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Der Secretair der Marquise Du-Deffand

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Einundzwanzigstes Kapitel

Die beiden armen Kinder befanden sich zum ersten Male allein und ungestört einander gegenüber. Es war einer jener schönen Tage, wo Alles in der Natur liebt. Die Probe war sehr stark. Seit zwei Jahren hatte Aissé widerstanden, seit zwei Jahren hatte sie ihrem Ritter selbst ein Geständniß verweigert. War dies in jenen Zeiten nicht eine Tugend ohne Gleichen, und unter der Regentschaft unwahrscheinlich?

Aissé hatte ihren Wagen zurückgeschickt und Aydie hatte den seinigen auf zwei Stunden verabschiedet – sie waren also gezwungen, bei einander zu bleiben, spazieren zu gehen, zu plaudern und sich anzusehen. Der Chevalier ließ es daran nicht fehlen; er ließ es selbst daran nicht fehlen, sich zu beklagen. Sie hörte ihn an, ohne zu antworten, ihr Herz klopfte heftig; sie fürchtete mehr sich selbst, als ihn, denn ihre Seele strömte über vor Glück, und dieses Glück mußte sie bewegen, sich schwach finden zu lassen; der Schwäche würde sie weniger widerstehen, als dem Schmerze.

Er versuchte, von der verschmähten Liebe zu sprechen, die sein ganzes Dasein dergestalt anfüllte, daß durchaus kein Raum für etwas Anderes mehr darin sei.

Anfangs verbot sie ihm nicht, davon zu reden, dann horte sie ihn an, dann antwortete sie ihm, dann gestand sie ihm, daß sie diese Liebe theile. dann hatten sie keine Geheimnisse mehr vor einander, und schließlich kehrten sie in einem und demselben Wagen nach Paris zurück, wo sie sich in der Nacht erst verließen. Die arme Aissé gehörte sich nicht mehr an.

In meinem Leben habe ich ein solches Glück und eine solche Liebe nicht gesehen. Das Anschauen derselben gewährte mir ein wahres Vergnügen. Diese beiden Wesen beteten sich an, Aissé empfand Gewissensbisse, aber sie ließ sie den Chevalier nicht merken, weil sie fürchtete, ihn zu betrüben und ihm Besorgnisse zu bereiten. Diese Gewissensbisse aber nagten an ihr, daß ihre Gesundheit davon angegriffen wurde. Eine erschreckliche Brustkrankheit stellte sich ein, die sie sichtlich schwächte. Wir Alle bemerkten es und fragten sie unaufhörlich, ob sie leide, und warum sie sich nicht darüber beklagte.

– Ich leide nicht, mir fehlt Nichts! antwortete das sanfte Wesen. Finden Sie mich denn so verändert? Ach, sagen Sie dem Chevalier Nichts davon, ich beschwöre Sie! Er würde sich unnöthig grämen.

Es war nicht nöthig, daß wir es ihm sagten, er sah es. Aber auch er schwieg, um die Kranke nicht noch mehr anzugreifen. Dies war ein seltener und rührender Wettstreit der Zärtlichkeit.

Darüber ward Aissé schwanger. Sie wagte nicht, es Jemandem zu gestehen, nicht einmal mir; der Frau von Feriol, die sie ohne Mitleid gefunden haben würde, verbarg sie es sehr sorgfältig. Die ersten Monate verbrachten die Liebenden damit, sich abwechselnd zu freuen und trostlos zu machen. Sie suchten alle Mittel auf, um ihren Fehltritt zu verbergen. Die junge Mutter bedurfte einer Stütze und einer Zuflucht – aber wo waren diese zu finden, da sie nur Fremde um sich hatten?

Sie wollte Herrn von Argental Alles entdecken; der Chevalier widersetzte sich dem, seine Eifersucht ließ es nicht zu. Er beharrte darauf, daß sie sich im Gegentheil mir entdecken sollte, ich wäre ja die Freundin Beider und würde gewiß helfen. Er täuschte sich nicht. Ich erfand wirklich eine List, und war bei der Ausführung derselben behilflich.

