Intrigante Baumeister, hinterlistige Bräute - Ein Fall für Harald Steiner

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Wieder am Küchentisch sitzend, wiederholte Steiner in Monikas Beisein, was er Rollinger gerade erst gezeigt und berichtet hatte, um dann seine Theorie weiter zu entfalten.

„Ich nehme an, dass Alfons Wagner sich gestern um die Mittagszeit für seine Fahrt zur Handelskammer nach Luxemburg fertiggemacht hatte. Er wird sich geduscht oder gebadet haben ...“

„Geduscht“, unterbrach ihn der Commissaire. „Das ist festgestellt worden. Die Badewanne war trocken, die Duschkabine feucht.“

„Gut. Also er hatte sich geduscht, sich in Schale geworfen und die Unterlagen, die er mit der Person, die er bei der Handelskammer treffen sollte, bereitgelegt. Dann erschien ein Besucher, den er offensichtlich nicht erwartet hatte. Dieser Besucher war mit der Pistole bewaffnet, die man später in Wagners Hand sicherstellte. Mit der tötete er aus kurzem Abstand Herrn Wagner und manipulierte nun den Tatort und den Tatvorgang. Er lud das Magazin dieser Waffe mit einer Patrone nach, sodass es wieder voll war, legte sie in Wagners Hand und löste einen Schuss durch die geöffnete Tür ins Freie. Dass dieser Schuss ausgerechnet den schmalen Stamm des weit und breit einsam auf der Wiese stehenden Apfelbaums treffen würde, bekam er nicht mit und erahnte es nicht einmal. Das war ja auch viel zu unwahrscheinlich. Dann durchsuchte er das Haus nach irgendwelchen Dingen und nahm sämtliche Akten und Niederschriften mit, die er finden konnte.“

„Er war aber dabei nicht sonderlich gründlich“, glaubte der Commissaire. „Denn den Zettel in einer Jackentasche im Kleiderschrank hat er übersehen, und auch den Inhalt von Wagners Brieftasche hat er unangetastet gelassen.“

Nun mischte sich Monika ein. Ein Frevel, wenn Ihr Vorgesetzter ein Gespräch dieser Art führte. „Vielleicht hatte es der Täter ja nur auf die Unterlagen abgesehen.“

Steiner blickte sie missbilligend an, wandte sich aber wieder Rollinger zu.

„Eventuell hat Frau Mink Recht. Ich denke jedoch, dass der Täter unter Zeitdruck stand oder gar glaubte, mit den Akten und dem Notizbuch alles gefunden zu haben, was er brauchte, einen Suizid vorzutäuschen. Vermutlich waren die Akten gar nicht einmal wichtig, sondern bestenfalls für den Mörder verräterisch. Aber sogar das halte ich für unwahrscheinlich. Eher wollte er aufzeigen, dass es gar kein Wagnerprojekt in Luxemburg gibt, Wagner also mit dem Rücken zur Wand gestanden und deshalb Hand an sich selber gelegt hatte.“

Hierauf ging Rollinger ein. „Das Wagnerprojekt gibt es aber tatsächlich. Ich sagte bereits, wir haben Leute befragt, mit denen er hier in Luxemburg in letzter Zeit gesprochen hatte. Und das waren nicht gerade sehr wenige. Ein Versicherungsmakler namens Jos Weißler hat uns zu berichten gewusst, Wagner habe über ihn an Leute rankommen wollen, die in unmittelbarer Nähe von Luxemburg Stadt Baugrundstücke besitzen. Weißler vermittelte ihm Kontakte zu solchen Personen, und mit zwei dieser Personen war es dann auch zu Vorverträgen für den Ankauf von Baugrundstücken gekommen. Des Weiteren hatte er Verbindung mit einem hiesigen Rechtsanwalt und einem hiesigen Notar aufgenommen. Das ebenfalls im Rahmen eines Projektes, das er in Planung hatte. Und auch sein Termin bei der Handelskammer, den er nicht mehr wahrnehmen konnte, zielte auf dasselbe ab.“

Der Commissaire legte ein kopiertes Blatt Papier auf den Tisch und schob es Steiner zu. „Diese Liste haben wir sehr genau zu überprüfen versucht. Sämtliche aufgeführten Personen wohnen in Deutschland, in Belgien oder in Luxemburg. Einige der luxemburgischen Kandidaten habe ich gerade benannt. Über die Deutschen liegen uns bislang keine Erkenntnisse vor. Über die Belgier wissen wir besser Bescheid.“

Harald sah sich die anhand der Telefonvorwahlen nach Belgien und Deutschland zuzuordnenden Namen an und hätte fast einen Laut der Verwunderung von sich gegeben.

