Intrigante Baumeister, hinterlistige Bräute - Ein Fall für Harald Steiner

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Intrigante Baumeister, hinterlistige Bräute - Ein Fall für Harald Steiner
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Intrigante Baumeister, hinterlistige Bräute

Nummer I aus der Reihe

Ein Fall für Harald Steiner

epubli

Imprint

Intrigante Baumeister, hinterlistige Bräute – Ein Fall für Harald Steiner

Ansgar Morwood

Copyright: © 2016 Ansgar Morwood

published by: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

ISBN 978-3-7375-9162-1

Hauptpersonen

Harald Steiner: Kriminalhauptkommissar der Kripo Köln

Monika Mink: Kriminalassistentin der Kripo Köln

Ralf Frisch: Kriminalkommissar der Kripo Köln

André Rollinger: Kriminalhauptkommissar der Kripo Luxemburg

Fernand Dumont: Kriminalhauptkommissar der Kripo Brüssel

Roger Maes: Kriminalinspektor der Kripo Hasselt

Heiner Volkmann: Kriminalhauptkommissar der Kripo Augsburg

Alfons Wagner: Bauunternehmer aus Augsburg

Karla Wagner: Geschiedene Ehefrau Alfons Wagners

Jürgen Wagner: Sohn von Alfons Wagner

Gerlinde Schneider: Sekretärin Alfons Wagners

Manuela Kranz: Immobilienberaterin aus Bochum

Jos Weißler: Versicherungsagent aus Luxemburg

Alain Noel: Baupromotor aus Brüssel

Cornelis De Witte: Bauunternehmer aus Neerpelt

Luc Korthals: Bauunternehmer aus Antwerpen

Serge Charlier: Architektin aus Eupen

Myriam Berlotti: Architektin aus Brüssel

Siegfried (Siggi) Jasper: Bordellbesitzer aus Köln

Auguste Lebrun: Inhaber eines Touristikbüros in Lüttich

David Grootman: Diamantenhändler aus Antwerpen

Albert Zubergen: Privatdetektiv aus Mainz

Marc Maubeuge: Bankier in Luxemburg

Régine Maubeuge: Ehefrau Marc Maubeuges

Claudine Camus: Eine mysteriöse Frau

Eugène Kamaké: Kongolese in Brüssel

Jean Laboîs: Kongolese in Brüssel

Hauptorte/-gebiete der Geschehnisse

Großherzogtum Luxemburg, Brüssel, Antwerpen, Belgisch Limburg, Belgische Ardennen, Augsburg, Köln

Anmerkung für die Leser

Alle Romane die ich schreibe, also auch jeder einzelne meiner Serienromane, ist eine in sich abgeschlossene Story.

Das bedeutet, es besteht für die Leser keine zwingende Notwendigkeit, zum Beispiel den hier vorliegenden ersten Harald Steiner Krimi lesen zu müssen, um einen der nachfolgenden Krimis aus dieser Serie begreifen zu können.

Die herausragendsten Charaktereigenschaften der in meinen Romanen häufiger vorkommenden Figuren kann jeder Leser ohne große Mühe aus jedem einzelnen Band separat herauslesen, weil diesbezüglich immer wieder genügend erklärende Hinweise eingearbeitet sind.

Aus jedem Harald Steiner Roman können die Leser erfahren, dass er seinen Beruf nicht benötigt, um ein gutes Leben fristen zu können, aber nur in diesem ersten Roman erfahren sie, weshalb es sich so verhält.

Und genauso kann man in jedem Band der Serie erfahren, welche ausgleichende Rolle Steiners Assistentin Monika Mink spielt, obwohl man das sich Anbahnen des Verhältnisses der beiden Protagonisten detailliert nur im ersten Roman nachlesen kann.

Solche Details mögen unterhaltsam oder interessant sein, sie sind aber, wie gesagt, nicht relevant, um auch nur einen einzigen der anderen Krimis aus dieser Reihe zu begreifen.

