Intrigante Baumeister, hinterlistige Bräute - Ein Fall für Harald Steiner

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„13,5 Millionen!“ Harald musste echt kurz schlucken. „Und wo wollten Kranz und Wagner diese Leute auftreiben?“

„Sie werden es vielleicht nicht glauben, aber bei einer Gesamtrendite von 27,5 % innerhalb von drei Jahren nach Abzug der Quellensteuern wäre das eine der besten sicheren Geldanlagen, die momentan zu bekommen ist.“

„Wissen Sie denn, wer die Investoren sind, die bislang Geld haben springen lassen?“ erkundigte sich der Hauptkommissar.

„Ich kenne nur die belgischen Interessenten namentlich, nicht die belgischen Investoren. Sie sollten nämlich wissen, dass dieses Büro in allen unseren Anzeigen in Zeitungen und im Internet für belgische Interessenten die erste Anlaufstelle ist. Meldet sich jemand, der um Auskünfte fragt oder um die Zusendung eines Prospekts bittet, kümmere ich mich darum. Für luxemburgische Interessenten ist Frau Kranz zuständig und für deutsche Interessenten war es Herr Wagner.

Wünscht ein Interessent dann ein Beratungsgespräch, leite ich das, was belgische Interessierte angeht, an Frau Kranz oder Herrn Wagner weiter. Ich selber habe nie solche weitergehenden Gespräche geführt, und Frau Kranz und Herr Wagner haben mir nie die Namen der Leute genannt, die in das Projekt bereits investiert haben.“

„Aber Geld ist bereits geflossen?“ hakte Steiner nach.

„Das mit Sicherheit, aber offensichtlich nicht genug. Im Frühjahr hatten mich deshalb Frau Kranz und Herr Wagner um eine Krisensitzung gebeten. Dabei offenbarten sie mir, dass irgendetwas schief laufe. Inklusive ihres eigenen Anteils seien erst 5,6 Millionen Euro zusammengekommen. Die Optionen auf die Grundstücke laufen im September aus, und es gibt da wohl eine ziemlich lästige Klausel in den Verträgen mit den bislang zusammengebrachten Anlegern, die eine Gewinngarantie und ein festes Zeitschema beinhaltet“, erklärte Sandra.

„Konnten Sie Ihren beiden Kunden weiterhelfen?“ wollte Harald wissen.

„Nun, das war der Grund, weshalb ich meine Beteiligung an diesem Projekt Ihnen gegenüber anfangs zu verschleiern versucht habe. Haben Sie jemals vom Brüsseler Immobilienkartell gehört?“

Ehe Monika das eventuell bejahen konnte, kam ihr Chef ihr zuvor. „Nein. Was soll das sein?“

Die Altiari beschrieb den Deutschen in Folge das Funktionieren dieses Kartell ziemlich genau so, wie es Rollinger tags zuvor auch getan hatte.

„Und wo liegt dabei für Sie das Problem?“ interessierte es Steiner.

„Ich habe in der genannten Sitzung das Kartell als möglichen Kandidat Investor ins Spiel gebracht. Als ich dann gestern hörte, dass Herr Wagner tot war, die Beamten mir aber nicht sagen wollten oder konnten, welche die Todesursache war, hielt ich es für besser, erst einmal gar nichts zu sagen, was meine Bezogenheit in dem luxemburgischen Projekt angeht. Sie sollten nämlich wissen, dass es noch selten jemandem gut getan hat, öffentlich in einem Zuge mit dem Kartell genannt zu werden. Das würde mir garantiert Klientel kosten.“

„Dann erklären Sie uns das mit Ihrem Vorschlag mal etwas genauer“, insistierte Harald. „Denn es ist schon merkwürdig, dass Sie einerseits eine gewisse Angst vor den Kartellbrüdern haben, Ihren Kunden andererseits aber empfehlen, bei denen wegen Geld anzuklopfen.“

Darüber zu reden, fiel Sandra sichtlich schwer. „Es war ein spontaner Einfall meinerseits gewesen, den ich eigentlich nicht einmal selbst ernst genommen hatte. Natürlich konnte ich mir ausmalen, dass wenn die beiden mit ihrem Projekt beim Kartell vorstellig würden, sie entweder abgewiesen würden, oder das Kartell versuchen würde, sie zu übervorteilen. Außerdem muss ich zu meiner Verteidigung sagen, Wagner und Kranz über das, was man so allgemein über das Kartell weiß, aufgeklärt zu haben. Eine Zeit lang hatte es dann auch so ausgesehen, als ob sie in der Richtung nichts unternommen haben. Aber vorige Woche war Herr Wagner dann noch einmal hier gewesen und ließ die Bemerkung fallen, es sei gar nicht so unmöglich, das Kartell zu einer Teilnahme am Projekt zu bewegen.“

„Hat Wagner das konkretisiert?“ fragte Steiner.