Eines Abends sehr spät kamen Beide zu mir. Ihr Aussehen war verstört, sie sprachen nicht und suchten sich gegenseitig zu ermuthigen. Da ich dieses Benehmen nicht begriff, so fragte ich sie:

– Sie werden mit mir soupiren, nicht wahr?

– Wir werden nicht essen.

– Wahrhaftig! Dies ist eine der Regeln Ihres künftigen Haushalts. Man soupirt nicht? Dann gehöre ich nicht zu Ihrem Echo.

Der Chevalier nahm meine Hand und sagte:

– Madame, lachen Sie nicht, Sie betrüben mich. – Sind Sie denn traurig?

– Bis zum Tode.

– Aber was haben Sie denn? Sie machen mich besorgt.

– Madame, wenden Sie sich an Fräulein Aissé.

– Nein, nein! rief diese, indem sie in Thränen ausbrach und ihr Gesicht mit den Händen bedeckte; lassen Sie sich von dem Herrn Chevalier erzählen.

– Ich will Sie Beide anhören, vorausgesetzt, daß Sie sprechen werden. Was giebt es denn?

– Wenn Sie wüßten, beste Madame, wie glücklich ich bin!

– Man zweifelt nicht im Geringsten daran. Und Sie, meine.Königin?

– Auch ich bin glücklich; aber zugleich auch in Verzweiflung.

– Das läßt sich schwer mit einander vereinbaren… indessen… ach ja, ich errathe… Ach, meine armen Kinder, das ist sehr ernsthaft!

– Ich bin verloren!

– Verloren, Sie, Aissé? Sie werden meine Frau vor den Menschen, wie Sie es bereits vor Gott sind. Ich wiederhole feierlich die Aufforderung dazu.

– Schweigen Sie, schweigen Sie! Sprechen Sie diese Lästerung nicht aus. Ich, Ihre Frau?

– Dies scheint mir das Natürlichste von der Welt zu sein, und Sie können nichts Besseres thun.

– Madame, sprechen Sie nicht davon! antwortete sie sehr ernst.

– Was glauben Sie denn, was nun werden soll? Von Madame Feriol, die nur einen Vorwand wünscht, haben Sie Nichts zu erwarten.

– Wir wissen es wohl.

– Und nun?

– Nun sind wir zu Ihnen gekommen, um uns Ihre Hilfe, Ihren Schutz und Ihren Rath zu erbitten.

– Das ist sehr schwierig! Aissé komme zu mir, und ich stehe für Alles.

– Unmöglich, Madame; man wird mich hier sehen!

– So lassen Sie mich überlegen. Wir brauchen eine unabhängige, fremde Person, die Sie weit fortführen kann.

– Fort von ihm? O nein, Madame! In diesem Augenblicke will ich nicht von ihm getrennt sein, es möge kommen, was wolle.

– Es muß aussehen, als ob man sie entführt hatte, und Sie verbergen sich. O, wie viel Andere haben das schon gethan! Geduld, ach, mein Gott! Wir suchen das Fehlende, und es liegt uns auf der Hand: die Marquise von Villette…

– Nun?

– Sie reist nach England, Denken Sie nicht daran?

– Es ist wahr!

– Die Marquise und Lord Bolingbroke lieben Sie zärtlich – ich werde mit ihnen sprechen. Sie wird so gescheidt sein, Sie mit sich zu nehmen; Sie verbergen sich hier in irgend einem Winkel, und, mit Hilfe der treuen Sophie, der Liebe des Chevalier's und meiner zärtlichen Freundschaft lassen Sie die Dinge so gut als möglich gehen, ohne daß Jemand darum weiß. Später erscheinen Sie wieder, und die Sache ist abgethan.

– Ach, Sie sind unsere Retterin, unser schützender Engel! rief der Chevalier.