„Siegfried Jasper? Das wäre ja der Beweis, dass es doch eine Verbindung zwischen ihm und Wagner gegeben haben muss.“

Rollinger sah ihn erstaunt an, und Harald sah sich genötigt zu erklären, was in der Kölner Wagnerakte stand und wer Siggi Jasper war. Der Commissaire hörte gebannt zu und kam zu einer verblüffenden Feststellung.

„Eine seltsame Sache, muss ich schon sagen. Auch ein Teil der belgischen Leute auf der Liste gelten als nicht besonders sauber. Sie gehören einer Gruppe an, die man in Belgien das ,Brüsseler Immobilienkartell’ nennt, denen aber nie das Handwerk gelegt werden konnte.“

Monika meldete sich zu Wort. „Was sollen die denn verbrochen haben?“

„Tja, Frau Mink, was die verbrochen haben und wahrscheinlich immer noch aushecken, ist in Belgien sogar allgemein bekannt. Bei öffentlichen Ausschreibungen machen sie Preisabsprachen und schmieren Beamte und Politiker. Sie sollen Connections bis in die Polizei und zur Justiz unterhalten. Was die an sich reißen wollen, reißen sie auch an sich.“

„Wie sollen wir das verstehen?“ schaltete sich Harald wieder ein.

„Das sind Immobilienmakler, Bauunternehmer und ein ganz gewiefter Anwalt. Wird irgendwo ein Megaprojekt auch nur erwähnt, sind sie schon zur Stelle, um dessen Durchführung an sich zu reißen, und meistens erhalten sie es dann auch noch. Da ist Korruption im Spiel, Erpressung und sonst was. Ihrer Herr zu werden, ist unmöglich, obwohl jeder weiß, dass es sich so verhält, wie ich es schilderte.“

„Und wer sind von denen die Personen, die hier auf der Liste stehen, im Einzelnen?“ fragte Steiner.

„Alain Noel, Luc Korthals, Cornelis De Witte, Serge Charlier, Jaques Gaston und Olivier Gaston. Noel soll der Anführer sein. Er ist Immobilienmakler. Korthals, De Witte und die beiden Gastons sind Bauunternehmer. Charlier ist der Anwalt dieser Burschen.“

„Was sollte Wagner mit diesen Leuten am Hut haben?“ wollte Monika wissen.

„Keine Ahnung“, erwiderte Rollinger. „Aber das Projekt, das Wagner plante, könnte haargenau zu der Art von Projekten passen, in die sich das Kartell gerne einbringt.“

„Bevor wir damit weitermachen“, sagte Steiner, „würde ich gerne wissen, wer denn die anderen Leute auf der Liste sind.“

„Einer namens Auguste Lebrun betreibt in Lüttich eine Reiseagentur. Ein gewisser Herr David Grootman aus Antwerpen ist Diamantenhändler. Die von uns kontaktierten Kollegen in Belgien haben bei denen nachgefragt und erfahren, dass Lebrun und Grootman sich bereits als Investoren für das Wagnerprojekt eingeschrieben und beachtliche Summen investiert haben. Dann gibt es da zwei Architektinnen. Die eine heißt Sandra Altiari, die andere Myriam Berlotti. Die Frau Altiari gab gegenüber unseren belgischen Kollegen an, den Herrn Wagner zu kennen, weil er bei ihr eine Vorstudie für den Bau einer Villa in Belgien in Auftrag gegeben habe. Myriam Berlotti gab an, nie etwas mit einem Alfons Wagner zu tun gehabt zu haben.“