„Nein, und mir war auch nicht danach, es genauer wissen zu wollen.“

„Wenn alles gut gelaufen wäre, wie viel hätten Sie dann an dem Projekt verdient?“ interessierte es Monika und fügte hinzu: „Egal, ob mit oder ohne Kartell.“

„Für die Vorplanung und die Erstellung des Prospekts erhielt ich 34.200 Euro. Für die Ausarbeitung der endgültigen Pläne bekam ich weitere 120.000 Euro. Alle weiteren Bemühungen sollten dann mit 2 % der verkauften Wohneinheiten abgegolten werden. Das Geld hätte ich also immer erst erhalten, wenn ein Käufer sein Appartement bezahlt hätte.“

Steiner überschlug rasch, wie hoch Frau Altiaris Anteil demnach gewesen wäre, und verglich den Betrag mit dem Posten „Studien und Bauaufsicht“ aus der Kosten-/Renditeberechnung im Prospekt.

„Was Sie aufzählen, ergäbe ungefähr 800.000 Euro für Ihre Bemühungen. Laut dem Prospekt sind aber 1,1 Millionen für Studien und Bauaufsicht veranschlagt. Wieso diese Differenz? Und überhaupt erscheint mir dieser Posten im Verhältnis zu den Kosten für das Gesamtprojekt relativ hoch.“

„In der Tat liegt ein Anteil von 6,5 % Studienkosten an den Kosten eines Bauvorhabens dieser Größenordnung über dem Normalwert. Das kommt daher, dass mein Anteil bei 4,7 % statt bei den üblichen 2,5 bis 3 % liegt. Dieses entsprach einer Sondervereinbarung, die ich mit Wagner und Kranz geschlossen hatte. Um die Ausgaben in der Phase der Errichtung der beiden Residenzen möglichst niedrig zu halten, verzichtete ich auf die sofortige Begleichung meines Honorars für meine Ausführungsarbeiten und sollte im Gegenzug dann mit diesem Anteil von 2 % am Verkauf der Einheiten beteiligt werden. 2 % von 32 Millionen Verkaufswert plus die bereits bezahlten Vorstudien, Prospektkosten und Endplanungen ergeben plus minus 795.000 Euro. 3 % von 17 Millionen Baukosten sind 510.000 Euro.

Mein Risiko bei dieser Übereinkunft betrug die Differenz zwischen 510.000 und den bereits bezahlten 154.200 Euro. Dem stand aber gegenüber, dass ich bei einer optimalen Durchführung des Projektes mindestens 285.000 Euro mehr bekommen hätte, als wenn ich mein Honorar nach dem normalen Tarif in Rechnung gesetzt hätte.

Was nun die anderen rund 300.000 Euro Studienkosten angeht, so handelt es sich dabei um die Ausgaben für die Statik und die Erstellung der prozesstechnischen Pläne durch darin spezialisierte Ingenieurbüros.“

Der Hauptkommissar nickte nur als Andeutung, diese Darlegung verstanden zu haben. „Nochmals zur Frau Kranz. Haben Sie nicht doch eine Ahnung, wo wir sie finden können?“

„Nein, da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen. Ich versuchte sie in den letzten Tagen noch mehrfach zu erreichen, aber ihr Handy scheint abgestellt zu sein.“

„Eine letzte Frage habe ich noch“, kündigte Harald an. „Wo waren Sie am Montag zwischen 11.00 und 13.30 Uhr?“

Die Architektin blätterte in einem offen auf dem Tisch liegenden Vademekum zwei Seiten rückwärts.

„Am Montag hatte ich vormittags von 11 bis 12 Uhr eine Baubesprechung in Kelmis und von der bin ich dann um 12.30 Uhr direkt wieder hierhergefahren. War das die Zeit, als Herr Wagner ermordet wurde?“

„Ja”, antwortete Steiner knapp.

„Na, dann kann ich es wohl kaum gewesen sein“, sagte sie, nannte namentlich die Personen, mit denen sie in Kelmis zu tun gehabt hatte, und erklärte, dass sich zwei ihrer Angestellten gewiss an ihrer Rückkehr ins Büro erinnern könnten.

Steiner bat sie, diese beiden Angestellten herbeizurufen. Die beiden bestätigten Frau Altiaris Rückkehr ins Büro am Montag um etwa 12.30 Uhr.

