Intrigante Baumeister, hinterlistige Bräute - Ein Fall für Harald Steiner

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Korthals teilte Charliers Ansicht zum Verlauf der Dinge. „Liegen einmal unsere Alibis vor, können die doch gar nichts gegen uns ausrichten.“

Wenn Blicke töten könnten, hätte sich Korthals unter denen Noels jetzt in nichts aufgelöst.

„Wie naiv muss man sein?! Ich sollte mich am Dienstag mit Weißler treffen. Ich weiß schon, warum ich den Termin abgesagt habe. Und überhaupt, wie sicher können wir denn sein, dass keiner aus unseren Reihen hinter diesen Morden steckt?“

„Wie meinst du das?“ fragte Charlier aufgescheucht nach.

„Na, du bist der Richtige, das zu fragen. Du bist doch besser mit den Problemen De Wittes und der Gaston-Brüder vertraut. De Witte steuert auf einen astreinen Bankrott zu, den Gaston-Brüdern sitzt die Spezialinspektion der Steuerverwaltung im Nacken. In solchen Situationen kann man mal leicht auf den Gedanken kommen, sich auf alternative Weise sanieren zu wollen.“

Korthals war heilfroh, dass Alain ihn nicht ansah, während er das sagte. Sein Bauunternehmen verkehrte zwar nicht in finanziellen Nöten, aber auch er hatte hinter dem Rücken des großen Chefs sein eigenes Süppchen gekocht.

Charlier entgegnete auf Noels Vorhaltungen: „Wenn De Witte beinahe pleite ist und die Gastons unter die Räder des Finanzamtes zu geraten drohen, werden sie doch wohl kaum in der Lage sein, das Wagnerprojekt zu übernehmen. Was ich über deren Probleme weiß, besagt, dass sie sich vielleicht noch gerade so wieder fangen werden.“

Noel schnaufte nervös. „Mir gegenüber musst du die Wahrheit sagen, denn es geht ums Ganze. Notfalls müssen wir diese Typen abschießen, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.“

„Mord?!“ rief Luc Korthals erschrocken aus.

Derweil versuchte der Anwalt den Kartellchef zu beschwichtigen: „Was die Gastons angeht, glaube ich nicht, dass die Finanzinspektion besonders erfolgreich sein wird. Cornelis De Witte steht in der Tat mit einem Bein bis zum Hals in der Scheiße. Er sagte mir, er traue sich nicht, dich um Hilfe zu bitten.“

„Warum nicht?“ fragte Noel.

„Na, eben deswegen, weil du ihn vielleicht abschießen könntest.“

„Physische Gewalt war noch nie unsere Methode. Aber es gibt einen Punkt, wo ...“

„Belassen wir es dabei, Alain. Sag uns lieber, wie es weitergehen soll“, sagte Charlier.

„Dabei belassen werde ich es nicht, Herrschaften. Wer unser System untergräbt oder torpediert, muss ausgeschaltet werden. Wenn Wagner und Kranz in so kurzer Zeit hintereinander umgebracht worden sind, dann doch wohl nur wegen des Bauvorhabens. Woher da der Wind weht, ist mir noch schleierhaft. Sollte er aber aus unseren Reihen her wehen, muss tabula rasa gemacht werden.“

„Wie stellst du dir das vor, Alain?“ wollte Luc wissen und musste sich schwer selber dabei im Zaum halten, nicht am ganzen Leibe zu zittern.

„Kommt drauf an“, antwortete Noel. „Ehe ich mich überhaupt noch in diese Sache hineinhänge, will ich Klarheit haben. Deshalb habe ich für heute Nachmittag Zubergen hierher bestellt.“

„Zubergen, diesen kleinen Denunzianten?“ hakte Charlier ungläubig nach.

„Warum denn nicht?“ erwiderte Noel. „Zubergen haben wir unser Wissen über das Wagnerprojekt zu verdanken. Wagner und Kranz wollten ihn mir unterjubeln, um uns zur Teilhabe an ihrem Projekt zu erpressen, und ich habe ihn umgedreht.“

„Was soll der Kerl deiner Meinung nach tun?“ erkundigte sich Korthals verunsichert.

Der Kartellchef lächelte. Es war ein gemeingefährliches Lächeln, wussten die beiden anderen aus Erfahrung.

