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A3.5 Erwähnte Literatur

Herndon, J. (1971). Die Schule überleben. Stuttgart: Klett.

A4 DIE LEHRPERSON ALS LERNMODELL

Zweite Variation zum Rezept A1 Handeln vorbereiten

Viele Kapitel dieses Buches sind so geschrieben, dass Sie sie unabhängig voneinander lesen können. Dieses Kapitel hingegen ist vermutlich nur verständlich, wenn sie vorher A1 Handeln vorbereiten gelesen haben.

A1 Handeln vorbereiten geht davon aus, dass die Lehrperson gegenüber den Lernenden hinsichtlich des Vorgehens einen Wissensvorsprung hat. Nur so kann sie beispielsweise im Schritt 5 ein professionelles Modell abgeben. Bei der Geschwindigkeit, mit der sich in der Vergangenheit in der Gesellschaft Wissen anhäufte, war diese Annahme bisher meist realistisch. Aber mit der stetigen Beschleunigung der technologischen Entwicklung trifft sie nicht immer zu. Und es ist zu erwarten, dass die Momente, in denen Lehrpersonen in der Berufsbildung gegenüber ihren Lernenden einen entsprechenden Wissensvorsprung haben, weiter abnehmen werden.

Aktuell wird im Zusammenhang mit der Digitalisierung der Arbeitswelt, mit Industrien 4.0 (Deutschland), mit Industrie 2025 (Schweiz), darüber diskutiert, welche neuen Wissensinhalte und Fertigkeiten man den Lernenden mitgeben sollte. Entsprechende Prognosen sind aber schwierig zu machen. Im Jahre 2007 konnte niemand voraussehen, dass schon kurze Zeit später alle mit ihrem Telefon Fotos machen würde. Genauso wenig lässt sich momentan und wohl auch in absehbarer Zukunft vorhersagen, welche Anforderungen Arbeitsplätze nur schon in wenigen Jahren stellen werden. Entsprechend fehlt den Lehrpersonen die notwenige Vorlaufzeit, um sich einen Wissensvorsprung zu erarbeiten, ganz zu schweigen von den Organisationen der Arbeitswelt (OdA), die ihre Bildungspläne entsprechend anpassen möchten.

Sinnvoller, als im Kaffeesatz zu lesen, scheint es deshalb, sich grundsätzlich Gedanken darüber zu machen, wie in der Berufsbildung Lehrpersonen auch ohne den üblichen Wissensvorsprung guten Unterricht machen können (Hintergrund: C8 Gewisse Ungewissheit).

A4.1 Wenn die Lernenden einen Wissensvorsprung haben – ein einfaches Beispiel

Schreiner, die eine Einbauküche einbauen, haben folgendes Problem: Ist die Ecke perfekt rechtwinklig, in die die Küche eingepasst werden soll, lassen sich vorgefertigte Standardprodukte sauber einbauen. Weicht der Winkel aber auch nur wenig von 90 Grad ab, sind Anpassungen notwendig. Schreiner müssen deshalb ab und zu einmal überprüfen, ob zwei Mauern rechtwinklig aufeinandertreffen.

Der traditionelle Wissensvorsprung der Fachlehrperson besteht darin, dass sie zu diesem Zweck den Satz des Pythagoras (Abbildung 1, Variante a) kennen. Man bildet dazu in der entsprechenden Ecke am Boden ein Dreieck, von dem zwei Seiten mit den beiden aufeinandertreffenden Mauern zusammenfallen. Dann misst man die Längen zweier Seiten dieses Dreiecks und berechnet aufgrund dieser Daten, wie lange die dritte Seite wäre, wenn es sich um ein rechtwinkliges Dreieck handeln würde. Stimmt die gemessene Länge der dritten Seite mit der errechneten Länge überein, dann ist das Dreieck tatsächlich rechtwinklig.

Die Rechnerei kann man sich sparen, wenn man geeignete Dreiecke bildet, für die die Seitenverhältnisse bekannt sind. Schon im alten Ägypten wurden dazu Dreiecke mit den Verhältnissen 3 : 4 : 5 eingesetzt. Praktisch üblich sind 30cm : 40cm : 50cm oder 60cm : 80cm : 100cm (Abbildung 1, Variante b).