Eine Orientierungshilfe dürfte zudem die Information sein, dass die Urschrift der vorliegenden Story im Jahre 2003 verfasst wurde, was impliziert, dass sich alle Hinweise auf tatsächliche Zustände auf den realen Stand im Jahre 2003 beziehen (z. B. die Eigenarten der Wallonischen Region oder der EU, die Art der internationalen Zusammenarbeit von Polizeibehörden, der Wortgebrauch „Bundesgrenzschutz“ statt „Bundespolizei“, das massenhafte Aufkommen polnischer Scheinfirmen mit legalen Genehmigungen auf dem deutschen Markt etc. – alles Phänomene jener Epoche)

Die Leser sollten nicht zu sehr an den pejorativen Aussagen mancher Figuren Anstoß nehmen. Begriffe wie „Bimbo“ oder „Weißschiss“ repräsentieren einen nicht seltenen Sprachgebrauch, der einem urzeitlichen Sippendenken entspringt und wohl niemals gänzlich ausgemustert sein wird. Der ansonsten sehr klarsichtige Hauptkommissar Steiner ist nicht davor gefeit, sich solchen Emotionen hinzugeben, beruft sich dabei auch immer wieder auf eigene Erfahrungen. Aber das, das ist seine Privatsache.

1. Mord im Urlaub

Für Kriminalhauptkommissar (KHK) Harald Steiner war Urlaub ein Synonym für Zeitverschwendung. Jedenfalls war es das aus seiner Sicht geworden, seit er beschlossen hatte, keine privaten Ambitionen mehr entfalten zu wollen.

Aus der Sicht seines Vorgesetzten, des Kirminaloberrats Emil Strasser, sah das aus begreiflichen Gründen anders aus. Strasser musste darauf achten, dass seine Leute ihren Dienst ordnungsgemäß versahen, aber er musste auch darauf achten, dass sie nicht in Überstunden ertranken. Und diese Gefahr war bei Steiner (41) durchaus akut gegeben.

Strasser hatte Steiner Ende Juni ein Ultimatum gestellt, und zwar solle der Kommissar innerhalb einer Frist von einem Monat endlich seine ihm zustehenden Urlaubstage in Anspruch nehmen und auch antreten, oder, so drohte Strasser ihm an, werde er dafür sorgen, dass Steiners beiden männlichen Mitarbeiter in ein anderes Kommissariat versetzt und durch zwei weibliche Kolleginnen ersetzt würden. Der Kirminaloberrat wusste, welche Panikgefühle er damit bei Harald auslöste.

Steiner war aus allen Wolken gefallen. „Wie bitte? Noch mehr von diesen Hühnern?“

„Wenn Sie sich nicht anders belehren lassen“, entgegnete Strasser trocken.

Harald hatte es über Jahre hinweg geschickt verstanden, alle nur erdenklichen Versuche von oben abzuwehren, ihm Frauen als Mitarbeiterinnen unterzujubeln. Der Polizeipräsident hatte auf mehr weibliche Beamtinnen in den Mordkommissariaten gedrängt. Aber Steiner hatte bei jeder Kandidatin, die Strasser ihm zugeführt hatte, irgendwelche gravierenden fachlichen Mängel gefunden, die dann deren rasche Abberufung zur Folge gehabt hatte.

Steiner betrachtete es als seine eigene sportliche Herausforderung, jedem femininen Neuzugang die Arbeit zu vergällen. Dabei ging er nicht etwa brutal oder echt ungerecht vor. Das jeweils neueste Mitglied im Team hatte nun einmal die einfältigsten, aber zugleich lästigsten Arbeiten zu verrichten. Sie mussten diktierte Rapporte schreiben, Akten herbeischaffen, Termine für die Kollegen vereinbaren, Recherchen bei anderen Behörden oder in den Polizeidateien anstellen. Kurzum, sie waren automatisch zu den Arbeiten verdammt, die am wenigsten mit der direktesten Aufklärungsarbeit zu tun hatten. Sie waren eben nur Sekretärinnen und somit Beiwerk, wenn auch zugegebener Maßen nützliches Beiwerk. Glaubte man Steiner, ging es dabei um Arbeiten, die die Kriminalkommissare ohne großen Zeitaufwand auch selber erledigen konnten.

Es war überhaupt Steiners Eigenart, seinen Untergebenen nicht allzu viel zuzutrauen. Auch die Kommissare Ralf Frisch (31) und Heinz Schmidt (35) hatten unter seiner Führung wenig anzumelden. Jede wichtige Ermittlung in einem Mordfall war „Chefsache“, und Chef war eben KHK Harald Steiner, ein Mann, der sich in den letzten zehn Jahren die unglaublich anachronistische Aura eines Patriarchen aufzubauen vermocht hatte.

Heinz und Ralf hatten sich längst mit seinem Führungsstil abgefunden. Genaugenommen fuhren sie sogar ganz ordentlich unter den Segeln dieses Vorgesetzten, denn was der alles selber machen wollte, entlastete sie, hatten sie festgestellt.

