussehender Mann hielt eine brennende Fackel.

Petit-Pierre sah Bertha und Mary furchtsam an, denn sie waren, von dem jungen Baron benachrichtigt, den beiden Reisenden entgegengegangen.

Er erblickte zwei reizende junge Mädchen: eine Blondine mit blauen Augen und einem Engelsgesicht, und eine Brünette mit feurigen schwarzen Augen. Beide sahen offen und freundlich aus.

Petit-Pierre stieg vom Pferde und ging mit Rameau-d’or auf die beiden Mädchen zu.

»Mein Freund, der Herr Baron Michel hat mir Hoffnung gemacht, meine Fräulein, daß der Herr Marquis von Souday, Ihr Vater, die Güte haben werde, uns in sein Schloß aufzunehmen.«

»Mein Vater ist abwesend,« erwiderte Bertha, »er wird es sehr bedauern, daß diese Gelegenheit, die heutzutage so seltene Tugend der Gastfreundschaft zu üben, ihm entgangen ist.«

»Aber ich weiß nicht, ob Ihnen mein Freund gesagt, daß diese Gastfreundschaft vielleicht nicht ohne Gefahr seyn konnte: wir Beide sind fast geächtet und zum Lohn für Ihre Güte werden Sie vielleicht Verfolgungen zu erdulden haben.«

»Wir sind Meinungsgenossen, mein Herr. Wir würden Sie aufnehmen, wenn Sie uns auch ganz fremd wären; als Geächtete, als Royalisten sind Sie uns willkommen, wenn auch die Zerstörung unserer Wohnung, ja selbst der Tod die Folge davon wäre. Mein Vater würde eben so sprechen wie ich, wenn er anwesend wäre.«

»Der Baron Michel wird Ihnen meinen Namen gesagt haben, ich muß Ihnen noch meinen jungen Reisegefährten vorstellen.«

»Es ist nicht nöthig,« erwiderte Bertha, »uns genügt, daß Sie Royalisten, daß Sie geächtet sind um einer Ueberzeugung willen, für welche wir Gut und Blut zu opfern bereit sind. Treten Sie daher ein in dieses Haus; es ist zwar nicht prächtig, aber Sie werden darin wenigstens Treue und Verschwiegenheit finden.«

Bertha trat mit edlem Anstande auf die Seite und lud die jungen Leute mit einer Handbewegung ein, die Schwelle zu überschreiten.

»Gott sey gelobt!« flüsterte Petit-Pierre dem Grafen von Bonneville zu, »hier haben wir zugleich das Schloß und die Hütte, zwischen denen ich wählen sollte. Ihre Wölfinnen gefallen mir ungemein.«

Er nickte den beiden Mädchen freundlich zu und trat ein.

Der Graf von Bonneville folgte ihm. Mary und Bertha winkten dem jungen Baron ein freundliches Lebewohl zu und die Letztere reichte ihm die Hand.

Aber Jean Oullier schlug die Thür so hastig zu, daß, Michel nicht Zeit hatte, die dargebotene Hand zu fassen.

Er betrachtete eine kleine Weile die Thürmchen des Schlosses deren dunkle Umrisse an dem Sternenhimmel deutlich hervortraten und die nach einander hell werdenden Fenster. Dann entfernte er sich.

Als er verschwunden war, regten sich die Büsche und ein Mann kam hervor, der die Scene in einer von dem Interesse der handelnden Personen ganz verschiedenen Absicht belauscht hatte.

Dieser Mann war Courtin, der sich nach allen Seiten umsah und dann auf demselben Wege, den sein junger Gutsherr genommen, nach La Logerie zurückkehrte.

XV.
Die Diplomatie Courtins

Es war etwa zwei Uhr Nachts, als der junge Baron Michel sich am Ende der auf das Schloß La Logerie zuführenden Allee befand.

