Intrigante Baumeister, hinterlistige Bräute - Ein Fall für Harald Steiner

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„Oha!“ rief Harald voller Hoffnung aus. „Zu welcher Zeit? Und wo fuhr er genau hin? Was machte er dort?“

Frisch wurde etwas kleinlauter. „Bis nach Echternach waren ihm unsere Leute ja noch gefolgt. Aber dann ist er ihnen an einer Ampel ausgebüchst. Das war etwa so um 11 Uhr. Um 16 Uhr war er wieder in Köln.“

„Diese Versager“, schimpfte Steiner und meinte natürlich die Späher vom Drogendezernat.

„Haben dir diese Stümper denn wenigstens sagen können, wo er sich am Samstag und am Sonntag aufgehalten hat?“

„Am Samstag stand er wie üblich spät auf, pokerte den ganzen Nachmittag und Abend mit Freunden in einem seiner Klubs, später nahm er eine seiner Edelnutten mit nachhause, und am Sonntag ging er dann Golf spielen, nachdem die kleine Schlampe wieder gegangen war.“

„Wie aufregend. Was gibt es sonst Neues?“

„Wir haben so ungefähr über alle Leute auf Wagners Liste Auskünfte eingezogen und auch die meisten selber kontaktieren können ...“

„Was heißt hier wir?“ fragte Harald mit bedrohlichem Unterton, so in der Art von: Tanzen die Mäuse etwa jetzt schon, wo die Katze gerade erst außer Hause ist?

„Heinz und ich haben den Fall Kolaschke, den du uns dagelassen hast, abgerundet, und Strasser hat uns noch nichts Wichtiges aufgetragen.“ Das Wechseln von Siezen auf Duzen gegenüber ihren Chef war für Schmidt und Frisch eine Frage des Einfühlungsvermögens. Die Ehre, mit ihrem Vorgesetzten per Du zu sein, war Monika indes bislang noch nicht vergönnt gewesen.

„Na schön. Was ist denn nun mit diesen Heinis von Wagners Liste?“

„Man kann sagen, dass es sich dabei bis auf zwei Ausnahmen um Leute handelt, die entweder ein Interesse daran haben, in Wagners Projekt zu investieren, oder die ein Interesse daran haben, eines seiner Apartments zu erwerben ...“

„Hat denn schon einer von denen investiert oder ein Apartment gekauft?“ kehrte Steiner seine Ungeduld weiterhin hervor.

„Da scheint einiges ziemlich merkwürdig gelaufen zu sein“, erläuterte Ralf. „Alle potenziellen Investoren und alle potenziellen Käufer erhielten schon bald, nachdem sie ihre Interessen angemeldet hatten, Anrufe und sogar vereinzelt Besuch von Leuten, die ihnen davon abrieten, zu investieren oder zu kaufen. Also hat keiner von denen Geld locker gemacht.“

„Und wer waren die Anrufer oder Besucher?“

„Angeblich auch Investoren oder Käufer, die behaupteten, von Wagner übers Ohr gehauen worden zu sein.“

„Wird ja immer spannender“, äußerte sich der Hauptkommissar.

„Vielleicht gibt es da zusätzlich wirklich noch einige Faktoren, die die Sache spannender machen“, kündigte Ralf an. „Zwei der weiteren angeführten Personen auf der Liste erscheinen uns etwas suspekt. Da wäre zunächst ein gewisser Albert Zubergen aus Mainz, seines Zeichens Privatdetektiv. Er hat in Polizeikreisen keinen allzu guten Leumund. Arbeitet ein wenig zuviel mit unlauteren Mitteln, um seinen Kunden die gewünschten Resultate vorzulegen. Ich konnte nur seine Sekretärin erreichen, die nicht besonders auskunftsfreudig war. Sie behauptete, ihr Boss sei mal wieder seit Tagen auf Achse, und sie selber wisse nicht, wo er herumgeistere. Sie behauptete sogar, sie könne ihn nicht einmal erreichen, wenn sie es wollte, weil er ständig andere Handynummern habe.“

„Fantastisch!“ spottete Harald. „Müsste ich auch mal so handhaben.“

„Die andere Person heißt Manuela Kranz.“ Steiner spitzte seine Ohren. „Manuela Kränze gibt es in Deutschland viele, und ich dachte mir, die Richtige zu finden, kann trotzdem nicht schwer sein, weil ja ihre Handynummer bekannt ist. Pustekuchen, denn diese Handynummer gehört der Alfons Wagner Hochbau GmbH.

