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Der Graf von Bragelonne

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»Wie, Ihr glaubt, ich hintergehe Euch, während ich Euch meiner Zuneigung versichere?«

»Ja.«

»Und was macht Euch zweifeln?«

»Eine Sache.«

»Eine einzige?«

»Ja.«

»Welche? Ich werde sehr unglücklich sein, wenn ich nicht eine einzige Sache besiege.«

»Diese Sache ist nicht in Eurer Macht, Sire, nicht einmal in der Macht Gottes.«

»Und was ist es?«

»Die Vergangenheit.«

»Madame, ich begreife nicht,« erwiederte der König, gerade weil er nur zu gut begriffen hatte.

Die Prinzessin faßte seine Hand und sprach:

»Sire, ich habe das Unglück gehabt, Euch so lange zu mißfallen, daß ich beinahe berechtigt bin, mich heute zu fragen, wie Ihr mich habt zur Schwägerin annehmen können.«

»Mir mißfallen! Ihr habet mir nie mißfallen.«

»Oh! läugnet es nicht.«

»Erlaubt.«

»Nein, ich erinnere mich.«

»Unser Bündniß datirt von heute,« rief der König mit einer Wärme, welche nicht geheuchelt war; »Ihr erinnert Euch also der Vergangenheit nicht? Ich auch nicht; doch ich erinnere mich der Gegenwart. Ich habe sie vor Augen, hier ist sie, schaut.«

Und er führte die Prinzessin vor einen Spiegel, worin sie sich erröthend und schön sah, daß ein Heiliger hätte unterliegen müssen.

»Gleichviel,« murmelte sie, «das wird kein sehr kräftiges Bündniß sein.«

»Soll ich schwören?« fragte der König, berauscht durch die wollüstige Wendung, die das ganze Gespräch genommen hatte.

»Oh! ich schlage einen guten Eid nicht aus,« sagte Madame. »Das ist immerhin ein Anschein von Sicherheit.«

Der König kniete auf eine Fliese nieder und nahm die Hand von Madame.

Mit einem Lächeln, das ein Maler nicht wiedergeben würde, und das ein Dichter sich nicht einzubilden vermöchte, reichte sie ihm ihre beiden Hände, in denen er seine brennende Stirne verbarg.

Weder das Eine, noch das Andere konnte ein Wort finden.

Der König fühlte, daß Madame ihre Hände zurückzog und dabei seine Wangen streifte.

Er erhob sich sogleich und verließ das Gemach.

Die Höflinge bemerkten seine Röthe und schloßen daraus, die Scene sei stürmisch gewesen.

Doch der Chevalier von Lorraine sagte rasch:

»Oh! nein, meine Herren, beruhigt Euch. Wenn Se. Majestät zornig ist, sieht sie blaß aus.«

XVI.
Die Röthe

Der König verließ Madame in einem aufgeregten Zustand, den er sich kaum selbst erklären konnte.

Es ist in der That unmöglich, das geheime Spiel der seltsamen Sympathien zu erklären, die sich plötzlich und ohne Ursache entzünden, nach vielen in der größten Ruhe, in der größten Gleichgültigkeit zweier sich zu lieben bestimmten Herzen zugebrachten Jahren.

Warum hatte Ludwig Madame früher verachtet, beinahe gehaßt? Warum fand er jetzt dieselbe Frau so schön, so wünschenswerth, und warum beschäftigte er sich nicht nur mit ihr, sondern war von ihr eingenommen? Warum hatte Madame, deren Augen und Geist von einer andern Seite erstrebt wurden, seit acht Tagen für den König jenen Anschein von Gunst, der an die vollkommenste Vertraulichkeit glauben läßt?

Man darf nicht denken, Ludwig habe sich einen Verführungsplan erdacht. Das Band, das Madame mit seinem Bruder vereinigte, war oder schien ihm wenigstens eine unübersteigbare Schranke; er war sogar noch zu fern von dieser Schranke, um zu bemerken, daß sie bestand. Doch auf dem Abhang der Leidenschaften, an denen sich das Herz ergötzt, zu denen uns die Jugend hintreibt, kann Niemand sagen, wo er stille stehen werde, nicht einmal derjenige, welcher zum Voraus alle Chancen des Erfolges oder der Niederlage berechnet hat.