„Dieser Zubergen soll herausfinden, wer der Mörder Wagners und Kranz’ ist, bevor die Bullerei es herausfindet. Er soll mir die Beweise der Täterschaft und deren Hintergründe liefern. Es gibt mehrere Varianten. Wagner und Kranz wurden wegen einer ganz anderen Sache umgelegt als des Projektes wegen. Dann brauchen wir nichts mehr zu scheuen und hängen uns wieder voll in die Sache. Die zweite Variante wäre, sie sind wegen des Projekts umgelegt worden, aber keiner aus unseren Reihen hatte seine Hand im Spiel. Ließe sich das belegen, können wir ebenfalls in die Sache einsteigen. Die dritte Variante wäre, es hätte doch einer aus unseren Reihen die Hand im Spiel gehabt. Dann müssen wir uns wahrscheinlich nicht nur dieses Vorhabens fernhalten, sondern zudem auch noch uns dieses Abtrünnigen entledigen.“

„Wieso entledigen?“ fragte Korthals.

Die Antwort gab Charlier an Stelle Noels. „Gerät einer von uns ins Schwimmen, wird der uns alle mit in den Abgrund reißen.“ Er wandte sich wieder direkt dem Kartellchef zu. „Allerdings ist doch jedem von uns, der genauer über das Gespann Wagner-Kranz Bescheid weiß, klar, wie unwichtig die Kranz in dem Spiel gewesen wäre, wenn Wagner aus dem Rennen war. Man müsste doch selten dämlich sein, wenn man mit diesem Wissen trotzdem beide aus dem Verkehr zieht. Ich glaube, das ist doch schon sehr deutlich bei unserer letzten Versammlung so gesagt worden, oder nicht?“

„Ich traue dem Braten trotzdem nicht, und darum habe ich Zubergen herbestellt.“

Rollingers Unterfangen, mit Jos Weißler Tacheles zu reden, erwies sich nicht als machbar, wie ihm dessen Sekretärin mitteilte. Herr Weißler befinde sich bis zum Freitagabend auf einem Fachkongress in Paris. Ob Herr Weißler denn am Samstag disponibel sei, erkundigte sich der Commissaire. Das konnte die Angestellte nicht mit Sicherheit sagen. Herr Weißler werde wahrscheinlich wie üblich den Samstag für Kundenbesuche nutzen. Eventuell könnte er am Sonntag zuhause sein, ansonsten müsse sich der Herr Kommissar bis zum Montag gedulden.

Etwas hoffnungsvoller fielen die ersten Reaktionen auf die am Morgen in der Tagespresse erschienene Bitte an die Bevölkerung um Angaben zu Manuela Kranz aus. Die war sehr häufig von Leuten im Süden der Hauptstadt gesehen worden, in einem Viertel, in dem eigentlich überwiegend Unternehmen angesiedelt waren, aber wo es auch einige Plattenbauten gab, die von eher Sozialschwachen bewohnt wurden.

Die Erstellung des Bewegungsprofils des Handys, das die Kranz benutzt hatte, deutete in dieselbe Richtung. Einige Hinweise aus der Bevölkerung waren sogar so konkret, dass man die Suche auf acht Häuserblocks beschränken konnte. Und dennoch sollte alles das an diesem Tag noch nicht zu einem greifbaren Resultat führen.

Das Handy selber war seit Samstagabend nicht mehr ans Netz gegangen. Seine letzte Position konnte in oder bei der Stadt Clervaux geortet werden, und zwar ziemlich genau um 20 Uhr jenes Tages.

Der Anruf, der Steiner am Morgen auf seinem Handy erreicht hatte, kam von Hans Schiltz. Der erklärte dem KHK, in dem Zimmer, in dem Frau Kranz drei Nächte verbracht hatte, habe eine der Angestellten etwas Seltsames gefunden, was mit großer Wahrscheinlichkeit da noch nicht deponiert gewesen war, bevor die Kranz dort eingezogen war. Es war auch ausgeschlossen, so der Hotelier, dass der Gast, der nach ihr das Zimmer bezogen hatte, dieses seltsame Objekt mitgebracht und dort vergessen haben könnte, da Schiltz ihn deswegen noch nachträglich telefonisch kontaktiert hatte.

Steiner hatte daraufhin beschlossen, zusammen mit der Mink nach St. Vith zu fahren, um sich das für Schiltz undefinierbare Ding näher anzusehen.