„Hm!“ Steiner überlegte. „Dann ist das mit dem Projekt Wagners also ein Faktum. Er hatte Kontakte zu einer oder gar zwei Architektinnen, er hatte Kontakte zu Bauunternehmern, er hatte Optionen auf Bauland genommen, er hat versucht, etwas in Luxemburg auf die Beine zu stellen, und er hatte sogar schon Investoren an der Angel. Und was soll sein Projekt beinhaltet haben?“

Rollinger lächelte müde. „Hier in Luxemburg blüht in der Baubranche eine Sparte besonders gut: Appartementhäuser. Wer in Luxemburg arbeitet, will meistens auch hier wohnen. Wir haben wichtige Institutionen der EU hier im Lande, Banken sind übermäßig zahlreich hier vertreten, und sogar große Industriebetriebe gibt es hier in großer Menge. Dem gegenüber steht, dass hier die Wohnflächen knapp und teuer sind. So ungefähr jeder dritte effektive Arbeitnehmer ist ein Ausländer. Da ergibt es sich automatisch, dass Bauland und auch das Bauen selber eine teure Angelegenheit ist. Man bedient sich im Bau relativ billiger Arbeitskräfte aus dem benachbarten Ausland oder der ebenso billigen Gastarbeiter aus Portugal. Per saldo kann man so sehr große Profite erwirtschaften, wenn man zudem auch noch billige Baugrundstücke erwerben kann. Und darin scheint Wagner durch Weißlers Vermittlung Erfolg gehabt zu haben. Er wollte zwei Residenzen in unmittelbarer Nähe der Hauptstadt errichten.“

„Residenzen?“ fragte Monika ungläubig nach. „Sie meinen doch nicht etwa Paläste für Würdenträger und dergleichen.“

Rollinger gab einen Lachlaut von sich. „Nein, Frau Mink, in Luxemburg versteht man unter dem Begriff Residenz eine Wohnanlage der gehobenen Klasse für mehrere Mieter oder Eigentümer. Luxuswohneinheiten eben, die im Block errichtet werden.“

„Haben Sie bereits die Namen der Deutschen auf der Telefonliste an die deutschen Kollegen weitergeleitet?“ erkundigte sich Steiner.

„Klar doch, aber von der Seite ist noch nichts gekommen.“

„Wenn Sie erlauben“, bot sich Steiner an, „lasse ich diese Leute über mein Kommissariat prüfen. Das geht garantiert fixer. Aber Sie erwähnten auch noch Wagners Brieftasche in der Art, als ließen sich daraus Schlussfolgerungen ableiten.“

„Ja, und zwar im Zusammenhang mit seinen ebenfalls von mir angesprochenen Reisetätigkeiten in der letzten Woche“, sprach Rollinger. „Der Mann muss nach unseren Erkenntnissen seit seiner Ankunft hier in Wellscheid nochmals so an die 800 bis 1.000 Kilometer mit seinem Wagen zurückgelegt haben. Das errechneten wir anhand seiner Tankquittungen. Wir konnten auch ungefähr rekonstruieren, wo er überall hingefahren ist.“

Wohl um der Bedeutung seines Wissensvorsprungs den richtigen Anstrich zu verpassen, schwieg der Commissaire erst einmal, und Steiner tat ihm den Gefallen, ihn um eine Fortsetzung zu bitten. „Und wo ist er überall gewesen?“

„Er ist jeweils am Montag und am Dienstag in den Süden des Landes gefahren. Hierbei hat er sowohl Frau Germaine Schiffer in Kehlen wie auch Herrn Norbert Klein in Schrassig aufgesucht. Das sind die beiden Eigentümer jener Grundstücke, auf die er Optionen genommen hatte. Dann soll er am Mittwoch die Architektin Altiari in Eupen, den Herr Lebrun in Lüttich und den Herr Grootman in Antwerpen besucht haben. Am Donnerstagabend war er dann noch einmal in St. Vith - das ist ein Ort gleich hier über der nördlichen ...“

 

„Ich weiß, wo St. Vith liegt“, unterbrach Harald ihn.

