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Der Graf von Bragelonne

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V.
Die Kleinen Rechnungen von Herrn Baisemeaux von Montlezun

Es schlug sieben Uhr in Saint-Paul, als Aramis in bürgerlicher Tracht, das heißt in grünes Tuch gekleidet und ohne eine andere Auszeichnung, als eine Art von Jagdmesser an der Seite, an der Rue du Petit-Mure vorbeikam und der Rue des Tournelles gegenüber, vor dem Thore des Schlosses der Bastille anhielt.

Zwei Schildwachen standen an diesem Thor.

Sie machten keine Schwierigkeiten, Aramis zuzulassen, der, wie er war, einritt, und wiesen ihn mit der Geberde durch eine lange, auf beiden Seiten mit Gebäuden besetzte Passage.

Diese Passage führte bis zur Zugbrücke, das heißt bis zum wahren Eingang.

Die Zugbrücke war niedergelassen und der Dienst des Platzes begann,

Die Schildwache von der ersten Wachtstube hielt Aramis an und fragte ihn mit ziemlich barschem Ton, welche Ursache ihn hierher führe.

Aramis erklärte mit seiner gewöhnlichen Höflichkeit, die Ursache, die ihn hierher führe, sei der Wunsch, Herrn Baisemeaux von Montlezun zu sprechen.

Die erste Wache rief eine zweite, welche in einem inneren Schilderhause stand.

Diese hielt den Kopf an ihre Luke und schaute Aramis sehr aufmerksam an.

Aramis wiederholte den Ausdruck seines Wunsches.

Die Schildwache rief alsbald einen Unterofficier, der in einem geräumigen Hof auf und abging und, als er gehört hatte, um was es sich handelte, weglief, um einen Officier vom Stab des Gouverneur zu holen.

Der letztere, als er das Verlangen von Aramis vernommen hatte, bat ihn, einige Augenblicke zu warten, machte ein paar Schritte und kehrte zurück, um ihn nach seinem Namen zu fragen.

»Ich kann ihn Euch nicht sagen, mein Herr,« antwortete Aramis; »erfahret nur, daß ich dem Herrn Gouverneur Dinge von so großer Wichtigkeit mitzutheilen habe, daß Herr von Baisemeaux entzückt sein wird, mich zu sehen, dafür stehe ich. Mehr noch, wenn Ihr ihm gesagt habt, es sei die Person, die er am 1. Juni erwarte, so bin ich überzeugt, daß er selbst herbeilaufen wird.«

Der Officier konnte es nicht in seinen Geist bringen, ein so wichtiger Mann, wie der Herr Gouverneur, werde sich wegen eines so unbedeutenden Menschen bemühen, wie dieser kleine Bürger zu Pferde zu sein schien.

»Das trifft sich ganz vortrefflich, mein Herr, der Herr Gouverneur schickte sich an, auszufahren, und Ihr seht seinen Wagen im Hof am Gouvernement angespannt; er hat also nicht nöthig, Euch entgegenzukommen, doch er wird Euch im Vorüberfahren sehen.«

Aramis machte mit dem Kopfe ein Zeichen der Beipflichtung; er wollte keinen zu hohen Begriff von sich geben und wartete geduldig und stillschweigend, auf den Sattelbogen seines Pferdes vorgebeugt.

Es waren kaum zehn Minuten abgelaufen, als man den Wagen des Gouverneur erschüttert werden sah. Er näherte sich der Thüre, der Gouverneur kam heraus und stieg in den Wagen, der sich zur Abfahrt anschickte.

Dann fand dieselbe Ceremonie bei dem Gebieter des Hauses, wie bei einem verdächtigen Fremden statt; die Wache vom Schilderhaus schritt in dem Augenblick vor, wo der Wagen unter dem Gewölbe durchfahren wollte, und der Gouverneur öffnete den Schlag, um zuerst dem Befehl zu gehorchen.

Auf diese Art konnte sich die Wache überzeugen, daß Niemand durch Betrug aus der Bastille hinauskam.