Was Madame betrifft, so wird man leicht ihre Neigung für den König erklären: sie war noch jung, coquette und leidenschaftlich darauf bedacht, Bewunderung einzuflößen.

Es war eine von jenen Naturen mit stürmischen Sprüngen, die auf einem Theater über glühende Kohlen laufen würde, um den Zuschauern ein Beifallsgeschrei zu entreißen.

Man durfte sich also nicht wundern, daß die Prinzessin, mit Beobachtung der Progression, nachdem sie von Buckingham, sodann von Guiche angebetet worden war, der den Vorzug vor Buckingham hatte, und war es auch nur durch das große, von den Frauen so wohl geschützte Verdienst, durch die Neuheit, man durste sich nicht wundern, sagen wir, daß die Prinzessin ihren Ehrgeiz so weit steigerte, daß sie vom König bewundert sein wollte, der nicht nur der Erste des Königreichs, sondern auch einer der Schönsten und Geistreichsten war.

Was die plötzliche Leidenschaft von Ludwig für seine Schwägerin betrifft, so würde die Physiologie dieselbe durch Alltagsredensarten und die Natur durch eine von ihren geheimnißvollen Verwandtschaften erklären. Madame hatte die schönsten schwarzen Augen, Ludwig die schönsten blauen Augen der Welt. Madame war heiter und ergußreich, Ludwig schwermüthig und verschwiegen; berufen, sich zum ersten Mal auf dem Gebiete eines Interesses und einer gemeinschaftlichen Neugierde zu begegnen, hatten sich diese zwei entgegengesetzten Naturen durch die Berührung ihrer gegenseitigen Rauhheiten entflammt.

Als Ludwig wieder in sein Gemach zurückgekehrt war, bemerkte er, Madame sei die verführerischste Frau der Welt.

Madame, die allein geblieben, dachte, ganz freudig, sie habe auf den König einen lebhaften Eindruck hervorgebracht.

Doch dieses Gefühl mußte bei ihr passiv sein, während es bei dem König unfehlbar mit der ganzen Heftigkeit wirken mußte, die dem entflammbaren Geiste eines jungen Mannes natürlich ist, und zwar eines jungen Mannes, der nur zu wollen braucht, um seinen Willen vollzogen zu sehen.

Der König kündigte vor Allem Monsieur an, Alles sei beigelegt; Madame habe die größte Achtung, die aufrichtigste Zuneigung für ihn, es sei aber ein stolzer, sogar argwöhnischer Charakter, dessen Empfindlichkeiten man sorgfältig schonen müsse.

Monsieur erwiederte mit dem sauersüßen Ton, den er gewöhnlich gegen seinen Bruder annahm, er erkläre sich die Empfindlichkeiten einer Frau nicht, deren Betragen sie einem Tadel bloß stelle, und wenn Jemand das Recht habe, verletzt zu sein, so käme ihm, Monsieur, dieses Recht unbestreitbar zu.

Darauf antwortete der König mit ziemlich lebhaftem Ton, mit einem Ton, der das ganze Interesse bewies, das er an seiner Schwägerin nahm:

»Madame steht, Gott sei Dank! über dem Tadel.«

»Der Andern, ja, ich gebe es zu,« sagte Monsieur, »doch ich denke, nicht über dem meinigen.«

»Nun wohl,« sprach der König, »Euch, mein Bruder, sage ich, daß Madame Euern Tadel nicht verdient. Ja, es ist allerdings eine sehr seltsame und sehr zerstreute junge Frau, aber sie ist zugleich mit den besten Gefühlen ausgestattet. Der englische Charakter wird in Frankreich nicht immer wohl begriffen, mein Bruder, und die Freiheit der englischen Sitten setzt zuweilen diejenigen in Erstaunen, welche nicht wissen, wie sehr diese Freiheit durch die Unschuld geadelt wird.«

»Ah!« sagte Monsieur immer mehr gereizt, »sobald Eure Majestät meine Frau, die ich anklage, freispricht, ist meine Frau nicht mehr schuldig und ich habe nichts mehr zu sagen.«

