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Der Secretair der Marquise Du-Deffand

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Fünfzehntes Kapitel

Herr von Villette starb. Nach einer jener Heimchen, die weder glücklich noch traurig sind, wie man deren so viel steht, ward sie Wittwe, Sie bedauerte ihn wohl ein wenig, aber sie tröstete sich schnell wieder, und suchte sich für die erste Hälfte ihres Lebens dadurch zu entschädigen, daß sie sich für die zweite desselben eine doppelte Freiheit nahm.

Sie war nicht schön, aber sie war anmuthig und lieblich. Ein Fehler, den ich bequem finde und der im Allgemeinen mißfällt, zog ihr viel Feinde zu: sie war schwatzhaft, sie sprach ohne Aufhören und ohne Wahl.

D'Argental hat sie deswegen nie leiden mögen. Sie besaß ein hübsches Vermögen, denn sie war eine wirkliche Gräfin von Pimbèche, und führte Prozesse gegen das ganze menschliche Geschlecht. Bolingbroke ward von ihr eingenommen, als er sie sah, Sie war zweiundfünfzig, war fünfundvierzig Jahre alt, ein nicht gewöhnlicher Umstand, denn die Männer dieses Alters verlangen in der Regel frisches Wildpret. Sie wurden närrisch in einander verliebt; die Marquise kümmerte sich nicht darum, es zu verbergen, und Bolingbroke war dessen nicht fähig. Sie liebten sich also öffentlich, verließen sich nicht mehr, und wohnten bei einander. Ueber diesen Haushalt lachte die Jugend bei Hofe viel. Die Jugend lacht über Alles, was nicht jung ist, ohne zu bedenken, daß auch sie alt wird.

Es giebt drei Dinge, die der Geist einer jungen Frau nicht faßt:

Erstens, den Gedanken, daß sie alt wird,

Zweitens, den Gedanken, daß sie einst sterben wird.

Drittens, daß, wenn sie liebt, ihre Liebe und die ihres Geliebten indeß aufhören müsse.

Und dennoch sind diese drei Dinge unvermeidlich und im Voraus bestimmt.

Aber was kümmert man sich im zwanzigsten Jahre darum?

Milord Bolingbroke besaß alle Eigenschaften, die ein leidenschaftlicher Liebhaber besitzen muß: er war eifersüchtig wie alle Tiger Asiens. Zwar dachte keiner daran, ihm sein liebes Kind zu entführen, aber er sah überall Nebenbuhler,

Einst aß ich zu Mittag bei der Marquise. Der Abbé Alary war gegenwärtig, der berühmte Präsident des »Entresol«, von dem ich später Gelegenheit haben werde, zu reden, von dieser kleinen Sache, die zu ihrer Zeit so groß war, und jetzt vergessen ist. Wir speisten also mit dem Abbé Alary und einem gewissen Magdonald. Letzterer war Stallmeister des Prätendenten und ein sehr schöner Mann, der es liebte, sich als solchen geltend zu machen. Frau von Villette entfaltete vor ihm ihre schöne Sprache, und suchte die wohlklingendsten und abgerundetsten Phrasen. Der Stallmeister antwortete mit glühenden Augen und mit einem Eifer, der Bolingbroke in eine fast unglaubliche Wuth brachte.

In dem interessantesten Augenblicke, gerade als der schöne Engländer und die weise Dame sich herzlich beglückwünschten, stieß Milord einen so derben Fluch aus und führte einen so gewaltigen Faustschlag auf den Tisch, daß Gläser, Teller, mit einem Worte das ganze Tischgeschirr zuerst auf die Kokette flogen, und dann auf uns, die wir Nichts dafür konnten.

Nach dieser schönen Heldenthat stand er auf, warf seine Serviette von sich, und entfernte sich, ohne den Kopf zu wenden. Ich überlasse es dem Leser, sich die Scene zu denken. Die Marquise ward unwohl, der Abbé und Magdonald, die glücklicherweise Nichts davon begriffen, hielten ihr Salze und starkriechende Tropfen unter die Nase, während ihre Frauen sie aufschnürten. Schmachtend und bestürzt kam sie zu sich; sie suchte den Undankbaren, der sie anklagte, und doch war sie stolz, so geliebt zu sein.