Kaum saßen Steiner und die Mink wieder im Auto, fragte er sie: „Was halten Sie von dieser Frau Altiari?“

Das war mal ein Novum. Seit wann holte sich Steiner die Meinung eines Untergebenen ein? Seine Assistenten hatten nur Informationen zu sammeln und an ihn weiterzuleiten, aber keine Meinungen zu äußern. Meinungen zu haben, war exklusiv ihm vorbehalten. Vielleicht war es ja nur sein Versuch, sie auf die Probe zu stellen, um sie mal wieder tadeln zu können. Dementsprechend vorsichtig fiel auch ihre Bewertung aus.

„Als Wagners Mörderin kommt sie nicht in Betracht. Sie hat ein Alibi. Sie hätte keinen Vorteil dadurch. Überhaupt scheint sie nicht hartgesotten zu sein. Wahrscheinlich ist sie sehr gut in Ihrem Fach, sonst hätte sie wohl kaum schon in ihrem jungen Alter ein solches Büro auf die Beine stellen können. Dass sie sich auf den Deal mit Wagner und Kranz eingelassen hat, vorerst auf weitere Honorare zu verzichten, bis die Verkäufe zum Tragen kommen, deutet auf eine gewisse Naivität ihrerseits.“

Zu ihrem Erstaunen erfolgte kein negativer Kommentar seitens Steiner, stattdessen seine nächste Frage.

„Haben Sie eine Ahnung, wo wir Frau Kranz zu suchen haben?“

„In der Pathologie in Luxemburg, befürchte ich. Frau Kranz ist seit einigen Tagen nicht mehr erreichbar. Wagner und die Brandleiche sind mit derselben Waffe umgenietet worden. Wagner und Kranz waren Geschäftspartner und vielleicht auch intim miteinander verbunden. Egal, wo die Motive für die beiden Morde zu suchen sind, jedes momentan denkbare Motiv käme für einen Doppelmord in Frage.“

„Genau“, sagte Steiner. „Wollte man sie aus dem Geschäft drängen oder auch nur an der Umsetzung ihres Vorhabens hindern, war es das Sicherste, beide umzulegen. Das gilt aber auch, wenn es nur um ihre Beziehung ging. Und wen allemal haben wir folglich jetzt schon mit in den Kreis der Verdächtigen einzubeziehen?“

Das ist ja wirklich schon so etwas wie ein Examen, dachte Monika.

„Leute, die ebenfalls ihr Geld mit dem Bau von solchen Objekten verdienen, ganz vorneweg die vom Kartell. Auch Jürgen Wagner käme in Frage, denn offensichtlich war er nicht mit dem luxemburgischen Projekt einverstanden. Eventuell hat sein Vater Geld aus der Augsburger Firma abgezweigt oder vorgehabt, es zu tun. Vielleicht wollte der ältere Wagner die Firma in Augsburg auch komplett abwickeln. Und nicht zu vergessen dieser Siggi Jasper, den Wagner auszuspähen versucht hatte. Eventuell wollte Wagner Geld für sein Projekt von ihm erzwingen. In dem Fall könnte Jasper auch ein Interesse daran gehabt haben, Frau Kranz zu beseitigen, da anzunehmen ist, dass sie in der Erpressung involviert war.“

 

„Ganz recht, Frau Mink. Das Kartell, Jürgen Wagner und Siggi Jasper stehen ganz oben auf unserer Verdächtigenliste. Jede dieser Parteien könnte sein eigenes Motiv haben. Das Kartell will sich das Projekt unter den Nagel reißen, Jürgen Wagner fürchtet um seine Existenz, und Jasper kann keine Mitwisser gebrauchen. Übrigens, ist Ihnen aufgefallen, dass das Kartell auch noch einen anderen Grund gehabt haben könnte, Wagner umbringen zu wollen, als nur wegen des Bauvorhabens?“

Hier stutzte Monika. „Nein. Welchen denn?“

„Die Altiari sagte, Wagner habe angedeutet, es gebe vielleicht eine Möglichkeit, das Kartell zu einer Teilnahme an seinem Projekt zu bewegen. Sollte Wagner Jasper wirklich erpresst haben, ist es keinesfalls abwegig, wenn er Ähnliches mit dem Kartell vorhatte.“

Monika begriff einmal mehr, wieso Steiner in Fachkreisen trotz seiner archaischen Angewohnheiten und Ansichten hoch im Kurs stand.