„Also dort hat er zu Abend gegessen, wie es eine Restaurantrechnung belegt.“

Rollinger legte die Tankquittungen und einige sonstige Belege, darunter auch die von dem Essen in St. Vith, auf den Tisch, und Steiner nahm sie in Augenschein.

„Sehr interessant“, urteilte er. „Ist auch bekannt, was er mit den Leuten, mit denen er auf diesen Fahrten zusammenkam, besprochen hat?“

„Was Madame Schiffer und Monsieur Klein angeht, sind wir recht gut im Bilde. Er soll ihnen in Aussicht gestellt haben, die Optionen noch vor dem 1. September in Kaufverräge umzuwandeln. Was Frau Altiari angeht, wissen wir es nicht, und was Lebrun und Grootman betrifft, scheint es um das von ihnen investierte Geld gegangen sein. Leider hatten unsere belgischen Kollegen nicht weiter nachgefragt, weil wir es ihnen auch nicht weiter ans Herz gedrückt hatten.“

„Gut, das könnten meine Kollegin und ich ja noch nachholen, wenn Ihnen das recht ist.“

„Das ist mir sogar sehr recht, denn wenn ich jetzt den belgischen Kollegen bis ins Detail nahebringen muss, was sie zu fragen haben, wird das unnötig viel Zeit in Anspruch nehmen“, stimmte Rollinger Haralds Vorschlag zu.

„Mit wem hat Wagner denn in St. Vith diniert?“ fragte Steiner.

„Wie meinen Sie das?“ erwiderte der Commissaire verdattert.

„Nun ja, wenn Herr Wagner alles selber gegessen und getrunken haben soll, was auf der Rechnung des Hotels Schiltz aufgeführt worden ist, muss er aber ein echter Vielfraß gewesen sein. Alle Speisen sind darauf doppelt aufgeführt.“

Rollinger griff nach der Rechnung und besah sie sich genau.

„Verdammt, das hätte Kaiser doch sehen müssen“, schimpfte er und erläuterte: „Henri Kaiser ist mein Assistent. Der hat den Inhalt von Wagners Brieftasche geprüft. Aber Sie haben Recht, in St. Vith hat Herr Wagner wohl nicht allein getafelt.“

Als wäre Monika nicht anwesend, gab Steiner mal wieder eine seiner eigentümlichen Ansichten zum Besten. „Machen Sie sich nichts daraus. Ich traue meinen Mitarbeitern ganz allgemein nicht zu, wichtige Beweise sichern und auswerten zu können, und habe es mir daher angewöhnt, alle solche Dinge selber zu regeln oder zumindest den Assistenten noch einmal über die Schultern zu schauen.“

Monika fand diese Bemerkung wirklich demütigend, wollte ihrem Chef aber nicht den Triumph gönnen, irgendeine Form des Schmollens an den Tag zu legen. Sie bevorzugte es, durch eine Zwischenfrage von Haralds „dämlicher“ Einlage abzulenken.

„Könnte jemand versucht haben, Wagner an der Durchführung seines Projekts zu hindern?“

Das war mal wieder so eine Interpellation, die Steiner eigentlich nicht duldete.

Rollinger antwortete: „Möglich ist das, jedoch ist es noch zu früh dafür, diese Annahme als gegeben zu betrachten.“

Steiner zog die Moderation nun echt an sich. „Um Vermutungen anzustellen, ist es nie zu früh. Aber vorher will ich noch wissen, was die belgischen Behörden von den anderen belgischen Teilnehmern auf Wagners Zettel erfahren haben.“

„Die auf der Liste aufgeführten Mitglieder des Immobilienkartells haben alle bestritten, überhaupt jemals etwas mit einem Alfons Wagner zu tun gehabt zu haben oder ihn auch nur vom Hörensagen zu kennen. Dasselbe gilt für diese Myriam Berlotti, die Architektin aus Brüssel, wie ich schon sagte.“

„Haben Sie auch schon mit Wagners nächsten Verwandten Kontakt aufgenommen?“ wollte der Hauptkommissar wissen.