– Mein Herr, sagte sie zu Magdonald, während ihren Augen Thränen entströmten, die sie noch rührender machten, mein Herr, verzeihen Sie mir – aber ich kann Sie ferner nicht mehr sehen. Er ist trostlos und sein Glück geht mir über Alles, selbst über die Artigkeit und die gute Lebensart.

– Madame, antwortete stolz der Stallmeister, Mylord hat Unrecht, sich zu beunruhigen, ich will Niemandes Glück stören, und ich habe nur an Sie, als an eine achtbare Dame gedacht, deren Charakter, Tage und Alter die Rücksichten Aller verdienen, die sie erkennen. Ich ziehe mich zurück und werde erwarten, daß Sie mich wieder zu sich berufen; diese Art Dessert ist nicht nach meinem Geschmack.

Er grüßte, und entfernte sich.

Dies war die Strafe dafür, daß Milord und seine Freunde soviel Geist besaßen, um solche Auftritte herbeizuführen. Kaum konnte sich Frau von Villette wieder aufrecht erhalten, so lief sie Bolingbroke nach; sie ließ mich und den Abbé allein. Der Abbé zuckte mit den Achseln; und dennoch war er dem Lord sehr zugethan. Man denke, was seine Feinde davon sagen mußten!

Der Abbé setzte mich in Erstaunen, indem er mir eine Thatsache erzählte, für deren Richtigkeit er sich verbürgte, als ob er dabei eine Rolle gespielt habe, die nicht weniger außerordentlich war, als das Factum selbst.

Es existirte nämlich in Paris ein gewisser Graf von Boulainvilliers, der sich damit beschäftigte, die Horoskope zu stellen, und mitunter die seltsamsten Dinge sagte. Er fragte nur nach dem Datum der Geburt und einigen andern Zeichen derselben Art. Als Frau von Villette das von hörte, bat sie den Abbé, der einer ihrer Freunde war, ihre Titel dem Wahrsager zu überbringen, und seine Antwort in Empfang zu nehmen.

Das Orakel sprach sich folgendermaßen aus: »Diese Person besitzt eine große Anzahl Leidenschaften; in ihrem zweiundfünfzigsten Jahre wird die eine größer, als die andere sein. Sie wird in einem fremden Lande sterben,«

Diese Prophezeihung ist Punkt für Punkt eingetroffen.

Herr von Boulainvilliers, der für Andere so weit sah, vermochte es nie für sich selbst. Eine Prophezeihung stellte ihm ein großes Vermögen in Aussicht; er starb vor Kummer darüber, daß diese Prophezeihung nicht in Erfüllung ging. Man hat viele Zauberer gesehen, die es ebenso machten. Ich zweifele indessen an dieser Wissenschaft, trotz der vielen außerordentlichen Beispiele, die ich selbst mit dem Regenten, einem wahren Adepten, gesehen, und mit dem Grafen von Saint-Germain, den sehr viel Leute für den Teufel gehalten haben. Ich für meine Person bin dieser Ansicht nicht.

Herr von Matignon, ein intimer Freund der beiden Liebenden, kam während dieses Streites an. Er söhnte sie, wie dies seine Gewohnheit war, wieder aus, denn sie zankten sich unaufhörlich, und dies war sein großes Amt. Er blieb sein ganzes Leben lang dieser Freundschaft getreu, und sein Sohn blieb es nach ihm. So etwas ist bei Hofe sehr selten.

Trotz seiner Leidenschaft und seiner Eifersucht machte sich Milord mitunter eben nicht sehr unschuldige Zerstreuungen. Die zärtliche Alcimene machte sie ihm dergestalt zum Vorwurfe, und ihre Gesundheit ward davon so heftig angegriffen, daß er, als er einst von einem zurückgezogenen Leben in Chaillot zurückkehrte, den Entschluß faßte, den Versuchungen zu widerstehen, und die ganze Treue zu gewähren, die er selbst forderte.

Das Sonderbarste ist, daß er Wort hielt.