Der Wagen rollte unter das Gewölbe.

Doch in dem Augenblick, wo man das Gitter öffnete, näherte sich der Officier der zum zweiten Mal angehaltenen Carosse und sagte dem Gouverneur ein Haar Worte.

Sogleich streckte der Gouverneur den Kopf aus dem Schlage und erblickte Aramis zu Pferde am Ende der Zugbrücke.

Er stieß einen Freudenschrei aus, stieg oder sprang vielmehr aus seinem Wagen, lies auf Aramis zu, faßte ihn bei den Händen und machte ihm tausend Entschuldigungen. Es fehlte nicht viel, daß er ihn geküßt hätte.

»Was hat man doch durchzumachen, um in die Bastille zu kommen, Herr Gouverneur! Ist es ebenso bei denjenigen, welche man wider ihren Willen dahin schickt, wie bei denjenigen, welche freiwillig kommen?«

»Verzeiht! verzeiht! Ah! Monseigneur, wie freut es mich, Eure Herrlichkeit zu sehen.«

St! Ueberlegt doch, mein lieber Herr, von Baisemeaux. Was sollte man denken, wenn man einen Bischof in einem solchen Aufzug sehen würde!«

»Oh! ich bitte um Entschuldigung, verzeiht, ich bedachte das nicht . . . Das Pferd dieses Herrn in den Stall!« rief Baisemeaux.

»Teufel! nein, nein,« sagte Aramis.

»Warum dies?«

»Weil fünftausend Pistolen im Mantelsack sind.«

Das Gesicht des Gouverneur wurde so strahlend, daß die Gefangenen, würden sie es gesehen haben, hätten glauben können, es komme ein Prinz von Geblüt bei ihm an.

»Ja, ja, Ihr habt Recht, das Pferd ins Gouvernement. Mein lieber Herr d’Herblay, wollen wir wieder in den Wagen steigen, um bis zu mir zu fahren?«

»In den Wagen steigen, um durch einen Hof zu gelangen? Herr Gouverneur, haltet Ihr mich für so invalid? Nein, nein, zu Fuße, Herr Gouverneur, zu Fuße.«

Baisemeaux bot seinen. Arm als Stütze an, doch der Prälat machte keinen Gebrauch davon.

So kamen sie zum Gouvernement, während sich Baisemeaux die Hände rieb und aus dem Augenwinkel nach dem Pferde schielte, indeß Aramis die schwarzen, kahlen Mauern betrachtete.

Ein ziemlich großartiges Vorhaus und eine gerade Treppe von weißen Steinen führten in die Gemächer von Baisemeaux.

Dieser durchschritt das Vorzimmer, den Speisesaal, wo man das Frühstück zurichtete, öffnete eine kleine Geheimthüre und schloß sich mit seinem Gast in ein großes Cabinet ein, dessen Fenster sich schräge nach den Höfen und Ställen öffneten.

Baisemeaux quartierte den Prälaten mit jener unterwürfigen Höflichkeit ein, deren Geheimniß nur gutmüthige oder dankbare Menschen kennen.

Armstuhl, Kissen unter die Füße, rollender Tisch, um die Hand darauf zu stützen, Alles bereitete der Gouverneur selbst.

Er setzte auch mit einer religiösen Sorge auf den Tisch den Goldsack, den einer von seinen Soldaten mit nicht geringerer Ehrfurcht heraufgeschleppt hatte, als ein Priester das heilige Sacrament trägt.

Der Soldat ging hinaus. Baisemeaux schloß hinter ihm die Thüre, zog einen Vorhang vom Fenster und schaute Aramis in die Augen, um zu sehen, ob ihm nichts fehle.

»Nun! Monseigneur,« sagte er, ohne sich zu setzen, »Ihr seid also fortwährend der getreuste der Männer von Wort?«

»In Geschäften, mein lieber Herr Baisemeaux, ist die Pünktlichkeit keine Tugend, sondern eine einfache Pflicht.«

»Ja, ja, in Geschäften, das begreife ich, aber das ist kein Geschäft, was Ihr mit mir macht, Monseigneur, es ist ein Dienst, den Ihr mir leistet«

»Stille doch, lieber Herr von Baisemeaux, gesteht, daß Ihr trotz dieser Pünktlichkeit nicht ganz ohne Besorgnis gewesen seid.«

»Ueber Eure Gesundheit, ja, gewiß,« stammelte Baisemeaux.