Weiter theoretisierte er: „Selbstverständlich ist nicht auszuschließen, dass Wagner und Kranz auch andere als das Kartell und Jasper ausspioniert und erpresst haben, oder dass es andere als das Kartell gibt, die sich ihr Projekt unter den Nagel reißen wollten. Auch das Motiv könnte ein anderes sein. Ein intimes Verhältnis zwischen Wagner und Kranz könnte jemanden zur Weißglut gebracht haben. Wir wissen insgesamt noch viel zu wenig über Wagner, Kranz und ihr Umfeld.“

„Wollen Sie etwa nach Augsburg fahren, um das zu ergründen?“ fragte Monika.

„Gewiss nicht. Notfalls schicke ich Schmidt oder Frisch.“

Den Rest der Fahrt südwärts zurück bis nach St. Vith sprach Steiner kein Wort mehr. Monika wusste, er grübelte, kombinierte, analysierte, brütete. Genau wie es heißt, man dürfe keinen Schlafwandler wecken, war es auch nicht ratsam, ihn aus seinen Gedanken zu reißen.

Das Hotel Schiltz befand sich im oberen Teil der Hauptstraße des Städtchens. Monika und Harald betraten das Restaurant des Hauses. Ein Angestellter in bestem Zwirn kam auf sie zu und fragte sie, ob sie zu speisen wünschten. Harald bejahte das, und sie wurden an einen Fensterplatz geführt. Man brachte ihnen die Speise- und Getränkekarten und erkundigte sich, ob sie bereits etwas zu trinken wünschten. Steiner bestellte, ohne Monika zu fragen, zwei Gläser Pils vom Fass.

Als der Ober sich entfernt hatte, fragte die Mink: „Woher wollen Sie wissen, dass ich Bier trinke?“

„Vielleicht ist Ihnen entgangen, dass Frisch, Schmidt und ich einmal im Monat einen Kegelabend abhalten. Frisch ist ja ein sehr standhafter Trinker, aber Schmidt wird immer ziemlich redselig, wenn er etwas intus hat. Ihm zufolge haben Sie und die beiden schon einige Male nach Dienstschluss einen kleinen Umtrunk im ‚Bombastic’ abgehalten, und Sie sollen genau so tüchtig Kölsch gebechert haben wie ihre beiden Kollegen.“

Das war Monika echt peinlich. Sie hatte immer geglaubt, ihr Chef habe noch nie ein Interesse an dem Privatleben seiner Mitarbeiter gehabt. Vor allem war es ihr nicht besonders angenehm, dass er ausgerechnet über ihre gelegentlichen Feierabendbierchen mit Ralf und Heinz Bescheid wusste. Sie versuchte seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken.

„Das hier ist aber ein echter Nobelschuppen. Die Tischdecken sind alle picobello sauber, das Besteck ist versilbert, wenn nicht gar echtes Silber, die Vorhänge sind aus Samt ...“

„Das Hotel Schiltz ist so etwas wie die erste Adresse am Platz“, klärte Harald sie auf. „Es ist dem ,cercle gastronomique’ angeschlossen. Denen hier fehlt es das ganze Jahr hindurch nicht an Gästen, weil die vom gastronomischen Zirkel Jahr ein, Jahr aus von einem daran angeschlossenen Hotel zum anderen reisen, von einem daran angeschlossenen Restaurant zum anderen. Teils handelt es sich bei den Gästen um betuchte Pensionäre, teils um reiche Stinker, die sich wichtig tun wollen und keine anderen Hobbys haben finden können.“

Woher weiß der das nur alles, fragte sich Monika. Er brachte sie der Antwort näher, ohne dass sie diese Frage ausgesprochen hatte.

„Mein Vater war ein solcher Typ, der seine Wochenenden so durchzubringen vermochte, und ich könnte mir vorstellen, es auch so zu tun, wenn ich mal nicht mehr aktiver Kriminalist bin. Man reist vom einen Ort zum anderen, mampft und schlürft die Köstlichkeiten, die die Regionen hergeben, und lässt die Welt die Welt und die Menschheit die Menschheit sein.“

Von dieser Seite hatte die Mink Harald Steiner noch nie kennengelernt, und sie war sich fast sicher, diesbezüglich soeben zu einem sehr kleinen Kreis von Eingeweihten hinzugestoßen zu sein, denn sogar Ralf und Heinz hatten ihr nie mehr über Steiners Privatleben und seine Empfindungen zu berichten vermocht, als dass es so etwas für ihn vermutlich gar nicht gab.

