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Die Nacht vor Weihnachten
Der letzte Tag vor Weihnachten war zu Ende. Eine klare Winternacht brach an; die Sterne erstrahlten am Himmel; der Mond erhob sich majestätisch, um den guten Menschen und der ganzen Welt zu leuchten, damit jeder recht lustig die Koljadalieder singe und den Heiland preise.
Der Frost hatte seit dem Morgen zugenommen; dafür war es aber so still, daß man das Knirschen des gefrorenen Schnees unter den Stiefeln eine halbe Werst weit hören konnte. Noch war keine einzige Gesellschaft von Burschen unter den Fenstern erschienen; nur der Mond allein blickte verstohlen in die Stuben, als wolle er die sich putzenden Mädchen rufen, damit sie schneller auf den knirschenden Schnee hinauslaufen. Da stieg aus dem Schornstein eines Hauses eine dichte Rauchwolke empor, und zugleich mit dem Rauch fuhr eine Hexe auf einem Besenstiel in die Höhe.
Wäre um diese Zeit der Assessor von Ssorotschinzy mit einer Troika von Bürgerpferden, in seiner mit Lammfell besetzten, nach Muster der Ulanenmützen gearbeiteten Mütze, in seinem blauen, mit schwarzem Schaffell gefütterten Pelz, mit seiner teuflisch geflochtenen Peitsche, mit der er seinen Kutscher anzutreiben pflegte, vorübergefahren, so hätte er sie ganz gewiß bemerkt, denn dem Assessor von Ssorotschinzy kann keine Hexe in der Welt entgehen. Er weiß ganz genau, wie viele Ferkel das Schwein einer jeden Frau wirft, wieviel Leinwand sie in der Truhe liegen hat und welche Kleidungs-oder Wirtschaftsgegenstände der brave Mann am Sonntag in der Schenke versetzt. Aber der Assessor von Ssorotschinzy kam nicht vorbei; was gehen ihn auch fremde Angelegenheiten an: er hat ja seinen eigenen Bezirk. Die Hexe stieg indessen so hoch hinauf, daß sie nur noch als ein kleiner schwarzer Fleck zu sehen war. Wo sich aber dieser Fleck nur zeigte, dort verschwand ein Stern nach dem anderen. Die Hexe hatte bald ihrer einen ganzen Ärmel voll. Drei oder vier funkelten noch am Himmel. Plötzlich zeigte sich an der entgegengesetzten Seite ein anderes Fleckchen; es wurde größer, nahm an Breite zu und war bald kein bloßer Fleck mehr. Ein Kurzsichtiger hätte sogar die Räder vom Kommissärswagen statt einer Brille auf die Nase setzen können, aber auch dann würde er nicht erkennen, was das war. Von vorn besehen, sah es ganz wie ein Deutsche aus: eine schmale Schnauze, die sich fortwährend bewegte und alles beschnüffelte, worauf sie stieß, lief wie bei unseren Schweinen in ein rundes Fünfkopekenstück aus; die Beine waren so dünn, daß der Amtmann von Jareskow sie schon beim ersten Sprunge im Kosakentanz gebrochen haben würde, wenn er sie hätte. Von rückwärts sah es dafür ganz wie der Gouvernementsanwalt in Uniform aus, denn es hatte hinten einen spitzen und langen Schwanz hängen, wie ihn ein moderner Uniformfrack hat; nur an dem Bocksbart unter der Schnauze, an den kleinen Hörnchen auf dem Kopfe und daran, daß es nicht weißer war als ein Schornsteinfeger, könnte man erkennen, daß es weder ein Deutscher noch der Gouvernementsanwalt, sondern einfach der Teufel war, dem nur diese letzte Nacht blieb, in der er sich auf der Welt herumtreiben und die guten Menschen zur Sünde verführen durfte. Morgen schon mußte er beim ersten Glockenschlage der Frühmesse mit eingezogenem Schwanz schleunigst in sein Loch fahren.
Der Teufel schlich sich indessen leise an den Mond heran und streckte schon die Hand aus, um ihn zu packen, zog sie aber gleich wieder zurück, als ob er sich verbrannt hätte, sog an den Fingern und zappelte mit einem Bein. Dann lief er an den Mond von einer anderen Seite heran, sprang aber wieder weg und zog die Hand zurück. Trotz dieser Mißerfolge ließ der schlaue Teufel von seinen Streichen nicht ab. Er lief wieder an den Mond heran, packte ihn mit beiden Händen zugleich und warf ihn, wie ein Bauer, der Feuer für seine Pfeife mit bloßen Händen holt, Grimassen schneidend und fortwährend blasend, aus der einen Hand in die andere; schließlich steckte er ihn schnell in die Tasche und rannte weiter, als wäre nichts geschehen.