»Ich wollte gestern kommen, doch ich konnte nicht, ich war zu müde,« fuhr Aramis fort.

Baisemeaux beeilte sich, noch ein weiteres Kissen seinem Gast unter die Lenden zu schieben.

»Aber,« sagte Aramis, «ich nahm mir vor, Euch heute frühzeitig zu besuchen.«

»Ihr seid vortrefflich, Monseigneur.«

»Und es war gut, daß ich mich beeilte, wie mir scheint.«

»Wie so?«

»Ja, Ihr wolltet eben ausfahren,«

Baisemeaux erröthete.

»In der That, ich wollte ausfahren,« sagte er.

»Dann habe ich Euch gestört?«

Die Verlegenheit von Baisemeaux wurde sichtbar.

»Ich bin Euch zur Last,« fuhr Aramis fort, indem er seinen einschneidenden Blick auf den armen Gouverneur heftete. »Wenn ich das gewußt hätte, so wäre ich nicht gekommen.«

»Oh! Monseigneur, wie könnt Ihr glauben, Ihr seid mir je zur Last?«

»Gesteht, daß Ihr Geld suchen wolltet?«

»Nein,« stammelte Baisemeaux, »nein, ich schwöre Euch; ich wollte . . . «

»Fährt der Herr Gouverneur immer noch zu Herrn Fouquet?« rief von unten die Stimme des Major.

Baisemeaux lies wie ein Verrückter ans Fenster und antwortete in Verzweiflung:

»Nein! nein! wer Teufels spricht denn von Herrn Fouquet? ist man betrunken da unten? warum stört man mich, wenn ich Geschäfte habe?«

»Ihr wolltet zu Herrn Fouquet,« sagte Aramis: »zum Abbé oder zum Oberintendanten?«

Baisemeaux hatte gute Lust, zu lügen, aber er besaß nicht den Muth dazu und erwiederte:

»Zum Oberintendanten.«

»Ihr seht also wohl, daß Ihr Geld nöthig hattet, da Ihr zu demjenigen gehen wolltet, welcher solches gibt.«

»Nein, nein.«

»Ah! ah! Ihr mißtraut mir.«

»Mein lieber Herr, einzig und allein, weil ich den Ort nicht wußte, wo Ihr wohnt.«

»Oh! Ihr hättet Geld von Herrn Fouquet bekommen, mein lieber Herr von Baisemeaux, das ist ein Mann, der eine offene Hand hat.«

»Ich schwöre Tuch, daß ich es nie gewagt hätte, mir von Herrn Fouquet Geld zu erbitten. Ich wollte ihn nur um Eure Adresse bitten.

»Meine Adresse bei Fouquet!« rief Aramis unwillkührlich die Augen aufreißend.

»Ja,« sagte Baisemeaux, beunruhigt durch den Blick von Aramis, »ja, allerdings bei Herrn Fouquet.«

»Dabei ist nichts Schlimmes, lieber Herr von Baisemeaux; nur frage ich mich, warum Ihr meine Adresse bei Herrn Fouquet sucht?«

»Ah! weil Herr Fouquet Belle-Isle besitzt . . . «

»Nun?«

»Belle-Isle, was zu der Diözese von Vannes gehört, und insofern Ihr Bischof von Vannes seid . . . «

»Mein lieber Herr von Baisemeaux, da Ihr wußtet, daß ich Bischof von Vannes bin, so brauchtet Ihr meine Adresse nicht von Herrn Fouquet zu verlangen.«

»Sagt mir, mein Herr,« sprach Baisemeaux in Verzweiflung, »habe ich eine Inconsequenz begangen? In diesem Fall bitte ich Euch um Verzeihung.«

»Geht doch! Worin könntet Ihr denn eine Inconsequenz begangen haben?« fragte Aramis ruhig.