»Mein Bruder,« erwiederte lebhaft der König, der die Stimme des Gewissens ganz leise seinem Herzen zuflüstern fühlte, Monsieur habe nicht ganz Unrecht, »mein Bruder, das, was ich sage, und besonders, was ich thue, geschieht für Euer Glück. Es ist mir zu Ohren gekommen, Ihr habet Euch über einen Mangel an Vertrauen oder Rücksicht von Seiten von Madame beklagt, und ich wollte nicht, daß Eure Unruhe länger fortwähre. Es gehört zu meinen Pflichten, daß ich Euer Haus überwache, wie das des Geringsten von meinen Unterthanen. Ich habe also mit dem größten Vergnügen gesehen, daß Eure Besorgnisse durchaus nicht begründet waren.«

»Und.« fuhr Monsieur mit fragendem Ton fort, indem er seine Augen ans seinen Bruder heftete, »und das, was Eure Majestät in Beziehung auf Madame erkannt hat, und ich neige mich vor Eurer königlichen Weisheit, habt Ihr auch in Beziehung auf diejenigen bewahrheitet, welche die Ursache des Aergernisses, über das ich mich beklage, gewesen sind?«

»Ihr habt Recht, mein Bruder; ich werde darauf bedacht sein,« sagte der König.

Diese Worte enthielten zugleich einen Befehl und einen Trost. Der Prinz begriff das und entfernte sich.

Ludwig aber suchte seine Mutter auf: er fühlte, daß er einer vollständigeren Absolution bedurfte, als die, welche er von seinem Bruder erhalten hatte.

Anna von Oesterreich hatte bei Herrn von Guiche nicht dieselben Ursachen der Nachsicht, die sie bei Buckingham gehabt hatte.

Sie sah bei den ersten Worten, daß Ludwig nicht geneigt war, streng zu sein, sie war es:

Das war eine von den gewöhnlichen Listen der guten Königin, um die Wahrheit zu erfahren.

Ludwig hatte aber in dieser Hinsicht schon seine Lehre durchgemacht: beinahe seit einem Jahr war er König. Während dieses Jahres hatte er Zeit gehabt, die Verstellung zu erlernen.

Indem er auf Anna von Oesterreich horchte, um sie ihren ganzen Gedanken entwickeln zu lassen, indem er nur mit dem Blick und der Geberde billigte, überzeugte er sich aus gewissen tiefen Blicken, aus gewissen geschickten Insinuationen, daß die in Dingen der Galanterie so scharfsichtige Königin, seine Schwäche für Madame, wenn nicht errathen, doch wenigstens gemuthmaßt habe.

Von allen seinen Unterstützungen mußte Anna von Oesterreich die gewichtigste sein; von allen seinen Feinden wäre Anna von Oesterreich die gefährlichste gewesen.

Ludwig veränderte also sein Manoeuvre.

Er belastete Madame, sprach Monsieur frei und hörte das an, was seine Mutter von Guiche sagte, wie er angehört, was sie von Buckingham gesagt hatte.

Dann, als er sah, daß sie einen vollständigen Sieg über ihn davon getragen zu haben glaubte, verließ er sie.

Der ganze Hof, das heißt alle Günstlinge und Vertraute, und es waren ihrer viele, kamen am Abend zur Probe vom Ballet zusammen.

 

Dieser Zwischenraum war für den armen Guiche durch einige Besuche ausgefüllt, die er erhalten hatte.

Unter der Zahl dieser Besuche fand sich einer, den er beinahe mit dem gleichen Gefühl erhoffte und fürchtete.

Es war der des Chevalier von Lorraine.

Gegen drei Uhr Nachmittags trat der Chevalier von Lorraine bei Guiche ein.

Sein Aussehen war äußerst beruhigend.

»Monsieur,« sagte er zu Guiche, »war von einer reizenden Laune, und man hätte nicht glauben sollen, es sei die geringste Wolke über den ehelichen Himmel hingegangen.«

»Uebrigens hatte Monsieur so wenig Unwillen!«

Seit sehr langer Zeit hatte der Chevalier von Lorraine bei Hofe die Behauptung aufgestellt, von den zwei Söhnen von Ludwig XIII. sei Monsieur derjenige, welcher den väterlichen Charakter, den wankelmüthigen, den unentschlossenen Charakter angenommen, gut in plötzlichen Aufwallungen, schlimm im Grunde und sicherlich nichts für seine Freunde.