„Gewiss. Offenbar ist Herr Wagner schon vor zehn Jahren von seiner Frau Karla geschieden worden. Ich hielt es nicht für opportun, sie einem Interview zu unterziehen, nachdem mir Frau Gerlinde Schneider, Wagners Sekretärin in Augsburg, mitteilte, Frau Wagner habe auch schon vor der Scheidung keinen Einfluss auf und keine Einsichten in die Geschäfte ihres Mannes gehabt.

Ich habe dann auch mit Wagners Sohn Jürgen gesprochen, der offensichtlich im Unternehmen seines Vaters so etwas wie der stellvertretende Geschäftsführer ist. Er bestätigte mir, dass der Umsatz der Firma seit Jahren rückläufig ist. Vor fünf Jahren habe man noch 140 Arbeiter und Angestellte beschäftigt, momentan sind es noch gerade über 30. Er wusste auch, dass sein Vater seit etwa einem Jahr daran werkelt, etwas in Luxemburg auf die Beine zu stellen, aber beteuerte, inhaltlich so gut wie gar nichts darüber zu wissen.“

„Machten Jürgen Wagner und Frau Schneider einen niedergeschlagenen Eindruck auf die Nachricht vom tragischen Versterben des Herrn Alfons Wagner?“ fragte die Mink.

Gute Frage, dachte Harald widerwillig.

„Jürgen Wagner auf jeden Fall. Seine Position zu dem Vornehmen seines Vaters hier im Lande war aber deutlich ablehnend. Bei der Frau Schneider war ich mir da nicht ganz so sicher. Sie machte eher einen sachlichen Eindruck auf mich und redete nicht mehr, als nötig war.“

Steiner begann zu philosophieren. „Da haben wir also eine höchst interessante Konstellation. Wagners Betrieb in Augsburg geht allmählich den Bach runter, und er will sich ein neues Standbein hier in Luxemburg aufbauen, das mit dem Bau von Eigentumswohnungen starten soll. Dieses Projekt will oder kann er nicht allein finanzieren, weshalb er Investoren mit ins Boot nehmen will oder muss. Da fragt man sich doch, was er mit Leuten wie Jasper und den Kartellburschen am Hut hatte. Wollte er die erpressen, oder wollte er sie unbeleckt als Investoren gewinnen? Und dann scheint ja sein Sohn wenig davon zu halten, was sein Vater hier trieb.“

„Ich glaube nicht, dass Leute, die selber Bauprojekte umsetzen, schwer daran interessiert sind, sich als Juniorpartner an einem Bauprojekt eines Newcomers zu beteiligen“, meinte der Commissaire. „Herr Weißler sagte mir, die Firma, die Wagner ins Leben rufen wollte, sei ein Projektmotor. Das entspricht in etwa dem, was man bei Ihnen in Deutschland einen Bauträger nennt.“

„Verstehe“, äußerte sich Harald. „Die Kisten, die er bauen wollte, sollten schlüsselfertig an ihre späteren Eigentümer übergeben werden. Er sollte für Konzept und Ausführung sorgen, und die Interessenten zahlen scheibchenweise nach Baufortgang. Im Prinzip braucht man für eine solche Idee nicht so enorm viel Grundkapital.“

„Vorausgesetzt, man hat bereits genug Interessenten“, äußerte sich Monika.

Hierzu wusste Rollinger noch etwas beizutragen. „Jos Weißler hat eine Ahnung, welche Art von Bauvorhaben Wagner in Angriff nehmen wollte. Er meinte, es ginge um zirka 90 Wohneinheiten auf zwei Gebäudekomplexe verteilt. Und tatsächlich liegen die Grundstücke der Frau Schiffer und des Herrn Klein nebeneinander. Wie ich schon sagte, solche Wohnflächen sind begehrt, teuer und rar, was aber nicht heißen soll, dass ein Promotor schon gleich bei der Vorlage eines Bauplans auf Anhieb alle Einheiten verkauft.“

„Zwei Blöcke mit 90 Wohneinheiten“, grübelte der KHK. „Das kann nicht ganz billig sein. Außerdem besagt der Umstand, dass er sein Vorkaufsrecht auf die Grundstücke nicht in einen fixen Kaufvertrag umgesetzt hat, dass er sich seiner Sache von der finanziellen Seite doch noch nicht so sicher war.“