Ueber diesen Zwischenfallen starb seine Frau, die trotz ihrer Frömmigkeit ihm großen Verdruß bereitet hat. Von nun an verbannten die Liebenden jeden Zwang, und man versichert, sie hätten sich heimlich geheirathet. Ich weiß nicht, warum sie dies nicht öffentlich erklärten, da sie Nichts daran hinderte, wie ich voraussetze. Es scheint, daß diese Heirath später wirklich stattgefunden hat. Soviel ist gewiß, daß die Marquise seinen Namen getragen, und daß man sie, selbst in England, für Milady Bolingbroke gehalten hat, außer bei Hofe, wo sie, wie man versichert, in dieser Eigenschaft nie zugelassen worden ist.

Man bat Milord Bolingbroke von Neuem, die Sacht des Prätendenten wiederaufzunehmen, und zwar wegen eines neuen, besser überdachten Plans, bei dessen Ausführung man seiner Rathschläge zu bedürfen glaubte. Der König Jakob selbst schrieb an ihn, und da sein Brief nicht genügte, so sandte er ihm seinen Vertrauten mit einem ebenso rührenden als liebenswürdigen und artigen Schreiben. Er berief sich abermals auf seine Gesinnungen für die Königin Anna und erinnerte ihn an die letzten Worte seiner Wohlthäterin!

– Ach, mein theurer Bruder, was soll aus Ihnen werden?

Bolingbroke ward ein wenig gerührt, das heißt., er verlangte die Sache einige Zeit als Geheimniß zu bewahren, und versprach seine Ansichten mitzutheilen, wenn man deren bedürfen würde; aber er verweigerte es, sich offen zu erklären, weil er einen zweiten harten Verweis fürchtete, der ihn unrettbar in's Verderben stürzte, ohne daß Jemandem dadurch genützt würde.

Lord Stairs, der damals englischer Gesandter in Paris war, hatte während dieser Zeit von dem Regenten das Versprechen erlangt, den König Jakob verhaften zu lassen, wenn er Frankreich betreten sollte; der Plan war also schon verkauft, denn man erwartete die Ankunft des Königs.

Bolingbroke wollte seinen flüchtigen Monarchen um jeden Preis abhalten, soweit zu gehen, aber er wußte ihn nicht mehr zu finden, der Flüchtige mußte bereits abgereist sein. Milord beruhigte sich ein wenig bei dem Gedanken, daß der Regent nicht der Mann sei, der Jakob III. auslieferte, er bauete auf seine Gewandtheit und Großmuth. Trotzdem aber erwartete er in lebhafter Unruhe den Erfolg des Befehls, den man dem Herrn von Coutades, dem Major seiner Garde, öffentlich gegeben, sofort nach Chateau-Thierry abzureisen und den letzten der Stuarts zu verhaften, sobald er diese Stadt beträte.

Und beide waren Enkel Heinrichs IV.!

Sechzehntes Kapitel

Herr von Contades wußte es so einzurichten, daß er Chateau-Thierry durch das eine Thor betrat, während der Prätendent es durch das andere verließ. Der Regent wußte, was er that, indem er ihn dorthin schickte. Der Fürst reiste weiter, und kam in Chaillot in dem kleinen Hause an, wo er die Königin, seine Mutter, viele seiner Verwandten, und ganz im Geheimen den Lord Bolingbroke antraf. Dieser ward von dem Zusammentreffen sehr ergriffen; er verbarg Jakob nicht, daß seine Neigungen ihn mehr dem protestantischen Zweige zutrieben, und daß ihn, außer der achtungsvollen Erinnerung an seine verstorbene Herrin, Nichts zu einer Parthei hinzöge, die er nicht liebte.

 

– Gehen Sie nach Schottland, Sire, dort werden Sie treue Unterthanen finden, die Sie erwarten und sich nach Ihnen sehnen. Kommt der Tag, wo Sie meiner bedürfen, so finden Sie mich bereit, zu Ihnen zu stoßen, vorausgesetzt, daß der Erfolg Ihnen günstig ist. Ich bin unerschütterlich fest entschlossen, nicht zum Gelächter Europas zu werden, und nur mit einem sichern Schlage zu treffen. Verzeihen Sie mir, Sire, ich bin frei, ich bin Niemandes Hofmann mehr. Die Politik ist mir im tiefsten Herzen zuwider, ich habe keine Hoffnungen mehr, ich habe nur noch Erinnerungen, und diesen folge ich in diesem Augenblicke. Ew. Majestät werden dies nicht übersehen.