 

Und während er sein Gesicht wieder erheiterte und dem Gouverneur zulächelte, fragte Aramis sich selbst, wie es komme, daß Baisemeaux, der seine Adresse nicht kenne, doch wisse, daß Vannes seine Residenz sei.

»Ich werde mir hierüber Licht verschaffen,« sagte er zu sich.

Dann fügte Aramis laut bei:

»Sprecht, mein lieber Gouverneur, wollen wir unsere kleinen Rechnungen machen?«

»Zu Euren Befehlen, Monseigneur . . . doch sagt mir zuvor, Monseigneur . . . «

»Was?«

»Werdet Ihr mir nicht die Ehre erweisen, mit mir wie gewöhnlich zu frühstücken?«

»Sehr gern.«

»Schön!«

Baisemeaux schlug dreimal auf ein Glöckchen.

»Was bedeutet das?« fragte Aramis.

»Daß ich Jemand beim Frühstück habe, und daß man sich darnach richten soll.«

»Ah! Teufel! Und Ihr schlagt dreimal! Wißt Ihr, mein lieber Gouverneur, daß Ihr ausseht, als machtet Ihr mit mir Umstände?«

»Oh! ja wohl! Uebrigens ist es das Wenigste, daß ich Euch so gut als möglich empfange.«

»Warum denn?«

»Es gibt keinen Fürsten, der für mich gethan hätte, was Ihr für mich gethan habt.«

»Abermals.«

»Nein, nein.«

»Sprechen wir von etwas Anderem. Oder vielmehr, sagt mir: macht Ihr Eure kleinen Geschäfte in der Bastille?«

»Ja.«

»Der Gefangene gibt also?«

»Nicht zu viel.«

»Teufel!«

»Herr von Mazarin war nicht streng genug.«

»Ah! ja, Ihr brauchtet eine argwöhnische Regierung, unsern alten Cardinal.«

»Ja, unter ihm ging es gut. Der Bruder Seiner grauen Eminenz hat dabei sein Glück gemacht.«

»Glaubt mir,« sprach. Aramis, indem er sich Baisemeaux näherte, »ein junger König ist so viel werth, als ein alter Cardinal. Die Jugend hat ihr Mißtrauen, ihren Zorn, ihre Leidenschaften, wenn das Alter seinen Haß, seine Vorsicht, seine Befürchtungen hat. Habt Ihr Eure drei Jahre Nutzen an Louvières und Tremblay bezahlt?«

»Oh! mein Gott, ja.«

»Somit brauchen wir ihnen nichts mehr zu geben, als die fünfzig tausend Livres, die ich Euch bringe?«

»Ja.«

»Keine Ersparnisse also?«

»Oh! Monseigneur, ich schwöre Euch, daß ich, indem ich diesen Herren von meiner Seite fünfzigtausend Livres gebe, Alles gebe, was ich gewinne. Das sagte ich erst gestern Abend Herrn d’Artagnan.«

»Ah!« rief Aramis, dessen Augen glänzten, aber sogleich wieder erloschen, »ah! Ihr habt Herrn d’Artagnan gestern gesehen? Und wie befindet sich dieser theure Freund?«

»Vortrefflich.«

»Und was sagtet Ihr ihm, Herr von Baisemeaux?«

»Ich sagte ihm,« antwortete der Gouverneur, ohne seine Unbesonnenheit zu bemerken, »ich sagte ihm, ich beköstige meine Gefangenen zu gut.«

»Wie viel habt Ihr?« fragte Aramis gleichgültig.

»Sechzig.«

»Ei! ei! das ist eine runde Zahl.« «

Ah! Monseigneur, früher gab es Jahre von zwei hundert.«

»Nun, ein Minimum von sechzig, darüber darf man sich nicht zu sehr beklagen.«

»Allerdings nicht, denn jedem Andern, als mir, müßte jeder hundert und fünfzig Pistolen eintragen.«

»Hundert und fünfzig Pistolen!«

»Rechnet nun: für einen Prinzen von Geblüt, zum Beispiel, habe ich fünfzig Livres täglich.«

»Nur habt Ihr keinen Prinzen von Geblüt, wenigstens wie ich glaube,« entgegnete Aramis mit einem leichten Zittern in der Stimme.