Abbildung 1: Drei Methoden zur Überprüfung eines rechten Winkels

Dieser traditionelle Wissensvorsprung der Lehrperson verflüchtigt sich, wenn plötzlich die Lernenden auf ihren Smartphones eine App in den Unterricht mitbringen, die das Problem grafisch löst. Auf dem Bildschirm ist ein typisches rechtwinkliges Dreieck zu sehen (Abbildung 1, Variante c). Man legt das Smartphone so vor sich hin, dass der rechte Winkel in die zu untersuchende Ecke zeigt. Dann misst und markiert man an den beiden Wänden zwei beliebige Längen ausgehend von der Ecke und trägt die Werte in der Grafik an der entsprechenden Stelle ein. Die Länge der dritten Seite wird automatisch angezeigt und kann überprüft werden.

Die Lehrperson kann ihr Wissen nun zwar noch einsetzen, um zu erklären, warum die App funktioniert (bis hin zum Beweis des Satz’ des Pythagoras, wenn sie das möchte). Für den korrekten Gebrauch der App ist dies aber überflüssig.

A4.2 Ganz ohne Wissensvorsprung?

Dass Lehrpersonen plötzlich ganz ohne Wissensvorsprung auskommen müssen, ist allerdings zu radikal gedacht. Denn gut ausgebildet werden sie immer in drei Punkten über Wissen verfügen, das ihren Lernenden so nicht zur Verfügung steht:

Methodisch-didaktisches Wissen: Lehrpersonen wissen, wie man in Gruppen Lernprozesse organisiert – auch dann, wenn sie fachlich nicht über den traditionellen Wissensvorsprung verfügen. Dieser Text ist ein Versuch, solch methodisch-didaktisches Wissen bereitzustellen. Im Beispiel oben würde der Lehrperson dieses Wissen helfen, die Nutzung der App als neuen Aspekt, den die Lernenden mitbringen, sinnvoll in den Unterricht einzubeziehen.

Fachliches Hintergrundwissen: Wissensentwicklung ist nicht revolutionär, sondern evolutionär. Dadurch, dass neues fachliches Wissen wichtig wird (wodurch die Lehrpersonen unter Umständen ihren Wissensvorsprung verlieren), wird das «alte» fachliche Wissen nicht obsolet. Mit diesem Wissen kann die Lehrperson den Lernenden helfen, neue Entwicklungen einzuordnen und zu verstehen. Im Zusammenhang des einleitenden Beispiels ist der Satz des Pythagoras immer noch gültig und findet in der App Anwendung.

Praktische Erfahrungen: Auch im praktischen Bereich sind die Erfahrungen, die die Berufsschullehrpersonen aus ihrer eigenen Tätigkeit als Berufsleute mitbringen, nicht plötzlich wertlos. Sie können der Lehrperson helfen, die Lernenden dabei zu unterstützen, das neue Vorgehen nicht nur theoretisch zu verstehen, sondern tatsächlich im praktischen Alltag einzusetzen. Im Beispiel oben stellt sich die Frage, wie genau gemessen werden muss – unabhängig davon, ob man mit Papier und Bleistift oder mit der App arbeitet.

All dieses Wissen qualifiziert Lehrpersonen, Unterricht durchzuführen und den Lernenden zu helfen, ohne im traditionellen Sinn über einen Wissensvorsprung zu verfügen (Hintergrund: C8 Gewisse Ungewissheit).

A4.3 Ein Rezept in fünf Schritten

Das Rezept ist nicht wirklich erprob, wenn es auch stark auf den mit Handeln vorbereiten gemachten Erfahrungen aufbaut. Rückmeldungen über Verständlichkeit und Nützlichkeit sind daher sehr erwünscht!

Im Zentrum stehen:

• Eine bestimmte Situation (wie «Brot backen» oder «einen Computer als Server einrichten»), deren Bewältigung die Lernenden am Ende ihrer Ausbildung beherrschen müssen.