Aissé warf sich, in meine Arme, und hielt mich lange Zeit umschlungen. Wir weinten Beide. Es giebt Thränen, die zu vergießen süß sind – zu dieser Kathegorie gehörten unsere Thränen. Wir blieben bis über Mitternacht hinaus beisammen, um zu plaudern und unsern Plan reiflich zu überlegen, der auch eben so ausgeführt ward.

Beruhigt verließen sie mich.

Am folgenden Morgen besuchte ich Milord Bolingbroke und die Marquise. Ich theilte ihnen das Geheimniß unserer Freunde mit, und bat sie um Hilfe und Verschwiegenheit. Sie versprachen Alles zu thun, was ich wollte, und ich muß bekennen, daß sie treulich Wort gehalten haben.

Die Marquise selbst ging zu Frau von Feriol und bat sie, Aissé auf einige Monate mit sich nach England nehmen zu dürfen. Frau von Feriol, die sich wenig um sie kümmerte, willigte ein. Anders aber war es mit Argental und Pont-de-Veyle: nur mit Mühe konnten sie sich von ihr trennen. Und doch mußte es geschehen.

Die schöne Türkin reiste in der Carosse der Marquise nach London ab; die Carosse machte eine kleine Tour, kam Abends nach Paris zurück, hielt vor einem kleinen Hause dicht am Walle, unweit der Straße Grange-Batelière nach der Seite von Ville-l'Eveque zu, Aissé stieg aus, und Niemand konnte vermuthen, daß sie sich in diesem verlorenen Lande befände.

Hier blieb sie sechs Monate verborgen, ohne daß sie ihren Garten verließ. Um allen Verdacht zu entfernen, schrieben wir uns Briefe, welche die Marquise von London aus expedirte. Man hat nie Etwas geahnt.

Zwei oder dreimal wöchentlich besuchte ich sie. Bis zur Unkenntlichkeit verkleidet, nahm ich am Ende der Welt einen Fiacre, und fuhr zu ihr. Sie schenkte der Welt ein kleines Mädchen, das sie Cäsarine Leblond nannte. Unter diesem Namen ward es auch in das Kirchenregister eingetragen.

Als Mylady Bolingbroke später nach England zurückkehrte, nahm sie das Kind unter dem Namen Miß Blank mit sich. Sie behielt es bis zu seinem sechzehnten Jahre bei sich, und es galt allgemein für die Nichte Mylords. Später ließ man es zurückkommen, und brachte es in das Kloster Notre-Dame de Sens, von dem Frau von Billette, die Tochter aus erster Ehe der Marquise, Aebtissin war.

Alles ging auf das Beste. Der Roman schien beendet, aber er begann im Gegentheil erst, und wir sollten bei diesen beiden Wesen Wunder von Gefühlen sehen, deren sie allein nur fähig waren. Und sie allein nur konnten der Welt ein solches Beispiel geben.

Zweiundzwanzigstes Kapitel

Trotz ihrer Jugend, trotz ihrer heroischen Entschlüsse, war die arme Aissé das zärtlichste Geschöpf, sie liebte ihren Chevalier mit einer Leidenschaft, die unserer Zeit nicht angehörte. Man hätte, glauben mögen, sie sei einem Oriani oder einem Amadis bestimmt gewesen. Sie begnügte sich nicht damit, es ihm zu sagen, sie hatte selbst die Schwachheit, es ihm zu beweisen. Aber wie fürchtete sie sich vor Frau von Feriol! Wie verbarg sie sich vor ihr! Wie log sie ihr in das Gesicht, wenn diese sie wegen dieser Liebe plagte.

– Nein, Madame, sagte sie, ich liebe den Chevalier nicht; sein Geist gefällt mir, seine guten Manieren und seine Liebenswürdigkeit ziehen mich an, aber von Liebe ist keine Rede.

– Mein Gott, ich mache Ihnen kein Verbrechen daraus, man ist ja nicht Herrin seines Herzens. Aber ich möchte wohl wissen, ob der Chevalier Sie heirathen würde. Und wer sollte sie wohl heirathen, meine arme Kleine? Man ist allgemein davon überzeugt, daß Sie in der strengsten Bedeutung des Worts die Sklavin des Gesandten gewesen sind.