»Nein, Gott sei Dank! das heißt, leider nein.«

»Wie, leider?«

»Allerdings, mein Platz wäre verbessert.«

»Das ist wahr.«

»Ich habe also für einen Prinzen von Geblüt fünfzig Franken.«

»Ja.«

»Für einen Marschall von Frankreich sechs und dreißig Livres.«

»Doch, nicht wahr, Ihr habt in diesem Augenblick eben so wenig einen Marschall von Frankreich, als einen Prinzen von Geblüt?«

»Ach! nein, es ist wahr; für die Generallieutenants und die Brigadiers werden vier und zwanzig Livres täglich bezahlt, und ich habe zwei.«

»Ah! ah!«

»Nach diesen kommen die Räthe beim Parlament, die mir fünfzehn Livres eintragen.«

»Und wie viel habt Ihr solche?«

»Vier?«

»Ich wußte nicht, daß die Räthe so einträglich sind.«

»Ja, aber von fünfzehn Livres sinke ich sogleich auf zehn.«

»Auf zehn?«

»Ja, für einen gewöhnlichen Richter, für einen Geistlichen zehn. Solche habe ich sieben.«

»Und Ihr habt sieben? Ein gutes Geschäft.«

»Nein, ein schlechtes!«

»Warum?«

»Wie, soll ich nicht diese armen Teufel, welche doch am Ende etwas sind, behandeln, wie ich einen Rath beim Parlament behandle?«

»In der That, Ihr habt Recht, ich sehe keinen Unterschied von fünf Livres zwischen ihnen.«

»Ihr begreift, wenn ich einen schönen Fisch habe, so bezahle ich immer vier bis fünf Livres dafür; kaufe ich ein gutes Huhn, so kostet es mich anderthalb Livres. Ich mäste viele Zöglinge des Geflügelhofs, aber ich muß das Korn kaufen, und Ihr könnt Euch nicht vorstellen, welches Heer von Ratten wir hier haben.«

»Nun, warum stellt Ihr ihnen nicht ein halbes Dutzend Katzen entgegen?«

»Ja wohl, Katzen, sie fressen sie; ich bin genöthigt gewesen, darauf zu verzichten; urtheilt, wie sie mein Korn behandelten! Ich muß Dachshunde halten, die ich aus England kommen lasse, um die Ratten zu erwürgen. Die Hunde haben einen starken Appetit; sie essen eben so viel, als ein Gefangener vom fünften Rang, abgesehen davon, daß sie mir zuweilen meine Kaninchen und meine Hühner erwürgen.«

Hörte Aramis oder hörte er nicht? Niemand hätte es sagen können: seine niedergeschlagenen Augen bezeichneten den aufmerksamen Mann, seine unruhige Hand bezeichnete den absorbirten Menschen.

Aramis sann nach.

»Ich sagte Euch also,« fuhr Baisemeaux fort, »ein leidliches Huhn koste anderthalb Livres und ein guter Fisch vier bis fünf Livres. Man macht drei Mahlzeiten in der Bastille, die Gefangenen essen fortwährend, da sie nichts zu thun haben; ein Mann von zehn Livres kostet mich sieben Livres und zehn Sous.«

»Ihr sagtet mir, Ihr behandelt die von zehn Livres, wie die von fünfzehn?«

»Ja, gewiß.«

»Sehr gut! Ihr gewinnt also sieben Livres und zehn Sous mit denen von fünfzehn Livres?«

»Man muß wohl ausgleichen,« antwortete Baisemeaux, der sah, daß er sich hatte erwischen lassen.