In Dikanjka merkte niemand, daß der Teufel den Mond gestohlen hatte. Allerdings hatte der Gemeindeschreiber, als er auf allen vieren aus der Schenke kam, gesehen, daß der Mond am Himmel plötzlich tanzte, was er auch unter Schwüren dem ganzen Dorfe versicherte; aber die Bürger schüttelten die Köpfe und lachten ihn sogar aus. Was mochte aber den Teufel zu so einer gesetzwidrigen Tat bewogen haben? Das hatte folgenden Grund: er wußte, daß der reiche Kosak Tschub vom Küster zu Kutja eingeladen war, welchem Schmause außerdem der Amtmann, ein mit dem Küster verwandter bischöflicher Chorsänger, der einen blauen Rock trug und eine tiefere Stimme hatte als der tiefste Baß, der Kosak Swerbygus und noch manche andere Gäste beiwohnen sollten; außer der Kutja würde es auch noch einen süßen Fruchtschnaps, einen Safranschnaps und viele andere Speisen geben. Indessen sollte die Tochter Tschubs, das schönste Mädel im ganzen Dorfe, zu Hause bleiben, und zu dieser Tochter würde sicher der Schmied kommen, ein kräftiger Bursche, der dem Teufel noch unangenehmer war als die Predigten des P. Kondrat. Der Schmied befaßte sich in seiner freien Zeit mit Malen und galt als der beste Maler in der ganzen Gegend. Selbst der Hauptmann L-ko, der damals noch lebte, ließ ihn einmal eigens nach Poltawa kommen, um einen Bretterzaun an seinem Hause anzustreichen. Alle Schüsseln, aus denen die Kosaken von Dikanjka ihre Rübensuppe aßen, waren von diesem Schmied bemalt. Der Schmied war ein gottesfürchtiger Mann und malte oft Heiligenbilder; auch jetzt noch kann man in der Kirche von T. seinen Evangelisten Lucas sehen. Doch der Triumph seiner Kunst war das von ihm an der Wand der rechten Vorhalle der Kirche gemalte Bild, auf dem er den heiligen Petrus dargestellt hatte, wie er am Tage des Jüngsten Gerichts, mit den Schlüsseln in der Hand, den bösen Geist aus der Hölle vertreibt; der erschrockene Teufel wirft sich, sein Ende ahnend, hin und her, während ihn die bis dahin eingekerkerten Sünder mit Peitschen, Holzscheiten und allem, was ihnen in die Hände fällt, schlagen und hinausjagen. Als der Maler an diesem Bilde arbeitete und es auf einem großen Brette malte, hatte sich der Teufel alle Mühe gegeben, ihn zu stören: er stieß ihn unsichtbar an der Hand und holte aus der höllischen Esse Asche und streute sie aufs Bild; das Bild wurde aber trotz alledem vollendet, das Brett in die Kirche gebracht und an der Wand der Vorhalle befestigt, und der Teufel hatte seitdem geschworen, sich am Schmied zu rächen.
Nur eine Nacht noch durfte er sich auf Gottes Welt herumtreiben; aber auch in dieser Nacht suchte er ein Mittel, um seinen Zorn an dem Schmied auszulassen. Zu diesem Zweck entschloß er sich, den Mond zu stehlen, wobei er seine Hoffnung darauf setzte, daß der alte Tschub faul und schwerfällig war und daß er gar nicht nahe vom Küster wohnte; der Weg führte hinter dem Dorfe an den Mühlen und am Friedhof vorbei und machte einen Bogen um einen Graben. In einer Mondnacht hätte sich Tschub vielleicht noch vom Fruchtschnaps und vom Safranschnaps verlocken lassen können, aber bei dieser Finsternis würde es wohl kaum jemand gelingen, ihn von seinem Ofen herunterzuschleppen und aus dem Hause zu bringen. Der Schmied, der mit ihm seit längerer Zeit verfeindet war, würde es trotz seiner Kraft nicht wagen, in Tschubs Anwesenheit das Töchterchen aufzusuchen.