Es war eine stille Nacht. Die über die Natur verbreitete majestätische Ruhe hatte ihn in eine träumerische Stimmung versetzt. Es versteht sich, daß die beiden Schwestern der Gegenstand dieser Träumereien waren, daß aber Mary die Erwählte war, der er mit eben so viel Ehrfurcht und Liebe folgte; die in der Bibel der junge Tobias dem Engel.

Aber als er in einer Entfernung von fünfhundert Schritten am Ende des dunkeln Laubdaches, unter welchem er fort ging, die im Mondlicht schimmernden Fenster des Schlosses erblickte, zerrannen seine lieblichen Träume und seine Gedanken nahmen eine ganz andere Richtung. Statt der reizenden Mädchengesichter, die ihn bis dahin begleitet hatten, zeigte ihm seine Phantasie das ernste dräuende Profil seiner Mutter.

Wir wissen, welche Gewalt die Baronin Michel über ihren Sohn ausübte.

Michel stand still. Wenn er in der Umgegend, wär’s auch eine Stunde Weges entfernt gewesen, ein Haus oder einen Gasthof gekannt hätte, wo er ein Nachtlager hätte finden können, so würde er erst am andern Morgen ins Schloß gegangen seyn – so bange war ihm zu Muthe. Es war das erste Mal, daß er so spät nach Hause kam, und er hatte eine bange Ahnung, daß seine Abwesenheit bekannt sey und daß seine Mutter wache.

Was sollte er antworten aus die furchtbare Frage: »Wo bist Du gewesen?«

Courtin allein konnte ihn beherbergen; aber wenn er den Maire um ein Obdach ersuchte, mußte er ihm Alles sagen, und der junge Baron sah ein, wie gefährlich es sey, einen, Mann wie Courtin zum Vertrauten zu nehmen.

Er entschloß sich daher, dem mütterlichen Zorne die Stirn zu bieten: es blieb ihm ja nichts Anderes übrig.

Aber je näher er dem Schlosse kam, desto mehr fühlte, er seinen Entschluß wanken.

Als er am Ende der Allee war, als er über den freien Rasenplatz gehen mußte, als er das offene Fenster des Zimmers seiner Mutter sah, sank ihm vollends der Muth.

 

Seine Ahnungen hatten ihn also nicht getäuscht. Die Baronin war auf der Lauer, ihren Sohn zu erwarten.

Die Furcht machte ihn erfinderisch: er nahm seine Zuflucht zu einer Kriegslist, die den Ausbruch des mütterlichen Zornes wenigstens verzögern, wenn auch nicht verhüten konnte.

Er wandte sich links, schlich sich im Schatten einer Hagebuchenhecke fort, stieg über die Mauer des Küchengartens und ging am andern Ende desselben durch die Verbindungsthür in den Park.

Unter dem Schutze der Baumgruppen und Gebüsche konnte er sich hier bis unter die Fenster des Schlosses schleichen. So weit gelang ihm sein Plan sehr gut; aber das Schwierigste, oder vielmehr Gewagteste blieb noch auszuführen. Er hoffte ein aus Versehen offen gebliebenes Fenster zu finden, um in dasselbe einzusteigen und sein Zimmer erreichen zu können.

Das Schloß La Logerie bestand aus einem großen viereckigen Hauptgebäude mit vier kleinen Thürmen von gleicher Form. Die Küche und Dienstbotenzimmer waren unter der Erde, die Empfangszimmer im Erdgeschoß, die Wohnung der Baronin im ersten, die Zimmer ihres Sohnes im zweiten Stockwerk.

Michel machte die Runde um drei Seiten des Schlosses, auf den Fußspitzen dicht an den Wänden hinschleichend und vorsichtig alle Thüren und Fenster betastend.

Er vermochte weder Thür noch Fenster auszumachen.

Es blieb noch die Hauptfront zu untersuchen.

Dies war der gefährlichste Theil: denn die Fenster der Baronin waren in dieser Front, vor welcher sich ein freier Platz befand, und eines dieser Fenster, jenes des Schlafzimmers, war offen.