»Ihr habt Recht, lieber Gouverneur; doch ist bei Euch kein Gefangener unter zehn Sous?«

»Ah! doch: wir haben den Bürgersmann und den Advocaten.«

»Gut! wie hoch taxirt?«

»Zu fünf Livres.«

»Und was essen diese?«

»Bei Gott! Ihr begreift, daß man ihnen nicht jeden Tag einen Sohlfisch oder ein gemästetes Huhn gibt, und auch nicht spanischen Wein bei jeder Mahlzeit; aber sie sehen immerhin dreimal in der Woche ein gutes Gericht bei ihrem Mittagessen.«

»Das ist Philanthropie, mein lieber Gouverneur, und Ihr müßt Euch zu Grunde richten,«

»Nein. Versteht mich recht. Wenn der von fünfzehn Livres sein Huhn nicht ganz gegessen oder der von zehn einen guten Ueberrest gelassen hat, so schicke ich es dem von fünf Livres, und das ist ein Schmaus für den armen Teufel. Was wollt Ihr? man muß mildherzig sein.«

»Und was habt Ihr ungefähr von den fünf Livres?«

»Dreißig Sous.«

»Ah! Ihr seid, ein redlicher Mann, Baisemeaux.«

»Ich danke.«

»Nein, wahrhaftig, ich erkläre es.«

»Ich danke, Monseigneur. Doch ich glaube, Ihr habt Recht. Wißt Ihr, für wen ich leide?«

»Nein.«

»Nun wohl, für die kleinen Bürger und, für die Schreiber von Notaren, die nur zu drei Livres taxirt sind. Diese sehen nicht oft Rheinsalmen und Störe aus dem Kanal.«

»Gut! Lassen die von fünf Livres nicht zufällig etwas übrig?«

»Oh! Monseigneur, glaubt nicht, ich sei in diesem Grad ein Knauser, ich mache den kleinen Bürger und den Schreiber unendlich glücklich, indem ich ihm einen Flügel von einem Feldhuhn, Rehbraten, eine Schnitte Trüffelpastete gebe, Gerichte, die er nur im Traume gesehen hat; nun, das sind Ueberreste der Herren von vier und zwanzig Livres; er ißt und trinkt; beim Nachtisch ruft er: Es lebe der König! und segnet die Bastille; mit zwei Flaschen Champagner, der mich auf fünf Sous kommt, mache ich ihn jeden Sonntag betrunken. Oh! diese Leute segnen mich, und sie beklagen es, wenn sie das Gefängnis verlassen. Wißt Ihr, was ich bemerkt habe?«

»Wahrhaftig, nein.«

»Nun wohl! ich habe bemerkt . . . Wißt Ihr, daß das eine Ehre für mein Haus ist? Nun, wohl, ich habe bemerkt, daß gewisse freigelassene Gefangene sich alsbald wieder einsperren ließen. Warum dies, wenn nicht, um meiner Küche theilhaftig zu sein? O! das ist buchstäblich wahr.«

Aramis lächelte mit einer zweifelhaften Miene.

»Ihr lächelt?«

»Ja.«

»Ich sage Euch, daß wir Namen haben, die dreimal im Verlauf von zwei Jahren in das Register eingetragen worden sind.«

»Das müßte ich sehen, um es zu glauben.«

»Oh! man kann es Euch zeigen, obgleich es verboten ist, Fremden die Register mitzutheilen. Aber Ihr, Monseigneur, wenn Euch daran gelegen ist, die Sache mit eigenen Augen zu sehen . . . «

»Ich muß gestehen, ich wäre entzückt darüber.«

»Gut, es sei.«

Baisemeaux ging auf einen Schrank zu und zog ein großes Register heraus.

»Seht, zum Beispiel,« sagte er.