Gut, Steiner musste immer mit der Nase als Erster in allem reinschnuppern, aber er führte auch die wichtigsten Befragungen durch, stellte die Hypothesen, Analysen und Prognosen zu jedem Fall auf. Vor allem scheute er sich nie, für seine eigenen Verfehlungen die Verantwortung zu übernehmen. In dieser Hinsicht war er genauso konsequent wie im Erteilen von Rüffeln.

Aber eine Mordkommission bestand bei der Kripo Köln nun einmal aus mindestens vier Beamten, und vor einem halben Jahr hatte sich Oberkommissar Johann Klinges, ein eher träger Typ, in den Ruhestand verabschiedet, wodurch das Kommissariat zwo nur noch aus drei Mann bestand. Ab da hatte die Sache mit der aufdringlichen Zufuhr weiblicher Aspirantinnen erst so richtig begonnen auszuufern.

Harald war kein Unmensch. Hin und wieder durfte ein solcher Neuzugang auch mal mit an einen Tatort kommen oder an einer Zeugenbefragung teilnehmen. Aber es war ja klar, dass solche Frischlinge der Kriminologie oder Überwechsler aus den Reihen nichtkriminalistischer Polizeidienste keine adäquaten Erfahrungen mitbrachten und daher ziemlich dümmliche Anfängerfehler begingen. Steiner hatte diese weiblichen Neuzugänge allesamt wegen Verfehlungen abgeschossen oder ihnen nahelegen können, selber um ihre Versetzung zu bitten.

Einen Wermutstropfen hatte es dann aber doch gegeben. Diese Kröte, die der KHK zu schlucken hatte, hieß Monika Mink, war 29 Jahre alt, sich keiner noch so niedrigen Arbeit zu schade und ließ sich nicht ein einziges Mal bei einem bedeutenden arbeitstechnischen Fehler erwischen. Und jetzt hatte diese Mink es schon drei Monate im K2 ausgehalten, ohne dass Steiner sie zermürben oder einen negativen Bericht über sie hätte schreiben können.

Zunächst war Harald über Strassers Urlaubsultimatum ziemlich empört gewesen. Natürlich konnte sein Vorgesetzter auch irgendwo irgendwelche routinierteren Frauen des Fachs im Rang von Kommissarinnen auftreiben und sie ihm als Ersatz für Frisch und Schmidt in sein Kommissariat einschleusen. Steiner hätte ihn jedenfalls formell nicht daran hindern können. Doch da gab es einen Aspekt an dem auferlegten Urlaub, der bei genauerem Hinsehen nicht ganz zu verwahrlosen war. Sollte er tatsächlich drei Wochen am Stück Urlaub nehmen und Frisch, Schmidt und Mink alles allein bewältigen müssen, was anstand, würden sie - so jedenfalls seine Überlegungen - nichts auf die Reihe kriegen. Vor allem nicht die Mink. Also gab er dem Begehren Strassers mit diesem bösen Hintergedanken nach und verabschiedete sich für die letzte Woche Juli bis Mitte August in den Urlaub, ganz darauf vertrauend, bei seiner Rückkehr das große Chaos und somit den Grund für das Ausboten der Mink vorzufinden.

 

Um überhaupt verstehen zu können, was diesen Harald Steiner zu dem Unikum und Ekel gemacht hatte, als welches er von vielen empfunden wurde, muss man sich mit seinem Werdegang beschäftigen.

Harald war das einzige Kind von Gernot und Maria Steiner. Seine Mutter war sehr früh an einer damals nicht heilbaren Krebserkrankung gestorben. Da war Harald erst acht Jahre alt gewesen. Sein Vater hatte sich als ein international anerkannter Philologe für antike Sprachen einen Namen gemacht. Gernot Steiner war berufsbedingt selten zuhause. Statt von ihm wurde Harald von einer eher puritanisch eingestellten Hauswirtschafterin erzogen und versorgt. So gingen ihm Disziplin, hierarchisches Bewusstsein, Gehorsam und eine spartanische Lebensweise ins Blut über.