Michel meinte indes, er könne sich so gut draußen wie im Hause den Text lesen lassen, und er entschloß sich, das Wagstück zu versuchen.

Er schaute um den Eckthurm und war eben im Begriff, die Hauptfronte zu untersuchen, als er eine noch nicht erkennbare Gestalt über den Rasenplatz kommen sah.

Michel stand still und beobachtete den Neuankommenden mit großer Aufmerksamkeit.

Er sah nun, daß es ein Mann war, und daß dieser Mann den Weg nahm, den er selbst hätte einschlagen müssen, wenn er sich entschlossen hätte, gerade ins Schloß zu gehen.

Der junge Mann drückte sich in die von dem Vorsprunge des Thurmes gebildete dunkle Ecke und lauschte.

Der Mann kam näher.

Als er bis auf etwa fünfzig Schritte nahe gekommen war, hörte Michel die Stimme seiner Mutter oben am Fenster.

Er war froh, daß er nicht über den Rasenplatz gegangen war.

»Bist Du es, Michel?« fragte die Baronin.

»Nein, Madame,« antwortete eine Stimme, welche der junge Baron mit Erstaunen und Besorgniß für die Stimme Courtins erkannte, »Sie erweisen dem armen Courtin zu viel Ehre, ihn für den Herrn Baron zu halten.«

»Großer Gott!« sagte die Baronin, »was führt Euch denn in der Nacht hierher?«

»Sie werden schon denken, Madame, daß es etwas Wichtiges ist.«

»Es ist meinem Sohne doch kein Unglück geschehen?«

Die ängstliche Besorgniß, mit welcher seine Mutter dies sagte, rührte den jungen Baron so tief, daß er aus seinem Versteck hervorstürzen wollte, sie zu beruhigen.

Aber Courtin’s Antwort, die er gleich darauf hörte, verhinderte die Ausführung dieses guten Vorsatzes.

Michel trat wieder in den dunklen Winkel, der ihm als Versteck diente.

»O nein, Madame,« antwortete Courtin, »der Junge, wenn ich mich so ausdrücken darf, um von dem Herrn Baron zu sprechen – ist frisch und gesund – bis jetzt wenigstens.«

»Bis jetzt?« unterbrach die Baronin; steht ihm denn eine Gefahr bevor?«

»Ei ja,« sagte Courtin, »es konnte ihm wohl etwas geschehen, wenn er sich noch in Zukunft von den verteufelten Waldjungfern anlocken ließe. Um diesem Unglück vorzubeugen, habe ich mir die Freiheit genommen Sie mitten in der Nacht heimzusuchen, ich dachte wohl, daß Sie die Abwesenheit des jungen Herrn bemerkt hätten und noch nicht schlafen gegangen wären.«

»Ihr habt wohl gethan Courtin. Aber wißt Ihr, wo mein Sohn ist?«

Courtin sah sich nach allen Seiten um.

»Es wundert mich,« sagte er, »daß er noch nicht wieder zu Hause ist. Ich bin absichtlich auf dem Fahrwege gegangen, um ihm den Fußweg frei zu lassen, und dieser ist eine gute Viertelstunde kürzer als der Fahrweg.«

»Aber wo kommt er denn her? wo ist er gewesen? was hat er gemacht? warum läuft er nach Mitternacht draußen umher, ohne sich um meine Besorgniß zu kümmern, ohne zu bedenken, daß er seine und meine Gesundheit gefährdet?«

»Madame,« erwiderte Courtin, »finden Sie nicht selbst, daß ich so viele Fragen nicht hier im Freien beantworten kann? – Was ich zu erzählen habe,« setzte er leiser hinzu, »ist so wichtig, daß Sie in Ihrem Zimmer nicht zu sicher wären, um mich anzuhören. Ueberdies muß der junge Herr bald kommen,« – bei diesen Worten sah er sich wieder mit einiger Besorgniß um – er darf nicht wissen, daß ich ihn belausche, obschon es zu seinem Besten und auf ihre Anordnung geschieht.«