Monika hatte sich diesmal ein kurzes weißes Sommerkleid angezogen, das zumindest bis zehn Zentimeter an ihre Knie heranreichte, aber aus einem solch dünnen Stoff gearbeitet war, beim richtigen Lichtkontrast ihren weißen Stringtanga durchschimmern zu lassen. Der Stoff im Brustbereich war etwas dichter, konnte aber trotzdem nicht verschleiern, welches Unterteil nicht vorhanden war. Die Freizügigkeit des Dekolletes und die mit einem Schnürverschluss zusammengehaltene Rückenpartie bekräftigten nur den Verdacht, wie wenig Sicht das Textilstück dem Betrachter verbergen sollte. Doch Steiner hatte nicht die Absicht, hierzu seine Bedenken kundzutun. Er hielt solche Kommentare inzwischen für das Reden gegen taube Wände.

Der Hotelbetreiber empfing die beiden Deutschen im Barbereich und bat beide, sich mit ihm an einen der Fenstertische zu setzen, wo er bereits auf einem der Stühle eine Plastiktüte mit darin dem seltsamen Etwas deponiert hatte.

„Wie ich schon am Telefon sagte, ich habe keine Ahnung, wozu dieses Ding zu gebrauchen ist. Es scheint etwas Elektronisches zu sein, aber ich kenne kein übliches Gerät, wozu es gehören könnte. Nur die Angestellte, die es entdeckt hat, hat es mit ihren Fingern auch angefasst. Als sie mich hinzugerufen hatte, habe ich eine Serviette benutzt, um es in diese Tüte zu tun. Das Gerät war unter einem Schrank mit niedrigen Pfoten verborgen.“

Harald griff nach einer auf dem Tisch liegenden Stoffserviette, zog das Objekt aus der Tüte und legte es behutsam auf den Tisch.

„Kann mir schon vorstellen, dass Sie nicht wissen, was das ist, denn so etwas benutzen in der Regel nur Leute, die bei der Polizei oder bei Geheimdiensten beschäftigt sind, oder Privatdetektive und Gauner. Das hier ist ein Verstärker für eine Abhöranlage.“

„Sie meinen, jemand hat Frau Kranz in ihrem Zimmer abgehört?“ fragte Schiltz besorgt.

„Das wohl eher nicht“, glaubte Steiner. „Dieser Typ Verstärker wird nicht in der Nähe der Person, die man auskundschaften will, untergebracht, sondern befindet sich dort, wo sich der Lauscher beziehungsweise sein Aufnahmegerät befindet.“

„Oh! Sie meinen, die Frau Kranz hat Gäste unseres Hauses abgehört“, meinte Schiltz, daraus ableiten zu müssen, und machte einen empörten Eindruck.

„Jedenfalls wäre das das Erste, was man hiervon zu halten hat“, sagte Harald. „Der Fundort war also von der Art, dass man nicht auf Anhieb etwas dort Verstecktes gefunden hätte?“

„Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen die Stelle zeigen“, bot der Hotelier an.

 

Beide Männer gingen hinauf in den ersten Stock zu dem Zimmer, das Manuela Kranz bewohnt hatte, während Monika es bevorzugte, im Barroom zu bleiben und sich eine Tasse Kakao zu bestellen. Unter einen Schrank auf niedrigen Pfoten zu schauen, hielt sie für wenig ergiebig. Dazu brauchte Steiner ihre Hilfe nicht.

Kaum hatte der Hauptkommissar das Möbelstück gesehen, erachtete er das für bestätigt, was er bereits aus den Schilderungen des Hoteliers geschlussfolgert hatte. Zurück am Tisch im Barbereich legte Steiner dar, was er vermutete.

„Sie sagten, die Frau Kranz habe sich dahingehend geäußert, hierhergekommen zu sein, um geschäftliche Dinge zu erledigen, sie sei aber immer nur für sehr kurze Zeit außer Hause gewesen und habe hier außer Herrn Wagner niemals jemanden empfangen.“

„Ganz recht“, bestätigte Schiltz.

„Und Sie sagten gestern, die Frau Kranz habe sich am Donnerstagmorgen atypisch für einen Frühstücksgast verhalten, weil sie sich nicht an einen noch freien Fensterplatz gesetzt hatte und sich sogar an dem Platz, den sie dann auswählte, auch noch mit dem Rücken zum Fenster niederließ.“

„Genau.“

„Aber am Mittwochmorgen und am Freitagmorgen, so sagten Sie aus, habe sie wohl einen Platz am Fenster eingenommen.“

„Auch das ist richtig“, bejahte Schiltz.