Steiner schlug vor, exakt das Menü zu bestellen, das sich Wagner und sein Tischpartner am Donnerstagabend die Woche zuvor auch bestellt hatten: Parmaschinken mit Melone zum Entrée, Forelle nach „Art der Müllerin“ mit „fein gedünsteten kempischen Salzkartoffeln“ und der „Sauce à l,Ardennaise“ als Hauptgang, das Champignonsoufflet als Dessert und als Dessert zum Dessert das „Sorbet de joie“. Zum Hauptgang eine Flasche Frascati.

Monika sah sich die hinter den einzelnen Speisen stehenden Preise in der Menükarte an und war entsetzt.

„Aber Chef, das kostet ja ein kleines Vermögen. Das kann ich nicht aufbringen, das ...“

Er wiegelte entschieden ab. „Ich lade Sie ein, und Sie dürfen nicht ablehnen, es sei denn, Sie sind Vegetarier oder allergisch gegen gewisse dieser Speisen oder gegen Frascati.“

„Und wer soll Ihnen das vergüten? Herr Strasser wird doch bestimmt nicht seine Unterschrift unter einer Spesenabrechnung setzen, die sich so zusammensetzt.“

Er sah sie ernsthaft an. „Frau Mink, unser jetziges Arbeitsessen wird auf keiner Spesenabrechnung auftauchen. Es geht mir ausschließlich darum, das nachzuempfinden, was Herr Wagner und sein Begleiter am vergangenen Donnerstag angesichts des Genusses dieses Dinners empfunden haben. Meinem Privatbudget schmerzt diese Ausgabe nicht, aber es bereichert mein Einsichtsvermögen.“

Ist der Kerl ein Krösus, ging es Monika durch den Kopf. Im Präsidium hatte sie noch niemals gehört, Steiner sei begütert, im Gegenteil, er gebe nie unnötig Geld aus, hatte es immer geheißen.

Als auch das letzte Geschirr und Besteck abgeräumt wurde, sprach Harald den Ober an und zeigte ihm das vergrößerte Passfoto von Alfons Wagner.

„Kennen Sie diesen Mann? Am vergangenen Donnerstag soll er hier zu Gast gewesen sein.“

Der Angestellte zuckte dezent mit seinen Schultern. „Da werde ich wohl den Herrn Schiltz persönlich fragen müssen. Wollen Sie vielleicht noch einen Kaffee oder sonst etwas?“

Zwei Minuten später kam ein hochgewachsener Mann von etwa 55 Jahren auf den Tisch von Steiner und Mink zu und blieb bei ihnen stehen.

„Guten Tag, meine Dame, mein Herr. Mein Name ist Hans Schiltz.“ Sein schwarzer Anzug hätte die beiden hier zu diesem Augenblick kaum jemand anderen erwarten lassen. „Sie wünschen Auskünfte über einen unserer Gäste.“

Erneut legte Harald das Foto von Alfons Wagner auf den Tisch. „Dieser Herr hier soll am letzten Donnerstag bei Ihnen gegessen haben.“

Hans Schiltz nahm mit seiner rechten Hand das Bild an sich, betrachtete es drei Sekunden lang und legte es wieder genau an der Stelle auf den Tisch zurück, woher er es genommen hatte.

„Das ist durchaus möglich, mein Herr, aber es gehört nicht zu den Gepflogenheiten unseres Hauses, Informationen über unsere Gäste zu erteilen. Oder können Sie einen besonderen Grund vorbringen, weshalb wir das in diesem Fall doch tun sollen?“

Harald zückte seinen Dienstausweis. Der Hotelier zog seine Brille etwas vor, sodass er über sie hinwegsehen konnte, und las sehr andächtig, was es auf der Karte zu lesen gab. Dennoch blieb er skeptisch.

„Dürfte ich erfahren, warum die deutsche Kriminalpolizei bei uns in Belgien und insbesondere in unserem Hause Untersuchungen anstellt?“

„Das dürfen Sie, Herr Schiltz”, entgegnete Steiner mit äußerster Ruhe. „Der Mann hieß Alfons Wagner, war deutscher Staatsbürger und ist vorgestern in einer Ferienwohnung nahe der luxemburgischen Ortschaft Wellscheid von einem uns bisher unbekannten Täter erschossen worden.“

„Erschossen?“ Schiltz verlor für einen kurzen Moment die Contenance. „Das soll doch sicher nur ein Scherz sein. Ein makaberer Scherz, muss ich sagen.“ Er sah sich im Speisesaal um, wohl um sich zu vergewissern, ob einer der anderen noch anwesenden Gäste etwas von seiner Irritation mitbekommen haben könnte, was nicht der Fall war. Dann zog er einen Stuhl von einem unbesetzten Nebentisch heran und ließ sich darauf nieder. Unterdessen erschien der Ober, servierte die zwei bestellten Tassen Kaffee und verschwand wieder.