»Dann kommt herein,« sagte die Baronin. »Ihr habt Recht; kommt geschwind!«

»Entschuldigen Sie, Madame – wo soll ich ins Schloß kommen?«

»Es ist wahr,« erwiderte die Baronin, »die Thür ist verschlossen.«

»Wenn Sie mir den Schlüssel herunterwerfen wollten —«

»Der Schlüssel steckt. Ich habe meine Leute zu Bette geschickt, denn ich wollte nicht, daß sie die Ausführung meines Sohnes erfahren. Aber wartet, Courtin ich will die Kammerjungfer rufen.«

»Lassen Sie, Madame,« entgegnete Courtin, »es ist nicht nöthig, Andere in unsere Geheimnisse einzuweihen. Ich bin der Meinung, daß Sie es in einer so wichtigen Sache mit der Etikette nicht so genau nehmen sollten. Man weiß wohl, daß die Frau Baronin nicht da ist, einem armen Bauer, wie ich bin, die Thür auszumachen; aber einmal ist ja nicht immer. Es ist gut, daß alle Leute schlafen, wir haben dann wenigstens keine Horcher zu fürchten.«

»Wahrhaftig, Courtin, Ihr machet mir Angst,« sagte die Baronin, deren alberner Stolz, die Ursache ihres Zögerns, dem Maire nicht entgangen war, »ich trage kein Bedenken mehr.«

Die Baronin entfernte sich vom Fenster, und gleich darauf hörte Michel die Schlüssel und den Riegel der Hausthür knarren. Er lauschte anfangs in angstvoller Spannung, aber bald bemerkte er, daß die Thür, welche so schwer geöffnet worden war, nicht wieder verschlossen wurde.

Er wartete einige Secunden, um seiner Mutter und Courtin Zeit zu lassen, die Treppe hinauf zu gehen; dann schlich er dicht an der Wand hin, stieg die Stufen hinauf, schob leise die Thür auf und befand sich in der Vorhalle.

Er hatte anfangs den Plan gehabt, in sein Schlafzimmer zu schleichen, sich schlafend zu stellen und das Weitere abzuwarten. In diesem Falle konnte die Stunde seiner Rückkehr nicht genau ermittelt werden, und es war noch möglich, sich durch eine freche Lüge aus der Verlegenheit zu ziehen. Aber die Lage der Dinge hatte sich seitdem ganz geändert: Courtin hatte ihn gesehen und verfolgt. Courtin kannte höchstwahrscheinlich den Versteck des Grafen von Bonneville und seines Begleiters.

Michel vergaß nun sich selbst, um nur an die Sicherheit seines Freundes zu denken; denn er wußte wohl, daß Courtin dieselbe sehr gefährden konnte, und bei den politischen Meinungen des Letzteren war dies kaum zu bezweifeln.

Statt in den zweiten Stock hinauf zu gehen, blieb der junge Baron im ersten stehen, statt sich in sein Zimmer zu begeben, schlich er in dem dunklen Gange fort.

Vor der Thüre des Zimmers seiner Mutter stand er stille und lauschte.

»Ihr glaubt also, Courtin,« fragte die Baronin, »Ihr glaubt in allem Ernste, mein Sohn habe sich in den Netzen einer der beiden Dirnen fangen lassen?«

»Ja, Madame, ich weiß es gewiß – und er ist so verschlossen, daß Sie viel mit ihm zu thun bekommen werden, wenn er erst flügge geworden ist.«

»Mädchen ohne einen Groschen!«

»Aber aus dem ältesten Geblüt des Landes, Madame,« erwiderte Courtin, der ins Haus hören wollte, »und für Edelleute ist dies doch nicht gleichgültig.«