Also rief ich dort an und sprach mit einer Frau Schneider. Und die erklärte mir wiederum, sie wisse zwar dass diese Nummer über die Firma abgerechnet wird, nicht aber, wem das Handy zur Verfügung gestellt worden ist. Dann erwähnte ich den Namen Manuela Kranz, und die Schneider wurde etwas kratzbürstig. Eine Manuela Kranz arbeite nicht bei ihnen. Vor Jahren habe es aber mal Kontakte zwischen Alfons Wagner und einer Person dieses Namens gegeben. Die habe in Bochum ein Büro für Anlageberatungen betrieben.

Jetzt kommt aber der Hammer. Diese Manuela Kranz ist beim Betrugsdezernat Bochum aktenkundig. Sie soll ihre Kunden um 3 Millionen Euro erleichtert haben und dann vor drei Jahren abgetaucht sein.“

„So ist das also“, sagte Steiner, ohne echt verwundert zu sein.

„Wie meinen Sie?“ fragte Ralf nach.

„Erkläre ich ein anderes Mal. Sorge dafür, dass Rollinger so schnell wie möglich ein Foto und eine Personenbeschreibung von der Dame bekommt. Sind die luxemburgischen Kollegen bereits im Besitz der Fingerabdrücke von Jasper?“

„Gewiss doch. Spätestens, als ich hörte, dass er unseren Leuten in Luxemburg abhanden gekommen ist. Was können wir sonst noch für euch tun?“

Harald überlegte. „Nachprüfen, wer die potenziellen Anleger und Käufer wegekeln wollte. Dann Siggi Jasper zur Vernehmung laden. Soll mal erklären, was er in Luxemburg zu tun hatte. Und mehr Informationen über Zubergen und Kranz.“

In Abwartung des Erscheinens Rollingers hielt es Steiner nicht mehr für nötig, jetzt noch weiter mit Monika über diesen Fall zu reden. Im Gegenteil, er ignorierte ihre Anwesenheit und informierte sie noch nicht einmal über das, was Ralf ihm mitgeteilt hatte.

4. Das Kartell wird nervös

Rollinger fuhr ziemlich genau um 19 Uhr an Steiners Ferienhaus vor. Monika räumte ihren Liegestuhl für ihn, versorgte die Kommissare und sich selber mit Getränken, trug einen der Küchenstühle auf die Veranda und setzte sich zu ihnen.

Steiner berichtete Rollinger von ihren Abstechern nach Weiswampach, Eupen, St. Vith und Fischbach und dem, was er erst gut eine Stunde zuvor von Frisch erfahren hatte.

Auf Haralds Frage, ob in den luxemburgischen Zeitungen bereits spezifisch von Mord im Fall Wagner die Rede gewesen sein könnte, erklärte der Commissaire, einige Medien hätten tatsächlich die Nachricht von Wagners Tod unter Titeln wie ‚Suizid oder Mord?’ gebracht.

Auch Rollinger hatte seinerseits einiges zu berichten. „Die Fingerabdrücke von Siegfried Jasper wurden uns bereits gegen Mittag von Köln übermittelt. Wir haben sie mit solchen aus Wagners Chalet abgeglichen, und tatsächlich stimmten davon einige mit denen Jaspers überein.“

Das wunderte Steiner nun nicht mehr. „Wollen Sie sich jetzt schon auf Jasper als Wagners Mörder festlegen?“

„Nach allem, was Sie mir über ihn erzählt haben, wäre das wohl naheliegend.“

„Schießen Sie nicht zu früh aufs Wild, Monsieur Rollinger. Es gibt viele gute Gründe, weshalb Siggi Jasper nicht der Mörder ist.“

„Die da wären?“

„Jasper betreibt ein sehr straff organisiertes Verbrechersyndikat in Köln. Sein Kerngeschäft ist die Prostitution und das Glücksspiel. Wir wissen, dass er zudem groß im Rauschgiftgeschäft mitmischt, konnten es ihm aber bislang nicht nachweisen. Man vermutet, dass er auch im illegalen Waffenhandel seine Finger im Spiel hat. Und jetzt kombinieren Sie einfach nur.

Er hat garantiert einige Leute, die für ihn die dreckigen Arbeiten erledigen. Würde er also höchstpersönlich hierherkommen, um einen Alfons Wagner umzulegen? So etwas können andere doch viel besser und unverdächtiger statt seiner meistern. Und dann wäre ja noch zu klären, wie er an eine Waffe geraten sein soll, die Wagner gehört. Oder haben Sie irgendwelche Indikationen, dass es zwischen Wagner und seinem Mörder erst noch zu einem Handgemenge gekommen ist?“

„Nein, absolut nicht“, musste der Commissaire zugeben.