Fast schon im Flüsterton sprach Schiltz: „Der Herr auf dem Foto, der war tatsächlich am letzten Donnerstag hier. Er und eine Dame, die hier für drei Übernachtungen ein Zimmer gebucht hatte, haben in der Tat hier im Restaurant am Donnerstagabend diniert.“

„Wie hieß die Dame?“ wollte Steiner wissen.

„Kranz. Aber wenn Sie sich eben gedulden, werde ich Ihnen den entsprechenden Eintrag aus dem Gästebuch kopieren.“

Einige Minuten später saß Schiltz wieder an dem Platz, auf dem er zuvor auch gesessen hatte, und Steiner hielt die Kopie aus dem Gästebuch in seinen Händen.

„Hm! Manuela Kranz aus Bochum. Wenigstens das. Können Sie uns die Frau beschreiben?“

„Mitte vierzig, gute Figur, angenehme Erscheinung, immer elegant gekleidet, höflich, mittelblondes Haar.“

Harald stellte fest: „Sie kam also am Dienstag an und ist am Freitag wieder abgefahren.“

„Richtig.“

„Hat sie auch einen Grund genannt, weshalb sie hier übernachtete?“ erkundigte sich Steiner.

„Sie habe geschäftlich hier in der Gegend zu tun, erwähnte sie beiläufig. Seltsamerweise ist sie aber nur wenige Male für recht kurze Zeit außer Hause gewesen. Und am Mittwoch ließ sie sich ein Kopfschmerzmittel geben und blieb sogar den ganzen Nachmittag auf ihrem Zimmer.“

„Können Sie das Fahrzeug beschreiben, mit dem sie hier war?“ schaltete sich Monika ein.

„Ein dunkelblaues Golf Cabrio. Das hatte aber kein Bochumer, sondern ein Augsburger Kennzeichen.“

„Wann am Donnerstag kam Herr Wagner hier an, und wie lange hielt er sich hier auf?“ erkundigte sich Steiner.

„Er kam gegen halb acht abends, und ich meine, es war so ungefähr 23 Uhr, als er wieder ging. Die erste Stunde hielten sich Frau Kranz und er vorne im Barbereich auf und tranken eine Kleinigkeit, dann aßen sie hier im Restaurant zu Abend, und später verbrachten sie nochmals etwa eine halbe Stunde im Barbereich, wo sie zum Abschluss noch mehrere Gläser Nichtalkoholisches zu sich nahmen.“

„Wie verhielten sich die beiden zueinander? Wie Geschäftspartner, wie gute alte Bekannte, wie ein Liebespaar?“ fragte der Hauptkommissar weiter.

„Ich schicke vorweg, dass es nicht unsere Angewohnheit ist, unsere Gäste zu belauschen. Aber während ihres Aufenthaltes im Barbereich habe ich schon einige Sätze unbeabsichtigt aufgeschnappt. In denen war die Rede von Bauplanungen und Residenzen in Luxemburg. Insofern nehme ich an, dass es sich um geschäftliche Gespräche handelte. Trotzdem kam es mir so vor, als ginge ihre Beziehung über das Maß des Geschäftsmäßigen hinaus.“

„Woraus glauben Sie, das ableiten zu können?“ interessierte es Monika. Typisch Frau, dachte Harald. Nur Frauen, Kinder und Schwuchteln stellen irrelevante Fragen, wie sie in Liebesromanen vorkommen.

„Mehrfach hat der Herr die Frau Kranz an ihren Händen und Armen berührt. Und bei ihrer Verabschiedung haben sie sich auf den Mund geküsst. Da Frau Kranz beim Einschecken einen deutschen Pass vorzeigte und der Herr ein akzentfreies Deutsch sprach, nahm ich an, dass beide Deutsche sind, und mir ist nicht bekannt, es sei in Deutschland üblich, wie es vielleicht einst in der Sowjetunion üblich war, sogenannte Bruderküsse auszutauschen“, erklärte der Hotelier ironisch.

 

Schließlich wusste Steiner nur noch eine Frage zu stellen. „Gab es denn sonst noch etwas, was Ihnen an beiden oder einem von beiden aufgefallen ist?“

„Dieser Herr, von dem Sie sagten, er heiße Wagner, hat sich genau wie Frau Kranz sehr höflich verhalten und hatte ein sehr kultiviertes Auftreten“, sagte Schiltz und besann sich, noch etwas Sonderbares am Rande bemerkt zu haben. „Ah ja, da war noch eine sehr seltsame Sache im Frühstücksraum am Donnerstagmorgen. Frau Kranz nahm in einer der äußersten Ecken des Saales Platz, und zwar setzte sie sich dabei auch noch ausgerechnet von den Fenstern abgewandt.“

„Was soll daran sonderbar sein?“ staunte der KHK.