„Bei ihrer Ankunft“, rekapitulierte Steiner weiter, „hatte sie sich die Konferenzräume des Hotels zeigen lassen.“

„So war es“, stimmte der Hotelier zu. „Ich muss allerdings hierzu der Richtigkeit halber anmerken, dass wir nur zwei solcher Räume haben, nämlich einen für Sitzungen mit bis zu 16 Teilnehmern und einen für Konferenzen bis zu 36 Teilnehmern. Frau Kranz wollte lediglich den kleineren Saal sehen.“

„Den will ich auch sehen“, tat Harald kund, und Schiltz führte ihn in den bewussten Saal im Keller des Hotels.

Von der Fläche her hätte auch dieser „kleinere“ Raum über dreißig Konferenzteilnehmer aufnehmen können, aber die Anordnung der Tische, ein Rednerpult, Tische, die offenbar für kalte Buffets und Getränke entlang einer der Wände standen, ein Projektorapparat und ihm gegenüber eine Leinwand, ein riesiger Flachbildschirm samt einem DVD- und einem Videorekorder, ein Tonbandgerät und eine HiFi-Anlage mit vier Lautsprecherboxen, sowie ein glänzend schwarzer Flügel hätten wahrlich kaum noch mehr Platz für mehr als 16 Leuten geboten.

Schiltz erklärte fast schon entschuldigend: „Wir müssen für alle Arten von Versammlungen gewappnet sein. Von der Geschäftsbesprechung über das Kammerkonzert bis hin zur kommunalpolitischen Veranstaltung muss alles möglich sein. Die Räumlichkeiten stellen wir gegen ein kleines Entgelt zur Verfügung. Mit dem Verzehr machen wir unseren Umsatz.“

Steiner hatte das längst begriffen. Viel interessanter fand er die vielen geeigneten Stellen, an denen man Wanzen unterbringen könnte. Er forderte den Hausherrn auf, wieder mit ihm in die Bar zu gehen.

Dort stellte er dann eine weitere entscheidende Frage. „Hätte Frau Kranz zu jeder nur erdenklichen Tageszeit die Gelegenheit gehabt, in den kleinen Saal zu gelangen, ohne dabei gesehen und ohne daran gehindert zu werden?“

„Wenn nicht gerade eine Konferenz dort stattfindet, wird es niemandem in unserem Hause stören, wenn ein Gast sich dort umsieht.“

„Hat sie sich denn noch einmal dort umgesehen?“ erkundigte sich Steiner.

„Ich weiß es nicht. Ich könnte das Personal fragen“, schlug Schiltz vor.

Harald winkte ab. „Vielleicht später. Hat denn eine Versammlung irgendwann zwischen Dienstag und Freitag letzter Woche in dem bewussten Raum stattgefunden?“

„Ja, in der vergangenen Woche hatten wir Gäste aus dem Inland, die hier am Mittwochvormittag eintrafen, gemeinsam zu Mittag aßen und dann den gesamten Nachmittag in dem kleinen Saal konferierten. Alle Teilnehmer dieser Gruppe hatten Zimmer für die Nacht zum Donnerstag reserviert. Alle Herren haben am Donnerstagmorgen hier gefrühstückt und sind dann im Laufe des Vormittags abgereist.“

„Da kommen wir der Sache ja schon näher“, glaubte Steiner. „Waren die Herren am Donnerstag gleichzeitig wie Frau Kranz im Frühstücksraum zugegen, und wenn ja, wer war eher da? Frau Kranz oder die Herrengesellschaft?“

„Jetzt wo Sie mich das so fragen, erinnere ich mich auch wieder daran, wie außergewöhnlich lange Frau Kranz an dem Morgen frühstückte. Sie kam schon geraume Zeit vor den Herren, und sie ging auch erst, nachdem die Herren ihren Tisch verlassen hatten.“

„Über wie viele Männer reden wir da?“ hakte der KHK nach.

„Es waren acht Männer, von denen jeder ein Einzelzimmer bezogen hatte.“

„War der Frühstückstisch für diese Gäste größer als üblich?“ fragte Steiner.

„Gewiss. Wir haben zwei normale und einen kleinen Tisch aneinanderreihen müssen. Im Regelfall frühstücken maximal bis zu vier Personen an einem Tisch. Aber diese Herren wünschten speziell einen Tisch für alle acht.“ Scharfsinnig nahm Schiltz die Antwort auf Steiners nächste Frage vorweg. „Frau Kranz saß gleich am benachbarten kleinen Tisch mit dem Rücken zu ihnen gewandt. Sie verließ ihren Platz nicht ein einziges Mal, soweit ich das mitbekommen habe, und sie hätte von ihrer Position aus einen Großteil der Unterhaltungen mitverfolgen können.“

„Wie ich höre, haben Sie erkannt, worin meine Überlegungen zu allem, was ich jetzt hinterfragt habe, gipfelt. Ja, Frau Kranz kam hierher, weil sie wusste, dass diese Männer hierherkommen würden und etwas so Wichtiges zu besprechen hatten, dass sie unbedingt den Inhalt in Erfahrung bringen wollte.“

„Und natürlich wollen Sie jetzt wissen, wer diese acht Herren sind”, nahm der Hotelier an.