• Ein neues Vorgehen, das von den Lernenden in den Unterricht eingebracht wird und das die Lehrperson nicht kennt.

Neue Vorgehensweisen können die Lernenden unmittelbar im betrieblichen Alltag von anderen Mitarbeitenden lernen. Sie können sie auf eigene Faust oder im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen im Internet entdecken. Oder vielleicht bekommen sie die Gelegenheit, an einer betrieblichen Weiterbildung teilzunehmen, bei der beispielsweise die ganze Belegschaft im Umgang mit neuen Maschinenmodellen geschult wird.

Da die Lehrperson das neue Vorgehen noch nicht kennt, gerät sie in die Rolle einer Lernenden. In diesem Moment sollte sie genau das tun, was gute Lernende auszeichnet: einerseits das neue Wissen mit dem vorhandenen verbinden und andererseits Anwendungsfragen und Anwendungsprobleme klären. In dieser Rolle dient sie den Lernenden als Modell, indem sie öffentlich und zusammen mit der ganzen Klasse dazulernt.

Schritt 1: Kontext sicherstellen

Die Lehrperson stellt sicher, dass alle von derselben Situation ausgehen. Bringt also jemand die App aus dem Beispiel spontan in den Unterricht mit, könnte eine erste Frage der Lehrperson lauten: «Moment, in welcher Situation soll das nützlich sein?»

Schritt 2: Verständnissicherung

Die Lehrperson versucht, das neue Vorgehen selbst einzusetzen. Sie lässt sich dabei von den Lernenden so lange helfen, bis sie sicher ist zu verstehen, wie dieses Vorgehen funktioniert. Sie ermuntert die anderen Lernenden dasselbe zu tun.

Schritt 3: Fachliche Analyse

Die Lehrperson fragt sich laut denkend und im Austausch mit den anderen Lernenden, nach welchen Prinzipien das Vorgehen funktioniert. Hier kommt der vorhandene fachliche und theoretische Wissensvorsprung der Lehrperson (im Beispiel der Satz des Pythagoras) zum Tragen. Unter Umständen wird aber auch eine (gemeinsame) Recherche beispielsweise im Internet nötig.

Schritt 4: Erfahrungsbasierte Analyse

Die Lehrperson erinnert sich an Fälle aus ihrer beruflichen Praxis, bei der sie selbst entsprechende Aufgaben zu lösen hatte (z.B. einen rechten Winkel überprüfen), und diskutiert mit den anderen Lernenden, ob das neue Vorgehen in all diesen Fällen einsetzbar gewesen wäre. Sofern die anderen Lernenden auch über entsprechende Erfahrungen verfügen, können auch sie diese als Testfälle einbringen.

Schritt 5: Klärung von Anwendungsproblemen

Die Lehrperson und die Lernenden fragen sich, ob sie nun in der Lage wären, das neue Vorgehen tatsächlich im beruflichen Alltag einzusetzen. Sie probieren es aus und diskutieren später ihre Erfahrungen und die aufgetretenen Schwierigkeiten.

DIE LEHRPERSON ALS LERNMODELL IM ÜBERBLICK

1. Kontext sicherstellen

2. Verständnissicherung

3. Fachliche Analyse

4. Erfahrungsbasierte Analyse

5. Klärung von Anwendungsproblemen

A4.4 Anregungen zu den einzelnen Schritten

Zu Schritt 1: Sicherstellen, dass alle von derselben Handlungssituation ausgehen

Genauso wie bei Handeln vorbereiten ist es wichtig, dass alle Beteiligten möglichst plastisch dieselbe Gebrauchssituation vor Augen haben. Nur so ist ein konstruktives gemeinsames Lernen möglich. Gestaltet man gerade eine Unterrichtseinheit nach dem Rezept Handeln vorbereiten und bringen die Lernenden – wie im Beispiel mit dem rechten Winkel – die neue Vorgehensweise bei Schritt 3 oder auch später ins Spiel, dann sollte dies schon der Fall sein. Vorausgesetzt ist natürlich, dass die neu eingebrachte Vorgehensweise sich tatsächlich auf die betreffende Situation bezieht. Ist dies nicht der Fall oder taucht die neue Vorgehensweise sonst einmal während des Unterrichts spontan auf, muss als Erstes sichergestellt sein, dass man sich über den Kontext einig ist.