Er hatte besonders Guiche dadurch wieder belebt, daß er ihm bewies, Madame werde binnen Kurzem dahin gelangen, daß sie ihren Gemahl lenke, und dem zu Folge werde Monsieur derjenige Beherrscher, welchem es gelinge, Madame zu beherrschen.

Worauf Guiche, voll Mißtrauen und Geistesgegenwart, erwiederte:

»Ja, Chevalier? doch ich halte Madame für sehr gefährlich.«

»In welcher Hinsicht?«

»In der, daß sie gesehen hat, Monsieur sei von einem für die Frauen nicht sehr leidenschaftlichen Charakter.«

»Das ist wahr,« sagte lachend der Chevalier von Lorraine.

»Und dann . . . «

»Nun?«

»Nun! Madame wählt den Ersten, den Besten, um den Gegenstand ihrer Bevorzugung aus ihm zu machen, um ihren Gemahl durch die Eifersucht zurückzuführen.«

»Tief! tief!« rief der Chevalier.

»Wahr!« sagte Guiche.

Weder der Eine, noch der Andere sprach seine Gedanken aus.

In dem Augenblick, wo er so den Charakter von Madame angriff, bat sie Guiche aus dem Grunde seines Herzens um Verzeihung.

Während der Chevalier den Blick von Guiche bewunderte, führte er ihn mit geschlossenen Augen zu dem Abgrund.

Guiche befragte ihn nunmehr unmittelbar über die durch die Scene am Morgen hervorgebrachte Wirkung und über die noch ernstere durch die Scene vom Mittagsmahl hervorgebrachte Wirkung.

»Ich habe Euch schon erzählt, daß man darüber, lachte, und zwar Monsieur zu allererst,« antwortete der Chevalier von Lorraine.

»Man hat mir jedoch von einem Besuche des Königs bei Madame gesagt?« bemerkte Guiche.

»Ganz richtig; Madame war die Einzige, welche nicht lachte, und der König ging zu ihr, um sie lachen zu machen.«

»Somit . . . «

»Somit hat sich nichts an der Anordnung des Tages geändert.«

»Und man probirt heute Abend das Ballet?«

»Gewiß.«

»Seid Ihr dessen sicher?«

»Ganz sicher.«

Als die zwei jungen Leute in ihrem Gespräch so weit waren, trat Raoul mit sorgenvoller Stirne ein.

Sobald er ihn erblickte, stand der Chevalier, der gegen ihn, wie gegen jeden edlen Charakter, einen geheimen Haß hegte, auf.

»Ihr rathet mir also? . . . « fragte Guiche den Chevalier.

»Ich rathe Euch, ruhig zu schlafen, mein lieber Graf.«

»Und Ich, Guiche,« sagte Raoul, »ich werde Euch einen ganz entgegengesetzten Rath geben!«

»Welchen, Freund?«

»Den, zu Pferde zu sitzen und nach einem von Euren Gütern zu reisen; dort angelangt, werdet Ihr, wenn Ihr den Rath des Chevalier befolgen wollt, so lange und so ruhig schlafen, als es Euch angenehm sein dürste.«

»Wie, abreisen!« rief der Chevalier, der den Erstaunten spielte. »Und warum sollte Guiche abreisen?«

»Weil, und Ihr müßt das wissen, Ihr besonders, weil schon Jedermann von einer Scene spricht, welche zwischen Monsieur und Guiche vorgefallen sein soll.«

Guiche erbleichte.

»Durchaus nicht,« erwiederte der Chevalier, »durchaus nicht, Ihr seid schlecht unterrichtet, Herr von Bragelonne.«

»Ich bin im Gegentheil sehr gut unterrichtet, mein Herr,« sagte Raoul,« und der Rath, den ich Guiche gebe, ist ein Freundesrath.«

Während dieses Streites schaute Guiche, etwas verblüfft, bald den Einen, bald den Andern von seinen Rathgebern an.

Er fühlte in seinem Innern, daß sich ein für sein übriges Leben wichtiges Spiel in diesem Augenblick spielte.

