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Die Zwillingsschwestern von Machecoul

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Fünfter Theil

I.
Wo unser alter Bekannter Jean Oullier sich wiederfindet

Wenn es auch fast unmöglich war, daß die Soldaten Jean Oullier in dem ihm durch Trigaud’s Riesenkraft bereiteten Versteck auffanden, so hatte der alte Vendéer doch nur das Gefängniß, welches ihm die Blauen zugedacht, gegen ein anderes, viel schrecklicheres eingetauscht, und statt des Todes durch Pulver und Blei hatte er einen gräßlicheren Tod zu erwarten.

Er war lebendig begraben und an diesem einsamen Orte war nicht zu hoffen, daß man sein Rufen hören werde.

Als er in der Nacht nach seiner Trennung von dem Bettler noch immer vergebens harrte, vermuthete er, daß den beiden Unzertrennlichen ein Unglück begegnet sey.

Trigaud und Aubin Courte-Joie mußten todt oder in Gefangenschaft seyn.

Der Gedanke an die entsetzliche Lage Jean Oullier’s mußte den Muthigsten mit Schauder erfüllen; aber Jean Oullier gehörte zu jenen eisernen Naturen, die selbst in der verzweifelsten Lage den Muth nicht aufgeben. Er empfahl dem Schöpfer seine Seele in einem kurzen, aber inbrünstigen Gebete und legte mit demselben Eifer, den er unter den Trümmern von La Penissière gezeigt hatte, Hand ans Werk.

Bis dahin war seine Stellung ganz gebückt gewesen, das Kinn war auf die Knie gestützt. Eine andere Stellung konnte er wegen des geringen Raumes nicht einnehmen. Er suchte sie zu ändern, und nach langen Anstrengungen gelang es ihm niederzuknien. Er stützte sich auf die Hände und machte einen Versuch, den schweren Stein mit den Schultern aufzuheben.

Aber was dem riesigen Bettler ein Kinderspiel gewesen war, konnte kein Anderer thun. Jean Oullier vermochte die gewaltige Masse, die Jener auf die Höhle gewälzt hatte, nicht einmal wankend zu machen. Er betastete den Boden unter seinen Füßen. Der Boden war hartes Gestein wie Alles, was ihn umgab. Der schiefliegende Granitblock, den Trigaud wie einen riesigen Deckel auf die kleine Höhle gesetzt hatte, ließ über dem Bett des Baches einen Zwischenraum von drei bis vier Zoll, durch welchen die Luft in das Innere drang.

Nach sorgfältiger Beobachtung entschloß sich Jean Oullier auf dieser Seite zu arbeiten. In einer Spalte des Gesteins brach er die Spitze von seinem Messer ab und machte einen Meißel daraus; der Pistolenkolben diente als Hammer.

Jean Oullier begann nun an der Erweiterung der Oeffnung zu arbeiten. Er hämmerte und meißelte vierundzwanzig Stunden ohne Unterbrechung. Zum Glück hatte er noch Branntwein in seiner Feldflasche und er nahm von Zeit zu Zeit einen stärkenden Schluck.

Endlich, am Abende des zweiten Tages, war die Oeffnung so weit, daß er den Kopf hindurch stecken konnte. Dem Kopf folgten die Schultern; er faßte den Felsen mit beiden Händen und hob sich mit großer Anstrengung hinaus.

Es war Zeit. Seine Kräfte waren völlig erschöpft.

Er richtete sich auf und versuchte zu gehen. Aber sein verrenkter Fuß war während der sechsunddreißig-stündigen entsetzlichen Haft stark geschwollen. Bei dem ersten Versuch, auf den kranken Fuß zu treten, begann sein ganzer Körper krampfhaft zu zucken; er schrie laut auf und sank fast besinnungslos nieder.

Der Tag neigte sich. Tiefe Stille herrschte ringsum. Jean Oullier dachte, diese Nacht werde für ihn die letzte seyn. Um aber nichts unversucht zu lassen, kroch er in der Richtung fort, wo die Sonne unterging und wo sich auch die nächsten Wohnungen befanden.

So legte er etwa drei Viertelstunden Weges zurück. Es war inzwischen völlig Nacht geworden. Er erreichte einen kleinen Hügel, wo er das Licht der einzelnen Häuser am Saume der Heide bemerkte. Es waren für ihn gleichsam Leuchthürme, die ihm zeigten, wo er Rettung finden konnte. Aber es schien ihm trotz aller Anstrengungen unmöglich, einen Schritt weiter zu kommen.