„Anscheinend wohl“, widersprach der Commissaire. „Laut Frau Schiffer und Herrn Klein wären diese Optionen im September ausgelaufen und ab dann auch nicht mehr gültig. Wie ich schon erwähnte, bei seinem Besuch voriger Woche bei beiden hat Herr Wagner ihnen aber zugesichert, die Chose noch im Laufe der nächsten vier Wochen unter Dach und Fach zu bringen. Es seien lediglich noch einige Formalitäten zu regeln.“

„Was nichts heißen muss“, stellte Harald dieses in Frage. „Erfinder und Planer spinnen sich manchmal ihre eigenen Welten zusammen. Wie viel sollte er denn für die Grundstücke hinblättern?“

„Bei Frau Schiffer 240.000 Euro und bei Herrn Klein 310.000 Euro. Im wahrsten Sinne des Wortes das reinste Schnäppchen, wenn man die Lage und die Größe der Areale berücksichtigt.“

„Und was könnte die Errichtung der beiden Gebäude kosten?“ hakte Steiner nach.

Rollinger zuckte mit den Achseln. „Da bin ich überfragt.“

„Nun gut, was werden Sie und was werden wir in dieser Angelegenheit als Nächstes unternehmen?“

„Besonders viel kann ich im Augenblick nicht unternehmen. Ich habe auch noch den Fall der unbekannten Toten. Die Brandleiche, von der ich gestern sprach“, antwortete der Commissaire.

Wieder einmal mischte sich Monika ein. „Was für eine Brandleiche?“

Harald sah sie verärgert von der Seite an. Wäre Rollinger nicht anwesend, hätte sie jetzt einen saftigen Rüffel von ihm kassiert. Diese Brandleiche ging die deutschen Beamten nichts an. Trotzdem ließ sich Rollinger über diesen Fall aus.

„Am Sonntagmorgen fanden Spaziergänger auf dem Gelände eines Steinbruchs bei Echternach eine verbrannte Frauenleiche. Wie sich herausstellte, hatte man sie mit zwei Schüssen niedergestreckt, allerdings nicht in diesem Steinbruch. Man hatte sie also dorthin transportiert, mit Benzin übergossen und angezündet. Die Identität des Opfers ist uns gänzlich unbekannt, weil auch nichts gefunden wurde, was sie ausweisen könnte. Was wir wohl inzwischen wissen, ist, dass am Samstagabend gegen 20 Uhr an der Stelle noch keine Leiche gelegen hatte. Jetzt sind wir natürlich auf der Suche nach vermissten Frauen in Luxemburg und in den Nachbarstaaten.

Ich persönlich glaube aber nicht, dass wir im Ausland suchen müssen, denn in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag hatten an allen Grenzen umfangreiche Verkehrskontrollen stattgefunden. Zwar lag dabei das Hauptaugenmerk auf Drogen, Alkoholmissbrauch und Autodiebstahl, aber die Kofferräume sind in jedem Fall bei allen Kontrollierten in Augenschein genommen worden.“

„Und es sind sicher auch alle Autos angehalten worden, und auf jedem kleinen Feldweg stand eine Kontrolle“, sagte Harald spöttisch, wohl wissend, dass das bestimmt nicht der Fall gewesen sein konnte.

Rollinger sah ihn leicht erbost an. „Natürlich nicht. Aber wer rechnet denn schon mit solchen unangekündigten Unternehmungen der Polizei?“

„Lassen wir das“, winkte Steiner beschwichtigend ab. „Die Sache geht uns nichts an. Also, was schlagen Sie als nächste Schritte vor?“

„Ich denke, Sie haben da bereits etwas sehr Wichtiges ins Auge gefasst, als Sie sagten, Sie wollen sich mal mit der Frau Altiari näher unterhalten. Da Sie auf der Fahrt nach Eupen sehr wahrscheinlich auch durch St. Vith kommen werden, können Sie ja auch noch so nebenbei im Hotel Schiltz einkehren und sich dort über Herrn Wagners Diner vom vergangen Donnerstag erkundigen. Und, wie gesagt, können Sie vielleicht in Sachen der Deutschen auf Wagners Liste intervenieren.“

„Ja, so sehe ich das auch“, schloss sich Harald diesem Vorschlag an.