Denselben Abend bestieg der König von England den Wagen des Herrn Torcy und schlug die Straße nach Orleans ein, um sich von dort nach der Bretagne zu begeben.

Lord Stairn ward rasend; er wollte um jeden Preis seinen Herrn von einem legitimen und furchtbaren Feinde befreien. Noch hielt er sich nicht für geschlagen. Da er in der Wahl der Mittel sehr vorsichtig war, so entdeckte er einen Colone! Dougals, eine Art Strauchdieb und Wegelagerer, der früher ein irländisches Regiment in französischem Solde kommandirt hatte. Diesen ließ er kommen, versprach ihm goldene Berge, reizte ihn durch tausend erdichtete Dinge gegen den König Jakob, und bestimmte ihn endlich, das Schwert Gottes zu ergreifen, um England von diesem Papisten, von diesem, gottlosen Könige zu befreien, der es zu unterjochen trachtete.

Douglas nahm zweihundert Mann von seinem alten Regimente mit sich, auf die er zählen konnte, und da er vor Strafe sicher und einer Belohnung gewiß war, legte er sich an dem Wege in einen Hinterhalt, den der Exilirte kommen mußte.

In Nonancourt, einem kleinen Dorfe an der Straße, stieg er vom Pferde, ließ sich zu essen geben und erkundigte sich bei der Postmeisterin nach einem Wagen, den er ihr bezeichnete. Diese antwortete, daß sie davon Nichts wisse.

– Das ist unmöglich, er muß hier vorbeigekommen sein.

– Nein, mein Herr!

– Aber ich sage Ihnen, daß es so ist.

– Und ich sage Ihnen, daß es nicht so ist.

– Sie wollen mich täuschen; aber hüten Sie sich! Ich werde mich furchtbar rächen, und sie werden es bereuen.

Er stieß furchtbare Schwüre und Flüche in englischer Sprache aus, und dabei drohete er aller Welt mit dem Regenten und dein englischen Gesandten.

Frau Lhopital – so hieß die gute Frau – erschrak, nicht davor, aber sie hörte ihn aufmerksamer an, als zuvor.

Da kam ein Mann mit verhängten Zügeln angesprengt, und sprach leise mit dem Colonel, dessen Wuth sich vermehrte.

– Ich will, daß man ihn finde, und man wird ihn finden! rief er. Es handelt sich um mein Glück, und diesmal soll es mir nicht fehlschlagen!

Diese unvorsichtig ausgestoßenen Worte bestärkten die gute Frau in ihrem Verdachte. Sie stellte sich, als ob sie mit andern Dingen beschäftigt sei, verlor den Colonel aber nicht aus den Augen. Da hörte sie einige Worte von seiner Unterredung mit dem Reiter, und diese gaben ihr die Gewißheit, daß sie sich nicht täuschte.

Ihr Gatte war abwesend, aber sie hatte einen treuen, verständigen und gewandten Burschen. Diesen zog sie bei Seite, wo sie nicht gehört werden konnte, und sagte ihm:

– Diese Menschen sinnen Böses gegen den armen exilirten Fürsten, den der Herr Regent verläßt, obgleich er sein Vetter ist. Es scheint, daß er hier durchkommen wird, und daß diese Elenden ihn ermorden wollen. Führe genau aus, was ich Dir vorschreibe, und wir retten ihn vielleicht. Der Teufel kann nicht immer starker sein, als die rechtschaffenen Leute.

Nun setzte sie ihm deutlich den Plan auseinander, den sie entworfen hatte, und empfahl ihm, überall Erkundigungen einzuziehen. Dann ging sie zu ihren Gästen zurück, und bediente sie mit großer Aufmerksamkeit.

– Sie müssen mir versprechen, sagte der Colonel, soviel als möglich zu säumen, dem Wagen Pferde zu geben, wenn er angekommen sein wird.

– Soll geschehen, mein Herr. Und dann?

– Dann benachrichtigen Sie mich von seiner Ankunft.

– Wo, mein Herr, wenn ich fragen darf – hier?

– Nein, nicht hier, das ist unnütz. Benachrichtigen Sie mich nicht, sondern halten Sie nur den Wagen so lange als möglich auf. Ich lasse Ihnen zwei meiner Leute zurück, sie werden mir Nachricht bringen – ich halte es so für besser.

