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Inhalt





Einleitung







Katholizismus in der Moderne







Unternehmensgeschichte als Religionsgeschichte







Quellen und Literatur zum Benziger Verlag







Gliederung und Vorbemerkungen







Wallfahrt und Wirtschaft (1750–1900)







Ein Dorf im Schatten des Klosters? Einsiedler Wirtschaft (1750–1900)







Entstehung und Entwicklung der Firma Benziger (1750–1897)







Einfluss der Firma Benziger auf die regionale Entwicklung







Expansion: Von Einsiedeln nach New York







Internationalisierung des Geschäfts







Die amerikanischen Filialen







Prinzipale und Agenten







Ware für den katholischen Markt (1800–1920)







Religiöse Medien in der Moderne







Gebetbücher im Benziger Verlag







Andachtsbilder im Benziger Verlag







Kalender, Zeitschriften und Belletristik im Benziger Verlag







Bildstrecke I: Beispiele aus Werbung und Produktion







Katholische Verlage: Filialen der Kanzel?







Katholische Verlagshäuser – fünf Fallbeispiele







Topografie des internationalen katholischen Verlagswesens







Handlungsspielräume katholischer Verleger







Innenansichten: Familie, Unternehmenskultur, Politik (1800–1920)







Eine neue Elite – Besitz, Heiratspraxis, Bildung







Eine katholische Unternehmenskultur?







Politische Positionen der Verleger







Bildstrecke II: Fotografien aus der Verlagsgeschichte







Kontinuitäten und Zäsuren im 20. Jahrhundert (1914–1995)







Erster Weltkrieg, Sanierung des Geschäfts und die Dynastie der Familie Bettschart







Katholisch und schweizerisch







Verlagsprogramm im Wandel (1930–1970)







Niedergang und jähes Ende (1970–1995)







Schluss







Anhang







Quellen und Literatur







Karten







Tabellen







Kurzbiografien







Bildnachweis







Dank







Einleitung



«Katholisch von der Wiege bis zur Bahre» – dieser geflügelte Ausdruck wird oft bemüht, um die Lebenswelt von Katholiken früherer Generationen zu beschreiben. Die konfessionelle Zugehörigkeit und ihre spezifischen religiösen Praktiken prägten lange Zeit wichtige Übergangsrituale eines Lebenslaufs, den Jahresablauf, ja den Alltag vieler Katholiken. Die Art und Weise sowie das Ausmass dieser Prägung haben sich im Lauf der Zeit aber stark gewandelt. Der Ausdruck «katholisch von der Wiege bis zur Bahre» bezeichnet deshalb keine überhistorische Wahrheit, sondern bezieht sich auf eine spezifisch moderne Ausprägung des Katholizismus, wie sie sich etwa ab dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts entwickelte. Dieser «neue» oder «moderne» Katholizismus war uniformierter, zentralisierter und «römischer», als er noch im 18. Jahrhundert gewesen war, und durchdrang die Lebenswelt der Gläubigen stärker als in früheren Jahrhunderten.

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 Dennoch war der Katholizismus mit seinen Milieus bei Weitem nicht so geschlossen und von der säkularen Umwelt abgetrennt, wie dies die ältere Forschung manchmal darstellte, und kein eindimensionales, antimodernes Bollwerk. Er wurde nicht einfach zentral «von oben» gesteuert, sondern erhielt auch «von unten» und aus der Peripherie Impulse. Insgesamt beteiligte sich eine Vielzahl von Akteuren mit ganz unterschiedlichen Anliegen, Ideen und Interessen an der Dynamik des modernen Katholizismus.