Er hatte in sechzig Stunden nichts gegessen!

Die im vorigen Jahre mit der Sichel abgeschnittenen Stengel des Heidekrautes und der Stechginster hatten ihm Hände, Knie und Brust zerrissen, und das aus diesen Wunden fließende Blut erschöpfte vollends seine Kräfte.

Er kroch in einen Graben am Wege. Er konnte nicht weiter. Er wollte hier sterben. Den quälenden Durst stillte er mit dem im Graben stehenden Wasser. Er war so schwach, daß er die Hand kaum zum Munde führen konnte. Der Kopf schien ihm völlig ausgehöhlt. Von Zeit zu Zeit glaubte er in seinem Gehirn ein dumpfes Brausen zu hören, wie wenn die Meereswogen gegen die Seiten eines untergehenden Schiffes schlagen. Ein dichter Flor, auf welchem Tausende von Funken schimmerten, senkte sich auf seine Augen. – Er fühlte sein Ende nahen.

Er versuchte zu rufen, denn es war ihm gleichgültig, ob er Freunde oder Feinde herbeilockte; aber die Stimme erstarb ihm in der Kehle und kaum konnte er selbst die heiseren Töne hören.

In diesem jammervollen Zustande, den man fast einen Todeskampf nennen konnte, blieb er etwa eine Stunde. Dann wurde der Flor, den er vor den Augen hatte, immer dichter, das Brausen im Kopfe immer stärker – und endlich sah und hörte er nicht mehr, was um ihn vorging.

Aber seine kräftige Natur konnte nicht ohne neuen Kampf unterliegen. Die Ruhe der Ermattung in der er eine Zeit lang blieb. stellte das Gleichgewicht der noch übrigen geringen Kräfte und des Blutumlaufes wieder her. Ungeachtet der Erstarrung, die sich seiner bemächtigt hatte, bekamen die Sinne ihre Schärfe wieder. Er hörte ein Geräusch, in welchem sein geübtes Ohr die Fußtritte eines Frauenzimmers erkannte.

Noch war Rettung möglich, Jean Oullier fühlte es; aber als er rufen und sich bewegen wollte, um die Aufmerksamkeit der Vorübergehenden aus sich zu lenken, bemerkte er mit Schrecken, daß nur sein Gehirn noch lebensthätig war, daß aber sein völlig gelähmter Körper sich sträubte den Willen des Geistes auszuführen. Er befand steh in derselben Lage wie ein Scheintodter, der alle Vorbereitungen zu seinem Begräbniß sieht, ohne dieselben verhindern zu können.

Die Fußtritte kamen näher, sie wurden mit jeder Minute, mit jeder Secunde vernehmbarer, Jean Oullier glaubte, jeder Stein, der unter diesen Fußtritten rollte, treffe sein Herz. Je mehr er sich anstrengte; desto größer wurde seine Angst; seine Haare sträubten sich, ein kalter Schweiß rann ihm von der Stirn – dieser Zustand war furchtbarer als der Tod. Der Todte fühlt ja nichts.

Das Weib ging vorüber. Jean Oullier hörte ihre Kleider an den Dornen rauschen, als ob diese sie zurückhalten wollten. Er sah die dunklen Umrisse der Gestalt, dann entfernte sie sich und ihre Fußtritte verhallten nach und nach in dem Rauschen des vom Winde geschüttelten dürren Heidekrautes.

Der Unglückliche hatte nun keine Hoffnung mehr; er verzichtete auf den entsetzlichen Kampf mit sich selbst. Er wurde wieder etwas ruhiger; er fing an im Stillen zu beten.

Er war so sehr mit dem Gedanken an die Einigkeit beschäftigt, daß er das Rauschen eines durch die niedrigen Büsche sich hindurcharbeitenden Hundes nicht hörte und die Anwesenheit des Thieres erst bemerkte, als dessen schnaubender Athem sein Gesicht berührte.

Den Kopf konnte er nicht bewegen, aber er wandte seine Augen nach der Seite hin und sah einen Spitz, der ihn verwundert und fast mitleidig anstarrte.

Als der Hund sah, daß Jean Oullier lebte, sprang er zurück und fing an zu bellen.

Jean Oullier glaubte nun zu hören, daß der Hund gerufen wurde; aber dieser ging nicht von der Stelle und hörte nicht auf zu bellen.

Er bekam wieder einige Hoffnung und diese sollte nicht getäuscht werden.