Mit 19 hatte ihn dann trotzdem einer dieser typischen Anflüge Jugendlicher erfasst, gegen die ältere Generation zu opponieren. Auch wenn Gernot Steiner sich nur sehr wenig um seinen Sohn gekümmert hatte, erwartete er dennoch von ihm eine akademische Berufswahl. Harald tat ihm aus Trotz den Gefallen nicht und ging auf die Polizeischule, womit seine Karrieremöglichkeiten relativ begrenzt waren. Da Vater Steiner sich überraschend schnell damit abfand, machte Harald aus dem nun eingeschlagenen Weg das Beste und studierte, nach zwei Jahren Dienst bei der Streife geleistet zu haben, Kriminologie. Er war noch nicht ganz fertig mit seinem Studium, da erlitt Gernot einen Hirnschlag. Harald legte eine Pause ein, um seinen Vater zu pflegen.

Gernot Steiner verstarb nach wenigen Wochen an einem Rückfall, und Harald sah sich plötzlich in die Rolle eines wohlhabenden Erben versetzt. Das elterliche Haus, die finanziellen Rücklagen seines Vaters und dessen Beteiligungen an mehreren Betrieben hätten durchaus für den Sohn ausgereicht, sich mit 26 schon zur Ruhe setzen und ein Lotterdasein bis ans Ende seiner Tage fristen zu können.

Das entsprach nicht dem Charakter des jungen Mannes. Gewiss, seine Interessen seit frühester Kindheit hatten nie echt der Kriminologie gegolten. Er hätte eigentlich Historiker oder Archäologe werden wollen. Aber das war er ja nun aus Widerborstigkeit nicht geworden, und es hätte ihm nun wirklich widerstrebt, nochmals ein Studium zu beginnen, auch wenn er es sich mit dieser Erbschaft leisten konnte oder es sich sogar erlauben konnte, gar nichts mehr zu tun. Er hatte Bevormundungen immer gehasst. Er hasste Schulen, er hasste Lehrer, er hasste Besserwisser. Der Einzige, dem er je Respekt gezollt hatte, war sein Vater gewesen, wenn man von seiner Berufswahl absah, und ansonsten hatte er sich immer nur gefügt, wenn es sich nicht anders einrichten ließ.

Darüber hinaus hatte er sich auch schon als Kind ziemlich restriktiv gegenüber Gleichaltrigen verhalten. Die Jungs aus der Nachbarschaft und die Schulkameraden hatte er für kleine Kriecher gehalten, weil sie alle immer das machten, was Ältere von ihnen verlangten, jüngere Kinder für minderwertig, weil sie eben jünger waren, und Mädchen für eine absolut aus der Art geschlagene Spezies, weil sie mit Puppen spielten.

Er stellte die entscheidende Weiche für sein weiteres Leben, indem er sich mit dem Anwalt seines Vaters über die Verwendung der Erbmasse beriet. Der sollte das elterliche Haus, in Gummersbach, sämtliche Beteiligungen seines Vaters und den größten Teil der mobilen Werte möglichst teuer verflüssigen und den Erlös daraus zusammen mit den Guthaben seines Vaters einem gesonderten Konto zuführen. Harald wollte endgültig nach Köln ziehen und sich voll seiner Laufbahn als Kriminalbeamter widmen. Dabei legte er keinen Wert darauf, ein ausschweifendes oder üppiges Leben führen zu wollen. Sollte er als Kripobeamter versagen, hatte er dank seines Vermögens immer noch die Möglichkeit, seine Lebensplanung abzuändern. Aber lieber wollte er sich eben als Kriminalkommissar bewähren, und zwar in der Sparte der Morduntersuchung. Und worin er sich aus eigenem Antrieb einmal hinein hing, da blühte er auch prompt zu Höchstformen auf. Er machte also tatsächlich rasch Karriere bei der Kripo Köln. Aber wie entwickelte sich das mit seinem Verhältnis zum anderen Geschlecht?

Das entwickelte sich innerhalb von wenigen Jahren in einige sehr unterschiedliche Richtungen. In seiner Kindheit und frühen Jugend empfand er nur Verachtung für Mädchen. Das änderte sich bei ihm erst allmählich, als er in den Polizeidienst trat. Doch seine eher nach innen gekehrte Art machte ihn nicht besonders attraktiv für junge Frauen. Seine Beziehungen überdauerten selten mehr als eine Woche. Erst als er Kriminalkommissar geworden war, lief ihm Irene über den Weg. Irene schien sich nicht an seinen seltsamen Charakterzügen zu stören. Erst später sollte er erkennen, worum es ihr wirklich gegangen war: um sein Geld.

Irene war eine Tippse bei einem eher unbedeutenden Modedesigner gewesen. Als Harald auf sie abfuhr, weil sie zu seiner ersten dauerhaften Intimpartnerin geworden war, hatte sie ihm auch schon alsbald die Ehe nahegelegt. Leichtsinnigerweise war er darauf eingegangen.