 

– Gott weiß es, daß es glücklicherweise nicht der Fall gewesen ist!

Diese kleinen Scenen wiederholten sich oft. Aissé hat sie mir später alle erzählt, denn damals theilte sie sich Niemandem mit. Frau von Feriol würde es nicht gewagt haben, sie zu sehr zu tadeln, sie, die sich mit ihrem alten Marschall von Uxelles brüstete; aber sie wollte das Herz Aissé's und das des Chevalier's, selbst ihre kleinsten Seufzer, beherrschen, sie sollten durchaus nicht zweier verschiedenen Willensmeinungen sein.

Damit Nichts fehle, mischten sich auch noch Verfolgung und Eifersucht in die Angelegenheit ihres Herzens. Sie selbst gaben den Grund dazu nicht, denn das Band, das sie umschlang, war zu sanft, zu fest; wohl aber ein mächtiger Fürst, der Herzog von Orleans.

Aissé war mit Frau von Parabère sehr vertraut; sie hegte, wie alle die, die sie kannte, eine wahrhafte Freundschaft für diese Dame. Es lag viel Gutes in Frau von Parabère; daß sie galant war, geht Niemand etwas an. Sie war eine zuverlässige, treue und ergebene Person, von der man sich der Gewährung einer jeden Bitte versichert halten konnte. Beweise davon hat sie allen ihren Freunden gegeben, und ich habe selbst einmal gesehen, daß sie ihre Diamanten versetzte, um eine alte Verwandte, Frau von La Vieuville, die sie seit ihrer Kindheit liebte, aus einer Verlegenheit zu ziehen.,

Alsse war ihr also sehr zugethan, und sie stattete ihr oft Besuche ab.

Eines Tages traf sie den Regenten dort an, dem, wie aller Welt, ihre Schönheit auffiel. Fiel dem Regenten eine Schönheit auf, so trug er auch Verlangen darnach.

Er faselte mehrere Tage lang so viel von der schönen Griechin, daß seine Roués ihm sagten, er möge sich der Geliebten des Herrn von Feriol, des Gesandten, bemächtigen.

Der Regent hatte bei allen seinen Ausschweifungen dennoch eine gute Seite, und dies war seine, natürliche; die schlechte kam von Dubois und Consorten.

– Es ärgert mich, daß sie trotzdem so rein und keusch aussieht, sagte er.

– Ach, gnädigster Herr, wer kann diesem Aussehen trauen?

Sie brachten es durch Ueberredung dahin, daß sie ihn bewogen, das arme Mädchen ohne Weiteres entführen zu lassen.

Eines Morgens kam sie sehr früh aus der Messe; sie befand sich noch im Negligee und ein kleiner Laquais des Gesandten begleitete sie. Man entführte sie in einem verschlossenen Wagen nach dem Palais-Royal, indem man sie einen Umweg durch entlegene Straßen machen ließ. Dann hielt der Wagen am Fuße der kleinen Treppe, die sie nicht kannte. Damit der kleine Laquais diese Heldenthat nicht weiter erzählte, hatte man ihn ebenfalls mitgenommen.

Aissé verabscheute den öffentlichen Scandal. Sie hatte um Hilfe gerufen. Einige Vorübergehende hatten ihr beistehen wollen, aber man hatte sie beseitigt. Als sie, sah, daß man sie trotz ihrer Gegenbemühungen in den. Kasten sperrte, schwieg sie; sie leistete keinen Widerstand mehr und nahm ihre ganze Geistesgegenwart zusammen. Zwei Männer, die in große Mäntel gehüllt waren und die Hüte tief in die Augen gedrückt hatten, begleiteten sie. Der eine dieser Männer beruhigte sie, indem er ihr sagte daß man ihr Nichts zu Leide thun würde.

– Bin ich denn Staatsgefangene? fragte sie.

– Ja, Mademoiselle, Sie sind eine Gefangene des, Staates der Liebe, und wir hoffen, daß Sie Ihr Gefängniß lieb gewinnen werden, sobald sie den Kerkermeister kennen.