Des Rufens müde und neugierig die Ursache des Gebells zu erfahren, kehrte die Bäuerin um.

Der Zufall oder vielmehr die Vorsehung wollte, daß diese Bäuerin – die Witwe Picaut war.

Sie kam näher und bemerkte einen im Graben liegenden Mann; sie bückte sich und erkannte Jean Oullier.

Im ersten Momente hielt sie ihn für todt; aber sie sah, daß er sie mit weit geöffneten Augen anstarrte. Sie hielt die Hand auf sein Herz und fühlte, daß es schlug. Sie richtete ihn auf, spritzte ihm einige Tropfen Wasser ins Gesicht und befeuchtete ihm Lippen und Zunge. Nach und nach schien ihn die Berührung mit einem lebenden Wesen wieder ins Leben zurückzurufen; er fühlte das auf ihm lastende Gewicht gehoben, seine erstarrten Glieder warm werden. Bald quollen Thränen des Dankes aus seinen Augen und rollten über seine gebräunten Wangen. Er faßte die Hand der Witwe Picaut und führte sie zu seinen Lippen.

Die Witwe war ebenfalls tief gerührt; obgleich Philippistin, schätzte sie doch den alten Chouan sehr hoch.

»Was ist Euch denn geschehen, lieber Jean?« fragte sie. »Was ich thue, versteht sich ja von selbst; ich würde es für jeden Andern auch thun – um so mehr für einen so braven Mann, wie Ihr seyd.«

»Aber« —« hauchte Jean Oullier.

Er bewegte die Lippen, aber er konnte mit dem ersten Athemzuge nicht mehr sagen.

»Aber was?« fragte die Witwe.

Oullier bot alle seine Kraft auf und setzte hinzu:

»Aber ich verdanke Euch doch das Leben.«

»Oh, saget doch das nicht!«

»Ja wohl! ich wäre hier gestorben, wenn Ihr nicht, gekommen wäret.«

»Oder vielmehr, wenn Euch mein Hund nicht gefunden hätte. Ihr sehet wohl, Jean, daß Ihr nicht mir, sondern dem lieben Gott danken müßt. Seyd Ihr denn verwundet?« setzte die Witwe erschrocken hinzu, als sie ihn mit Blut bedeckt sah.

»Nein, ich habe mich nur geritzt. Das Schlimmste ist, daß ich mir den Fuß verrenkt habe. Dazu kommt, daß ich seit sechzig Stunden nichts gegessen habe – ich wäre verhungert.«

»Ach, mein Gott! – Aber wartet; ich wollte eben den Leuten, die mir Streu auf der Heide machen, zu essen bringen. Ihr könnt die Suppe essen.«

Die Witwe stellte ihr Bündel auf die Erde, knüpfte die vier Zipfel eines Tuches auf, in welchem sie eine Schale mit warmer Suppe und Fleisch trug. Sie gab dem alten Chouan einige Löffel voll.

 

Jean Oullier athmete tief auf, er fühlte seine Kräfte wieder kommen, als er die warme stärkende Speise verzehrte.

Das ernste traurige Gesicht der Witwe erheiterte sich.

»Jetzt,« sagte sie, sich zu ihm sehend, müßt Ihr auf eure Sicherheit bedacht seyn, denn die Rothhosen sind Euch gewiß auf der Spur.«

»Ach! ich habe alle Kraft verloren,« antwortete Jean Oullier. »Es werden Monate vergehen, ehe ich wieder flink auf den Füßen bin, wie es nöthig ist, wenn ich nicht im Kerker verfaulen will. Wißt Ihr, was ich möchte?« setzte er seufzend hinzu, »Maître Jacques aufsuchen. Er würde mich in einen seiner Schlupfwinkel bringen, und dort könnte ich bleiben, bis mein Fuß geheilt ist.«

»Aber euer Herr und seine Töchter?«

»Mein Herr wird so bald nicht wieder nach Souday kommen und er hat Recht.«

»Was wird er denn thun?«

»Wahrscheinlich wird er mit seinen Töchtern wieder übers Meer gehen.«

»Was fällt Euch ein, Jean! Ihr wollt mitten unter den Banditen, die Maître Jacques begleiten, euer Krankenlager aufschlagen? Da würdet Ihr schön gepflegt werden!«