Die Ehe erwies sich für ihn rasch als ein Fehlgriff. Irene konnte nicht kochen, Irene konnte keine Betten machen, Irene konnte nicht spülen, Irene konnte keine Waschmaschine bedienen, Irene konnte keine Steuererklärung machen, und Irene verlor schon rasch die Lust am Sex mit ihrem Mann. Ihr Standardsatz lautete: „Lass mich doch mit deinen Schweinereien in Ruhe“, wenn er sich mal wieder im Bett an sie ranzumachen versuchte. Umgekehrt ließ sie Eigenschaften erkennen, von denen Steiner nun wirklich vorher keine Ahnung hatte. Ihren Job warf Irene über Bord. Mit einem „reichen“ Mann, habe eine Ehefrau das nun wirklich nicht mehr nötig. Und Irene entpuppte sich als eine Shoppingqueen.

Harald hatte schnell die Nase voll von ihr und ihren Eigenarten. Er legte ihr die Scheidung nahe, und wie durch ein Wunder willigte sie auch überraschend schnell darin ein, als er ihr in Aussicht stellte, statt Unterhaltszahlungen, sie mit einer einmaligen Summe in Höhe von DM 360.000 abzufinden. Da er auf Anraten des früheren Anwalts seines Vaters bei der Eheschließung auf Gütertrennung bestanden hatte, hätte er Irene das bei Weitem nicht anzubieten brauchen. Doch er wollte sie auf jeden Fall so schnell wie möglich für immer von der Backe haben.

Die Folge war vorhersehbar. Steiner kehrte sich grollend wieder von allem ab, was weiblich war, und überhaupt nahm er wieder seine alten Attitüden an. Ab da galt für ihn, dass man, wenn überhaupt, nur Männern trauen kann, dass Menschen unter dreißig ohnehin unmündig und Frauen als komplett geistesschwach anzusehen sind.

Er stürzte sich noch mehr in seine Arbeit und wurde nun erst recht zum Workaholic. Innerhalb eines Jahres avancierte er zum KHK und Kommissariatsleiter, innerhalb der nächsten zwei Jahre erlangte er sogar den Ruf, der erfolgreichste Mordermittler des Rheinlands zu sein. Wenig später erschien er bereits unter den ersten drei auf der Hitliste deutscher Mordermittler.

Genauso berühmt und berüchtigt waren aber auch seine anderen Eigenheiten. Hartnäckig, unkonventionell und trotzdem konservativ, kauzig, schroff, verschroben, diskriminierend und trotz allem irgendwie immer noch gerade so korrekt, dass man ihm nichts anhaben konnte. Was daran am verwunderlichsten war: Fast alle, die mit ihm zu tun hatten, zollten ihm Respekt.

Da die Person Monika Mink bei den Ermittlungen in den Mordfällen rund um das Brüsseler Immobilienkartell eine fast genauso wichtige Rolle spielen sollte wie Harald Steiner, muss man sich an dieser Stelle auch mit ihrem Werdegang eingehender befassen.

Auch Monika war Einzelkind. Ihre Eltern betrieben in Köln eine Bäckerei, und ihr Vater Edgar hatte es immer abgelehnt, andere Produkte in seinem Laden zu verkaufen als jene, die er selber in seiner Backstube herstellte – unnötiger Handwerkerstolz. Damit hatte er sich gegen einen Trend gestellt, dem sich seit Jahren jeder Bäcker, der einigermaßen selbständig bleiben wollte, anzupassen hatte. Dementsprechend schlecht hatten sich dann auch die Umsätze von Edgar Minks Bäckerei entwickelt. Aber diesem Mann konnte nicht einmal seine Frau Veronika, die diesbezüglich den besseren Durchblick hatte als er, etwas anderes einreden.

Kam hinzu, dass sich Vater Mink auch aus anderen Gründen Sorgen um die Zukunft seines Betriebs machte. Seine Tochter zeigte wenig Interesse an dem Handwerk, und sie hatte auch nie im Laufe der Jahre ein Interesse an einen seiner Lehrlinge gezeigt, mit dem sie sich vielleicht hätte liieren können. Irgendwie hatte er immer gehofft, mit harter Hand seine Tochter zur Räson zu bringen, sie für eine Bäckerlehre zu begeistern.