„Halten Sie es für denkbar, dass Jasper überhaupt vom Besitz einer Waffe Wagners Kenntnis hatte, geschweige denn, wo Wagner die aufbewahrte?“

„Wäre ziemlich weit hergeholt“, räumte der Luxemburger ein.

„Wenn Wagner mit seiner eigenen Wumme von Jasper umgepustet worden ist, dann müsste Jasper sie sich dort besorgt haben, wo Wagner sie deponiert hatte, oder er müsste sie ihm in Wagners Chalet abgenommen haben“, trumpfte Harald auf. „Jedes dieser Szenarien tendiert gegen das Unwahrscheinliche.“

„Also doch nicht Jasper“, schlussfolgerte Rollinger.

„Jedenfalls nicht in der Konstellation, in der sie für den ersten Augenblick als offensichtlich erscheint und eigentlich doch nicht möglich sein kann. Aber das mit Jaspers Fingerabdrücken wird doch wohl hoffentlich nicht der einzige Grund Ihrer Fahrt hierher sein.“

„Bestimmt nicht“, erwiderte Rollinger. „Doch bevor ich mich weiter expliziere, will ich noch einmal auf etwas zurückgreifen, über das Sie mir gerade berichteten. Sagten Sie nicht soeben, diese ominöse Frau Kranz, habe in St. Vith einen dunkelblauen Golf Cabrio mit Augsburger Kennzeichen gefahren?“

„Das habe ich.“

„Heute Morgen wurde der Polizei in Wiltz von einem Campingbetreiber im Norden des Landes gemeldet, auf seinem Parkplatz stehe mindestens schon seit Samstagnacht ein solches Fahrzeug herum, ohne dass es einem seiner Kunden oder einem der Gäste dieser Urlauber zuzuordnen wäre. Anhand des Kennzeichens wurde festgestellt, dass es auf eine Wagner Hochbau GmbH in Augsburg zugelassen ist. Im Fahrzeug wurde nicht ein einziger Gegenstand gefunden, der auf seinen Benutzer hätte hindeuten können.“

„Was schließen Sie daraus?“ fragte Steiner, obwohl er die Antwort bereits erahnte.

„In Anbetracht der Tatsache, dass Frau Kranz, wie Sie herausfanden, mit Herrn Wagner geschäftlich liiert war, berücksichtigend, dass die Brandleiche aus dem Steinbruch mit derselben Waffe wie Wagner erschossen wurde, und hinzuziehend, dass dieser VW Golf offenbar spätestens am Samstagabend auf dem Parkplatz des Campings abgestellt und vollkommen leer geräumt worden ist, ist wohl stark davon auszugehen, dass die Brandleiche mit Frau Manuela Kranz identisch ist.“

 

„Sehen Sie, Herr Kollege“, gab sich Steiner mal wieder besserwisserich, „daraus muss man doch umso mehr konkludieren, dass Jasper als Täter gar nicht in Frage kommt. Für den Zeitraum des Mordes an Frau Kranz, da hat er vom Nachmittag des Samstags bis in den Sonntag hinein Alibis und Zeugen ohne Ende, darunter auch unsere Versager vom Drogendezernat.“

„Einfacher macht das die Sache nicht“, meinte der Commissaire. „Vielleicht werden wir schlauer sein, wenn wir Herrn Wagners Bankkonten eingesehen haben. Inzwischen wissen wir, dass er bei der CPCP-Bank ein Konto hat. Das Problem gipfelt darin, unsere Banken legen nur ungern mehr offen, als wozu sie verpflichtet sind. Luxemburg lebt ja teilweise von den Banken, verstehen Sie? Aber es ist mir gelungen, den Mann, der Wagners Dossier betreut, telefonisch zu kontaktieren.

Dieser Herr Marc Maubeuge war sehr restriktiv in seinen Auskünften. Ja, es stimme, man führe für Herrn Wagner ein Konto. Nein, er werde gewiss am Telefon keine Auskünfte erteilen. Wann er denn bei mir im Kommissariat vorstellig werden könne, fragte ich. Na, vielleicht am Mittwoch nächster Woche.