»Nicht wahr,« sagte der Chevalier, den Grafen selbst anrufend, »nicht wahr, Guiche, die Scene ist nicht so stürmisch gewesen, als der Herr Vicomte von Bragelonne, der übrigens nicht dabei gewesen ist, zu glauben scheint?«

»Mein Herr,« entgegnete Raoul, »stürmisch oder nicht stürmisch, es ist nicht gerade die Scene selbst, wovon ich spreche, sondern ich meine die Folgen, die sie haben kann. Ich weiß, daß Monsieur gedroht, ich weiß, daß Madame geweint hat.«

»Madame hat geweint,« rief die Hände faltend Guiche unvorsichtiger Weise.

»Ah! ah!« sagte lachend der Chevalier, »das ist ein Umstand, von dem ich nichts wußte, Ihr seid entschieden besser unterrichtet, Herr von Bragelonne.«

»Gerade weil ich besser unterrichtet bin, als Ihr, Chevalier, dringe ich darauf, daß Guiche sich entfernt.«

»Nein, nein, ich bedaure, Euch widersprechen zu müssen, Herr Vicomte, doch diese Abreise ist unnöthig.«

»Sie ist dringend.«

»Sprecht, warum sollte er sich entfernen?«

»Der König! der König!«

»Der König?« rief Guiche.

»Ja, sage ich Dir, der König nimmt sich der Sache an.«

»Bah!« sprach der Chevalier, »der König liebt Guiche und besonders seinen Vater; bedenkt, daß es, wenn der Graf verreisen würde, gestehen hieße, er habe etwas Tadelnswerthes gethan.«

»Wie so?«

»Allerdings, wenn man flieht, ist man strafbar oder man hat Furcht.«

»Oder man schmollt, wie ein mit Unrecht angeklagter Mensch,« sprach Bragelonne. »Geben wir seiner Abreise den Charakter des Schmollens, nichts kann leichter sein: wir sagen, wir haben Beide Alles gethan, um ihn zurückzuhalten, und Ihr wenigstens werdet nicht lügen. Auf! auf! Guiche, Ihr seid unschuldig, und als einen Unschuldigen mußte Euch die heutige Scene verletzen. Reiset, Guiche, reiset!«

»Nein, Guiche, bleibt,« rief der Chevalier; »bleibt, gerade, wie Herr von Bragelonne sagte, weil Ihr unschuldig seid; verzeiht noch einmal, Vicomte, ich bin einer der Eurigen ganz entgegengesetzten Ansicht.«

»Das steht Euch frei; aber gemerkt wohl, daß die Verbannung, die sich Guiche auferlegt, eine Verbannung von kurzer Dauer sein wird. Er kann sie aufhören lassen, wann er will, und aus einer freiwilligen Verbannung zurückkehrend, wird er das Lächeln auf. jedem Mund finden, während im Gegentheil eine schlechte Laune des Königs einen Sturm herbeiführen kann, dessen Ziel Niemand vorherzusehen vermöchte.«

Der Chevalier lächelte.

»Das ist es, bei Gott! gerade, was ich will,« murmelte er leise für sich selbst.

Und zu gleicher Zeit zuckte er die Achseln.

Diese Bewegung entging dem Grafen nicht; er hatte bange, wenn er den Hof verließe, würde es scheinen, als gäbe er der Furcht nach.

»Nein, nein,« rief er, »es ist entschieden, ich bleibe, Bragelonne.«

»Ich bin ein Prophet,« sagte Raoul traurig. »Wehe Dir, Guiche, wehe!«

»Ich bin auch ein Prophet, doch kein Unglücksprophet . . . im Gegentheil, Graf, und ich sage Euch, bleibt, bleibt.«

»Das Ballet wird also probirt?« fragte Guiche. »Ihr seid dessen sicher?«

»Vollkommen sicher?«

»Nun wohl, Du siehst, Raoul,« sagte Guiche, der zu lächeln sich anstrengte, »Du siehst, es ist kein sehr finsterer und zu inneren Kriegen gerüsteter Hof, ein Hof, wo man mit solcher Beharrlichkeit tanzt . . . Das mußt Du gestehen, Raoul.«

Raoul schüttelte den Kopf und erwiederte:

»Ich habe nichts mehr zu sagen.«

Neugierig zu erfahren, aus welcher Quelle Raoul seine Nachrichten geschöpft hatte, deren Richtigkeit er in seinem Inneren anerkennen mußte, fragte der Chevalier:

»Ihr nennt Euch gut unterrichtet, Herr Vicomte, wie solltet Ihr es besser sein, als ich, der ich zu den Vertrauten des Prinzen gehöre?«

»Mein Herr,« erwiederte Raoul, »vor einer solchen Erklärung verbeuge ich mich. Ja, ich erkenne es an, Ihr müßt vollkommen unterrichtet sein, und da ein Mann von Ehre unfähig ist, etwas Anderes zu sagen, als das, was er weiß, anders zu sprechen, als erdenkt, so schweige ich, so bekenne ich mich besiegt und überlasse Euch das Schlachtfeld.«

Und wie ein Mensch, der nichts Anderes zu wüschen scheint, als die Ruhe, versenkte sich Raoul wirklich in einen großen Lehnstuhl, während der Graf seine Leute rief, um sich ankleiden zu lassen.

Der Chevalier fühlte, daß die Stunde verlief und wünschte wegzugehen; aber er befürchtete zugleich, wenn Raoul mit Guiche allein wäre, würde er ihn zu einem andern Entschluß bewegen.

Er bediente sich deßhalb seines letzten Hilfsmittels und sagte:

»Madame wird glänzend sein; sie probirt heute ihr Costume als Pomona.«

»Ah! es ist wahr!« rief der Graf.

»Ja, ja,« fuhr der Chevalier fort, »sie hat zu diesem Behuf ihre Befehle gegeben. Ihr wißt, Herr von Bragelonne, daß der König den Frühling macht.«

»Das wird herrlich sein,« sagte Guiche, »und dieser Grund ist besser, als alle, die Ihr mir für mein Bleiben angegeben habt. Da ich den Herbst mache und den Pas mit Madame tanze, so kann ich ohne einen Befehl des Königs nicht gehen, in Betracht, daß meine Abreise das Ballet in Verwirrung bringen würde.«

»Und ich,« sagte der Chevalier, »ich mache einen einfachen Egypan; ich bin allerdings ein schlechter Tänzer und habe ein übel geformtes Bein. Meine Herren, auf Wiedersehen. Vergeßt das Fruchtkörbchen nicht, das Ihr Pomona bieten müßt, Graf.«

»Oh! seid unbesorgt, ich werde nichts vergessen,« rief Guiche entzückt.

»Oh! ich bin nun sicher, daß er nicht abreisen wird,« murmelte der Chevalier, während er hinausging.

Als der Chevalier weggegangen war, versuchte es Raoul nicht einmal, seinem Freund zu widerrathen; er fühlte, daß es verlorene Mühe gewesen wäre.

»Graf,« sagte er nun mit seiner traurigen, melodischen Stimme, »Graf, Ihr vertieft Euch in eine furchtbare Leidenschaft; ich kenne Euch; Ihr seid in Allem extrem; diejenige, welche Ihr liebt, ist es auch. Nun, ich will einen Augenblick annehmen, es komme dazu daß sie Such liebe . . . «

»Oh! nie! nie!« rief Guiche.

»Warum sagt Ihr nie?«

»Weil das ein großes Unglück für uns Beide wäre.«

»Dann, mein lieber Freund, erlaubt mir, daß ich Euch, statt Euch für einen Unklugen anzusehen, für einen Narren halte.«

»Warum?«

»Sprecht offenherzig, seid Ihr sicher, daß Ihr nichts von der begehrt, welche Ihr liebt?«

»Oh! ja, sehr sicher.«

»Dann liebt sie von fern!«

»Wie, von fern?«

»Allerdings, was liegt Euch an der Gegenwart oder Abwesenheit, da Ihr nichts von ihr begehrt? Liebt ein Portrait, liebt eine Erinnerung.«

»Raoul!«

»Liebt einen Schatten, eine Illusion, eine Chimäre, liebt die Liebe, indem Ihr auf Euer Ideal einen Namen setzt. Ah! Ihr wendet den Kopf um; Eure Diener kommen. Ich sage nichts mehr. Im Glück wie im Unglück zählt auf mich, Guiche.«

»Bei Gott! ob ich auf Euch zähle!«

»Nun wohl! das ist Alles, was ich Euch zu sagen hatte. Macht Euch schön, Guiche, macht Euch sehr schön. Gott befohlen!«

»Ihr kommt nicht zur Balletprobe?«

»Nein, ich habe einen Besuch!n der Stadt zu machen. Umarmt mich, Guiche. Guten Tag.«

Die Versammlung fand beim König statt.