Genau das fiel Monikas Lieblingsonkel Herbert auf. Herbert war Kriminalpolizist im Ruhestand und eigentlich nicht ihr Onkel, sondern ihr Großonkel. Zu ihm hatte sie Vertrauen, und er war bereit, sie zu unterstützen, wenn sie sich aus der elterlichen Umklammerung zu lösen wünschte. Dieser Punkt war erreicht, als Monika ihr Abitur in der Tasche hatte.

Zum Entsetzen ihrer Eltern, insbesondere ihres Vaters, meldete sie sich in Essen bei der Polizeischule an. Vermutlich hatte sie sich dazu von Onkel Herbert überreden lassen. Onkel Herbert sorgte auch dafür, dass sie sich ein Apartment mieten konnte und für die Dauer des Studiums finanziell abgesichert war. Derweil wollte Vater Mink vorerst nichts mehr mit seiner „missratenen“ Tochter zu tun haben.

Monika war eine fleißige Schülerin, und Monika begann das Leben ohne Bevormundung und ohne Kontrolle zu genießen. Als sie noch daheim in Köln gewohnt hatte, hatte sie kaum Taschengeld bekommen, hatte nie Gelegenheit gehabt, sich so zu kleiden, zu schminken oder frisieren zu lassen, wie sie es gerne wollte. Auch Diskobesuche waren für sie tabu gewesen. Einerseits hatte ihr das Geld zu alledem gefehlt, andererseits hatten ihre Eltern, insbesondere der Vater, sie an alledem gehindert.

Jetzt in Essen sah das alles anders aus. Endlich konnte sie sich kleiden und stylen, wie sie es wollte, und sie konnte ihre Freizeit selber gestalten. So war es wenig verwunderlich, dass das langweilige Mauerblümchen von einst plötzlich, wie der Magnet das Eisen anzieht, junge Burschen anzog. Und sie war gewiss alles andere als abgeneigt, sich mit solchen Kerlen, die ihr gefielen, einzulassen. Ihre schulischen Leistungen litten derweil nicht darunter.

Nach der Polizeiausbildung, die sie mit Bravur schaffte, wurde sie sofort in den regulären Polizeidienst übernommen und gelangte wieder nach Köln, wo sie zunächst nur mit wechselnden Kollegen Streife fuhr. In Köln bewohnte sie eine Zweizimmerwohnung. Ihre Eltern hatten sich immer noch nicht mit ihrer Berufswahl anfreunden können, und ihr strenger Vater hatte ihr sogar Hausverbot erteilt.

In Köln lernte sie auf einer nächtlichen Kneipentour Karsten kennen. Karsten war ein gutbezahlter Angestellter bei einer Kölner Brauerei. Mit Karsten war es anders als mit ihren bisherigen Männerbekanntschaften. Es kam zu mehr als zu einmaligen oder gelegentlichen Bettgeschichten. Alles lief auf eine feste Beziehung hinaus. Sogar von Heirat war die Rede gewesen. Dann wurde Monika schwanger, und als sie Karsten die frohe Botschaft verkündete, war Karsten plötzlich wie ausgewechselt und stritt ab, jemals vorgehabt zu haben, mit ihr zusammenziehen und ein gemeinsames Leben mit ihr führen zu wollen. Außerdem forderte er von ihr, das werdende Kind abzutreiben. Karsten verschwand innerhalb von wenigen Tagen aus ihrem Gesichtskreis. Erst viel später erfuhr sie, dass er wegen Unterschlagungen entlassen worden war. Eventuell war das der wahre Grund für seine abrupte Distanzierung gewesen.

Monika geriet infolge der geplatzten Beziehung, der Schwangerschaft und des fast zur gleichen Zeit eingetretenen Versterbens Onkel Herberts in gewaltige Nöte. Sollte sie das Kind doch abtreiben? Nein, das kam für sie keinesfalls in Frage. Sie hatte es gewollt, da konnte sie es doch jetzt nicht seines Lebens berauben, nur weil sein Vater ein Scharlatan war. Andererseits würde ihr ohnehin spärliches Anfängersalär bei der Polizei während einer Mutterschaftsauszeit nicht ausreichen, ihr Leben einigermaßen normal fortzusetzen. Und was war nach dieser Auszeit? Es musste doch für das Kind gesorgt werden, wenn sie ihren Dienst wieder aufnahm. In ihrer Verzweifelung wandte sie sich dann doch an ihre Mutter, die ihr gegenüber immer wesentlich verständnisvoller gewesen war als ihr Vater.