»Pfui?« sagte die Baronin, »es sind ja uneheliche Kinder!«

»Aber bildschön, Madame – die eine wie ein Engel, die andere wie ein Dämon.«

»Es ist möglich, daß Michel, wie so viele Andere gethan haben sollen, eine Zeit lang Liebelei mit ihnen getrieben hat, ohne ernste Absichten auf eine von ihnen zu haben. Aus einer Heirath wird nichts, er kennt mich und weiß recht gut, daß ich in eine solche Verbindung nie willigen werde.«

»Nichts für ungut, Madame,« erwiderte Courtin, »ich glaube, daß der junge Herr an’s Heirathen noch gar nicht gedacht hat; er wird vielleicht selbst mit seinen Gefühlen noch nicht im Klaren seyn. Aber ich weiß gewiß, daß er in Gefahr, ist, sein künftiges Glück noch auf andere Art und viel ärger zu gefährden.«

»Was meinet Ihr, Courtin?«

»Ich schätze und verehre Sie, Madame,« fuhr Courtin fort, »und es wäre sehr hart für mich, wenn mein junger Herr arretirt würde —«

Michel erschrak in seinem Versteck, aber die gewaltigste Erschütterung fühlte die Baronin.

»Michel arretirt!« erwiderte sie auffahrend, »Ihr scheinet Euch zu vergessen, Courtin!«

»Nein, Madame, ich vergesse mich nicht.«

»Aber wie könnet Ihr —«

»Ich bin freilich nur Ihr Pächter,« fuhr Courtin fort, indem er die stolze Dame durch eine Handbewegung zu beruhigen suchte, »ich muß Ihnen genaue Rechnung ablegen von der Ernte, von der Sie die Hälfte haben, und pünktlich meinen Pachtzins zahlen. Ich thue auch meine Schuldigkeit, trotz der schweren Zeiten; aber ich bin auch Staatsbürger und Maire, und auch in dieser Eigenschaft habe ich Pflichten zu erfüllen, wie weh es meinem Herzen auch thut.«

»Was faselt Ihr da, Courtin? Und was hat mein Sohn mit euren Bürgerpflichten und mit euren Obliegenheiten als Maire zu thun?«

»Ich will es Ihnen sagen; Madame: Ihr Herr Sohn steht mit den Feinden des Staates im Einverständniß.«

»Ich weiß wohl,« erwiderte die Baronin, »daß der Herr Marquis von Souday sehr überspannte Ansichten hat; aber wie kann man meinen Sohn zur Verantwortung ziehen, wenn er mit einem der beiden Mädchen eine Liebschaft hat?«

»Die Liebschaft wird ihn weiter führen, als Sie glauben, Madame. Ich weiß wohl, daß er in das Wasser, welches man um ihn zu trüben sucht, bis jetzt nur die Spitze des Schnabels taucht, aber das ist schon genug, ihn zu blenden.«

»Erkläret Euch deutlicher und sprechet nicht mehr in Gleichnissen.«

»So hören Sie, Madame. Nachdem der junge Herr Baron diesen Abend dem alten Chouan Tinguy auf die Gefahr hin, das Nervenfieber in’s Schloß zu bringen, die Augen zugedrückt, nachdem er die größere der beiden Wölfinnen nach Hause begleitet hatte, führte er zwei Bauern, die aber so wenig Bauern sind, wie ich ein Herr bin, in das Schloß Souday.«

»Wer hat Euch das gesagt, Courtin?«

»Meine beiden Augen, Madame – und ich habe gute Augen.«

»Was meinet Ihr denn, wer die beiden Bauern waren?«

»Die beiden Bauern?«

»Ja.«

»Der eine – ich möchte darauf schwören – war der Graf von Bonneville, ein Erzchouan. Er ist lange hier in der Gegend gewesen, und ich habe ihn recht gut erkannt. Der andere —«

»Nun, weiter!«

»Der andere ist eine noch wichtigere Person, wenn ich nicht irre.«

»So saget doch, Courtin, wer es ist?«

»Ich weiß, was ich weiß, Madame – und ich werde die Person gehörigen Orts nennen, wenn es seyn muß, und es wird wahrscheinlich bald seyn müssen.«

»Gehörigen Orts?« erwiderte die Baronin, über den entschiedenen Ton des sonst so fügsamen Pächters. »Wollt Ihr denn meinen Sohn anzeigen?«

»Allerdings, Madame,« antwortete Courtin sehr dreist.