»Was?«

»Martinier, Januar 1659. – Martinier, Juni 1660. – Martinier, März 1661, Pamphlete, Mazarinaden u.s.w. Ihr begreift, daß das nur ein Vorwand ist: man wurde wegen Mazarinaden nicht in die Bastille gesteckt; der Gevatter zeigte sich selbst an, daß man ihn einsteckte. Und in welcher Absicht? In der Absicht, wieder von meiner Küche um drei Livres zu speisen.«

»Um drei Livres! der Unglückliche!«

»Ja, Monseigneur, der Dichter ist im letzten Grad, Küche des Kleinbürgers und des Schreibers; aber ich sagte Euch, gerade ihnen bereite ich Ueberraschungen.«

Maschinenmäßig wandte Aramis die Blätter des Registers um und fuhr fort zu lesen, ohne daß er sich nur für die Namen, die er las, zu interessiren schien.

»Im Jahr 1660, seht Ihr,« sagte Baisemeaux, »achtzig Gefangene; im Jahr 1659 achtzig.«

»Ah, Seldon!« rief Aramis; »ich kenne diesen Namen, wie mir scheint. Sagtet Ihr mir nicht von einem jungen Mann . . . «

»Ja, ja! ein armer Teufel von einem Studenten . . . . Wie nennt Ihr doch zwei lateinische Verse, die zusammen gehören?«

»Ein Distichon.«

»Ja, so ist es.«

»Der Unglückliche! für ein Distichon!«

»Pest! nicht so rasch! Wißt Ihr, daß er dieses Distichon gegen die Jesuiten gemacht hat?«

»Gleichviel, die Strafe scheint mir sehr streng.«

»Beklagt ihn nicht; im vorigen Jahr schienet Ihr Euch für ihn zu interessiren.«

»Allerdings.«

»Nun wohl! da Euer Interesse hier allmächtig ist, so behandle ich ihn seit jenem Tag wie einen von fünfzehn Livres.«

»Also wie diesen,« sprach Aramis, der fortwährend geblättert und nun bei einem von den Namen angehalten hatte, welche auf den von Martinier folgten.

»Gerade wie diesen.«

»Ist dieser Marchiali ein Italiener?« fragte Aramis mit der Fingerspitze auf den Namen deutend, der seine Aufmerksamkeit erregt hatte,

»St!« machte Baisemeaux.

»Wie, st!« sagte Aramis, während er unwillkührlich seine weiße Hand krampfhaft zusammenzog.

»Ich glaubte, ich hätte schon mit Euch von diesem Marchiali gesprochen.«

»Nein, es ist das erste Mal, daß ich seinen Namen nennen höre.«

»Das ist möglich, ich habe wohl von ihm gesprochen, ohne ihn Euch zu nennen.«

»Ist es ein alter Sünder?« fragte Aramis, indem er zu lächeln suchte.

»Nein, er ist im Gegentheil noch sehr jung:«

»Ah! ah! sein Verbrechen ist also sehr groß?«

»Unverzeihlich!«

»Er hat gemordet?«

»Bah,«

»Brand gestiftet?«

»Bah!«

»Verleumdet?«

»Ei! nein. Es ist derjenige, welcher . . . «

Und Baisemeaux näherte sich dem Ohr von Aramis und machte aus seinen beiden Händen ein Hörrohr.

»Es ist derjenige, welcher sich erlaubt, zu gleichen dem . . . «

»Ah! ja, ja,« sagte Aramis. »Ich weiß es in der That, Ihr habt schon im vorigen Jahr davon gesprochen; aber das Verbrechen kam mir so leicht vor!«

»Leicht!«

»Oder vielmehr so unwillkührlich.«

»Monseigneur, man bekommt eine solche Aehnlichkeit nicht unwillkührlich.«

»Nun, ich hatte ihn vergessen, das ist die Sache. Doch höret, mein lieber Wirth,« sagte Aramis das Register schließend, »ich glaube, man ruft uns.«

Baisemeaux nahm das Register, schob es rasch wieder in den Schrank, schloß diesen und steckte den Schlüssel in seine Tasche,

»Ist es Euch nun gefällig, mit mir zu frühstücken, Monseigneur?« fragte er; »denn Ihr täuscht Euch nicht, man ruft uns zum Frühstück.«

»Wie Euch beliebt, mein lieber Gouverneur.«

Und sie gingen in das Speisezimmer.

 
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