 

Mutter Mink wirkte auf ihren Mann ein, redete mit Engelszungen auf ihn ein, drohte ihm sogar mit Trennung oder gar Scheidung. Als Benni dann geboren wurde, änderte sich Edgar Minks Position zu seiner Tochter, als wäre er vom Saulus zum Paulus mutiert. Der Gedanke, sein Enkel würde den Namen Mink tragen, da der leibliche Vater des Kindes seine Tochter nicht geheiratet hatte, erfüllte ihn mit enormem Stolz. Das Verhältnis zwischen Eltern und Tochter normalisierte sich, und Monika konnte alsbald wieder regulär ihren Dienst als Polizistin aufnehmen, weil sich Bennis Großeltern liebend gerne um ihren Enkel kümmerten.

Monika begann im Polizeidienst rasch Karriere zu machen, erhielt ein Stipendium für Fortbildungen und wurde kurze Zeit später in den Kriminaldienst übernommen, wo sie zunächst beim Diebstahls- und Einbruchsdezernat tätig war. Dort hörte sie auch zum ersten Mal von dem sonderbaren KHK Steiner im Morddezernat, bei dem es noch nie eine weibliche Aspirantin länger als drei Wochen ausgehalten hatte. Welch eine Herausforderung, dachte sie, und bewarb sich für die mal wieder vakant gewordene Stelle im K2 des MD.

Steiner behandelte sie von Anfang an besonders kühl. Was er ihr an Aufgaben zuwies, entsprach nicht ihren Erwartungen, aber sie hatte fest den Vorsatz gefasst, sich trotzdem in diesem Kommissariat ihre Sporen zu verdienen. Steiner las jeden Tag die von ihr erstellten Berichte in der Hoffnung durch, diese zumindest auf Rechtschreibefehler hin verwerfen zu können. Er musste sich selber eingestehen, dass sie weder darauf und noch weniger auf inhaltliche Verfehlungen zur Strecke zu bringen war. Er schickte sie mehrfach allein zu Befragungen der unwichtigeren Art. Doch sie versagte in keinem einzigen Fall. Harald konnte natürlich nicht wissen, dass Heinz und Ralf sich ausnahmsweise einmal echt die Mühe machten, ihre neue Kollegin logistisch zu unterstützen. Irgendwie hatten sie einen Narren an ihr gefressen. Sogar bei ihrer „ersten“ Leiche an einem Tatort gelang es dem KHK nicht, ihr fachliches Versagen vorwerfen zu können. Sie machte schlichtweg alles richtig, was er ihr auftrug. Trotzdem wollte er sie loswerden, denn sie war eine Frau.

Vermutlich resultierte ihr Erfolg auch daraus, dass sie es von ihrer Kindheit her gewohnt war zu parieren. Ihr Vater war immer autoritär gewesen, und das war Steiner auch. Sie opponierte nie gegen ihren Chef, wie sie es früher auch nie gegenüber ihren Vater getan hatte. Das war für Steiner natürlich eine komplett neue Konstellation. Alle ihm bisher untergeschobenen Gören hatten irgendwann begonnen, seine Autorität in Frage zu stellen, es gewagt, seinen Führungsstil zu kritisieren. Aber diese Mink, die war nicht aus der Ruhe zu bringen, nicht zu erschüttern, ihr war nicht auf die „Schliche“ zu kommen. Insgeheim bewunderte er sogar ihr Engagement. Sie weigerte sich nie, Überstunden zu machen oder außerplanmäßig einzuspringen, wenn mal ein Kollege verhindert war. Trotzdem blieb sie in seinen Augen eben „nur“ eine Frau, also ein Missgeschick der Schöpfung.

Im Gegensatz dazu empfand Monika ihn gar nicht als sonderlich schlimm. Er war fordernd, aber gewiss nie ungerecht zu ihr. Er war kurz angebunden, aber seine Befehle waren für sie immer deutlich. Sie bewunderte ihn insbesondere, wenn er in der Runde seiner Assistenten seine Theorien über Tatvorgänge und deren Hintergründe entfaltete. Er traf nämlich fast immer ins Schwarze, wie sich hinterher meistens herausstellte. Sie betrachtete ihn als einen strengen und guten Lehrer. Sie hatte nicht vor, sich von seiner eigensinnigen Art verdrießen zu lassen. So oder so war er ihr Garant dafür, sich beruflich verbessern zu können.