Nun bezahlte er seine Zeche.

Den vertrautesten seiner Begleiter nahm er mit sich, die übrigen ließ er in dem Wirthshause zurück, indem er ihnen leise sagte, ihm im Galopp Nachricht an einen Ort zu bringen, den er bezeichnete, sobald der Wagen sichtbar würde.

Frau Lhopital war sehr besorgt, aber sie verlor den Muth nicht; sie verdoppelte vielmehr ihre Sorgfalt für die Mörder, die ihr abscheulich waren, Sie bot ihnen zu trinken an, in der Hoffnung, sie zu berauschen und sich auf diese Weise ihrer zu entledigen; aber sie schlugen es aus.

Der Mann, der zuletzt angekommen, war halb todt vor Erschöpfung; er begnügte sich mit einem Glase Wein, und legte sich auf eine Holzbank vor der Thür, um auszuruhen.

– Herr, sagte sie zu ihm, wie schlecht liegen Sie da! Der Wagen kann noch lange ausbleiben. Gehen Sie doch hinauf und legen Sie sich ein wenig auf das Bett, Sie werden dort ruhig schlafen. Ihr Diener und ich, wir sind ja da, wir werden Ihnen Nachricht geben. Verlassen Sie sich darauf.

Anfangs verwarf der Mann diesen Vorschlag, dann schwankte er, und endlich nahm er ihn an, da ihn der Schlaf übermannte. Er sagte zu seinem Diener:

– Verlaß die Schwelle dieser Thüre nicht, bei Deinem Kopfe! Sobald Du den Wagen siehst, weckst Du mich, hörst Du? Versäumst Du es, so schlage ich Dich mit dem Stocke todt!

Der Diener versprach es.

Der Herr, beruhigt durch diese getroffene Sicherheitsmaßregel, folgte Frau Lhopital in ein Zimmer, das hinten im Hause lag; hier gab sie ihm ein gutes Bett, dann schloß sie ihn leise ein, um desto sicherer zu sein.

Nachdem sie dies vollbracht, eilte sie zu einer Freundin, auf die sie sich wie auf sich selbst verlassen konnte. Dieser theilte sie ihren Verdacht und ihre Befürchtungen mit, und bat sie, den Reisenden in ihrer Wohnung aufzunehmen, den sie ihr bringen würde.

– Sie wohnen in einer abgelegenen Straße, und wenn Sie ihn durch eine Hinterthür entlassen, wird ihn Niemand sehen. Erreiche ich meinen Zweck zu Hause, so retten wir ihn.

Die Nachbarin versprach, ihrem Wunsche nachzukommen.

Beide ließen nun einen Geistlichen holen, und vertrauten auch diesem an, was sich in Niancourt ereignete. Der König Jakob war katholisch, und dieser Umstand verdoppelte den Eifer des guten Vaters. Er gab seinen Priesterrock, seine Perrücke, sein ganzes Costüm her, womit man den Fürsten verkleiden wollte, und Frau Lhopital ging in ihre Wohnung zurück, um das Schwierigste der Komödie zu vollenden.

Sie traf den Diener an, der sich langweilte und dabei derb fluchte.

– Bah, sagte sie zu ihm, trinken Sie ein Glas mit meinem Postillon, und die Zeit wird Ihnen rascher vergehen.

– Man Hat es mir verboten.

– Wer wird es erfahren? Ich wache für Sie während dieser Zeit. Kommt unser Mann an. so erfahren Sie es auf der Stelle.

Eine Flasche alten Weins vollendete die Verführung.

Der Postillon, der seine Rolle sehr angenehm fand, ging mit gutem Beispiele voran.

Bei der dritten Flasche fiel der Gast, zur großen Zufriedenheit der Wirthin, unter den Tisch. Nun war sie Herrin des Bodens, und stellte sich als Schildwache an die Straßenthür.

Aber der Wagen kam nicht an.

Die Schildwache befand sich in einer tödtlichen Unruhe, denn wenn der Schläfer in der Kammer erwachte, so konnte es ihr schlecht ergehen.