Die Königinnen zuerst, dann Madame, einige aus« erwählte Ehrendamen, viele ebenfalls auserwählte Höflinge präludirten bei den Tanzübungen durch Gespräche, wie man sie in jener Zeit zu machen wußte.

Keine von den eingeladenen Damen hatte das Festcostume angezogen, wie es der Chevalier von Lorraine vorhergesagt; aber man plauderte viel von den Prachtvollen und sinnreichen Gewändern, welche verschiedene Maler für das Ballet der Halbgötter gezeichnet hatten. So nannte man die Könige und die Königinnen, deren Pantheon Fontainebleau sein sollte.

Monsieur erschien mit der Zeichnung in der Hand, die seine Person vorstellte; seine Stirne war noch etwas sorgenvoll; die Art, wie er die junge Königin und seine Mutter begrüßte, war äußerst höflich und freundlich. Er begrüßte Madame beinahe cavaliermäßig und pirouettirte auf den Fersen. Diese Geberde und diese Kälte wurden bemerkt.

Herr von Guiche entschädigte Madame durch einen Blick voll Flammen, und, Madame, es ist nicht zu leugnen, erwiederte dies die Augenlieder aufschlagend mit Wucher.

Guiche war wirklich nie so schön gewesen, der Blick von Madame hatte gewissermaßen das Gesicht des Sohnes vom Marschall von Grammont erleuchtet. Die Schwägerin des Königs fühlte einen Sturm über ihrem Haupte brausen, sie fühlte auch, daß sie im Verlauf dieses an zukünftigen Ereignissen so fruchtbaren Tags, gegen den, welcher sie mit so viel Feuer und Leidenschaft liebte, eine Ungerechtigkeit, wenn nicht gar einen schweren Verrath begangen hatte.

 

Es schien ihr der Augenblick gekommen, dem armen Opfer dieser Ungerechtigkeit vom Morgen Genugthuung zu geben. Das Herz von Madame sprach und es sprach im Namen von Guiche. Der Graf wurde aufrichtig beklagt, der Graf trug also den Sieg über Alle davon.

Es war nicht mehr von Monsieur, vom König, vom Herzog von Buckingham die Rede. Guiche herrschte in diesem Augenblick ohne Theilung.

Monsieur war indessen auch sehr schön; doch man konnte ihn unmöglich mit Guiche vergleichen. Man weiß es und alle Frauen sagen es, es findet immer ein ungeheurer Unterschied zwischen der Schönheit des Geliebten und der eines Gatten statt.

Nach des Prinzen höflicher und freundlicher Begrüßung der jungen Königin und seiner Mutter, nach dem oberflächlichen und cavaliermäßigen Gruß, den er an Madame gerichtet, was von allen Höflingen bemerkt worden war, verliehen alle Motive in dieser Gesellschaft dem Liebhaber den Vorzug vor dem Gemahl.

Monsieur war ein zu sehr vornehmer Herr, um diesen Umstand zu bemerken. Es gibt nichts so Wirksames, als die festgestellte Idee der Superiorität, um die Inseriorität desjenigen zu sichern, welcher diese Meinung von sich hegt.

Der König kam. Jedermann suchte die Ereignisse in dem Blick, der die Welt in Bewegung zu setzen anfing, wie die Augenbraune Jupiters.

Ludwig hatte nichts von der Traurigkeit seines Bruders: er strahlte.

Nachdem er die Mehrzahl der Zeichnungen, die man ihm von allen Seiten zeigte, angeschaut hatte, gab er seinen Rath oder seinen Tadel und machte Glückliche oder Unglückliche mit einem einzigen Wort.