Als der Teufel also den Mond in die Tasche gesteckt hatte, wurde es in der ganzen Welt plötzlich so finster, daß nicht jeder den Weg zur Schenke, geschweige denn zum Küster gefunden hätte. Die Hexe, die sich plötzlich im Dunkeln sah, schrie auf. Der Teufel tänzelte auf sie zu, faßte sie unterm Arm und begann ihr dasselbe ins Ohr zu flüstern, was man den Weibern gewöhnlich zuzuflüstern pflegt. Wunderlich ist es in unserer Welt eingerichtet! Alles, was da lebt, ist bemüht, einander alles abzugucken und sich gegenseitig nachzuäffen. Einst pflegten in Mirgorod nur der Richter und der Stadthauptmann im Winter mit Tuch überzogene Pelze zu tragen, während die niedere Beamtenschaft ungedeckte Nacktpelze trug; jetzt haben sich sogar der Assessor und der Unterrendant neue Pelze aus bestem Lammfell mit Tuchüberzug geleistet. Der Kanzlist und der Gemeindeschreiber hatten sich vor zwei Jahren blauen Baumwollstoff zu sechzig Kopeken den Arschin gekauft. Der Kirchendiener hat sich für den Sommer eine Pluderhose aus Nanking und eine Weste aus gestreiftem Kammgarn machen lassen. Mit einem Worte, alles will nach was aussehen! Wann werden die Menschen einmal aufhören, den Nichtigkeiten dieser Welt nachzugehen! Ich wette, es wird vielen merkwürdig vorkommen, daß der Teufel die gleichen Wege geht. Das Ärgerlichste aber ist, daß er sich wohl für einen schönen Mann hält, während man sich schämen muß, seine Fratze auch nur anzusehen. Er hat eine hundsgemeine Fratze; wie Foma Grigorjewitsch zu sagen pflegt, und doch versucht auch er, einer Hexe den Hof zu machen! Aber am Himmel und unter dem Himmel war es so finster geworden, daß man gar nichts sehen konnte, was zwischen den beiden sich weiter abspielte.
»Du bist also noch nicht beim Küster in seinem neuen Hause gewesen, Gevatter?« fragte der Kosak Tschub, aus seinem Hause tretend, einen langen Bauern in kurzem Schafspelz und mit einem dichten Bart, der davon zeugte, daß ihn das gebrochene Sensenstück, mit dem sich die Bauern in Ermangelung eines Rasiermessers zu rasieren pflegen, seit mehr als zwei Wochen nicht berührt hatte. »Dort wird es einen schönen Schmaus geben!« fuhr Tschub schmunzelnd fort. »Daß wir nur nicht zu spät kommen!«
Bei diesen Worten rückte Tschub den Gürtel zurecht, der seinen Pelz fest umspannte, drückte sich die Mütze tiefer ins Gesicht, nahm die Peitsche, den Schrecken und die Furcht aller zudringlichen Hunde, blickte aber nach oben und hielt inne … »Zum Teufel! Schau! … Schau, Panas! …«
»Was?« fragte der Gevatter und hob ebenfalls seinen Kopf.
»Du fragst noch? Der Mond ist weg!«
»Verdammt! Der Mond ist wirklich weg.«
»Das ist es eben, daß er weg ist!« sagte Tschub etwas ärgerlich über die unerschütterliche Gleichgültigkeit des Gevatters. »Du kümmerst dich wohl nicht darum.«
»Was soll ich denn machen?«
»Mußte sich da ein Teufel einmischen der Hund soll nicht erleben, am Morgen ein Glas Schnaps zu trinken! … Es ist wie ein Spott! … Als ich noch in der Stube saß, sah ich eigens zum Fenster hinaus: eine wunderbare Nacht! Ganz hell war es, der Schnee glänzte im Mondlichte, und alles war so klar zu sehen wie bei Tage. Kaum bin ich aber aus der Stube getreten, so ist es so finster geworden, daß man die Hand vor den Augen nicht sieht!« – Mag er sich alle Zähne an einem harten Buchweizenkuchen ausbrechen! –
Tschub brummte und fluchte noch lange, überlegte sich aber zugleich, wozu er sich entschließen solle. Gar zu gern hätte er beim Küster über allerlei Unsinn geschwatzt; der Amtmann, der zugereiste Baß und der Teerbrenner Mikita, der alle zwei Wochen zum Markt nach Poltawa fuhr und solche Witze zu machen pflegte, daß die Bürger sich den Bauch vor Lachen hielten, waren schon sicher da. Tschub sah schon in Gedanken den süßen Fruchtschnaps auf dem Tische stehen. Das alles war allerdings verlockend; aber die Dunkelheit der Nacht weckte in ihm die Faulheit, die alle Kosaken so lieben. Wie schön wäre es jetzt, mit eingezogenen Beinen auf dem Ofen zu liegen, ruhig die Pfeife zu rauchen und im süßen Schlummer die Lieder lustiger Burschen und Mädchen zuhören, die sich in Scharen vor den Fenstern drängen! Er hätte sich ohne Zweifel für das letztere entschieden, wenn er allein gewesen wäre; aber zu zweit war es nicht so langweilig und schrecklich, durch die finstere Nacht zu gehen; auch wollte er nicht vor den anderen faul und feige erscheinen. Als er mit dem Schimpfen fertig war, wandte er sich wieder an den Gevatter.