Der Diener, der unten schlief, machte einige Anstrengungen, und aus Furcht rief sie Hilfe herbei; glücklicherweise aber schloß er die Augen wieder, und blieb ruhig.

In derselben Zeit erschien der Wagen.

Siebenzehntes Kapitel

Frau Lhopital eilte dem Wagen entgegen und veranlaßte ihn, in die abgelegene Straße zu fahren. Man richtete mancherlei Fragen an sie, aber sie gab keinen Aufschluß.

– Sie werden es hernach erfahren, sagte sie; folgen Sie mir nur!

Man kam bei der Freundin an. Kaum war der König Jakob eingetreten, so sank die gute Frau weinend vor seinen Füßen nieder.

– Ich habe Sie nach Ihren Portraits erkannt, Sire, rief sie aus, und dann vermuthete ich schon Ihre Ankunft. Ich bitte Sie, haben Sie Vertrauen zu mir und lassen Sie sich leiten, sonst gerathen Sie in den Hinterhalt, den man Ihnen gelegt hat. Ich weiß nicht, wieviel Ihnen auflauern aber es ist sicher, daß sie Ihnen nach dem Leben trachten.

Der König hob Frau Lhopital auf, hörte ihren Bericht an, dankte mit großer Empfindung und versprach, sich ihr völlig anzuvertrauen. Er verkleidete sich nun in einen Abbé, blieb in dem Hause, wo Niemand seine Anwesenheit ahnte, und wartete den Verlauf der Dinge ab.

Während dieser Zeit setzte die Wirthin die Behörde davon in Kenntniß, und forderte bewaffnete Macht, um den schlafenden Reiter und den betrunkenen Diener zu verhaften. Dies war nun eben nicht leicht.

Der Reiter widersetzte sich, berief sich darauf, daß er Engländer sei, sagte, daß er dem Gesandten angehöre, und daß man das Völkerrecht in seiner Person verletze.

– Liefern Sie den Beweis, und man wird Sie auf der Stelle in Freiheit setzen.

– Ich kann diesen Beweis nicht liefern, aber mein Chef, der Colonel Douglas, vermag es.

– Wo ist er?

– Ich weiß es nicht; er ist uns auf der Straße vorangeeilt.

– Warum?

– Ich weiß es nicht, denn er hat uns seine Absichten nicht mitgetheilt.

Es gab eine lange Debatte und der Schwierigkeiten stellten sich immer mehr heraus; trotzdem aber ergriff man Beide, und warf sie in das Gefängniß.

Douglas durchstreifte länger als acht Tage die benachbarten Gegenden; er rannte wie ein Verzweifelter, aber es war unnütz, er fand Nichts.

Der als Abbé verkleidete Fürst blieb drei Tage lang bei der Freundin der Frau Lhopital in Niancourt, dann setzte er seinen Weg fort. Herr von Torcy, den man benachrichtigt hatte, wachte über seine Sicherheit, und beseitigte die Wegelagerer. Der König kam glücklich in der Bretagne an, und schiffte sich nach Schottland ein, wo ihm das begegnete, was Jedermann weiß.

Douglas ging nach Paris zurück. Mit einer Unverschämtheit sonder Gleichen beklagte er sich laut über die Verletzung des Völkerrechts. Auch Lord Stairn wollte sich beklagen; aber der Regent ließ ihn kommen, schloß ihm den Mund mit den Einzelheiten dieser Geschichte, und zwang ihn so, ferner nicht mehr davon zu reden.

Was Frau Lhopital anbetrifft, so lieh die Königin von England sie nach Saint-Germain kommen, schenkte ihr ihr Portrait, und dies war Alles, was die gute Frau, außer einer Menge schöner Worte, von ihr erhielt. Es ist wahr, daß dieser Hof sehr arm war. Die gute Frau starb als Postmeisterin in Niancourt, nachdem sie einem Könige das Leben gerettet hatte. Ich sagte einst zu dem Regenten, daß er sie hätte belohnen müssen, denn sie hätte ihm eine große Schmach und seinem Namen einen unauslöschlichen Flecken erspart. Er antwortete mir, daß dies ihm Nichts anginge, und daß er sich in Dinge dieser Art nie mische. Solche Antworten gab er stets, wenn er keine andern ertheilen wollte.