Zu diesem Zweck befragt die Lehrperson zuerst einmal die Lernenden, die das neue Vorgehen in den Unterricht mitbringen (z.B. die App bzw. deren Einsatz), zur Gebrauchssituation. Wann wird das Verfahren eingesetzt? Zu welchem Zweck? Unter welchen Umständen? Die anderen Lernenden können ebenfalls Fragen stellen. Sind diese geklärt, berichten alle, ob und in welcher Form ihnen diese Situation bekannt ist.

Zu Schritt 2: Verfahren grundsätzlich in den Griff bekommen

Um sich differenzierter mit dem Verfahren auseinanderzusetzen, muss man es zuerst einmal im Prinzip verstehen. Das entspricht den Schritten 5 und 6 von Handeln vorbereiten. Zuerst sind die Lernenden, die das neue Verfahren eingebracht haben, im Sinne von Schritt 5 in der Verantwortung, den anderen das Vorgehen modellhaft zu demonstrieren (z.B. die genaue Handhabung der App im Kontext). Die Lehrperson kann hier die Rolle eines/einer aktiven Lernenden einnehmen und nachfragen, wenn ihr irgendetwas unklar ist. Sie kann auch in einem Protokoll das Verfahren schriftlich festhalten.

Anschliessend geht es im Sinne von Schritt 6 von Handeln vorbereiten darum, mit spontan kreierten Beispielen erste Erfahrungen zu sammeln und allfällige Unklarheiten zu beseitigen. Die Lehrperson kann hier beim Einstieg helfen, indem sie zusammen mit der ganzen Klasse ein Beispiel kreiert und durcharbeitet (z.B. indem sie die Rechtwinkligkeit einer Ecke der Wandtafel überprüft). Anschliessend ist sie selbst Lernende und entwirft, tauscht und bearbeitet weitere Beispiele.

Zu Schritt 3: (Kritische) Analyse des Vorgehens vor dem Hintergrund des fachlichen Wissens

Bis zu diesem Punkt wurde das Verfahren einmal zur Kenntnis genommen – ohne einen Gedanken daran, warum es funktioniert oder ob es überhaupt funktionieren kann. Dies holt die Lehrperson nun nach, indem sie laut denkend Verbindungen zu ihrem Fachwissen herstellt (z.B. dazu, dass in rechtwinkligen Dreiecken die Gesetzmässigkeit gilt, die sich durch den Satz des Pythagoras darstellen lässt, und dass die App diese Gesetzmässigkeit nutzt). Sofern die Lernenden bereits über das entsprechende Wissen verfügen, kann die Lehrperson diese auch auffordern, diese Aufgabe zu übernehmen. Wie sehr die Lehrperson hier ins Detail gehen will, hängt davon ab, was zum Verständnis des Vorgehens unbedingt nötig ist (Hintergrund: C3 Situierte Abstraktion). Darüber hinaus spielen die zur Verfügung stehende Zeit, das Vorwissen und die Interessen der Lernenden und die relevanten Ziele des Lehrplans eine Rolle (z.B. braucht man für den Gebrauch der App den Satz des Pythagoras nicht zu kennen; er kann aber im Lehrplan verlangt sein oder bei den Lernenden auf Interesse stossen).

Es kann vorkommen, dass die Lehrperson spontan die Verbindung zu ihrem fachlichen Vorwissen nicht herstellen kann oder gar nicht über entsprechendes Wissen verfügt (z.B. da sie immer mit dem Verhältnis 3:4:5 gearbeitet hat und den Satz des Pythagoras gar nicht kennt)[2]. Dann kann sie diese fachliche Einordnung auf die nächste Woche verschieben und die relevanten Zusammenhänge in der Zwischenzeit so weit wie möglich aufarbeiten. Alternativ können sich aber auch alle an einer gemeinsamen Recherche im Internet oder an anderen Orten beteiligen (Beispiel: C8 Gewisse Ungewissheit, Beispiel 2).