»Der Mond ist also weg, Gevatter?«
»Er ist weg.«
»Wirklich seltsam! Gib mir mal eine Prise! Du hast einen feinen Tabak, Gevatter! Wo hast du ihn her?«
»Was, zum Teufel, fein?!« erwiderte der Gevatter und klappte die aus Birkenrinde angefertigte und mit einem Stichmuster verzierte Dose zu. »Nicht mal eine alte Henne würde von diesem Tabak niesen!«
»Ich kann mich noch erinnern«, fuhr Tschub in demselben Tone fort, »der selige Schenkwirt Susulja hat mir einmal einen Tabak aus Njeschin mitgebracht. Ach, war das ein Tabak! Ein guter Tabak war das! Was fangen wir nun an, Gevatter? Es ist ja dunkel.«
»Bleiben wir vielleicht zu Hause?« sagte der Gevatter, nach der Türklinke greifend.
Hätte der Gevatter das nicht gesagt, so würde sich Tschub wohl entschlossen haben, zu Hause zu bleiben; jetzt aber stieß ihn etwas, dem Gevatter zu widersprechen. »Nein, Gevatter, wollen wir gehen! Es ist nicht anders möglich, wir müssen gehen!«
Als er das gesagt hatte, ärgerte er sich schon gleich über seine Worte. Es war ihm sehr unangenehm, sich in einer solchen Nacht hinzuschleppen, aber ihn tröstete der Gedanke, daß er es selbst so gewollt hatte und anders handelte, als man ihm geraten hatte.
Der Gevatter zeigte als ein Mann, dem es ganz gleich war, ob er zu Hause saß oder sich draußen herumtrieb, nicht den leisesten Verdruß; ersah sich um, kratzte sich mit dem Peitschenstiel die Achseln, und die beiden Gevattern machten sich auf den Weg.
Nun wollen wir sehen, was die schöne Tochter allein treibt. Oksana war noch nicht siebzehn Jahre alt, als schon beinahe in der ganzen Welt, wie diesseits von Dikanjka, so auch jenseits von Dikanjka, die Leute von nichts anderem sprachen als von ihr. Die Burschen erklärten einstimmig, daß es ein schöneres Mädel im ganzen Dorfe niemals gegeben habe und auch niemals geben werde. Oksana wußte und hörte alles, was über sie gesprochen wurde, und war so launisch, wie es einem schönen Mädchen geziemt. Hätte sie nicht den Rock und die Jacke einer Bäuerin, sondern irgendein städtisches Morgenkleid getragen, so würde bei ihr wohl keine einzige Zofe aushalten können. Die Burschen liefen ihr scharenweise nach; sie verloren aber die Geduld, verließen einer nach dem anderen die eigensinnige Schöne und wandten sich anderen, weniger launischen Mädchen zu. Nur der Schmied allein war eigensinnig und gab seine Bemühungen nicht auf, obwohl sie ihn nicht besser als die anderen behandelte. Als der Vater gegangen war, putzte und zierte sich Oksana noch lange vor dem kleinen Spiegel im Zinnrahmen und konnte sich gar nicht genug bewundern.
»Warum ist es den Leuten bloß eingefallen, zu verbreiten, daß ich hübsch sei?« sagte sie gleichsam zerstreut, nur um über irgendwas mit sich selber zu plaudern. »Die Leute lügen, ich bin gar nicht hübsch.«
Aber das frische, lebhafte, kindlich jugendliche Gesicht mit den glänzenden schwarzen Augen und dem unsagbar angenehmen Lächeln, das die Seele versengte, bewies ihr plötzlich das Gegenteil.