»Er ist der Einzige, der mich aufnehmen kann, ohne sich in Gefahr zu bringen.«

»Denkt Ihr denn nicht an mich? Das ist nicht schön von Euch, Jean!«

»Ihr wolltet mich aufnehmen?«

»Ja wohl.«

»Kennt Ihr denn die Verordnungen nicht?«

»Was für Verordnungen?«

»Die Jedermann, der einen Chouan beherbergt, mit schweren Strafen bedrohen.«

»Solche Verordnungen lieber Jean, wurden nur für Spitzbuben, nicht für ehrliche Leute erlassen.«

»Ueberdies haßt Ihr ja die Chouans —«

»Nein, nur das Raubgesindel aller Parteien hasse ich. Mein armer Pascal ist von solchen Banditen umgebracht worden, und an diesen werde ich seinen Tod rächen, wenn ich kann. Aber Ihr, Jean, traget die Cocarde der braven Männer, gleichviel, ob sie weiß oder dreifarbig ist, und ich will Euch retten.«

»Aber ich kann keinen Schritt gehen.«

»Das thut nichts. Wenn Ihr gehen könntet, Jean, so würde ich Euch zu dieser Stunde nicht in mein Haus lassen; nicht als ob mir um mich bange wäre, aber seit dem Tode des armen jungen Mannes fürchte ich Verrath. Versteckt Euch im Gebüsch; in der Nacht hole ich Euch mit einem Karren und morgen lasse ich den Bader von Machecoul kommen. Er wird Euch den Fuß wieder einrichten, und in drei Tagen werdet Ihr wieder laufen wie ein Kaninchen.«

»Das wäre freilich besser, aber —«

»Würdet Ihr denn für mich nicht dasselbe thun?«

»Ihr wißt ja, daß ich für Euch durch’s Feuer gehen würde.«

»Es ist also abgemacht; in der Nacht hole ich Euch.«

»Ich nehme es an – und verlaßt Euch darauf, daß ich nicht undankbar seyn werde.«

»Ich thue es nicht wegen des Dankes, Jean, sondern weil es Christenpflicht ist.«

Sie sah sich um.

»Was sucht Ihr?« fragte Jean.

»Ich dachte, auf der Heide würdet Ihr mehr in Sicherheit seyn als hier.«

»Ich kann nicht von der Stelle,« sagte Oullier, indem er der Witwe seine wunden Hände und seinen geschwollenen Fuß zeigte.

»Uebrigens ist dieses Versteck nicht schlecht; Ihr seyd ja dicht am Gebüsch vorbeigegangen, ohne zu ahnen, daß hier ein Mensch lag.«

»Das ist wahr, aber ein Hund kann vorbeikommen und Euch wittern, so wie Euch mein Hund gewittert hat. Der Krieg ist wohl zu Ende; aber jetzt kommt die Zeit der Angebereien, oder sie ist schon gekommen.«

»Bah!« entgegnete Jean Oullier, »man muß dem lieben Gott auch etwas überlassen.«

Die Witwe war nicht minder frommgläubig, als der alte Chouan. Sie gab ihm ein Stück Brot, schnitt ihm einen Arm voll Heidekraut ab und machte ihm damit ein Lager zurecht; dann hob sie um ihn die Dornenzweige und das Gestrüpp auf, um ihn den Blicken der Vorübergehenden zu entziehen, ermahnte ihn zur Geduld und entfernte sich.

Jean Oullier machte es sich möglichst bequem auf seinem Heidelager. Er sprach ein stilles Dankgebet, aß sein Stück Brot und versank in einen tiefen Schlaf.

Nach einigen Stunden der Ruhe wurde er durch laute Stimmen aus seinem Schlummer geweckt. Er glaubte den Namen seiner jungen Gebieterinnen nennen zu hören; der Gedanke, daß Mary oder Bertha in Gefahr sey, machte ihn schnell munter. Er richtete sich auf, stützte sich aus den Ellbogen, machte vorsichtig das um ihn aufgeschichtete Gestrüpp; auseinander und schaute auf den Weg.

Die Nacht war nicht sehr finster, er konnte die dunklen Umrisse von zwei Männern unterscheiden, die auf der andern Seite des Weges saßen.

»Warum habt Ihr sie nicht weiter verfolgt, nachdem Ihr sie erkannt?« sagte der Eine, den Jean Oullier an seinem sehr bemerkbaren deutschen Accent als einen Fremden erkannte.