So lagen die Dinge also zwischen Monika Mink und Harald Steiner, als sich Letzterer am Freitag vor dem letzten Wochenende des Julis auf Strassers Druck hin in den Urlaub verabschiedete. Und zu diesem Zeitpunkt beging Steiner einen Fehler, der die Dinge zwischen ihm und der Mink total auf den Kopf stellen sollte. Während er Frisch und Schmidt kurz vor seiner Abreise den Auftrag erteilte, einen Mord im Rotlichtmilieu zu klären, trug er der Mink einen Suizidfall an, den eigentlich sogar ein Drittklässler innerhalb weniger Stunden hätte durchleuchten können. Steiner hätte das vielleicht später als den größten Sündenfall seines Lebens bezeichnet, wenn nicht alles noch ganz anders gekommen wäre.

Steiner traf am späten Freitagnachmittag auf dem Hof in der Nähe des luxemburgischen Weilers Wellscheid ein, auf dem er einen der freistehenden Bungalows oder, wie es nobler hieß, Chalets gemietet hatte. Die Bäuerin überreichte ihm die Schlüssel zu dem Haus, erklärte ihm, um welche der vier Hütten es sich handelte, und predigte ihm die Hausordnung, wovon auch in jedem Bungalow eine Abschrift aushinge. Das Machwerk schien ausschließlich auf die Begriffe Ruhe, Sauberkeit und Ordnung zugeschnitten zu sein, etwas, was Steiner ohnehin schon immer von allen anderen und sich selber abverlangt hatte. Anschließend fuhr er seinen Mercedes C220 bis vor das von außen ordentlich gepflegt aussehende Gebäude.

Er hatte sich für diesen Verbleib während der nächsten drei Wochen entschieden, weil der ihm das versprach, was er sich unter Urlaub vorstellte, nämlich tatsächlich Ruhe und zudem den Ausgangspunkt für ausgiebige Rundfahrten in historische Gefilde. Mehr verlangte er nicht, und Wellscheid und dieser kleine Bungalowpark lagen so schön weit ab von der „zivilisierten“ Welt, dass ihn eigentlich nichts und niemand jetzt noch stören konnte, aber noch so nahe an historischen Stätten, dass er durchaus seinem lange verwahrlosten Hobby frönen konnte.

Die schmale Straße zwischen Niederfeulen und Kautenbach, die an dieser Stelle vorbeiführte, wurde kaum befahren. Der nächste größere Ort war Ettelbrück. Auf dem Gelände, das sich etwa 150 Meter von der Straße entfernt befand, standen nur vier Ferienwohnungen, wovon die zwei kleineren für je zwei Feriengäste und die zwei größeren für jeweils vier Feriengäste konzipiert waren. Er hatte eine der kleineren Sorte gebucht.

Er stieg aus, ging zur vorderen Veranda, schloss die Tür auf, betrat das Gebäude und ließ den ersten Eindruck des Inneren auf sich einwirken. Zunächst schien dieses Chalet bis auf eine bescheidene Ausnahme aus nur einem großen Raum zu bestehen, der bis zum First des Satteldachs reichte. Rechts eine Sitzecke, bestehend aus vier Sesseln, einer Schrankgarnitur und einem modernen Fernseher. Gleich dahinter erstreckte sich der hermetisch abgetrennte und durch eine Tür zu erreichende Raum, der den Sanitärbereich beinhalten musste. Ganz hinten rechts, also hinter dem ummauerten Sanitärbereich, der wie ein Fremdkörper in den Hauptraum hineinragte, befand sich eine Küchenzeile mit einem Tresen und vier Barhockern, allen nur erdenklichen Küchengeräten und -apparaten und einem runden Tisch mit vier Stühlen drum herum.

Links stand ein recht großes Doppelbett mit jeweils an beiden Seiten des Kopfendes ein Nachtschränkchen. Ganz hinten links befand sich ein Raum hoher Schrank, der wohl der Unterbringung von Kleidung und Gepäck diente. Zwischen diesem und dem Küchenbereich erlaubte eine voll verglaste Terrassentür den Zugang zur rückwärtigen Veranda, von wo aus man in dreißig beziehungsweise fünfzig Metern Entfernung die zwei nebeneinander liegenden größeren Ferienhäuser sehen konnte, die folglich weit genug weg standen, dass man von deren Bewohnern keinen allzu großen Radau zu befürchten brauchte. Ganz ähnlich verhielt es sich mit dem Chalet, das neben dem Haralds stand.

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