»Sind denn meine schwarzen Brauen und Augen«, fuhr die Schöne fort, ohne den Spiegel fortzulassen, »wirklich so schön, daß es nicht ihresgleichen auf der Welt geben soll? Was ist denn an dieser Stumpfnase so hübsch? Was an den Wangen, an den Lippen? Sind denn meine schwarzen Zöpfe wirklich so schön? Ach, man könnte vor ihnen am Abend erschrecken: sie winden sich wie lange Schlangen um meinen Kopf. Jetzt sehe ich, daß ich gar nicht hübsch bin!« Sie rückte den Spiegel etwas von sich fort und rief: »Nein, ich bin schön! Ach, wie schön! Wunderbar! Welch eine Freude bringe ich dem, dessen Frau ich werde! Wie wird mich mein Mann bewundern! Er wird vor Freude ganz außer sich sein! Er wird mich zu Tode küssen.«
»Ein wunderliches Mädel!« flüsterte der Schmied, der leise eingetreten war. »Sie ist so gar nicht eitel! Eine ganze Stunde steht sie vor dem Spiegel, kann sich gar nicht sattsehen und rühmt sich dabei ganz laut!«
»Ja, ihr Burschen, passe ich denn zu euch? Schaut mich nur an«, fuhr die hübsche Kokette fort. »Wie schwebend ist mein Gang. Mein Hemd ist mit roter Seide gestickt. Und was für Bänder habe ich auf dem Kopfe! Euer Lebtag werdet ihr keine so schönen Tressen sehen. Das alles hat mir mein Vater gekauft, damit mich der schönste Bursche der Welt heiratet.« Sie lächelte, drehte sich um und erblickte den Schmied…
Sie schrie auf und blieb mit strenger Miene vor ihm stehen.
Der Schmied ließ seine Hände sinken.
Es läßt sich schwer sagen, was das braune Gesicht des herrlichen Mädchens ausdrückte: es war Strenge darin, und durch die Strenge hindurch ließ sich auch ein eigentümlicher Hohn über den verblüfften Schmied erkennen; auch hatte der Verdruß ihr Gesicht mit kaum wahrnehmbarer Röte gefärbt, und alles zusammen war so unbeschreiblich schön, daß man sie eine Million mal küssen könnte: das wäre das beste, was man hätte tun können.
»Warum bist du hergekommen?« begann Oksana. »Möchtest du denn, daß ich dich mit der Schaufel hinausjage? Ihr versteht es alle gut, euch an uns heranzumachen. Ihr wittert es gleich, wenn die Väter nicht zu Hause sind. Oh, ich kenne euch! Ist mein Koffer fertig?«
»Er wird fertig, mein Herzchen, nach den Feiertagen wird er fertig. Wenn du nur wüßtest, wieviel ich an ihm herumgearbeitet habe: zwei Nächte habe ich meine Schmiede nicht verlassen. Dafür hat auch keine Popentochter so einen Koffer. Zu den Beschlägen nahm ich ein Eisen, wie ich es nicht mal zum Wagen des Hauptmanns genommen habe, als ich bei ihm in Poltawa arbeitete. Und wie schön er bemalt sein wird! Du kannst mit deinen weißen Füßchen die ganze Gegend durchlaufen und wirst keinen ähnlichen Koffer finden! Über den ganzen Grund werden rote und blaue Blumen verstreut sein. Es wird leuchten wie Feuer. Sei mir also nicht böse! Laß mich wenigstens mit dir sprechen, dich wenigstens anschauen!«
»Wer verbietet dir das? Sprich und schau!«
Sie setzte sich auf die Bank, blickte wieder in den Spiegel und begann ihre Zöpfe auf dem Kopfe zu ordnen. Sie blickte auf ihren Hals, auf das neue, mit Seide gestickte Hemd, und ein leises Gefühl von Selbstzufriedenheit spiegelte sich auf ihren Lippen, auf den frischen Wangen und leuchtete aus ihren Augen.
»Erlaube mir, daß ich mich neben dich setze!« sagte der Schmied.
»Setz dich«, versetzte Oksana, den gleichen Ausdruck auf den Lippen und in den selbstzufriedenen Augen bewahrend.
»Wunderbare, herrliche Oksana, erlaube, daß ich dich küsse!« sagte der Schmied ermutigt und drückte sie an sich, mit der Absicht, einen Kuß zu erwischen. Aber Oksana zog ihre Wangen, die sich schon in nächster Nähe der Lippen des Schmiedes befanden, zurück und stieß ihn von sich. »Was möchtest du noch? Wenn er Honig hat, muß er auch gleich einen Löffel haben! Geh weg, deine Hände sind härter als Eisen. Auch du selbst riechst nach Rauch. Ich glaube, du hast mich ganz mit Ruß beschmiert.«
Sie nahm wieder den Spiegel vor und begann sich von neuem zu putzen.