„Sie haben es erfasst.“

Schiltz bat Monika und Harald, sich einen Moment zu gedulden, und kehrte dann kurze Zeit später mit zwei Seiten Papier zu ihnen zurück. Bei den Blättern handelte es sich um Kopien aus dem Gästebuch.

Steiner schaute kurz auf die Namen der acht Gäste und sagte: „Warum erstaunt mich das nicht mehr? Das sind doch alle sechs die uns bekannten Kartellbrüder und zwei weitere Typen.“

„Kartellbrüder?“ Schiltz schien nicht zu verstehen.

Monika erläuterte: „Man sagte uns, in Belgien ist jeder über die Machenschaften des Brüsseler Immobilienkartells informiert. Ist das doch nicht so?“

Dem Hotelier war jegliche Farbe aus dem Gesicht entwichen. „Das Brüsseler Immobilienkartell? Mein Gott! Hätte ich das gewusst ... Ich hätte denen nie im Leben zu diesem Hause Zugang gewährt. Hoffentlich kommt das nie raus. Das kostet uns unseren guten Ruf und bestimmt auch Kunden.“

Harald wedelte gelassen mit seiner rechten Hand. „Das wird wohl kaum der Fall sein, es sei denn, Sie hätten von sich aus wissen müssen, wer hinter dem Kartell steckt oder wie diese Leute aussehen. Außerdem - Sie werden es kaum glauben - gibt es massig Hirnverbrannte, die Geld dafür springen lassen würden, hinterher prahlen zu können, eine Nacht in dem Bett geschlafen zu haben, in dem ein landesweit berüchtigter Delinquent vor ihm geschlafen hatte. Trotzdem meine Frage: Kannten Sie wirklich nicht die Namen oder Gesichter dieser Clowns schon aus den Medien?“

Fast schon beleidigt entgegnete Schiltz: „Wo denken Sie hin? Übrigens sollten Sie wissen, dass es dieser Bande gelungen ist, gerichtlich verfügen zu lassen, nicht namentlich in den Medien genannt zu werden und dass auch keine Bilder von ihnen gezeigt werden dürfen.“

„Blieben noch zwei Fragen zu klären”, kündigte Steiner an. „Haben Sie mitbekommen, worüber diese Kartellheinis hier konferiert haben, und haben Sie eine Ahnung, wer die beiden Kerle sind, die hier als Félicien Ducroix und Charles Justin aufgeführt sind?“

Nun sah der Befragte schon wieder besser aus. „Was Ducroix betrifft, kann ich Ihnen garantiert weiterhelfen. Er ist Berater des Ministerpräsidenten der Wallonischen Region.“

„Berater des Ministerpräsidenten der Wallonische Region?“ stutzte die Mink.

Harald verstand sofort, warum sie unwissend war. „Das tut jetzt nichts zur Sache, Frau Kollegin. Ich erkläre es Ihnen später auf der Rückfahrt.“ Er sah wieder Schiltz an. „Und dieser Justin?“

„Nein, über den Herrn weiß ich absolut nichts. Was das Sujet für das Treffen dieser Herren war, kann ich nur aus diversen Bruchteilen ihrer Gespräche überliefern, dass es dabei immer um gewaltige Summen gegangen ist. Oft um zweistellige Millionensummen. Es fielen auch gelegentlich die Namen von bekannten Politikern. Ein Zusammenhang war daraus für mich nicht auszumachen. Aber wenn Sie wollen, kann ich mein Personal fragen, ob die mehr gehört haben und Sie dann deswegen noch einmal telefonisch kontaktieren. Bis heute Abend könnte ich alle befragt haben.“

„Das wäre sehr nett von Ihnen“, sagte Harald.

Kaum waren die Kriminaler losgefahren, rief Steiner Rollinger an und berichtete ihm über die neue Sachlage, und auch Rollinger informierte Steiner über seine neuesten Erkenntnisse. Zu diesem Zeitpunkt hegte der Commissaire immer noch die Hoffnung, im Laufe des Nachmittags die genaue Adresse des Unterschlupfs der Kranz’ zu erfahren. Daher schlug er Harald vor, direkt von St. Vith nach Luxemburg ins Präsidium zu kommen.