Plötzlich bemerkte sein Auge, das Madame schief zulächelte, die stumme Correspondenz zwischen der Prinzessin und dem Grafen.

Die Lippe des Königs zog sich zusammen, und als sie sich wieder öffnete, um einige Alltagsphrasen durchzulassen, sagte er, auf die Königin zuschreitend:

»Meine Damen, ich erhalte die Nachricht, daß Alles in Fontainebleau meinen Befehlen gemäß vorbereitet ist.«

Ein Gemurmel der Zufriedenheit kam aus den Gruppen hervor. Der König las in allen Gesichtern den glühenden Wunsch, eine Einladung zu den Festen zu erhalten.

»Ich werde schon morgen abreisen,« fügte er bei.

Tiefes Stillschweigen der Versammlung.

Das Lächeln erleuchtete alle Physiognomien. Das von Monsieur allein behauptete seinen Charakter schlechter Laune.

Da sah man nach und nach vor dem König und den Damen die Herren vorübergehen, die sich beeilten, Seiner Majestät für die große Ehre der Einladung zu danken.

Als die Reihe an Guiche war, sagte der König:

»Ah! mein Herr, ich hatte Euch nicht gesehen!

Der Graf verbeugte sich … Madame erbleichte.

Guiche wollte den Mund öffnen, um eine Danksagung auszusprechen.

»Gleich,« sagte der König, »es ist die Zeit der zweiten Aussaat. Ich bin überzeugt, daß Eure Pächter in der Normandie Euch mit Vergnügen sehen werden.«

Und er wandte dem Unglücklichen nach diesem ungeschlachten Ueberfall den Rücken zu.

Nun war es an Guiche, zu erbleichen, er machte zwei Schritte gegen den König, und stammelte, indem er vergaß, daß man nie mit Seiner Majestät spricht, ohne gefragt zu werden:

»Ich habe vielleicht schlecht verstanden.«

Der König wandte den Kopf um, schaute den Grafen mit dem kalten starren Blick an, der sich wie ein unbiegsames Schwert in das Herz der in Ungnade Gefallenen taucht, und wiederholte langsam, indem er ein Wort nach dem andern von seinen Lippen fallen ließ:

»Ich habe gesagt, Eure Güter.«

Ein kalter Schweiß stieg dem Grafen auf die Stirne, seine Hände öffneten sich und ließen den Hut fallen, den er zwischen seinen zitternden Fingern hielt.

Ludwig suchte den Blick seiner Mutter, als wollte er ihr zeigen, daß er der Herr sei. Er suchte den Blick seines Bruders, als wollte er ihn fragen, ob diese Rache seinem Geschmack entspreche.

Endlich heftete er seine Augen auf Madame.

Die Prinzessin lächelte und plauderte mit Frau von Noailles.

Sie hatte nichts gehört, oder sich vielmehr gestellt, als hörte sie nichts.

Der Chevalier von Lorraine schaute auch mit einer von jenen feindseligen Starrheiten, die dem Menschen die Macht des Hebels zu geben scheinen, wenn er das Hinderniß aufhebt, ausreißt und in die Ferne springen macht.

Herr von Guiche blieb allein im Kabinet des Königs: es hatte sich Jedermann zerstreut; vor den Augen des Unglücklichen tanzten Schatten.

Plötzlich entriß er sich der starren Verzweiflung, die ihn beherrschte, und lief spornstreichs in seine Wohnung, wo ihn Raoul standhaft in seinen düstern Ahnungen erwartete.

»Nun!« murmelte dieser, als er seinen Freund baarhäuptig, das Auge stier, schwankenden Gangs eintreten sah.

»Ja, es ist wahr, ja!«

Mehr konnte Guiche nicht sagen. Er fiel erschöpft auf die Polster.

»Und sie?« fragte Raoul.

»Siel« rief der Unglückliche, eine vom Zorn krampfhaft zusammengezogene Hand zum Himmel erhebend, »Sie!«

»Was sagte sie?«

»Sie sagt, ihr Kleid stehe ihr gut.«

»Was macht sie?«

»Sie lacht!«

Und ein Anfall eines furchtbaren Gelächters machte alle Nerven des unglücklichen Verbannten springen. Bald fiel er rückwärts: er war vernichtet.

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