Haben die Lernenden das neue Verfahren im Rahmen einer betrieblichen Weiterbildung kennengelernt, können sie möglicherweise nützliche Hinweise geben. Auf jeden Fall sollte diese theoretische Einbindung stattfinden. Ein mögliches Resultat der dabei angestellten Überlegungen kann auch sein, dass das Verfahren gar nicht funktionieren kann oder zumindest nicht in der Form, wie es von den Lernenden vorgestellt wurde.

Zu Schritt 4: (Kritische) Analyse des Vorgehens vor dem Hintergrund des Erfahrungswissens

Auch wenn das Verfahren grundsätzlich funktioniert, heisst das noch nicht, dass es – zumindest in der vorgestellten Form – im beruflichen Alltag zu gebrauchen ist. Um das zu klären, kann die Lehrperson ihren ganzen Erfahrungsschatz an erinnerten Situationen zur Verfügung stellen, in denen das neue Verfahren prinzipiell anwendbar sein sollte (Hintergrund: C7 Schnelles Denken, langsames Denken). Sie greift dazu eine geeignete Situation heraus – nach Möglichkeit sogar eine, bei der sie spontan Zweifel hat, ob das neue Verfahren dort brauchbar ist – schildert sie und überlegt dann allein oder zusammen mit den Lernenden, wie der Gebrauch des Verfahrens in diesem Fall aussehen würde (z.B. könnte sie sie sich an eine Situation erinnern, in der die eine Wand sehr uneben und es daher schwierig war, die relevante Seite verlässlich zu messen. In diesem Fall würde sich zeigen, dass die App genau gleich gut einsetzbar ist wie das alte Verfahren mit Papier und Bleistift und man unabhängig davon die unebene Wand in den Griff bekommen muss).

Ein mögliches Resultat dieser gedanklichen Untersuchungen kann sein, dass das neue Verfahren nur in ganz bestimmten Situationen einsetzbar ist, in anderen muss auf das alte, der Lehrperson vertraute Verfahren zurückgegriffen werden (z.B. wenn der Akku des Smartphones leer ist). Wichtig ist dabei, dass die Lehrperson nicht allzu hart mit dem neuen Verfahren ins Gericht geht, nur um ihr altes, liebgewordenes Vorgehen zu verteidigen (z.B. ist das Argument mit dem Akku nicht wirklich ein überzeugendes Argument, denn genauso könnte man darauf hinweisen, dass das Rechnen mit Papier und Bleistift nur funktioniert, wenn man den Bleistift nicht vergessen hat). Aber auch wenn sich zeigen sollte, dass das neue Verfahren gut in allen Situationen anwendbar ist, an die sich die Lehrperson erinnern kann, sind diese Überlegungen nützlich. Anhand der verschiedenen Situationen wird es möglich sein, verschiedene Gebrauchsprobleme zu diskutieren, für die man eine Lösung finden muss (z.B. der Umgang mit der unebenen Mauer, wo die Erfahrungen und Lösungen mit dem alten Vorgehen direkt für den Einsatz der App relevant sind).

Zu Schritt 5: Anwendungsfragen und Anwendungsprobleme klären

Abschliessend geht es darum, den Lernenden im Sinne der Schritte 7 und 8 von Handeln vorbereiten zu helfen, das neue Verfahren im beruflichen Alltag kompetent anzuwenden. Hier übernimmt die Lehrperson einerseits die Rolle, wie das für die Schritte 7 und 8 vorgesehen ist: Sie leitet die Lernenden an, einen geeigneten Spickzettel zu schreiben, und bespricht und löst zusammen mit ihnen die auftretenden Gebrauchsprobleme. Andererseits ist es auch hilfreich, wenn die Lehrperson selbst die Rolle einer Lernenden übernimmt, einen Spickzettel erstellt und wenn möglich selbst das Verfahren in Gebrauchssituationen einsetzt, sodass sie die dabei gemachten Erfahrungen mit den Lernenden teilen kann.