»Das werdet Ihr doch nicht thun, Courtin?«

»Ich würde bereits auf dem Wege nach Montaigu seyn, Madame, ich würde vielleicht sogar schon nach Nantes laufen, wenn ich Sie nicht zuvor warnen wollte, damit Sie den jungen Herrn in Sicherheit bringen können.«

»Aber wenn nun Michel an dieser Sache nicht betheiligt ist,« entgegnete die Baronin aufgebracht, »so werdet Ihr mich in den Augen meiner Nachbarn compromittiren, ja vielleicht meine Sicherheit gefährden.«

»Wir vertheidigen La Logerie, Madame —«

»Seyd Ihr von Sinnen, Courtin?«

»Ich habe den großen Vendéekrieg gesehen, Madame. Ich war noch ganz klein, aber ich erinnere mich recht gut. Und wahrhaftig, ich möchte einen solchen Krieg nicht wieder erleben; ich möchte nicht, daß sich die beiden Parteien auf meinem Acker eine Schlacht lieferten, daß mein Getreide aufgezehrt oder verbrannt wurde. Noch weniger mochte ich, das die Nationalgüter weggenommen würden, und dies würde unfehlbar der Fall seyn, wenn die Weißen die Oberhand behielten. Von meinen Aeckern hat der vierte Theil vormals Emigranten gehört, ich habe Alles baar bezahlt. Kurz und gut, die Regierung zählt auf mich, und ich will das Vertrauen der Regierung rechtfertigen.«

 

»Aber, Courtin,« entgegnete die Baronin, die schon bereit war zu Bitten ihre Zuflucht zu nehmen, »es wird gewiß nicht so arg seyn, wie Ihr glaubt —«

»O ja wohl, Madame, die Sachen stehen sehr schlimm. Ich bin nur ein Bauer, aber ich weiß so viel davon wie ein Anderer, denn ich habe gute Ohren und höre überall aufmerksam zu. Die Landschaft Retry ist in Gährung; das Feuer braucht nur geschart zu werden, und die ganze Brühe wird überkochen.«

»Ihr irrt Euch, Courtin.«

»Nein, Madame, ich weiß was ich weiß. Die Edelleute sind schon dreimal zusammengekommen, einmal bei dem Marquis von Souday, einmal bei einem sogenannten Louis Renaud und einmal bei dem Grafen von Saint-Armand. In allen diesen Versammlungen riecht es stark nach Pulver. – Dabei fällt mir ein, daß bei dem Pfarrer zu Montbert zwei Zentner Pulver und einige Säcke mit Kugeln liegen. – Das Schlimmste aber ist, daß man die Herzogin von Berry erwartet – und ich glaube, man wird nicht gar lange auf sie zu warten haben.«

»Warum denn?«

»Weil ich glaube, daß sie schon hier ist.«

»Mein Gott! wo denn?«

»Im Schlosse Souday.«

»Wie? im Schlosse Souday?«

»Ja,« und aller Wahrscheinlichkeit nach hat sie der junge Herr Baron dahin geführt.«

»Michel? O mein Gott! Aber Ihr werdet schweigen, nicht wahr, Courtin? Ich will es, ich befehle es Euch. Aber die Regierung hat bereits Vorkehrungen getroffen, und wenn sie es wagen sollte in die Vendée zu kommen, so würde sie schon unterwegs verhaftet werden.«