„Hotelgäste, so habe ich in meiner mehrjährigen Berufserfahrung festgestellt, bevorzugen es, wenn das machbar ist, zum Frühstück einen Platz zu ergattern, der so nahe wie möglich an einem Fenster gelegen ist. Ist das nicht möglich, weil bereits alle solche Plätze besetzt sind, so versuchen sie sich doch zumeist so hinzusetzen, dass ihre Gesichter zu den Fenstern gewandt sind. Weder waren die Fensterplätze am Donnerstagmorgen belegt, als Frau Kranz in den Frühstücksraum kam, noch wäre sie veranlasst gewesen, sich von den Fenstern abgewandt hinzusetzen. Am Mittwoch- und am Freitagmorgen hatte Frau Kranz sehr wohl jedes Mal an einem der Fenster Platz genommen.“

Der Hotelier dachte noch kurz nach und ergänzte: „Und dann war da noch eine Sache, der ich eigentlich keine Bedeutung zumaß. Gleich nach ihrer Ankunft am Dienstagnachmittag bat mich Frau Kranz, ihr unsere Konferenzräume zu zeigen.“

„Und was soll nun daran wiederum merkwürdig sein?“ fragte Steiner nach.

„Nun, dass ein Gast sich einen Konferenzraum ansehen will, kommt schon mal vor. Aber dass ein solcher Gast das schon gleich tut, ehe er seine Koffer aufs Zimmer hat bringen lassen, ist schon sehr seltsam, wenn er diesen Konferenzraum nicht schon vorher reserviert hat. Und Frau Kranz hatte einen solchen Raum nicht reserviert.“

Um 16.25 Uhr fuhren Mink und Steiner zum zweiten Mal an diesem Tag an der Total-Tankstelle in Weiswampach vor. Diesmal stand tatsächlich eine andere, jüngere Frau hinter der Kasse als am Vormittag, die zudem der deutschen Sprache mächtig war.

Harald zeigte ihr seinen Dienstausweis, das Foto, auf dem Wagner abgebildet war, und die Kopie von Wagners Tankquittung vom Mittwochabend.

„Können Sie sich an diesen Mann erinnern?“

Die junge Frau war weniger auskunftsfreudig als ihre Kollegin einige Stunden zuvor und antwortete knapp: „Ja.“

„Wissen Sie, ob er allein im Wagen war, als er hier war?“

„Glauben Sie etwa, ich hätte nichts anderes zu tun, als mir die Gegend anzuschauen?“ reagierte sie pampig.

„Ist Ihnen etwas an dem Mann aufgefallen?“ fuhr Harald fort.

„Nee, ich stehe auf jüngere Semester.“

Das reichte Steiner vollends. Er brach die fruchtlose Befragung ab und verließ den Shop. Sein nächstes Ziel war die Zentrale des Betreibers der Tankstelle in Fischbach, rund 15 Kilometer weiter landeinwärts.

An der Rezeption des Tankstellenbetreibers stellte sich Steiner mal wieder mit Rang und Namen vor und wünschte den Geschäftsführer zu sprechen. Die Frau am Schalter wollte zuerst wissen, weshalb er ihren obersten Chef sprechen wolle, und Harald erklärte ihr, es gehe um eine Mordermittlung, woraufhin die Frau mehrere interne Telefonate in luxemburgischer Sprache führte und schließlich eine Kollegin anwies, die beiden Besucher in ein Konferenzzimmer zu führen.

Kaum hatten sich Monika und Harald an einen mit zwölf Stühlen bestückten, rechteckigen Tisch gesetzt, flog die Tür zum Flur auf und ein sehr großer, beleibter Mann mit zerzausten schwarzen Haaren, einem Rasputinbart und einer Hornbrille trat ein. Seiner Kleidung nach zu urteilen, hätte man ihn für einen Freizeitcamper halten können. Äußerlich war er nicht der Typ, dem man gerne im Dunkeln begegnen würde.

Er ging auf die beiden Deutschen zu und sagte mit dröhnender Stimme: „Mein Name ist Guy Reich. Ich bin der Inhaber dieser Firma.“ Er schüttelte nacheinander Monika und Harald die Hand, was sich für diese so anfühlte, als wollte er ihnen die Arme auskugeln. Auch Steiner stellte sich und Monika vor. Reich setzte sich ihnen gegenüber.