Während der Fahrt kam Steiner ausgiebig auf den Begriff „Berater des Ministerpräsidenten der Wallonischen Region“ zurück, und Monika staunte über seinen Sachverstand. Die Wallonie sei so etwas wie in Deutschland ein Bundesland à la NRW oder Sachsen, und die sogenannten Berater der jeweiligen Landesminister werden weniger des Beratens als ihres Parteibuchs wegen in ihre Ämter gehievt. Klüngel hoch drei eben. Allerdings, so Steiner weiter, übten solche, zumeist eher unqualifizierten Leute einen gewissen Einfluss auf ihre Dienstherrn aus.

Irgendwo in seinen Erläuterungen zitierte er Charles De Gaulle mit den Worten, „La Belgique est un accident de l’histoire“ (Belgien ist ein Unfall der Geschichte).

„Sieh es einmal so“, erklärte er, „Staatsgebilde, die sich aus mehreren Volksgruppen zusammensetzen, welche überwiegend in ihren jeweiligen Kerngebieten leben, neigen dazu, sich sehr komplizierte Strukturen und Gesetze zu genehmigen. Belgien wäre als Zentralstaat in ein Chaos gestürzt, allerdings ist seine Art, den föderalen Weg zu beschreiten, nicht weniger chaotisch. Wir Deutschen sollten uns aber nicht als Richter über die belgische Lösung aufspielen, denn unsere Bundesländer sind ein Wasserkopf. Es gibt für Deutschland gar keinen Grund mehr, Föderalstaat bleiben zu wollen. In einem zentralistisch geordneten Deutschland würden die Behörden wesentlich effektiver agieren können, und wahrscheinlich würde der Bedarf an Staatsbediensteten und Verwaltungsausgaben um die Hälfte sinken. Entscheidungen würden schneller getroffen, alles liefe glatter.“

„Und warum schaffen unsere Politiker keine Abhilfe?“ interessierte es Monika.

„Tja, mein Liebes, dafür gibt es viele Gründe. Betriebsblindheit ist einer davon, Angst vor dem Gezeter, das man bei unflexiblen Gehirnen, die sich nicht vorstellen können, es gäbe dann das eigene (überflüssige) Bundesland nicht mehr, mit einer solchen Forderung lostreten wird, ist ein anderer. Hinzu gesellt sich der wichtigste aller Gründe. Mit einem abgespeckten Staatsapparat schwimmen zwangsläufig die Pfründe vieler Politiker und Beamter davon. Wer sägt schon freiwillig den goldenen Ast ab, auf dem er sitzt? Interessant auch das Argument der Gegner des Zentralstaats, die einzigen Modelle dieser Art auf deutschem Boden habe es im Dritten Reich und in der DDR gegeben. Der Vergleich hinkt. Man könnte mit derselben Begründung alle Krankenhäuser schließen, denn Krankenhäuser gab es auch in den beiden Diktaturen. Ein Blick über die Grenze in die Niederlande beweist, wie effizient ein Zentralstaat sein kann. Ach, Mink, die Welt ließe sich manchmal besser durch eine aufgeklärte Diktatur ordnen, die dann, wenn alles richtig in seinen Bahnen verläuft, wieder zur Demokratie zurückkehren kann.“

Der fanatische Nichtraucher Alain Noel hätte diesem ekelhaften Typen am liebsten seinen wuchtigen Briefbeschwerer an den Kopf geworfen, als der eine seiner billigen, stinkenden Zigarren anzündete. Überhaupt passte dieser Bursche irgendwie nicht hierher. Noel und der ebenfalls anwesende Charlier trugen Maßanzüge und waren auch ansonsten wie aus dem Ei gepellt. Doch dieser Fiesling sah aus wie der Prototyp des Bösewichts, der gerade mal eben aus einem dunklen Loch in einem Hafenviertel hervorgekrochen war, um ein monatliches Schutzgeld im Auftrag eines Paten abzukassieren.

Die schwarze Lederjacke allein hätte diesen Eindruck nicht bewirken können. Eher schon waren es die alten Schnittwunden in seinem Gesicht, die ihn als das erscheinen ließen, was er im Grunde auch war; ein Mann ohne allzu viele Skrupel. Und dann diese fiese Zigarre, die er sich, ohne zu fragen, ob er hier überhaupt rauchen durfte, angezündet hatte.