Da ist mir der Kragen geplatzt. Ich habe ihn für Sonntagmorgen um 10 Uhr zu mir bestellt. Soll mich mal kennenlernen, dieser arrogante Pimpf.“

„Sonntagmorgen?“ Steiner war irritiert. „So etwas muss doch schneller über die Bühne gehen. Jedenfalls bei einem Mordfall.“

Rollinger lächelte verbittert. „Glauben Sie mir, Herr Steiner, bei Banken redet man in solchen Fällen immer am besten mit der ersten Garnitur. Maubeuge gehört bei der CPCP zur zweiten Reihe der ersten Garnitur. Und wenn so einer sagt, er habe Donnerstag und Freitag andere Termine, kann ich ihn nicht behelligen, es sei denn, ein Richter gibt mir dazu die Vollmacht, was nicht schnell der Fall sein wird. Hier haben Banken Narrenfreiheit, solange sie nicht gegen nationales oder internationales Recht verstoßen, sich nicht mit den Gewerkschaften verkrachen oder vielleicht vergessen, ihrer Steuerpflicht nachzukommen. Allerdings kann sich auch ein Marc Maubeuge nicht dahinter verstecken, sonntags frei zu haben.“

Das stimmte Steiner dann doch irgendwie wieder besser. „Insofern Wagners Geldtransfers von Bedeutung sind, ist das ja dann auch schon wieder ein Fortschritt.“

„Des Weiteren habe ich mit einem Kollegen in Brüssel gesprochen“, führte Rollinger weiter aus. „Sein Name ist Fernand Dumont. Seit Jahren schon versucht er dem Kartell das Handwerk zu legen. Das Problem, derer habhaft zu werden, liegt nach seiner Überzeugung darin, dass zu viele hochrangige Funktionäre mitmischen. Allerdings erklärte er mir, diese Myriam Berlotti, die andere Architektin auf Wagners Liste, sei ziemlich stark mit dem Kartell verbandelt. Er weiß leider nicht, wie sich das gestaltet, da Frau Berlotti im Gegensatz zu den bekannten Kartellmitgliedern sehr autonom agiert.“

„Es muss doch noch massig andere Interessenten für Wagners Projekt in Belgien und Luxemburg als nur Lebrun und Grootman geben“, gab Monika zu bedenken. „In Deutschland gibt es jedenfalls mehrere.“

Harald schloss sich dieser Ansicht an. „Davon ist auszugehen, nur haben nicht viele Namen solcher Leute auf Wagners hier aufgefundener Liste gestanden. Wo könnten wir die Namen solcher Leute ausfindig machen?“

„Vielleicht weiß Jos Weißler mehr darüber“, hielt es Rollinger für möglich.

„Warum sollte er?“ hakte Steiner nach.

Der Commissaire verzog seine Lippen zu einem leichten Grinsen. „In den Gesprächen, die ich mit ihm führte, kam mir der Verdacht auf, dass er nicht mehr auszusagen beliebte als nötig. Das verwundert mich auch nicht. Alleine schon der Umstand, im Immobiliengeschäft als Makler mitzumischen, erfordert hier im Land gewisse Genehmigungen. Da reicht es nicht, als Versicherungsmakler zugelassen zu sein. Und wenn ich es mir recht überlege, wird es wohl die Frau Kranz gewesen sein, die hier in Luxemburg die Kontakte zu Interessenten für das Wagnerprojekt unterhalten hat. Es wäre also gar nicht einmal so unlogisch, wenn Frau Kranz, die ja gar nicht offiziell hier in Luxemburg gemeldet sein kann, sich Weißlers als Mittelsmann bedient haben sollte. Der wiederum könnte über Frau Kranz’ illegales Dasein im Bilde gewesen sein.“

„Interessante Überlegung. Sogar bei einem internationalen Haftbefehl gegen sie würde die Kranz ziemlich unbehelligt durch Europa gondeln können”, merkte Harald an.

„Wieso das denn?“ fragte Monika. „Irgendwann wäre sie doch irgendwo in eine Verkehrskontrolle geraten und als zur Fahndung ausgeschrieben erkannt worden sein.“

Die synchrone Heiterkeit in den Gesichtern der beiden Kommissare verunsicherten die Mink. Harald wandte sich an Rollinger.

„Erklären Sie es ihr, oder soll ich es tun?“

„Den Part überlasse ich gerne Ihnen.“

Als bedenke er sie mit einem großzügigen Almosen, klärte er seine Assistentin über ihren Irrtum in oberlehrerhafter Weise auf.

„Die erste Frage bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle lautet, ,Führerschein und Fahrzeugpapiere’. Das müssten Sie doch aus eigener Erfahrung wissen. Liegt weiter nichts vor, wird der Fahrer durchgewunken. Bei einer kleinen Unstimmigkeit wird vielleicht auch noch um das Vorzeigen von Personalpapieren gebeten. Erst wenn das Fahrzeug oder/und sein Benutzer den Eindruck erwecken, irgendwie nicht ganz koscher zu sein, machen sich die kontrollierenden Beamten daran, den Computer etwas genauer zu befragen.