– Sie liebt mich nicht! – dachte der Schmied bei sich und ließ den Kopf sinken. – Für sie ist alles eine Spielerei, ich stehe aber vor ihr wie ein Narr und kann von ihr kein Auge wenden! Ein wunderliches Mädel! Was gäbe ich nicht alles darum, zu erfahren, was sie im Herzen hat und wen sie liebt. Aber nein, sie kümmert sich um niemand. Sie bewundert nur sich selbst; sie quält mich Armen, und ich kann vor Trauer die Welt nicht sehen. Ich liebe sie aber so, wie noch kein Mensch auf der Welt geliebt hat oder lieben wird. –
»Ist es wahr, daß deine Mutter eine Hexe ist?« fragte Oksana und lachte. Der Schmied fühlte, wie in seinem Innern alles zu lachen anfing. Dieses Lachen hallte plötzlich in seinem Herzen und in den leise erzitternden Adern wider; gleich darauf spürte er aber wieder Ärger, daß es nicht in seiner Gewalt war, dieses so hübsch lachende Gesicht zu küssen.
»Was geht mich meine Mutter an? Du bist mir Mutter und Vater und alles, was mir auf der Welt teuer ist. Wenn mich der Zar zu sich riefe und mir sagte: ›Schmied Wakula, bitte mich um alles, was es in meinem Zarenreiche Schönes gibt, ich will dir alles geben. Ich werde dir eine goldene Schmiede bauen lassen, und du wirst mit silbernen Hämmern schmieden.‹ – ›Ich will nicht‹, würde ich dem Zaren sagen, ›ich will weder Edelsteine, noch eine goldene Schmiede, noch dein ganzes Zarenreich. Gib mir lieber meine Oksana!‹«
»Siehst du, was du für einer bist: Aber mein Vater ist auch nicht so dumm. Paß auf, er wird noch deine Mutter heiraten!« sagte Oksana mit schelmischem Lächeln. »Aber warum kommen die Mädchen nicht … Was soll das bedeuten? Es ist schon längst Zeit, vor den Fenstern Weihnachtslieder zu singen, mir wird es langweilig!«
»Denk nicht an sie, meine Schöne!«
»Warum nicht gar! Mit ihnen werden wohl auch die Burschen mitkommen. Da wird es einen Ball geben. Ich stelle mir vor, was für spaßige Geschichten sie erzählen werden!«
»Es ist dir also lustig mit ihnen?«
»Jedenfalls lustiger als mit dir. Ah! Jemand klopft; es sind sicher die Mädchen mit den Burschen.«
– Was soll ich noch länger warten? – sagte der Schmied zu sich selbst. – Sie macht sich über mich lustig. Ich bin ihr ebensoviel wert wie ein verrostetes Hufeisen. Wenn dem aber wirklich so ist, so soll wenigstens kein anderer über mich lachen. Wenn ich nur sicher merke, daß ihr ein anderer besser gefällt als ich, so will ich es ihm schon austreiben …
Ein Klopfen an der Tür und ein scharf in der kalten Luft klingender Ruf »Mach auf!« unterbrachen seine Gedanken.
»Wart, ich mache selbst auf«, sagte der Schmied und trat in den Flur mit der Absicht, dem ersten besten, der ihm vor die Augen kam, die Rippen einzuschlagen.
Der Frost nahm zu, und oben in der Höhe wurde es so kalt, daß der Teufel von einem Huf auf den anderen sprang und sich in die Faust blies, um seine erfrorenen Hände ein wenig zu erwärmen. Es ist auch kein Wunder, wenn es einen fror, der sich Tag für Tag in der Hölle herumtrieb, wo es bekanntlich nicht so kalt ist wie bei uns im Winter, und wo er mit einer weißen Mütze auf dem Kopfe wie ein Koch vor dem Herde stand und die Sünder mit solchem Vergnügen briet, wie ein Weib zu Weihnachten eine Wurst brät.
Die Hexe spürte auch den Frost, obwohl sie warm gekleidet war; darum hob sie die Arme in die Höhe, schob ein Bein zurück, nahm die Haltung eines auf Schlittschuhen dahinsausenden Menschen ein und fuhr, ohne ein Glied zu rühren, durch die Luft, wie einen steilen Eisberg hinunterfahrend, in einen Schornstein.
Der Teufel folgte ihr auf die gleiche Weise. Da aber dieses Vieh flinker ist als mancher Geck in Strümpfen, so ist es kein Wunder, daß er gleich an der Mündung des Schornsteins seiner Geliebten an den Hals fuhr; so befanden sich die beiden auf einmal in einem geräumigen Ofen zwischen den Töpfen.
Die heimgekehrte Reiterin machte leise das Ofentürchen auf, um zu sehen, ob ihr Sohn Wakula keine Gäste in die Stube geladen hätte; als sie aber sah, daß niemand da war außer einigen Säcken, die mitten in der Stube lagen, kam sie aus dem Ofen gekrochen, warf den warmen Pelz ab, zupfte ihre Kleider zurecht, und niemand hätte ihr ansehen können, daß sie vor einer Minute auf einem Besen geritten war.