A4.5 Erklären statt handeln

A4 Die Lehrperson als Lernmodell und A3 Phänomene einordnen sind beides Variationen von A1 Handeln vorbereiten. Man kann sie problemlos kombinieren und anstelle einer neuen, durch die Lernenden eingebrachten Vorgehensweise ein neues Erklärungsmuster gemeinsam lernen und erproben. Alle hier zu den einzelnen Punkten gemachten Überlegungen behalten ihre Gültigkeit.

A5 DAS GEMEINSAME LERNPROJEKT

Dritte Variation zum Rezept A1 Handeln vorbereiten

Viele Kapitel dieses Buches sind so geschrieben, dass Sie sie unabhängig voneinander lesen können. Dieses Kapitel hingegen ist vermutlich nur verständlich, wenn sie vorher A1 Handeln vorbereiten und eventuell auch A4 Die Lehrperson als Lernmodell gelesen haben.

Das Rezept A4 Die Lehrperson als Lernmodell baut auf A1 Handeln vorbereiten auf und variiert es so, dass nicht die Lehrperson das Vorgehen in den Unterricht einbringt, sondern die Lernenden. Vermutlich wird dies aufgrund des sich beschleunigenden Technologiewandels in Zukunft vermehrt vorkommen, da Bildungspläne, Lehrmittel und Lehrpersonen unmöglich rechtzeitig alle Entwicklungen antizipieren können (Hintergrund: C8 Gewisse Ungewissheit).

Eine noch radikalere Variation entsteht, wenn Lernende von einer Handlungssituation berichten, mit der die Lehrperson keine oder kaum Erfahrungen gesammelt hat und für die auch die anderen Lernenden kein geeignetes Vorgehen kennengelernt haben.

A5.1 Wenn die Lernenden und die Lehrperson gemeinsam Neuland betreten – ein paar illustrative Beispiele

Die Lehrperson einer Klasse Zeichnerinnen und Zeichner EFZ ist noch mit Plänen auf Papier und entsprechenden zweidimensionalen Darstellungen wie Grundrissen, Aufrissen etc. aufgewachsen. Der technologischen Entwicklung folgend wird im Unterricht aber längst CAD eingesetzt. Und seit einiger Zeit können die Lernenden auf ihren Geräten ihr persönliches, aus dem Betrieb vertrautes Programm nutzen. Bearbeiten die Lernenden eine Aufgabe, fordert die Lehrperson jedoch, dass für die Besprechung zweidimensionale Pläne gedruckt werden.

Während die Klasse Mirjams Lösung diskutiert, fällt der Lehrperson beim Studium ihrer Pläne auf, dass bei einem Treppenaufgang die Bewohner den Kopf stark einziehen müssten, da die Höhe der Decke dort nur etwa 1,60 Meter beträgt. Sie fordert die Lernenden auf, diesen Sachverhalt anhand des gedruckten Planes zu verifizieren. Mirjam protestiert mit der Begründung, dass dies niemand mehr so machen würde, sondern dass man das Problem direkt in der 3-D-Darstellung überprüfen könne. Sie demonstriert, wie sie in ihrem Programm an der entsprechenden Stelle einen Vektor zwischen Boden und Decke einfügt, und bestätigt dann, dass dessen Länge tatsächlich 1,63 Meter beträgt.

Die Lehrperson hat keine Mühe, diese Messmethode zu akzeptieren. Sie fragt aber die Klasse, warum Mirjam dieses Problem nicht aufgefallen ist. Eigentlich wäre es ja praktisch, wenn das Programm selbst auf solche Punkte aufmerksam machen würde. Eine Diskussion zeigt, dass bisher keines der Programme, die von den Lernenden verwendet werden, diese Funktionalität anbietet. Daraus entwickelt sich ein kleines Projekt zur Frage, wie man 3-D-Darstellungen systematisch nach Problemen dieser Art absuchen kann – zumindest bis die technologische Entwicklung dafür automatische Lösungen anbietet.