Frau Kranz tauchte vor drei Jahren unter. Vielleicht sind ihr Pass und ihr Ausweis noch gültig. Wenn nicht, sind diese Papiere dennoch nicht so lange abgelaufen, dass sich ein normaler Beamter darüber großartig Gedanken machen wird. Zudem haben wir von Herrn Schiltz und Frau Altiari nahezu gleichlautend vernommen, dass Frau Kranz eine angenehme Erscheinung war. Angenehme Erscheinungen schalten bei Beamten automatisch den Verdacht auf Unlauterkeiten aus.

Mit anderen Worten, Frau Kranz hätte mit 100 Sachen im Ortsbereich, mit einem knatternden Auspuff oder einem Revolver auf dem Beifahrersitz erwischt werden müssen, um das Objekt tiefer gehender Investigationen zu werden. Sie wird klug genug gewesen sein, genau solche Dinge zu vermeiden.“

„Aha“, war das Einzige, was Monika dazu zu sagen wusste.

Derweil konnte Steiner es mal wieder nicht lassen, Rollinger den Grund seines ihm eigentlich als überflüssig erscheinenden Vortrags zu kommentieren.

„Sie müssen entschuldigen, Monsieur le Commissaire, der Nachwuchs in unserem Metier ist nicht mehr vom selben Schlage wie unsereiner. Greenhorns eben, die mit Computerspielen groß geworden sind.“

Die Mink empfand diese Einlage ihres Chefs als besonders entwürdigend. Sie nahm sich vor, den Rest des Abends zu schweigen, jedenfalls solange Rollinger anwesend war. Und Rollinger bedachte sie nach Haralds Darlegungen mit einem milden väterlichen Lächeln, was ihr nur bestätigte, wie voll und ganz er mit den Ausführungen ihres Chefs über jüngere Polizeibeamte und insbesondere in Bezug auf sie selber einverstanden war.

Steiner griff das Thema Manuela Kranz erneut auf. „In der Tat müssen wir davon ausgehen, dass die Frau Kranz sich in den letzten Monaten oder gar Jahren irgendwo hier im Lande oder im Grenzraum aufgehalten haben wird. Sie muss ja irgendwo gewohnt und ihr Auto abgestellt haben. So etwas muss man doch herausfinden können. Zudem scheint sie ja ein Handy der Firma Wagner benutzt zu haben, von dem sich ein Bewegungsprofil erstellen lassen müsste.“

„Da haben Sie wohl wahrscheinlich Recht“, stimmte Rollinger zu. „Da es sich aber um ein Handy mit einem deutschen Anschluss handelt, ist es auch Sache der deutschen Polizei, dieses Bewegungsprofil zu erstellen.“

„Gewiss, gewiss.“ Steiner schaute auf seine Armbanduhr. Es war 20.06 Uhr. „Was halten Sie davon, den hiesigen Tageszeitungen noch vor Redaktionsschluss mitzuteilen, es bestehe der begründete Verdacht, die Brandleiche aus dem Steinbruch könnte eine Frau Manuela Kranz aus Bochum sein, und man bitte die Bevölkerung daher um Hinweise?“

„Nicht schlecht, der Gedanke“, gab der Commissaire zu. „Sollte es sich bei der Toten nicht um Frau Kranz handeln, brauchen wir trotzdem nicht zu befürchten, dass sie sich bei uns meldet, um sich darüber zu beschweren, wir hätten ihren guten Ruf irgendwie beschädigt. Sie wird sich tunlichst hüten, schließlich wird sie per Haftbefehl gesucht.“

Steiner bedachte sich noch einmal. „Aber vielleicht ist diese Idee doch nicht so gut. Der Täter könnte angesichts unseres Wissenstandes kalte Füße bekommen.“

„Der wird doch garantiert damit gerechnet haben, dass wir früher oder später auf die Identität der Leiche kommen werden“, widersprach Rollinger. „Dann sind wir eben etwas früher darauf gekommen.“

„Auch wieder wahr. Was können wir sonst noch unternehmen?“

„Sagen Sie es mir.“ Offenbar hatte sich der luxemburgische Kollege damit abgefunden, dass Steiner in Mordsachen die größere Routine hatte.