»Aber wenn sie schon da ist, Madame?«

»Dann habt Ihr um so mehr Ursache zu schweigen.«

»Das sagen Sie wohl, Madame. Und ich soll mir die Ehre und den Nutzen eines solchen Fanges entgehen lassen? Der Fang würde ohnedies von einem Andern gemacht werden, wenn ich die Gelegenheit nicht benütze – und bis dahin wird das ganze Land in Aufruhr kommen! – Nein, Madame, das geht nicht an.«

»Aber was ist zu thun? Mein Gott! was soll ich anfangen?«

»Hören Sie, Madame,« erwiderte Courtin, »ich will es Ihnen sagen.«

»Reden Sie, Courtin.«

»Ich will meiner Bürgerpflicht genügen, aber zugleich Ihr getreuer Diener bleiben; denn ich hoffe, daß man mir zum Dank für den Dienst, den ich Ihnen erweisen will, meinen Meierhof zu annehmbaren Bedingungen lassen wird. Ich will also den Namen des jungen Herrn nicht nennen; Sie müssen nur Sorge tragen, daß er künftig nicht wieder in ein ähnliches Wespennest geräth. Er steckt freilich schon darin, aber für dieses Mal ist es noch Zeit, ihn herauszuziehen.«

»Seyd nur ruhig, Courtin.«

»Aber es wäre doch gerathen, Madame —«

»Was meinet Ihr, Courtin?«

»Ich will mich nicht erkühnen, der Frau Baronin einen Rath zu geben —«

»Redet nur, Courtin; was meinet Ihr?«

»Ich meine, Sie müßten ihn durch irgend ein Mittel, durch Bitten oder Drohungen bewegen La Logerie zu verlassen und nach Paris zu reisen.«

»Ja, Courtin, Ihr habt Recht.«

»Aber er wird nicht wollen – «

»Wenn ich’s beschlossen habe; muß er wollen.«

»Er ist in zwölf Monaten einundzwanzig, und folglich volljährig.«

»Und ich sage Euch, Courtin, daß er abreisen wird. – Was gibt’s?« fragte die Baronin, als sie bemerkte, daß Courtin lauschte.

»Ich glaubte draußen im Gange Fußtritte zu hören.«

»Sehet nach.«

Courtin nahm das Licht und eilte auf den Gang hinaus.

»Es ist Niemand da,« sagte er zurückkommend, »und doch schien es mir, als ob Jemand vor der Thür wäre.«

»Was glaubt Ihr wohl, Courtin, wo jetzt mein Sohn sey?«

»Vielleicht erwartet er mich in meinem Hause,« erwiderte Courtin, »der junge Herr Baron hat Vertrauen zu mir, und es wäre nicht das erste Mal, daß er mich aufsucht, mir sein Leid zu klagen.«

»Ihr habt Recht, Courtin, es ist wohl möglich. Geht nach Hause, und vergeßt euer Versprechen nicht!«

»Vergessen Sie auch Ihr Versprechen nicht, Madame. Wenn er nach Hause kommt, sperren Sie ihn ein, machen Sie ihm jeden Verkehr mit den Wölfinnen unmöglich, denn wenn er sie wieder sieht —«

»Was würde dann geschehen, Courtin?«

»Dann würde es mich gar nicht wundern, wenn er aus den Büschen auf die Blauen feuert.«

»O! ich werde mich noch zu Tode grämen!« jammerte die Gutsfrau. »Es war wirklich ein unglücklicher Gedanke von meinem Manne, wieder in dieses verwünschte Land zu kommen.«

»Ja wohl, Madame, es war ein unglücklicher Gedanke, zumal für ihn.«

Die Baronin senkte traurig den Kopf unter dem Eindruck der Erinnerungen, welche Courtin geweckt hatte. Er entfernte sich, nachdem er die Umgebungen durchsucht und sich überzeugt hatte, dass ihn Niemand fortgehen sah.

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