Die Lehrperson wird hier mit einer Situation konfrontiert – systematisches Überprüfen von 3-D-Darstellungen auf Probleme –, zu der sie kein erprobtes Verfahren kennt und wo auch die Lernenden keine Vorschläge aus den Betrieben mitbringen können. Verschiedene Ursachen können zu einer solchen Unterrichtssituation führen. Im Beispiel ist es vor allem der beschleunigte Technologiewandel, der sich auswirkt. Wie schon bei A4 Die Lehrperson als Lernmodell betont, ist zu erwarten, dass dies in Zukunft immer häufiger der Fall sein wird.

Dazu noch zwei Beispiele:

• Elektroauto: Eine Lernende erzählt, dass gestern bei ihnen in der Garage darüber diskutiert wurde, in Zukunft auch Elektroautos warten zu wollen, dass aber noch niemand in der Garage über das notwendige Know-how verfüge. Lernende und Lehrperson sind sich einig, dass dieses Thema eigentlich in der Schule behandelt werden sollte.[3]

• Pflegeroboter: Wie ein Lernender berichtet, fährt beziehungsweise steht bei ihnen im Altersheim seit kurzem ein Pflegeroboter herum, aber niemand auf der Abteilung weiss so recht, wie man ihn sinnvoll einsetzen kann. Die Lernenden würden gerne etwas dazu hören.

In solchen Fällen bringen die Lernenden entsprechende Situationen in den Unterricht ein. Sie haben irgendwo etwas beobachtet, standen vor einer Herausforderung und fragen sich nun, wie man damit am besten umgeht. In der Weiterbildung von Lehrpersonen, wo diese die Rolle von Lernenden übernehmen, erlebe ich diesen Moment immer wieder: Lehrerinnen und Lehrer stellen regelmässig Fragen zu Situationen aus dem Schulalltag, auf die weder ich noch die anderen Kursteilnehmenden sofort eine gute Antwort bereithaben, die aber dringend einer Lösung bedürfen. Bei einem entsprechend offen gestalteten Unterricht an der Berufsfachschule ist zu erwarten, dass auch da Lernende immer wieder solche nicht direkt beantwortbare Fragen einbringen werden.

Möglicherweise wird aber auch von aussen – beispielsweise über den Lehrplan oder in Form von Tagesaktualitäten – eine Situation an den Unterricht herangetragen wird. Dazu auch ein Beispiel aus der Lehrerbildung: Ein Kollege hatte den Auftrag erhalten, bei einer Gruppe von Lehrpersonen die Nutzung neuer Medien im Unterricht zu schulen. Er verstand in dem Moment noch nicht viel davon und die betroffenen Lehrpersonen auch nicht. Also entwickelten sie gemeinsam etwas.

Beim Rezept A4 Die Lehrperson als Lernmodell geht es um den Fall, in dem ein Vorschlag für ein Vorgehen vorliegt, den die Lernenden eingebracht haben – dafür aber eventuell noch keine Erfahrungen mit dem Einsatz dieses Verfahrens in konkreten Situationen vorhanden ist. Hier, beim Rezept A5 Das gemeinsame Lernprojekt, existiert keine Idee für ein Vorgehen, dafür aber eine ganz konkrete Situation, für die man ein neues Vorgehen brauchen würde. Damit steht die Klasse samt Lehrperson nicht nur vor einer Lern-, sondern vor einer echten Entwicklungsaufgabe. Lehrperson und Lernende zusammen werden in diesem Moment zum Projektteam, in dem jeder und jede in unterschiedlichen Rollen Vorwissen, Interessen und Fähigkeiten einbringen kann. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie man ein solches Projekt angehen kann. Hier ein Vorschlag, wie man im Rahmen der Möglichkeiten des Fachunterrichts vorgehen könnte. Er lehnt sich an das Format des Problem Based Learning (PBL) an (z.B. Weber 2004), erweitert dieses aber um den wichtigen Schritt 5.

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9783035515268
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