„Fühlen Sie Weißler auf den Zahn. Er muss die Kranz sehr gut kennen. Wir unsererseits werden uns um Siggi Jasper kümmern. Ich gedenke, auch die belgischen Investoren aufzusuchen, halte das aber nicht für besonders vorrangig. Wagners Abstecher in der vergangenen Woche bei ihnen wird wohl mehr der Beschwichtigung wegen des Baubeginns gedient haben.“

Rollinger war gegangen, Monika räumte den Tisch ab und begab sich ins Innere, um die Gläser zu spülen, brachte Harald aber noch unaufgefordert eine neue Flasche Pils und ein frisches Glas auf die Veranda. Der war in Gedanken über den Fall vertieft. Monika bereitete derweil wieder sein Nachtlager vor, duschte sich und ging zu Bett. Harald holte sich noch im Laufe der nächsten zwei Stunden zwei weitere Flaschen Bier aus dem Kühlschrank in der Küche.

Kurz vor Mitternacht überkam ihn dann die Müdigkeit, und auch er wollte sich zur Ruhe begeben. Er sah auf das sehr ordentlich aufgemachte Schlaflager am Boden neben dem Bett und erinnerte sich an die Schmerzen, die er am Morgen verspürt hatte, als er aufgewacht war. Noch so eine Nacht?

Sein Blick schweifte zur schlummernden Mink rüber. Gestern Nacht hatte sie sich offenbar während ihres Schlafs nicht bewegt, und auch jetzt schien sie sich für den Rest der Nacht mit einem äußeren Drittel des breiten Bettes zu begnügen. Was sollte es ihr und ihm da ausmachen, wenn er das andere äußere Drittel des Bettes in Beschlag nahm?

Vielleicht hatte die Mink sich ja dieses Mal nicht ganz entblößt ins Bett gelegt, dachte er. Wenn wohl, so maß das mittlere freie Drittel des Ruhemöbels immer noch so zwischen 60 und 80 Zentimeter. Und wenn er es sich unbedingt vornahm, würde er auch morgen wieder garantiert vor der kleinen Schnepfe aufstehen und sie es vielleicht nicht einmal mitbekommen haben, dass er überhaupt im selben Bett wie sie geschlafen hatte. Obwohl, hatte sie nicht selber gesagt, dass ihr das nichts ausmachen würde? Ihm aber wohl, denn er war ja immerhin ihr Vorgesetzter.

Tatsächlich wachte Steiner am Donnerstagmorgen bereits vor sechs Uhr und vor Monika Mink auf. Er sah zu ihr rüber. Auch in dieser Nacht hatte sie sich kaum bewegt, so schien es jedenfalls, wenn er ihre Liegeposition vom Vorabend richtig in Erinnerung hatte. Allerdings musste sich Harald doch im Schlaf bewegt haben, denn er hatte den Großteil der Decke und der Laken auf seine Seite gezogen, oder aber die Mink hatte sie zu ihm rübergedrückt. Denn nun lag sie unbedeckt und unbekleidet da.

Auf seinem Ellebogen abstützend richtete er seinen Oberkörper auf. Er betrachtete sie mit gemischten Gefühlen. Da war zunächst der verächtlichere Gedanke: Pfui, eine Frau! Dieser Gedanke wurde aber binnen wenigen Sekunden von einem ganz anderen Gedanken überlagert: Eine schöne Frau. Dieser Gedanke wurde von einem weiteren Empfinden abgelöst: Eine sinnliche, schöne Frau.

Er ertappte sich selber gerade dabei, sie zärtlich anfassen zu wollen, als ihm wieder schlagartig bewusst wurde, wie hier die Verhältnisse zu sein hatten. Harald war von einem Moment zum anderen wieder ganz der Harald Steiner, wie man ihn gewohnt war.

Er stand auf, ging zur Küchenzeile, setzte Kaffee auf, suchte sich Klamotten aus dem Schrank und ging ins Bad. Als er zwanzig Minuten später wieder herauskam, lag Monika immer noch unbedeckt im Bett. Er goss den fertigen Kaffee in eine Thermoskanne, entnahm einem Oberschrank einen Kaffeebecher und begab sich hinaus auf die Terrasse. Wieder zwanzig Minuten später vernahm er von drinnen, dass die Mink wohl aufgestanden und ins Bad gegangen sein musste. Die Sonne prankte schon in ihrer vollen Pracht am Himmel.

 

Eine Viertelstunde später erschien Monika mit einer Kaffeetasse auf der vorderen Terrasse.