„Soso, Sie sind also von der preußischen Kripo und ermitteln in einem Mordfall“, knurrte er wenig freundlich. „Ist es üblich, dass deutsche Polizei im Ausland ermittelt? Oder wie liegen die Dinge?“

Harald begriff, wieso dieser Mann Unternehmenschef war. Vermutlich war in seinem Fall dieser Beruf auch seine Berufung. Umso ratsamer war es, die Fronten gleich zu klären.

„Es geht um die Ermordung eines deutschen Bauunternehmers hier in Wellscheid ...“

„Davon habe ich in der Zeitung gelesen“, unterbrach ihn Reich. „Und weiter?“

Harald fand es seltsam, dass in der Zeitung bereits von Mord die Rede gewesen sein sollte. Es waren am Vortag zwar einige Journalisten dagewesen, die Fotos von Wagners Chalet gemacht und mit den Betreibern der Anlage gesprochen hatten, aber dass es Mord war, hatten zu dem Zeitpunkt bestenfalls er und die Kriminaler in Luxemburg gewusst. Er wollte jetzt nicht dem Warum und dem Woher der Information auf den Grund gehen.

„Das Opfer hat zweimal im Laufe der vorigen Woche an Ihrer Tankstelle in Weiswampach Benzin getankt. Es ist unsere Aufgabe zwecks Spurensicherung, Sie darum zu bitten, uns die Videoaufnahmen dieser Vorgänge auszuhändigen.“

„Das mache ich doch gerne“, entgegnete der kräftige Mann mit sarkastischem Unterton. „Allerdings liegt in Luxemburg die Polizeihoheit bei der luxemburgischen Polizei, es sei denn, Sie sind autorisiert, dieses an Stelle ihrer zu tun.“

Der Mann war nicht nur ein Brocken, er war ein harter Brocken.

„Wie wäre es, wenn Sie Commissaire André Rollinger in Luxemburg Stadt anrufen und ihn fragen, ob wir autorisiert sind, die Herausgabe der Aufnahmen zu fordern“, schlug Steiner vor.

Auf dem Konferenztisch stand ein Telefon, nach dem Guy Reich nun griff. „Dann nennen Sie mir mal eben die Nummer dieses Monsieurs Rollinger.“

Harald musste einige Augenblicke in seiner Brieftasche suchen, bis er Rollingers Kärtchen zur Hand hatte, das er sodann Reich über den Tisch schob.

Reich wählte die Durchwahl Rollingers und hatte ihn auch sofort am Apparat. In der etwas eigentümlichen luxemburgischen Sprache ging es nun während geschätzten zehn Minuten hin und her. Dann legte Reich den Hörer wieder auf.

„Sie sind also autorisiert“, brummte der Dicke wenig begeistert. „Warten Sie hier. Ich werde veranlassen, dass man Ihnen die Bänder bringt.“

Er stand auf und ging zur Tür, wo er sich noch einmal umdrehte. „Ich soll Ihnen noch von Herrn Rollinger ausrichten, dass er heute Abend gegen 19 Uhr bei Ihnen reinschauen will.“ Und er verließ grußlos den Raum.

Wieder im Ferienhaus angekommen, setzte Monika zunächst Kaffee auf, während Harald sich im Badezimmer seines Anzugs entledigte und sich in Freizeitklamotten warf. Zum ersten Mal bekam Monika die bis knapp übers Knie entblößten Beine ihres Chefs zu sehen, da er nun eine kurze Hose anhatte. Sie hatte immer geglaubt, er hätte Storchenstelzen, aber das, was sich ihren Augen darbot, entsprach dem, was sie sich unter Männerbeinen vorstellte. Eine lobende Bemerkung hierzu wagte sie jedoch nicht von sich zu geben.

Noch ehe sie es sich auf der Terrasse bei Kaffee und Keksen, die Monika von zuhause mitgebracht hatte und aus der Bäckerei ihrer Eltern stammten, gemütlich machten, rief Steiner sein Kommissariat in Köln an, um sich über den Fortgang der Recherchen Ralf Frischs in der Angelegenheit Wagner und Umfeld zu informieren.

„Könnte sein, dass Jasper ein ganz heißer Kandidat für Sie ist, Chef“, stellte Ralf in Aussicht. „Die vom BTM-Dezernat überwachen ihn rund um die Uhr. Und Sie werden es vielleicht nicht glauben, aber unser schöner Siggi ist am Montag in Luxemburg gewesen.“

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