Als Milord Bolingbroke diesen Streich erfuhr, ward seine Anhänglichkeit an den Churfürsten von Hannover sehr lau, sein Herz und sein Verstand konnten diesen Mord nicht billigen. Aber er zweifelte an dem Erfolge, und die Erfahrung bewies, daß er sich nicht getäuscht hatte.

Frau Villette hatte ihn nach ihrem Landgute Marcilly geführt, wo sie bauen ließ, und zwar unter dem Vorwande, ihn um Rath zu fragen. Er wartete ungeduldig auf Nachrichten, aber sie blieben aus. Als sie ankamen, war Alles verloren – sie kamen zu spät.

– So ist es um das Haus Stuart geschehen! sagte Bolingbroke mit einem Seufzer. Meine Herrin ist die Letzte desselben gewesen!

Mylord ging in die Bäder von Aachen, um die Aufmerksamkeit von sich abzulenken und an seine Gleichgültigkeit glauben zu machen. Man verbreitete das Gerücht, er habe Frau von Villette geheirathet, und diese sei protestantisch geworden. Ich glaube, er selbst hat auf diese Weise von sich reden gemacht, damit es nicht auf eine andere geschähe, denn es war kein wahres Wort daran. Der Abbé Alary, der sie nie verlassen, hat es mich sehr oft versichert.

Die Liebenden gaben den Aufenthalt in Marcilly auf. Saint-Jean wollte in seinem Hause, und nicht in dem seiner Geliebten wohnen. Er wählte lange; endlich entschloß er sich, la Source bei Orleans zu kaufen, aus dem er einen reizenden Aufenthalt machte. Er schuf sich hier eine Existenz, die beneidenswenher war, als seine frühern Ehrenstellen. Unter Vergnügungen, Studien, Künsten und in einer vollkommen gewählten Gesellschaft verbrachte er in dieser Zurückgezogenheit Jahre, die zu den schönsten Erinnerungen meines Lebens gehören..

 

Voltaire, der vor mir dort war, schrieb mir, um meine Lust zu wecken, ebenfalls dorthin zu kommen, folgende Zeilen:

»Dieser Ruhesitz ist der reizendste Ort der Welt. Er liegt südlich von Orleans, eine kleine Meile von dieser Stadt entfernt. Er ist nicht so breit, als der Loiret, dieser seltsame Fluß, der von seiner Quelle an Fahrzeuge trägt. Das Ufer nach der Stadt zu bildet eine Art Terrasse, die mit einem schönen Weinberge und mehreren hübschen Häusern geschmückt ist. Eine breite und lachende Wiese, die sich bis an die Loire erstreckt, beginnt an dem andern Ufer. Jeder Weinberg hat sein Landhaus. Orleans, das auf der Mitte der Anhöhe nicht weit von der Loire amphitheatralisch liegt, begrenzt diese Fernsicht

»An dem äußersten Ende dieser reizenden Terrasse hat der üppige Minister (Sie wissen, Madame, daß er deshalb eine Schadenklage erhob vor dem Parlamentsausschusse, der ihn ächtete) in einem bequemen und köstlichen Hause sich fest niedergelassen. Die Quelle des Loiret befindet sich in den Gärten, Sie bildet eine Wasserfläche von zwanzig bis fünfundzwanzig Fuß in's Gevierte, und hieraus geht der ganze Fluß hervor, nur nicht so breit und tief als dort, wo er in die Loire fällt. Der gnädige Herr hat aus dem Hause eine Art Schloß gemacht, und die Gärten bedeutend verschönert.

»Die delikaten Mahlzeiten, die er Denen bietet, die ihn besuchen, sein graziöses Wesen, sein Geist und seine Manieren ziehen den Adel der Umgegend an und müssen Sie vorzüglich anziehen, Sie, die Sie so gesucht sind, Madame. Ueber Frau von Villette sage ich Nichts; sie hatte die Güte, meine Werke so zu bewundern, daß ich nicht wage, von ihr zu sprechen, man würde mich der Parteilichkeit beschuldigen, wenn ich nur gerecht wäre.«