„Morgen, Chef“, sagte sie und versuchte ein Gähnen zu unterdrücken. „Wieder ein schöner Tag heute, nicht?“

Er hatte sich noch nicht zu ihr umgedreht und entgegnete: „Morgen, Mink. Ja, ein schöner Tag.“

Sie ließ sich im anderen Stuhl nieder. „Wollen Sie frühstücken? Haben Sie einen besonderen Wunsch?“

„Nein, noch habe ich nicht gefrühstückt. Ansonsten bin ich nicht sehr anspruchsvoll, was das Morgenmahl angeht.“ Er sah sie immer noch nicht an.

Sie legte demonstrativ und provokativ ihre Füße auf den Tisch. Jetzt wendete er seinen Kopf doch um 90° und bekam einen Schreck. Monika Mink lag komplett nackt mit übereinander geschlagenen Beinen in ihrem Liegestuhl.

„Mink!“ schrie er sie entsetzt an. „Aber nicht so hier draußen!“

Sie erwiderte gelassen mit geschlossenen Augen: „Computer spielende Greenhorns machen das nun einmal so. So wie sich züchtige Chefs nun einmal nicht neben nackten, Computer spielenden Greenhorns ins Bett legen.“

Einen Teil des Seitenhiebs hatte Steiner sofort erfasst, einen Teil noch nicht. „Wenn das eine Protestkundgebung gegen das sein soll, was ich gestern in Bezug auf Ihre noch nicht völlige fachliche Reife gesagt habe, will ich mich gerne bei Ihnen für meine Wortwahl entschuldigen, Frau Mink. Aber das erlaubt Ihnen noch lange nicht, sich hier draußen, wo Sie jeder sehen kann, im Evakostüm zu präsentieren. Holen Sie sich wenigstens eine Decke von drinnen.“

„Na, es hat Ihnen doch auch nichts ausgemacht, sich neben mir ins Bett zu legen, obwohl Sie das partout nicht tun wollten.“

Jetzt klingelte es bei Steiner. Es waren gewiss nicht nur die an der anderen Seite des Bettes aufgewühlten Decken gewesen, die die Mink darauf gebracht hatten, dass er die Nacht unweit neben ihr gelegen hatte. Es waren die Matratze und die Bettwäsche auf dem Boden gewesen, die er nicht angerührt hatte. Das hatte sie natürlich am Morgen festgestellt und sich ihren eigenen Reim darauf gemacht.

Blieb nur die Frage, was sie jetzt mal wieder mit ihrer Show bezweckte. Vielleicht ein kleiner Erpressungsversuch, vielleicht ... Nein, das bestimmt nicht. Er war um die fünfzehn Jahre älter als sie ...

„Was wollen Sie, Frau Mink?“ sprach er nun wesentlich ruhiger und wandte seinen Blick von ihr ab.

„Ich will nur ich sein dürfen und von Ihnen für voll genommen werden.“

„Ach nee“, knurrte Harald. „Und wie soll das Ihrer Meinung nach aussehen?“

„Akzeptieren Sie doch einfach, dass ich in meiner Freizeit so bin, wie ich bin. Im Dienst richte ich mich ja auch nach Ihnen. Aber ich möchte auch im Dienst nicht beleidigt werden, ich möchte von Ihnen lernen.“

Er sah sie wieder an und bewunderte ihre Brüste. Sie waren nicht üppig, aber fest, und vor allem diese Nippel, die so einladend hervorstanden, beeindruckten ihn. Er überwandt sich, etwas von sich selber preiszugeben, das er bislang gegenüber anderen für sich behalten hatte.

„Hören Sie, Monika“ - er hatte sie noch nie beim Vornamen genannt, und dass er es jetzt getan hatte, fiel ihr sofort auf und zeigte ihr, wie wichtig das sein sollte, was jetzt folgen würde - „ich habe nichts gegen Sie persönlich. Sie verfügen im Grunde über alle Attribute, über die eine Kriminalistin verfügen sollte. Sie sind intelligent, schnell von Begriff, kennen die Spielregeln im Umgang mit Menschen aller Art, sind fleißig, manchmal sogar hartnäckig und vor allem befähigt zu kombinieren. Was Ihnen fehlt, ist die Erfahrung und der richtige Feinschliff. Vergessen Sie darüber hinaus nie, dass Sie eine Frau sind ...“

„Was haben Sie gegen Frauen?“ empörte sich Monika.

Er lächelte. „Werte Kollegin, der Unterschied zwischen Männern und Frauen ist nicht ausschließlich eine Frage der Anatomie, sondern auch eine des Wesens. Ich nenne jetzt nur die essenzieleren Eckpunkte. Männer konzentrieren sich aufs Sachliche und sind in demjenigen, was sie tun, geradlinig. Daraus resultiert, dass Männer unter sich meistens sehr direkt kommunizieren und auch gegenüber Frauen ziemlich direkt sind.