Akteure, deren Stimmen die historische Forschung bislang weitgehend ignorierte, waren katholische Verlage und Verleger, welche die Katholiken mit Devotionalien, frommen Bildern, belehrenden Büchern und unterhaltenden Kalendern und Zeitschriften versorgten. Katholische Verlagsunternehmen stellten in ihren Fabriken jene materielle Ware her, die dazu beitrug, den modernen Katholizismus gegen aussen zu repräsentieren und im Innern zusammenzuhalten. Dieses Buch erzählt die Geschichte eines solchen Unternehmens: Im abgelegenen Einsiedeln in den Schweizer Voralpen nutzte die Familie Benziger die ökonomischen Chancen des allgemeinen religiösen Aufschwungs und baute – sozusagen im Windschatten der ultramontanen, sich am Papsttum orientierenden Bewegung – einen transnationalen katholischen Medienkonzern mit Absatzgebieten in ganz Europa, Nord- und Südamerika auf. Die Publikation untersucht die Geschichte des Benziger Verlags aus verschiedenen Blickwinkeln. Die wechselseitigen Beziehungen zum lokalen Umfeld – in den Wirtschaftswissenschaften oft verkürzt «Standort» genannt – werden genauso in die Untersuchung einbezogen wie die internationale Expansion des Unternehmens mit ihren Voraussetzungen und Folgen, die sich wandelnde Produktion des Verlags genauso wie die Unternehmenskultur und die «Vergesellschaftung» der Verlegerfamilie. Die Leitfragen zielen auf die Katholizität des Unternehmens und der Unternehmer. Was soll das sein, ein «katholisches Unternehmen»? Was lässt sich anhand der Geschichte der Firma Benziger zum viel diskutierten Verhältnis zwischen Katholizismus, Moderne und Unternehmertum sagen? Und welche Rolle spielte ein katholisches Medienhaus wie Benziger bei der «katholischen Mobilisierung»? Die Studie ist thematisch und methodisch zwischen verschiedenen Disziplinen wie der Wirtschafts-, der Sozial- und der Kulturgeschichte angesiedelt; sie bewegt sich zwischen der modernen Religions- und Katholizismusgeschichte auf der einen und der modernen Unternehmensgeschichte auf der anderen Seite. Im Folgenden sollen deshalb einige Argumente aus diesen beiden grossen Forschungsfeldern aufgegriffen und diskutiert werden.






Katholizismus in der Moderne



Die Moderne ist eine religionsproduktive Epoche. Sie hat weltweit zahlreiche neue Religionen und religiöse Bewegungen hervorgebracht, die heute global verbreitet sind.

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 Auch traditionelle Religionen wie das Christentum erlebten in der Moderne ein Revival. Auf der evangelischen Seite lassen sich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts mehrere Wellen religiöser «Erweckungsbewegungen» beobachten, die sich teilweise innerhalb der bestehenden Landeskirchen vollzogen, häufig aber auch zur Gründung von neuen kleineren und grösseren Gruppierungen und Freikirchen führten.

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 Auf der katholischen Seite ist ab den 1830er-Jahren ebenfalls eine Intensivierung der Religiosität festzustellen, die in der Ausprägung des Ultramontanismus besonders sichtbar wurde. Die klassische Säkularisierungsthese, die davon ausging, dass Religionen im Fortschreiten der Moderne vollständig verschwinden würden, wird – angesichts der evidenten Bedeutung von Religiosität in der Moderne – heute kaum mehr in dieser Form vertreten.

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Phasen und Übergänge



Die historische Forschung hat verschiedene Indikatoren verwendet, um den Aufschwung der christlichen Konfessionen im 10. Jahrhundert zu belegen und zu beschreiben. Für den Katholizismus als Indikatoren häufig genannt wurden die Zahl neuer Kirchenbauten, die Gründung neuer Orden, Kongregationen oder religiöser Laiengesellschaften, die Anzahl an Konvertiten, die Partizipation der Gläubigen an Wallfahrten und Gottesdiensten oder die Präsenz religiöser Themen auf dem Buchmarkt. Es mag fragwürdig erscheinen, Religiosität quantitativ messen zu wollen. Veränderungen der Kirchen in ihrer Beziehung mit der Gesellschaft und sich wandelnde Praktiken der Gläubigen – kurz: Konjunkturen des Religiösen – dürfen dem Historiker aber nicht gleichgültig sein. Religionen wandeln sich, obschon sie selbst häufig den Anspruch auf eine zeitlose Wahrheit erheben.

 



In der Geschichte des Katholizismus lassen sich ab 1750 zwei Phasen intensiven Wandels feststellen: einmal zwischen etwa 1760 und 1830 und einmal in den Jahrzehnten um 1960. Die erste Phase prägten die Ideen der Aufklärung, die auch das Feld der Religiosität unmittelbar berührten. Lange wurde übersehen, dass die Exponenten der Kirche aufklärerische Ideen nicht unisono ablehnten. Erst in jüngerer Zeit ist eine Debatte über die katholische Aufklärung entstanden.