 

Aber Noel blieb äußerlich sachlich, neutral und sogar freundlich, obwohl er innerlich dem Explodieren nahe war. Er rief sogar seine Sekretärin im Nebenraum an und bat sie, umgehend einen Aschenbecher herbeizuschaffen. Der landete auch innerhalb weniger Sekunden vor Zubergen auf Noels Schreibtisch.

„Haben Sie bereits gehört, was Alfons Wagner zugestoßen ist?“ fragte der Kartellboss mit sonorer Stimme.

„Nicht nur ihm. Der Kranz offenbar auch“, antwortete Albert Zubergen im Konversationsstil. „Haben Sie etwas damit zu tun?“

Noel sah ihn an, als hätte sich der Besucher soeben als Ketzer geoutet. „Sind Sie noch recht bei Trost? Selbstverständlich habe ich, haben wir nichts mit diesen Morden zu tun.“

Der Detektiv zeigte sich von seiner raffinierten Seite. „Warum fragen Sie mich denn danach?“

„Weil man uns da in einen Strudel mit hineinziehen will“, erwiderte Noel.

„Wenn Sie doch nichts damit zu tun haben, kann man Sie ja auch nicht da mit hineinziehen, oder?“

„Sie wissen haargenau, worum es geht“, schaltete sich der Anwalt ein. „Sie haben für Wagner gearbeitet und Geld von ihm bekommen, dann haben Sie uns verraten, was Wagner von uns wollte, wofür Sie wiederum von uns Geld bekamen, und nun haben wir eine unvorhergesehene Situation, die Sie uns eingebrockt haben.“

Albert lächelte spöttisch. „Sie meinen also, ich habe mal Wagner, mal Sie reingelegt, und jetzt wollen Sie Ihr Geld zurück haben? Ehe Sie hierauf antworten, sage ich Ihnen gleich, dass Sie Ihre Ware für Ihr Geld von mir bekommen haben. Eingebrockt habe ich Ihnen schon mal gar nichts. Alles andere geht mich nichts an.“ Dabei ahnte er, dass sie ihn jetzt noch mehr brauchten als je zuvor. Er konnte regelrecht ihren überhöhten Adrenalinspiegel wittern, ihre Angst, ihre Verzweiflung.

Alain Noel ging seiner Strategie auf den Leim. „Aber beruhigen Sie sich doch erst einmal wieder, lieber Herr Zubergen.“ Dabei wäre es für Noel besser gewesen, er würde sich selber wieder beruhigen. „Es geht um einen neuen Auftrag für Sie. Diesmal ist die Angelegenheit allerdings eine Spur delikater als das letzte Mal.“

Der Privatermittler streifte die Asche seiner Zigarre am inneren Aschenbecherrand ab, wobei dennoch etwas davon auf der Tischplatte landete, was ihn nicht bekümmerte, Noel aber umso mehr verärgerte. Doch Noel war sich sicher, Zubergen nötig zu haben, was ihn dazu zwang, die Prioritäten anders zu setzen, als er es gewohnt war.

Zubergen wusste instinktiv, auf was Noel hinaus wollte. „Man will Ihnen an den Kragen, und Sie erwarten von mir, das zu verhindern.“

„So könnte man es zusammenfassen“, bestätigte Charlier. „Allerdings ist, wie Herr Noel schon sagte, die Chose dieses Mal nicht so simpel wie beim letzten Mal. Da hatten Sie die Informationen ja schon zur Hand, ehe wir sie Ihnen abkauften.“

„Ich hatte wohl kaum eine andere Wahl.“

„Ach, lassen wir dieses Geschwätz“, sagte Noel laut und unruhig. „Ich will, dass Sie herausfinden, wer Wagner und Kranz umgebracht hat.“

Der Umstand, dass der Kartellchef in der Ichform redete, zeigte Charlier an, wie wenig er sich momentan unter Kontrolle hatte, weshalb er noch einmal das Wort ergriff.