Frauen hingegen haben die Angewohnheit, alles mit einem Hauch der Verschleierung zu umhüllen. Sie verbergen ihre wahren Mitteilungen hinter künstlichen Fassaden und finden oder erfinden laufend Ausreden. Sie haben die Tage, sie haben die Monate, sie haben die Jahre, sie haben Migräne, sie haben keine Lust. Bekloppte Männer, die es sich nicht leisten können, kaufen sich alle drei Jahre einen protzigen Wagen. Bekloppte Frauen, die es sich nicht leisten können, kaufen sich Jahr ein Jahr aus massenhaft Schuhe, Handtaschen, Kleider, Kosmetikartikel und solchen Plunders mehr.

Mit einem protzigen Auto kann man sich zu jeder beliebigen Zeit von A nach B bewegen, selbst wenn es eine alte Schrottkiste auch täte. Hundert Paar Schuhe, die sich zudem laufend vermehren, kann man nie verschleißen, und sie haben auch keinen Nutzen, am Ende nicht einmal einen ästhetischen. Mit anderen Worten, Männer sind trotz gewisser Macken rational veranlagt, Frauen hingegen sind auch ohne allzu viele Macken emotional veranlagt.

„Mag sein, dass Sie solche Erfahrungen gemacht haben, Chef“, argumentierte Monika gegen. „Ich aber kaufe keine hunderte Handtaschen, Schuhe und Parfümfläschchen. Ich denke, Sie sind wohl immer an die Falsche geraten. Ich jedenfalls gehe sehr sparsam mit dem um, was ich habe. Ich achte nicht ausschließlich auf meine Figur der Männer wegen, sondern hauptsächlich damit mir meine Klamotten passen, bis sie verschlissen sind.“

Steiner brauchte einige Augenblicke, um darauf zu reagieren. „Vielleicht haben Sie ja Recht. Vielleicht bin ich ja wirklich eine Spur zu konservativ oder zu verkorkst.“ Und nun kam etwas, was wohl auch noch niemand aus seinem Munde vernommen haben dürfte. „Man sollte immer bereit sein, an sich selber zu arbeiten. Nur so kann man sich als Mensch und fachlich verbessern. Das gilt auch für mich.“

Haralds Handy machte sich bemerkbar und bereitete dieser für Monika äußerst aufschlussreichen Debatte ein Ende.

Alain Noel ging verärgert hektisch in seinem Büro im Brüsseler Stadtteil Ixelles auf und ab. In einem Sessel saß ein nicht gerade besonders wacher Serge Charlier, in einem anderen ein leicht irritierter Luc Korthals.

„Kann mir das mal jemand erklären?“ brüllte Noel. „Was soll das alles bedeuten? Am Anfang hatte ich nur geglaubt, es handele sich um einen Zufall, einen glücklichen Zufall für uns, dass dieser Wagner tot ist. Aber das, was ich heute Morgen in den Internetnachrichten gelesen habe, lässt sich ja wohl kaum noch als Zufall betiteln. Oder hat jemand von euch eine Ahnung, was da gelaufen ist?“

Charlier, obwohl wegen Noels frühen Anrufs aus seinem viel zu kurzen Schlaf gerissen worden, konnte dem Ganzen immer noch etwas Positives abgewinnen.

„Du siehst das alles viel zu verkrampft, Alain. Ich denke doch, ein jeder von uns wird für die beiden Tatzeiten sein individuelles Alibi haben. Nun, wo beide von der Bildfläche verschwunden sind, steht uns ja gar nichts mehr im Wege, die Sache durchzuziehen.“

Noel blieb vor Charliers Sessel stehen und schaute nahezu verächtlich auf ihn hinunter. „Du hast wohl eine Meise, Serge. Warum glaubst du denn, haben die Bullen uns gefragt, ob wir Wagner kennen oder gar mehr mit ihm zu tun gehabt zu haben? Sie haben einen Hinweis, dass er sich mit uns beschäftigt hat. Das ist das gefundene Fressen für diesen Dumont. Und die Luxemburger, was machen die wohl jetzt? Sie stellen natürlich allerhand Überlegungen an, wieso man Wagner und Kranz umgebracht haben könnte. Alibi hin, Alibi her, wir haben ein triftiges Motiv, und daran werden manche dieser Schnüffler uns aufzuhängen versuchen. Dabei war es in letzter Zeit endlich mal etwas ruhiger um uns geworden.“

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