Aissé schwieg; sie suchte in ihrer Tasche und überzeugte sich, daß sie einen kleinen Dolch darin hatte, den sie, nach der Gewohnheit ihrer Nation, stets bei sich führte. Sie sah ein, daß Schreien und Widerstand unnütz waren und daß sie Nichts thun könne, als sich für den entscheidenden Augenblick auf die Vertheidigung vorzubereiten. Sie richtete sich im Rücksitze des Wagens ein, und wartete.

Man bat sie, auszusteigen.

Sie that es, und ging die Stufen jener kleinen Treppe hinan, auf der täglich so manche Tugend strauchelte. Festen Schrittes folgte sie ihrem Führer, der sie in ein reizendes Kabinet brachte, wo er sie allein ließ, damit sie Muse hatte, es zu bewundern. Kostbare Gemälde, hohe Spiegel, weiche Polster, einladende Stühle schmückten dieses Gemach. Auf einer Toilette lagen Gold und eine Menge Edelsteine.

Ein hübsches Kammermädchen trat ein, machte eine sehr zierliche Verneigung, und sagte:

– Mademoiselle, Sie sind hier zu Hause, und ich stehe zu Ihren Diensten. Haben Sie mir Befehle zu ertheilen? Sie dürfen nur wählen.

Dann öffnete sie nach und nach vier Glasthüren und zeigte ihr zugleich:

Ein Schlafzimmer, das einer Venus würdig war;

Ein Bad mit klarem, duftenden Wasser;

Einen Tisch, der dergestalt besetzt war, daß er den Appetit eines Todten reizen mußte;

Und ein Toilettenzimmer, das mit Allem versehen war, was die koketteste und difficilste Frau reizen konnte.

Aissé sah dies Alles mit jenem gleichgültigen, schönen und keuschen Blicke an, den sie auf Alles zu richten pflegte, was nicht der Chevalier war.

– Das ist sehr schön, sagte sie ruhig; aber da man mich in meiner Wohnung erwartet, würden Sie mir einen großen Gefallen erzeigen, wenn Sie meinen Wagen kommen ließen.

Das Kammermädchen sah sie so erstaunt und so verdutzt an, daß Aissé fast in Lachen ausgebrochen wäre.

– Einen Wagen? fragte sie. Warum?

– Damit er mich nach Hause bringe; ich wiederhole es, daß ich Eile habe.

Das Kammermädchen antwortete durch eine Verbeugung und entfernte sich.

Aissé setzte sich auf ein Polster und holte ihren Rosenkranz aus der Tasche; sie begann andächtig das Paternoster zu beten. So wartete sie ein und eine halbe Stunde. Dann öffnete sich eine Thür, die sie vorhin nicht bemerkt hatte, und ein Mann trat ein. Dieser Mann suchte sich zu verstellen. Sie blieb ruhig sitzen und hielt ihren kleinen Dolch in Bereitschaft.

Als der Mann sich näherte, erkannte sie den Regenten.

– Ach, gnädiger Herr, rief sie emporfahrend, Sie kommen, um mich zu befreien!

– Sie befreien, Mademoiselle, wovon? Wer plagt Sie? Sie können fest auf mich zählen.

– Man hat mich gewaltsam entführt, man hat mich hierher gebracht und hält mich nun fest.

– Gefällt es Ihnen hier nicht? Fehlt Ihnen Etwas? Sie haben nur zu befehlen.

– Zunächst, mein gnädigster Herr, möchte ich wissen, wo ich bin.

– In dem Palais-Royal. Wußten Sie es nicht?

– Gnädigster Herr, man hat mich hierher geführt, ohne zu fragen, ob ich damit einverstanden sei.

– Wahrhaftig, Mademoiselle? fragte er bewegt. Ich glaubte nicht… ich glaubte…

– Was glaubten Sie, gnädigster Herr? fragte sie würdevoll.