„Es ist uns natürlich klar, in welcher nachteiligen Ausgangslage Sie gegenüber den polizeilichen Ermittlern verkehren, wenn Sie sich dieser Aufgabe jetzt annehmen. Allerdings geht es Herrn Noel und mir nicht um die umfassenste aller umfassensten Aufklärungen, sondern um die lückenloseste Abwehr jeglicher an unsere Adresse gerichtete Anschuldigung, irgendwie an den Versterben von Herrn Wagner und Frau Kranz beteiligt gewesen zu sein.“

„Meine Herrn“, begann Zubergen mit einem breiten Lächeln zu referieren, „die Polizeibehörden, die sich eines Mehrfachmordes annehmen, arbeiten mit Dutzenden Beamten und Experten aller Art an einem solchen Fall. Ich arbeite generell solo. Die Polizei kann auf unbeschränkte finanzielle Mittel zurückgreifen, wenn sie das vertreten kann. Meine Mittel sind beschränkt, egal was ich vertreten kann. Die Polizei kann alle und jeden befragen. Ich hingegen muss mir alle Informationen erschleichen ...“

„Das ist es nicht“, regte sich Alain Noel auf. „An uns kann nur herangetreten werden, wenn wir auch wirklich etwas mit der Angelegenheit zu tun haben. Leider habe ich den Eindruck, dass einige unserer Geschäftspartner durchaus einen Grund haben könnten, sich Wagners Projekt aneignen zu wollen. Wenn das der Fall sein sollte, bekommt die Sache einen Rattenschwanz, sobald eine solche Person auffliegen sollte.“

„Das ist ja schon mal etwas Konkretes“, sagte Zubergen.

„So konkret nun auch wieder nicht“, widersprach Noel. „Drei unserer Partner verkehren in, nennen wir es mal, finanziell beengten Lagen. Diese drei wissen seit genau einer Woche, dass ich vorhatte, Wagner die Grundstücke abzuluchsen und somit das Bauvorhaben an mich zu reißen. Nun besteht durchaus die Möglichkeit, dass einer, zwei der drei oder gleich alle drei in ihrer Not auf den Gedanken gekommen sein könnten, mir zuvorzukommen. Die beste Methode für sie wäre gewesen, Wagner und seine Schnepfe definitiv auszuschalten.“

„Welchen Vorteil hätten diese Herren davon?“

„Wagner weg, Kranz weg, Grundstücke wieder frei verkäuflich, Projekt vorhanden und ich und meine anderen Partner gewiss nicht mehr belustigt, in die Chose einzusteigen“, erläuterte der Kartellboss. „Sie kennen ja unseren leider sehr angeschlagenen Ruf in der Öffentlichkeit. Käme da noch der Mordverdacht hinzu ...“

„Na, wenn es eh einer der drei anderen gewesen ist, kann Ihnen trotzdem nichts blühen“, meinte der Detektiv.

„Juristisch gesehen natürlich nicht, Herr Zubergen. Aber versetzen Sie sich in die Lage eines dieser Herren, wenn er tatsächlich die Morde begangen hat und überführt wird“, stellte Charlier klar. „Es würde nicht lange dauern, bis eine solche Person über das Ausplaudern von Betriebsgeheimnissen unserer Gruppe Strafmilderung erwirken will.“

„Das leuchtet mir schon eher ein“, gab Zubergen zu. „Ich soll also herausfinden, ob einer oder mehrere dieser drei Herrn an den Morden beteiligt gewesen sind.“

„Sie haben es erfasst“, erwiderte der Anwalt.

Noel reichte diese Umschreibung des Auftrags für den Privatschnüffler nicht. „Damit wäre es nicht getan, denn das Wissen um die Täterschaft allein genügt mir nicht. Sollte es sich so ergeben, wie Herr Charlier und ich es im schlimmsten Fall befürchten, muss der Täter oder müssen die Täter, wenn sie denn unserer Gruppe angehören, zum Schweigen gebracht werden.“

Albert zog die Augenbrauen hoch und legte seine Zigarre in den Ascher. Nach einigen tiefen Atemzügen sagte er: „Meine Herrn, ich bin Privatdetektiv und gebe Ihnen gegenüber gerne zu, dass ich nicht immer sehr konventionell zu Werke gehe. Ein Auftragsmörder bin ich indes nicht.“

„Von Mord war auch nicht die Rede“, sprach Charlier besänftigend.

Noel pflichtete ihm bei. „Das wäre das allerletzte Mittel, nach dem wir greifen würden. Wir dachten, Ihnen würde in einem solchen Fall schon etwas Adäquates einfallen. Aber im äußersten Fall sollte eine radikale Endlösung nicht ausgeschlossen werden. Und noch etwas sollte Ihr Auftrag beinhalten. Es müssen ja nicht unbedingt die drei von mir gemeinten Herrn sein, die hier die Finger im Spiel haben. Es wäre ja noch besser, wir, das heißt Sie, können der Polizei den wirklichen Mörder anweisen, wenn es keiner aus unserer Gruppe war.“

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