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 Es gab in den Jahrzehnten um 1800 eine starke Bewegung einer katholischen Aufklärung, die sich nicht nur in theoretischen Reflexionen und Abhandlungen, sondern gerade auch in der kirchlichen Praxis äusserte. Aufklärerisch und antibarock gesinnte katholische Geistliche sahen sich als «Volkserzieher», pflegten den interkonfessionellen Austausch und forderten unter anderem einen stärkeren Einbezug der Gemeinde, neue Bibelübersetzungen und allgemein eine Hinwendung zu den Landessprachen auch in der Liturgie. Die katholischen Aufklärer verloren im Verlauf des 19. Jahrhunderts gegenüber den ultramontan-konservativ gesinnten Katholiken an Gewicht und gerieten schliesslich so weit in Vergessenheit, dass die ökumenischen Bestrebungen in den 1960er-Jahren den meisten Betrachtern als etwas komplett Neues erschienen.

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Die zweite Übergangsphase wird in der Regel mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) assoziiert. Das Konzil war allerdings viel eher Folge als Ursache des gesellschaftlichen Wandels in der Nachkriegszeit, der auch die katholischen Gebiete erfasst hatte. Eine bestimmte Ausprägung der katholischen Kultur verschwand in dieser Phase innerhalb weniger Jahrzehnte beinahe vollständig. Das «katholische Milieu» brach weitestgehend in sich zusammen, die Zahl der Gottesdienstbesucher und der Priesterordinationen ging rapide zurück, die letzten Überbleibsel einer barock-agrarischen Frömmigkeit verschwanden.

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Die Zeit zwischen den beiden Phasen des Übergangs, also zwischen etwa 1830 und 1960, beschreibt die Forschung verschiedentlich als eine Zeit homogener Geschlossenheit und hoher öffentlicher Sichtbarkeit für den Katholizismus. Olaf Blaschke hat für diese Phase den Epochenbegriff «Zweites Konfessionelles Zeitalter» geprägt.

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 Diese Etikettierung wurde mit Hinweis auf regionale, zeitliche und auch interkonfessionelle Vielstimmigkeiten von verschiedenen Seiten kritisiert.

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 Dass es im 19. Jahrhundert ein Revival der christlichen Konfessionen und ihrer Traditionen – häufig in gewandelter Form und mit neu besetzten Inhalten – gegeben hat, ist allerdings weitgehend unbestritten.





Das Verhältnis des Katholizismus zur Moderne



Wie hat die katholische Kirche auf die Herausforderungen der Moderne reagiert? Ist sie selbst als ein gestaltungsfähiger Akteur in einer modernen Welt zu verstehen oder doch eher eine Überlebende aus vormodernen Zeiten, die den Prozessen der Modernisierung reaktiv ausgesetzt war? Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen hat eine lange Tradition, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Im Gesamtfeld der Fortschritts- und Modernisierungstheorien nahm die Religion bis vor wenigen Jahrzehnten eine randständige Position ein. Die meisten Modernisierungstheoretiker interessierten sich primär für Ökonomie und Politik, hingegen kaum für Religion. Umgekehrt interessierten sich Religions- und Kirchenhistoriker nur am Rand für Ökonomie und Politik.

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 Dies änderte sich ab den 1970er-Jahren, als weltweit orthodoxe und teilweise fundamentalistische Kirchen sowie religiöse Bewegungen aufkamen, die so gar nicht ins Bild einer fortschreitenden Säkularisierung passten. Plötzlich war von einer «De-Säkularisierung», einer «Wiederverzauberung der Welt» und einer «Rückkehr der Götter» die Rede.

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Zunehmend begannen sich auch Historiker und Sozialwissenschaftler mit religiösen Themen in der Moderne zu beschäftigen.

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 Die Hinwendung zum Religiösen geschah allerdings langsam. Noch im Jahr 1989 sah sich Urs Altermatt veranlasst, seinem Buch «Katholizismus und Moderne» ein «Plädoyer für die Sozialgeschichte des Religiösen» voranzustellen. Heute ist die Situation eine andere. Das Feld der Forschungsliteratur zum Thema ist mittlerweile stark gewachsen und unüberschaubar breit geworden. Wir behelfen uns im Folgenden damit, einige Argumente dreier Forscher kurz vorzustellen, die dem Feld seit den 1980er-Jahren wichtige Impulse verliehen haben.