– Ich glaubte, Mademoiselle, ich glaubte, daß Sie eine fröhliche Person seien, die das Lachen und das Vergnügen liebt. Man hatte mir gesagt, daß Ihnen ein Tag, mit Philpp von Orleans verbracht, nicht mißfallen würde.

– Vollenden Sie, gnädigster Herr. Was hat man Ihnen noch gesagt? Es würde mir lieb sein, wenn ich es erfahren könnte; ich werde Ihnen sogleich darauf antworten.

– O Himmel, meine Schönste, Sie fragen mich auf eine Weise, die mich fast einschüchtert. Sie fragen mich mit der Miene einer Königin, die für die Sklavin des Herrn von Feriol, für die Geliebte seiner beiden hübschen Neffen, für die leicht zu erringende Freundin aller Derer, die sie suchen und sich ihrer als Göttin von Paphos bedienen, überhaupt für die glückliche Zeit nicht paßt, in der wir leben.

– Hat man Ihnen dies eingeredet, mein gnädigster Herr? Ah, dann begreife ich Alles, und entschuldige Sie. Aber ich habe Ihnen noch ein Wort zu sagen: ich liebe einen Mann, den Sie nicht genannt haben, und an den Sie ohne Zweifel nicht denken. Außer diesem Manne giebt es keinen, der mir die Spitze meines Handschuhs geküßt hat, gnädiger Herr; außer diesem Manne existirt Niemand, und wäre er ein Fürst, der von mir einen Blick erlangen wird,

– Ah, entgegnete der Regent erstaunt, steht es so, Mademoiselle?

– Ja, so steht es, mein gnädigster Herr. Ich werde weder schreien, seufzen, noch klagen, denn dies liegt nicht in dem Charakter meiner Nation; aber wenn man mir Gewalt anthun will, so besitze ich das Mittel, mich davor zu wahren. Vergessen Sie das nicht!

– Ihnen Gewalt anthun, Mademoiselle? Gott soll mich davor bewahren! Ich brauche Niemandem Etwas zu stehlen, und wenn Sie sich in meiner Gegenwart unglücklich fühlen, so lasse ich Sie auf der Stelle in Ihre Wohnung zurückführen. Aber Sie haben mein höchstes Interesse erweckt, und ich möchte Sie nicht entlassen, bevor ich Ihnen nicht den Beweis davon geliefert habe.

– Der schlagendste Beweis würde sein, wenn Sie mich entließen, mein gnädigster Herr!

– Wie, ohne mit mir zu frühstücken?

Aissé richtete ihre Blicke auf den Fürsten, dessen gutmüthiges Gesicht Nichts als diese Worte ausdrückte; sie begriff, daß sie ihn durch Mißtrauen kränkte.

– Gut, so werde ich mit Ihnen frühstücken, gnädiger Herr, sagte sie; aber dann werde ich sogleich zu, dem Gesandten zurückkehren – nicht wahr?

– Ich gebe Ihnen mein Wort darauf.

Sie frühstückten allein; es war keine dienende Person zugegen.

Aissé sah ihr Morgennegligé an, und fragte nach dem Kammermädchen. Es kam, und empfing den Befehl, einen Wagen kommen zu lassen und die schöne Griechin zu begleiten. Der Fürst bot Aissé ein Armband von großem Werthe an, zum Andenken, wie er sagte.

– Nein, gnädigster Herr; wir werden einander dennoch gedenken. Erlauben Sie mir, das Armband diesem jungen Mädchen zu schenken, es mag ihr als Aussteuer dienen und sie in den Stand setzen, ein ehrbares Geschäft zu betreiben.

Noch vor Mittag waren Aissé und der kleine Laquais zu Herrn von Feriol zurückgekehrt; er hatte nicht einmal ihre Abwesenheit bemerkt.