Um diese Zeit sandte Bolingbroke Frau von Villette nach England, um wegen seiner Rückkehr zu unterhandeln. Ungeachtet der Reize seines Landsitzes, dachte er stets an sein Vaterland und hegte den Wunsch, dorthin zurückzukehren. Der Zufall wollte, daß Mylady Bolingbroke – seit jener Zeit hatte sie diesen Titel angenommen – bei den Engländern Glück hatte, und daß sie nie aufgehört hat, die Freundin Saint-Jean's zu sein, dessen man sich durchaus nicht versah. Nur Herr Walpole war sein Gegner, er haßte ihn, und dieser Haß übertrug sich auf seinen Sohn Mein Gott, wie wird er mich verwünschen, wenn er diese Memoiren liest! Die Frauen waren indeß fest entschlossen, und die Herzogin von Kendale, die Maitresse des Königs, sprach für ihn, zahlte eine große Summe, und erhielt Verzeihung für ihn. Er kehrte in sein Vaterland zurück.

Er gefiel sich hier nicht, und dies mußte wohl so kommen, da er in England Nichts mehr war. Er ging wieder nach Frankreich, und von da schickte er seine Frau zurück, um zu unterhandeln. Sie besiegte alle Hindernisse, und nun ging er mit allen Kriegsehren, das heißt mit seinem Titel und mit vierzigtausend Thalern Renten zurück. Aber man erlaubte ihm nicht, einen Sitz in der hohen Kammer einzunehmen, was er Walpole nie verzieh – wohlverstanden, er verzieh es Walpole nie.

Nun umgab er sich mit allen geistreichen Leuten und großen Männern Englands, wie z. B. Newton, Swift, Pope; er schrieb für die öffentlichen Blätter, und bald erhielt er einen andern Ruf, als den frühern. Er vertheidigte selbst Walpole gegen eine ungerechte Anklage und zeigte sich ebenso großmüthig als loyal; dies verhinderte ihn aber nicht, jene berühmten Worte auszusprechen, als der Minister, von dessen Lastern er überzeugt war, in dem Hause der Gemeinen angeklagt ward:

– Er hat heute die Stimme der Nachwelt gehört!

Diese Worte wurden wiederholt und zogen Dem, der sie gesprochen, einen geheimen Befehl des Königs zu, nach Frankreich zurückzukehren, was er auch that. Hier ließ man ihn sieben Jahre und schickte ihm seine Revenuen, begleitet von einer Vertheidigung, die fast alle seine Freunde unterschrieben hatten. Er miethete das Schloß von Chanteloup, wo wir noch viele Jahre lang einen andern verbannten großen Minister finden werden, nämlich den Herzog von Choiseul. Hier blieb er bis zu dem Sturze des Ministeriums Walpole, dann kehrte er nach England zurück, wo er seinen theuersten Freund, Pope, sterben sah; nun ließ er sich in literarische Intriguen ein, die ihn mehrere Jahre lang beschäftigten.

Diese letzten Jahre war er eine Art Orakel, das sowohl die Staatsmänner, als die Männer der Wissenschaft befragten. Die Marquise von Villette starb nur zwanzig Monate vor ihm. Er konnte sich über ihren Tod nicht trösten, täglich weinte er bittere Thränen um sie, ohne daß es seinen Freunden gelang, ihn zu beruhigen. Eine schreckliche Krankheit bemächtigte sich seiner selbst, er bekam einen Krebsschaden in das Gesicht; dieses Leiden ertrug er mit einer Geduld und einem Stoicismus, die bei einem Manne seines Alters bewunderungswürdig waren – denn er hatte neunundsiebenzig Jahre hinter sich.

Er hinterließ allen seinen Freunden ein Andenken, unter andern dem Marquis von Matignon und dem Grafen von Gacé, seinem Sohne, einen herrlichen Diamant, das Geschenk der Königin Anna, den er stets am Finger trug. Herr von Matignon war dankbar dafür, indem er ihn gegen seine Feinde vertheidigte, so lange er lebte.

Ich für meine Person erhielt ein kostbares Taschenbuch, das ich jetzt noch besitze; in diesem Buche stehen Verse von ihm und von mehreren Schöngeistern seiner nächsten Bekanntschaft. Ich werde das Buch stets bewahren, und in meinem Testamente vermache ich es Herrn Walpole. Dies ist eine Bosheit, die ich nach meinem Tode ausübe.

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