»Ach! ich traute ihr so viel Schlauheit nicht zu,« erwiderte der Andere, »sie hat mich wirklich bei der Nase geführt.«

»Ihr könnt Euch darauf verlassen, daß die, welche wir suchen, unter den Bäuerinnen war, von denen sich Mary von Souday trennte, um Euch entgegenzugehen.«

»Das glaube ich auch. Denn als ich die Bäuerinnen fragte, wo das Mädchen geblieben sey, antworteten sie, daß sie mit ihrer Freundin zurückgeblieben sey.«

»Was thatet Ihr da?«

»Ich brachte meinen Gaul ins Wirthshaus und erwaretete sie an der Straßenecke.«

»Und zwar vergebens?«

»Ja, länger als zwei Stunden.«

»Sie werden einen Seitenweg eingeschlagen haben und in ein anderes Thor gegangen seyn.«

»Ja, ganz gewiß.«

»Das ist fatal. Wer weiß, ob Euch das Glück wieder so günstig seyn wird.«

»O! es wird sich schon eine andere Gelegenheit finden.«

»Wie so?«

»Ich habe – wie mein Nachbar, der Marquis von Souday oder mein seliger Herzensfreund Jean Oullier zu sagen pflegte – ich habe zu Hause einen Schweißhund, der für diese Jagd ganz vortrefflich ist.«

»Einen Schweißhund?«

»Ja, einen famosen Schweißhund. Er kann freilich den einen Vorderfuß nicht rühren, aber sobald er geheilt ist, lege ich ihm einen Strick um den Hals, und er wird uns auf die Fährte bringen, ohne daß wir uns zu bemühen brauchen; wir müssen nur Acht geben, daß er in seinem Eifer den Strick nicht zerreiße.«

»Scherz bei Seite! Wir haben von ernsten Dingen zu reden.«

»Glauben Sie denn, ich scherze, wenn ich die versprochenen fünfzigtausend Franks zu verdienen habe? Denn fünfzigtausend sagten Sie doch, nicht wahr?«

»Ihr solltet es doch wissen, denn Ihr habt mich wohl zwanzigmal gefragt.«

»Ja wohl, aber ich höre es immer gern wieder, so wie ich nicht müde würde, die Thaler zu zählen, wenn ich sie hätte.«

»Liefert uns die Person aus, und Ihr sollt sie haben.«

»O! ich höre die Goldfüchse schon klingen – klingling!«

»Jetzt sagt mir aber, was Ihr mit dem Spürhunde meint.«

»Sehr gern, aber —«

»Was aber?«

»Umsonst ist der Tod.«

»Was meint Ihr damit!«

»Mein lieber Herr, ich hab’s Ihnen schon gesagt: ich will der Regierung gern gefällig seyn, erstens weil sie meine Achtung hat und zweitens, weil ich den Edelleuten, die ich hasse, dadurch einen Possen spiele. Aber für meine Gefälligkeit möchte ich doch auch einen klingenden Lohn haben; ich habe der Regierung bis jetzt immer gegeben und nichts von ihr empfangen. Und wer steht mir dafür, daß man uns auch wirklich geben wird, was man uns – oder vielmehr Ihnen versprochen hat, wenn die betreffende Person eingefangen ist?«

»Ihr seyd toll!«

»Ich wäre toll, wenn ich nicht sagte, was ich sage. Ich gehe gern sicher, und aufrichtig gesagt, ich sehe bei diesem Geschäft sehr wenig Sicherheit.«

»Ihr seyd in derselben Lage wie ich. Eine hohe Person hat mir für die Erfüllung meiner übernommenen Verbindlichkeit eine Stimme von hunderttausend Francs versprochen.«

»Hunderttausend Francs! Das ist sehr wenig für eine so weite Reise. Gestehen Sie nur zweihunderttausend ein, von denen Sie mir nur den vierten Theil geben, weil ich an Ort und Stelle bin und mich nicht zu bemühen brauche. Schwerenoth! zweihunderttausend! eine hübsche runde Summe! Nun, zu der Regierung kann man schon Vertrauen haben; aber können Sie verlangen; daß ich dasselbe Vertrauen zu Ihnen haben soll? Wer steht mir dafür, daß Sie sich mit dem Gelde nicht aus dem Staube machen, denn Sie bekommen ja im die Hände. Und wenn’s geschieht, bei welchem Gericht kann ich Sie verklagen?«

»Lieber Freund, in der Politik muß das Vertrauen jeden Vertrag schließen.«

»Deshalb werden die politischen Verträge auch so gut gehalten. Ich gestehe, daß mir eine andere Bürgschaft lieber wäre.«

»Was für eine?«

»Die Ihrige, oder die des Ministers, mit dem Sie zu thun haben.«

»Nun, man wird Euch schon zufriedenstellen.«

»Still!«

»Was ist’s?«

»Haben Sie nichts gehört?«

»Ja, es kommt Jemand: ich glaube das Knarren von Wagenrädern zu hören.