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Die schöne Aissé hatte ihr Abenteuer nur Frau von Parabère und mir erzählt; dem Chevalier verschwieg sie es, da sie nicht wollte, daß er die Sache laut werden ließe; eine Andere würde nicht so gehandelt haben. Aber sie mußte es ihm dennoch sagen, da man ihm die Sache, nach der Voraussicht der Herren Roué's, anders erzählt hatte. Herr von Aydie bewunderte dieses achtbare Wesen, und liebte sie dafür mit ganzem Herzen. Es war eine Zärtlichkeit »zum Entzücken«, wie irgend ein Dichter sagt.

In einer kleinen Wohnung, die dicht neben den, Hause der Frau von Parabère lag, sahen sie sich und hier blieben sie Tage lang bei einander. Außer Frau von Feriol wußten alle ihre Freunde um dieses vertrauliche Verhältniß, und alle interessirten sich lebhaft dafür. Milord Bolingbroke und Frau von Villette vorzüglich betheiligten sich bei dieser Angelegenheit, daß Letztere, als Aissé sich von einer süßen Last gedrückt fühlte, ausdrücklich nach England reiste, um die Bedrängte anscheinend mit sich zu nehmen.

Während dieser Zeit schenkte die schöne Griechin, die sich in der Vorstadt Saint°Honoré in einem einsamen, netten Hause verborgen hielt, der Welt ein Mädchen, das ganz ihrer Mutter ähnlich sah. Die glücklichen Liebenden und Sophie, die treue Dienerin, empfingen das hübsche Kind.

Man ließ es unter dem Namen Cäsarine Leblond taufen, und übergab es Frau von Villette, als diese nach England zurückkehrte. Dort gab sie es für eine Verwandte Mylord's aus, die Miß Blank hieß. Aissé konnte sie nach Gefallen besuchen Frau von Villette war ein wenig unbeständig von Natur – ausgenommen in Bezug auf ihren Lord; sie ward der Sache müde und behauptete, sie könne das Kind nicht erziehen.

Man brachte es in das Kloster Notre-Dame in Sans, deren Aebtissin eine Frau von Villette war, die Tochter aus erster Ehe der Marquise.

Hier blieb sie lange Zeit, selbst nach dem Tode ihrer Mutter, Der trostlose Vater nahm sie dann zurück, um sie mit einem guten Edelmanne aus seiner Provinz Perigord, Namens de Nanthye, zu verheirathen. Dieser gute Chevalier war weise, wie Bayard; Voltaire nahm ihn für seinen Coucy zum Muster, ebenso auch seinen Freund, den Chevalier von Fransay. Ich kann nichts Besseres thun, als ein Portrait von ihm abschreiben, das ich einige Jahre später entworfen habe; wir nahmen damals die Mode der Portraits wieder auf, indem wir dem verflossenen Jahrhunderte und dem Hofe der großen Mademoiselle nachahmten. Man bedenke, daß ich, die redet, Herrn von Lauzün gekannt habe, der sie heirathen sollte!

»Der Geist des Chevaliers von Aydie ist warm, fest und kräftig. Alles an ihm hat die Kraft und die Wahrheit des Gefühls. Man sagte vom Herrn von Fontenelle, er habe statt des Herzens noch ein zweites Gehirn; man könnte glauben, der Kopf des Chevaliers enthalte noch ein zweites Herz. Er bewies die Wahrheit des Ausspruchs Rousseau's: »»unser Herz birgt, was in unserm Geiste wohnt.««

 

»Die Ideen des Chevaliers sind nie durch eine leere Metaphysik geschwächt, verflüchtigt oder erkaltet. Alles ist erste Bewegung in ihm; er überläßt sich dem Eindrucke, den die Gegenstände auf ihn ausüben, die er behandelt. Oft wird er mehr und mehr davon eingenommen, je nachdem er darüber spricht; oft ist er um das geeignetste Wort verlegen, um seine Gedanken auszudrücken, und die Anstrengung, die er dabei macht, giebt seiner Rede noch mehr Schwung und Energie. Weder Gedanken noch Ausdrücke entlehnt er von Andern; was er erblickt und sagt, erblickt und sagt er zum ersten Male. Seine Desinitionen und Bilder sind richtig, kräftig und lebhaft. Mit einem Worte: der Chevalier zeigt uns, daß die Schwäche des Gefühls und der Leidenschaft die erhabene und wahre Beredtsamkeit ist.