Die Mutter des Schmiedes Wakula war nicht mehr als vierzig Jahre alt. Sie war weder schön noch häßlich. Es ist auch schwer, in diesem Alter schön zu sein. Doch verstand sie es, die gesetztesten Kosaken (die sich, nebenbei bemerkt, wenig um die Schönheit kümmerten) so an sich zu fesseln, daß selbst der Amtmann, der Küster Ossip Nikiforowitsch (natürlich wenn die Küsterin nicht zu Hause war), der Kosak Kornij Tschub und der Kosak Kaßjan Swerbygus sie aufzusuchen pflegten. Zu ihrer Ehre muß gesagt werden, daß sie mit ihnen vorzüglich umzugehen verstand: keinem von ihnen kam es in den Sinn, daß er einen Nebenbuhler habe. Ging ein frommer Bauer oder ein Edelmann, wie die Kosaken sich selbst nennen, in seinem Mantel mit der Kapuze am Sonntag zur Kirche, oder, bei schlechtem Wetter, in die Schenke, wie sollte er da nicht bei Ssolocha einkehren, um ein paar fette Quarkkuchen mit Sahne zu essen und ein wenig mit der gesprächigen und gefälligen Hausfrau in der warmen Stube zu schwatzen? Der Edelmann machte zu diesem Zweck einen großen Umweg, ehe er die Schenke erreichte, und das nannte er »unterwegs einkehren«. Und wenn Ssolocha mal an einem Feiertag in ihrem grellen Rock und Nankingjacke und dem blauen, mit goldenen Streifen benähten Überrock in die Kirche kam und sich direkt neben dem rechten Chor aufstellte, so mußte der Küster unbedingt hüsteln und unwillkürlich nach jener Seite hinüberblinzeln; der Amtmann strich sich den Schnurrbart, wickelte sich seinen Kosakenzopf ums Ohr und sagte zu dem neben ihm stehenden Nachbarn: »Ach, ist das ein feines Frauenzimmer! Ein Teufelsweib!« Ssolocha grüßte jeden Menschen, und jeder glaubte, sie grüße ihn allein.
Aber jeder, der Lust hat, sich in fremde Angelegenheiten zu mischen, könnte sofort merken, daß Ssolocha den Kosaken Tschub am freundlichsten behandelte. Tschub war Witwer. Vor seinem Hause standen immer acht Schober Getreide. Zwei Paar kräftige Ochsen streckten ihre Köpfe aus dem Flechtwerk des Stalles auf die Straße hinaus und brüllten, sooft sie die Gevatterin – die Kuh, oder den Gevatter – den dicken Stier, kommen sahen. Ein bärtiger Ziegenbock stieg sogar aufs Dach hinauf und meckerte mit einer so schrillen Stimme wie der Stadthauptmann, um die im Hofe herumspazierenden Truthennen zu necken, und kehrte den Rücken, wenn er seine Feinde, die Jungen, erblickte, die sich über seinen Bart lustig machten. In den Truhen Tschubs gab es viel Leinwand, teure Kaftans und altertümliche Röcke mit goldenen Tressen: seine verstorbene Frau hielt viel auf Putz. In seinem Gemüsegarten wurden außer Mohn, Kohl und Sonnenblumen alljährlich auch zwei Beete Tabak gesät. Ssolocha hielt es für gar nicht so ohne, dies alles mit ihrer eigenen Wirtschaft zu vereinigen und malte sich schon im voraus aus, welche Ordnung in der Wirtschaft herrschen würde, wenn sie in ihre Hände käme; darum verdoppelte sie ihr Wohlwollen gegen den alten Tschub. Damit aber ihr Sohn Wakula sich nicht an Tschubs Tochter heranmache, alles einheimse und ihr die Möglichkeit nehme, sich in etwas einzumischen, griff sie nach dem üblichen Mittel aller vierzigjährigen Weiber: sie bemühte sich, den Schmied mit Tschub so oft als möglich zu entzweien. Vielleicht waren diese schlauen Ränke und ihre Gewandtheit schuld daran, daß die alten Weiber manchmal, besonders wenn sie bei einer lustigen Versammlung etwas zu viel getrunken hatten, davon redeten, Ssolocha sei wahrlich eine Hexe; der Bursche Kisjakolupenko habe bei ihr hinten einen Schwanz von der Größe einer Weiberspindel gesehen; erst am letzten Donnerstag sei sie in Gestalt einer schwarzen Katze über die Straße gelaufen; zu der Popenfrau sei aber einmal eine Sau gekommen, die wie ein Hahn gekräht, den Hut des P. Kondrat aufgesetzt habe und wieder weggelaufen sei…
Einmal traf es sich, daß, als die alten Weiber darüber redeten, ein gewisser Kuhhirt Tymisch Korostjawyj herbeikam. Er unterließ es nicht, zu erzählen, wie er im Sommer, kurz vor den Petrifasten, sich im Stalle schlafen gelegt und ein Bündel Stroh unter den Kopf gelegt habe und wie er mit eigenen Augen gesehen hätte, daß die Hexe mit aufgelöstem Zopf, in bloßem Hemd angefangen habe, die Kühe zu melken; er hätte sich gar nicht rühren können, so behext sei er gewesen; auch hätte sie ihm die Lippen mit etwas so Abscheulichem beschmiert, daß er nachher den ganzen Tag spucken mußte. Das alles war jedoch zweifelhaft, da doch nur der Assessor von Ssorotschinzy allein eine Hexe zu sehen vermag. Darum wehrten sich alle angesehenen Kosaken gegen dieses Gerücht. »Sie lügen, die Hundeweiber!« war ihre gewöhnliche Antwort.