Man vereinbarte, sich am nächsten Abend wieder hier zu treffen und sich gegebenenfalls telefonisch über neue Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. Rollinger ließ Kopien der Belege aus Wagners Brieftasche da und verabschiedete sich.

Als der Luxemburger weggefahren war, sagte Harald zu Monika: „Manchmal hätte ich echt Lust, Ihnen eine Ohrfeige zu verpassen.“

Sie grinste ihn mit ihrem umwerfenden Von-Ohr-zu-Ohr-Lächeln an und entgegnete: „Darf ich das dann auch in meinem Bericht für Herrn Strasser vermerken?“

Er schüttelte verständnislos seinen Kopf. „Tun Sie nicht so, als hätten Sie nicht kapiert, was ich gemeint habe. Über Fälle zu reden, die uns nichts angehen, ist nicht unsere Sache. Wichtige Fragen stelle nur ich. Wenn Sie sich einbringen wollen, müssen Sie mir das erst zur Kenntnis bringen.“

„Das ist aber kein Teamwork“, protestierte die Mink.

„Nein, das ist kein ‚Tiemwörk’, weil wir keine chaotische 68er-Kommune sind, sondern ich Ihr Chef bin und Sie meine Untergebene sind.“

„Sie sind echt in manchen Dingen äußerst altmodisch, Chef“, murmelte sie. „Ich geh jedenfalls jetzt zu Bett, wenn Sie gestatten.“

„Und ob ich Ihnen das gestatte“, brummte Steiner, ging hinter die Küchentheke, förderte eine Flasche Napoléon und ein Cognacglas zu Tage und begab sich damit auf die Terrasse.

Im Liegestuhl sitzend und immer wieder am Cognacschwenker nippend, ließ er sich noch einmal alles, was an diesem Abend besprochen worden war, und alles, was seit Freitagabend geschehen war, durch den Kopf gehen.

 

Irgendwie hatte er den Eindruck, Wagner könnte sich mit seinem Residenzenprojekt gewaltig übernommen haben. Rollinger hatte zwar die beiden Geschäftsleute aus Lüttich und Antwerpen „Investoren“ genannt, aber war es denn auch sicher, dass diese Herren schon Geld investiert hatten? Warum hatte Wagner seine Optionen immer noch nicht in fertige Kaufverträge umgesetzt? Was waren das nur für seltsame Spielchen mit den Kartellheinis und mit Jasper? Warum war Jürgen Wagner nicht von Papas Vorhaben begeistert? Welches Interesse konnte Wagners Mörder an seinen Akten haben, sie verschwinden zu lassen? Es waren doch gewiss überwiegend Akten, die mit seinen hiesigen Planungen zu tun hatten.

Nach anderthalb Stunden beschloss er, sich ebenfalls zur Ruhe zu begeben. Als er das Chalet betrat, stellte er fest, dass das Licht auf ein Minimum gedimmt war, Monika bereits auf der äußersten hinteren rechten Doppelbetthälfte im tiefsten Schlummer lag und sie vor dem Zubettgehen die Matratze und die Bettwäsche von der hinteren Veranda hereingetragen und auf dem Boden links vom Bett für ihn präpariert hatte, was ihn ein wenig beschämte. Sie war doch eigentlich recht fürsorglich ihm gegenüber, wenn man bedachte, wie schäbig er sie manchmal behandelt hatte.

Er schlich vorsichtig am Bett vorbei zum Kleiderschrank, angelte sich einen frischen Pyjama daraus und begab sich ins Badezimmer. Nach einer raschen Körperpflege und dem Umziehen machte er das Licht aus und tastete sich zu seiner Schlafgelegenheit vor.

Auf der Matratze, unter Decken und Laken liegend, konnte er zunächst nicht einschlafen. Die Matratze war nicht so dick, die Härte des Bodens gänzlich zu dämpfen. Aber irgendwann gelang es ihm dann doch einzunicken.

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