Die beiden Männer standen auf, und in dein Mondlicht, das ihnen nun aufs Gesicht fiel, konnte Jean Oullier, der das ganze Gespräch belauscht hatte, ihre Gesichter sehen.

Der Eine war ihm ganz unbekannt, aber in dem Andern fand er Courtin wieder, den er übrigens schon an der Stimme erkannt hatte.

»Wir wollen uns entfernen,« sagte der Unbekannte.

»Nein,« erwiderte Courtin, »ich habe Ihnen noch viel zu sagen. Wir wollen uns in jenem Gebüsch verstecken, den Störenfried vorbeifahren lassen und unser Geschäft abthun.«

Beide gingen auf das Gebüsch zu.

Jean Oullier sah, ein daß er verloren war; aber da er sich nicht wollte fangen lassen wie ein Hase im Lager, so richtete er sich auf und zog aus dem Gürtel sein Messer, das freilich keine Spitze mehr hatte, aber in einem Kampfe Mann gegen Mann noch seine Dienste thun konnte.

Er hatte sonst keine Waffen bei sich; die beiden Männer waren vermuthlich unbewaffnet.

Aber Courtin, der einen Mann im Gebüsch sich aufrichten sah und das Rascheln der Dornen hörte, trat drei Schritte zurück, ohne die seltsame Erscheinung aus den Augen zu lassen, nahm seine im Graben versteckte Doppelflinte auf, spannte den einen Hahn, legte an und schoß.

Ein dumpfer Schrei folgte dem Knall.

»Was habt Ihr gethan?« fragte der Unbekannte, der Courtins Handlungsweise vielleicht etwas zu voreilig fand.

»Haben Sie denn nicht gesehen?« antwortete Courtin bleich und zitternd, »es hat uns Jemand belauscht.«

Der Fremde ging an das Gebüsch und bog die Zweige auseinander.

»Nehmen Sie sich in Acht!« warnte Courtin, »wenn’s ein Chouan und noch Leben in ihm ist, so wird er den Schuß erwiedern.«

Courtin, der inzwischen den zweiten Hahn seiner Doppelflinte gespannt hatte, trat etwas zurück und hielt sich schußfertig.

»Es ist wirklich ein Bauer,« sagte der Unbekannte, »aber er scheint todt zu seyn.«

Er faßte den alten Chouan beim Kragen und zog ihn aus dem Graben.

Courtin trat vorsichtig näher, als er sah, daß sich der Mann nicht regte.

»Jean Oullier!« rief er, als er den Vendéer erkannte. »Jean Oullier! Wahrhaftig, ich habe nie geglaubt, daß ich einmal Jemanden umbringen würde; aber in des Teufels Namen! da es einmal seyn sollte, so ist’s besser, daß dieser es ist als ein Anderer. Das heiße ich einen glücklichen Schuß!«

»Aber der Wagen kommt näher,« mahnte der Unbekannte.

»Ja, es geht nicht mehr bergan, und man hat das Pferd in Trab gesetzt. Es ist keine Zeit zu verlieren, wir müssen uns beeilen. Ist er wirklich todt?«

»Es scheint so.«

»Dann fort.«

Der Unbekannte, der den Oberkörper Oullier’s gehalten hatte, ließ ihn los und der Kopf fiel mit einem dumpfen Schlage auf die Erde.

»Ja, er ist mausetodt!« sagte Courtin, und ohne sich näher heranzuwagen, setzte er, auf den leblosen Körper deutend hinzu: »Unsere Prämie ist uns jetzt sicherer als durch alle Unterschriften. Dieser Todte ist zweihunderttausend Francs werth.«

»Wie?«

»Er war der Einzige, der mir den Spürhund, den ich vorhin erwähnte, hätte entreißen können. Ich glaubte, er sey schon todt, aber ich irrte mich. Jetzt weiß ich gewiß, daß er abgethan ist. Jetzt fort.«

»Ja, denn da kommt der Wagen schon.«

Der Karren war wirklich nur noch hundert Schritte von dem Gebüsche entfernt.

Die beiden Männer liefen auf die Heide und verschwanden in der Dunkelheit, während die Witwe Picaut, die den Schuß gehört hatte, erschrocken herbeieilte, um ihrem Versprechen gemäß den alten Chouan zu holen.

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