Der Schweizer Historiker Urs Altermatt führte in seinem Buch von 1989 verschiedene seiner in den zwei Jahrzehnten zuvor erarbeiteten Thesen und Themen zusammen. Wie es der Untertitel «Sozial- und Mentalitätsgeschichte der Schweizer Katholiken im 19. und 20. Jahrhundert» andeutet, ist die Schweiz Altermatts Untersuchungsraum, die er aber in einem internationalen Kontext situiert. Spätere Übersetzungen auf Französisch, Italienisch, Polnisch und Ungarisch zeugen von der Relevanz des Buches über die Schweizer Grenzen hinaus. Zeitlich behandelt Altermatt – mit Vor- und Rückgriffen – die Periode zwischen 1850 und 1950. Damit setzt er sich über gängige Epochengrenzen hinweg und nimmt in gewisser Weise auch die oben erwähnte These eines «Zweiten Konfessionellen Zeitalters» in der Moderne vorweg. Wie es der Titel des Buches andeutet, betont Altermatt die Ambivalenzen zwischen dem Katholizismus und der modernen Welt. Die katholische Kirche habe einen «Antimodernismus mit modernen Mitteln» betrieben, so eine breit rezipierte These des Buches, und gezielt moderne Neuerungen wie die Presse und Massenmedien oder das Vereins- und Verbandswesen dazu genutzt, gegen diese Moderne gerichtete Botschaften zu verbreiten.



Altermatt sah in Teilbereichen aber auch eine Modernisierung des Katholizismus. Deutlich kommt dies in seinen Überlegungen zur «katholischen Subgesellschaft» und zur Emanzipation der Katholiken in derselben zum Ausdruck. Altermatt argumentiert, die Schweizer Katholiken, die nach dem verlorenen Sonderbundskrieg 1847 nicht nur quantitativ, sondern auch sozial und politisch in eine Minderheitenposition geraten waren, hätten sich im jungen Schweizer Bundesstaat in eine organisierte und durchstrukturierte «Subgesellschaft» zurückgezogen. Von dort aus hätten sie sich letztlich – etwa über die Gründung von eigenen Parteien – auch politisch Gehör verschafft, sich also von der protestantischliberal geprägten Mehrheitsposition «emanzipieren» können.



Zahlreiche in Fribourg und anderswo verfasste Qualifikationsarbeiten haben Altermatts Thesen später empirisch unterfüttert.

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 Er selbst hat seine Argumente in späteren Publikationen immer wieder variiert, tendenziell in Richtung Vielstimmigkeit verschoben und die modernisierenden Tendenzen innerhalb des Katholizismus betont.

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Der niederländische Historiker Staf Hellemans vertritt eine radikalere Position als Altermatt. In mehreren seit den frühen 1990er-Jahren entstandenen Publikationen entwickelte er sein Argument der «religiösen Modernisierung».

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 Unter Modernisierung versteht er dabei nicht einen teleologischen Prozess, der auf einen wie auch immer gearteten Idealzustand zuläuft. Vielmehr ortet er eine Bewegung innerhalb des «sozialen Gebildes der Moderne», das den Rahmen für das gesamtgesellschaftliche Leben, also auch für den Bereich der Religiosität, bilde. Eine konservative Bewegung wie der Ultramontanismus gehört in dieser Optik genauso zur Moderne wie liberale Reformbestrebungen: Beide spielen sich im selben gesamtgesellschaftlichen Rahmen ab und reagieren auf dieselben Herausforderungen – wenn auch auf ganz unterschiedliche Weise.

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Die Modernisierung ist für Hellemans etwas Unvermeidbares. Folglich, so sein Argument, habe sich der Katholizismus nicht weniger modernisiert als andere Konfessionen und Religionen oder andere Bereiche des Lebens wie die Politik oder die Ökonomie. Die Geschichte des Katholizismus in der Moderne sei deshalb konsequent als eine Geschichte der Modernisierung zu erzählen.



Der Blick auf diese religiöse Modernisierung sei allerdings rhetorisch verstellt, schreibt Hellemans, da Säkularisierungsbefürworter stets propagiert hätten, der Katholizismus sei nicht kompatibel mit der Moderne; auf der anderen Seite hätten die katholisch-konservativen Strömungen die Kontinuitäten zu vormodernen Zuständen auf Kosten des historischen Wandels in den Vordergrund gerückt.

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 Hellemans seinerseits zieht daraus den Umkehrschluss und betont radikal den historischen Wandel gegenüber der Präsenz vormoderner religiöser Traditionen in der Moderne.



Der französische Islamwissenschaftler und Religionshistoriker Olivier Roy wendet sich in seinem Buch «La Sainte Ignorance» (2008)

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 – in diesem Punkt Hellem

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