»Aber das Herz ist nicht immer fähig, zu empfinden, es hat seine Zeiten der Ruhe: dann scheint der Chevalier nicht mehr zu existiren. In Finsterniß eingehüllt, ist er nicht mehr derselbe Mensch, man glaubt, er sei von einem Genius beherrscht, der je nach Laune sich seiner bemächtigt, oder ihn verläßt. Alle seine Lichter erlöschen, seine Gedanken sind nicht mehr so richtig, seine Ausdrücke nicht mehr so energisch, sie sind nur übertrieben.

,,Man sieht, daß er sich sucht, ohne sich zu finden; Das Original ist verschwunden, es bleibt nur noch die Copie. Obgleich der Chevalier nur nach seinem Gefühle denkt und handelt, so ist er nichtsdestoweniger doch der leidenschaftlichste und zärtlichste Mann von der Welt; er wird zu sehr von verschiedenen Gegenständen hingerissen, um einem sich ganz besonders zu ergeben. Seine Empfindsamkeit ist, um so zu sagen, in alle verschiedenen Fähigkeiten seiner Seele getheilt, und diese Ablenkung könnte wohl seinem Herzen als Vertheidigung dienen und ihm eine Freiheit sichern, die um so sanfter und fester ist, als sie sich von der Gleichgültigkeit und Zärtlichkeit gleich weit entfernt, Indeß, er glaubt zu lieben – und täuscht er sich? Er ist leidenschaftlich für die Tugenden eingenommen, die er bei seinen Freunden findet; er spricht mit Wärme von Dem, was er ihnen schuldet; aber er nennt sich von ihnen ohne Mühe, so daß man versucht ist, zu glauben, es sei durchaus Niemand zu seinem Glücke nöthig. Mit einem Worte, der Chevalier scheint mehr empfindsam, als zärtlich zu sein.

»Das Unterscheidungsvermögen des Chevaliers ist klar und scharf, sein Geschmack sehr richtig; er kann bei den Thorheiten und Fehlern des menschlichen Geschlechts kein gewöhnlicher Zuschauer bleiben.

»Alles, was die Rechtschaffenheit und Wahrheit verletzt, bekämpft er. Ohne Mitleid mit den Verbrechen und ohne Nachsicht für die Lächerlichkeiten, ist er der Schrecken der Schlechten und Dummen. Indem sie ihn übertriebener Strenge und romantischer Tugenden anklagen, glauben sie sich an ihm zu rächen; aber die Achtung und die Liebe geistreicher und verdienstlicher Leute rächt ihn an solchen Feinden.

»Der Chevalier ist zu oft bewegt und angegriffen, als daß sein Humor gleich bleiben könnte; aber diese Ungleichheit desselben ist mehr angenehm, als ärgerlich. Stets war er wahr und natürlich in seinen verschiedenen. Veränderungen, er gefällt durch seinen eigenen Fehler, und er würde den angenehmen Eindruck nicht hervorbringen, wenn er vollkommener wäre.«

In jener Zeit, als Aissé starb, alterte der Chevalier sichtlich; nie, nie hat er sich über diesen Verlust trösten können, das heißt, nie hat er eine andere Frau geliebt, wie er sie geliebt hatte. Wir sahen ihn sehr oft, aber damals konnten wir ihn nicht auffassen, wir mußten zu seiner schönen Jugendzeit zurückkehren, wo er ein wahrer Romanenheld war.

Er liebte Aissé mit einer Leidenschaft, die an Wahnsinn grenzte. Es ist wahrlich keine Metapher, wenn man sagt, er lebte nur für sie. Er lebte stets in ihrer Gegenwart, selbst wenn er sie nicht sah. Oft überraschte man ihn in seiner Zerstreuung, und wenn man ihn fragte, was er hätte, fuhr er überrascht empor, und sagte:

– Ach, Verzeihung, es ist wahr, ich war nicht hier, ich war bei ihr!

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