Als Ssolocha aus dem Ofen gekrochen war und ihre Kleider zurechtgezupft hatte, fing sie als gute Hausfrau an, die Stube aufzuräumen und alles auf seinen Platz zu stellen; aber die Säcke rührte sie nicht an: »Wakula hat sie gebracht; soll er sie auch selbst hinaustragen!« Der Teufel hatte sich indessen, als er in den Schornstein hineinflog, zufällig umgeschaut und Tschub Arm in Arm mit dem Gevatter schon recht weit vom Hause erblickt. Er fuhr sofort aus dem Ofen, lief ihnen über den Weg und begann die Haufen des gefrorenen Schnees auf allen Seiten aufzuwühlen. Es erhob sich ein Schneegestöber. Die ganze Luft wurde weiß. Der Schnee wirbelte so, daß man ein weißes Netz zu sehen glaubte, und drohte die Augen, Münder und Ohren der Fußgänger zuzukleben. Der Teufel flog wieder in den Schornstein hinein, fest davon überzeugt, daß Tschub mit dem Gevatter heimkehren, den Schmied bei sich antreffen und ihn sicherlich so traktieren würde, daß er lange Zeit nicht mehr imstande sein werde, einen Pinsel in die Hand zu nehmen und verletzende Karikaturen zu malen.
Und in der Tat, kaum hatte sich das Schneegestöber erhoben und der Wind angefangen, ihn in die Augen zu stechen, äußerte Tschub schon Reue; er zog sich die Kapuze tiefer über die Ohren und fluchte auf sich selbst, den Gevatter und den Teufel. Sein Ärger war übrigens geheuchelt. Tschub war über den Schneesturm sehr froh. Bis zum Hause des Küsters hatten sie etwa achtmal so weit zu gehen, als sie schon zurückgelegt hatten. Die Wanderer kehrten um. Der Wind blies ihnen jetzt in den Nacken, aber durch das Schneegestöber war nichts zu sehen.
»Halt, Gevatter! Ich glaube, wir sind auf einem falschen Wege«, sagte Tschub, nachdem sie eine kurze Strecke gegangen waren. »Ich sehe kein einziges Haus. Ach, dieser Schneesturm! Bieg doch etwas seitwärts ab, Gevatter, vielleicht findest du einen Weg; ich will indessen hier suchen. Was für ein Teufel treibt uns auch bei solchem Unwetter aus dem Hause! Vergiß nicht, zu schreien, wenn du den Weg gefunden hast. Ach, was für einen Haufen von Schnee hat mir der Satan in die Augen gejagt!«
Vom Wege war aber nichts zu sehen. Der Gevatter, der seitwärts abgebogen war, irrte in seinen langen Stiefeln hin und her und stieß schließlich auf die Schenke. Dieser Fund hatte ihn dermaßen erfreut, daß er alles vergaß, den Schnee von sich abschüttelte und in den Flur trat, ohne sich im geringsten um den auf der Straße zurückgebliebenen Gevatter zu kümmern. Tschub kam es indessen vor, daß er den Weg gefunden habe. Er blieb stehen und schrie aus vollem Halse; als er aber sah, daß der Gevatter nicht kam, entschloß er sich, allein weiterzugehen. Als er eine kurze Strecke gegangen war, erblickte er sein eigenes Haus. Ganze Berge von Schnee lagen vor dem Hause und auf dem Dache. Er schlug die von Kälte erstarrten Hände gegeneinander und fing dann an, an die Tür zu klopfen und seiner Tochter gebieterisch zuzurufen, daß sie aufmachen solle.
Начислим
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