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Die Zwillingsschwestern von Machecoul

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Courte-Joie entschied sich daher für das Kreuz, welches Trigaud auf seinen Befehl zu erreichen suchte.

In dem Augenblicke, als der Bettler hinter den steinernen Obelisk schlüpfen wollte, schlug eine Kugel an das Kreuz und verwundete im Abprallen den Krüppel an der Wange; dieser aber ließ sich dadurch nicht abhalten, auf seine Verfolger zu feuern.

Zum Unglücke fiel das Blut aus Aubins Munde auf die Hand des Bettlers. Trigaud brüllte vor Wuth, als ob er nur die Verletzungen seines Cameraden gefühlt hätte. Statt hinter dem Kreuze Schutz zu suchen, stürzte er auf die Soldaten los, wie ein angeschossener Eber auf den Jäger.

Die beiden Chouans sahen sich im Augenblick von Säbeln und Pistolen umringt. Ein Reiter streckte die Hand aus, um Courte-Joie zu ergreifen. Aber Trigaud’s Keule traf das Bein des Reiters, der mit einem lauten Schrei vom Pferde stürzte.

In demselben Moment fielen mehre Schüsse. Trigaud ward in die Brust getroffen, Aubins linker Arm zerschmettert.

Der riesige Bettler schien den Schmerz nicht zu fühlen; er schlug mit seiner Keule um sich, zerbrach zwei oder drei Säbel und wehrte die andern ab.

»Hinter das Kreuz!« rief ihm Courte-Joie zu. »Es ist ein guter Platz zum Sterben.»

»Ja,« antwortete Trigaud mit Ingrimm, und schlug, ehe er den Befehl vollzog, noch einen Husaren nieder.

Dann ging er rückwärts auf das Kreuz zu, um seinen Freund möglichst zu decken.

»Mille tonnerres!» rief der Brigadier, »wir verlieren wahrhaftig zu viel Zeit, Menschenleben und Pulver wegen dieser beiden Bettler!«

Er spornte sein Pferd und sprengte auf die beiden Vendéer los. Der Kopf des Pferdes rannte gegen die Brust Trigaud’s, und der Stoß war so heftig, daß der Koloß auf die Knie fiel.

Der Retter benützte diesen Sturz, um dein Krüppel einen Säbelhieb über den Kopf zu geben.

»Wirf mich unter das Kreuz und laufe fort, wenn Du kannst,« sagte Courte-Joie mit matter Stimme, »denn mit mir ist’s aus.«

Dann begann er das Gebet: »Gott, nimm meine Seele!«

Aber der Koloß achtete nicht mehr auf seine Worte. Von Blut trunken fing er an zu brüllen wie ein verendender Löwe. Seine sonst glanzlosen Augen sprühten Feuer, er fletschte die Zähne, sein ganzes Gesicht hatte einen wüthenden Ausdruck. Trigaud konnte den Reiter, der den Krüppel so schwer verwundet hatte, mit der Keule nicht mehr erreichen; aber er schwenkte seine schwere Waffe, maß mit einem Blick die Entfernung, die ihn von dem Reiter trennte, und warf ihm die Keule mit einer Kraft nach, als ob sie aus einem Wurfgeschoß geschleudert würde.

Der Reiter ließ das Pferd bäumen und deckte sich dadurch gegen den Wurf; aber das Pferd stürzte mit zerschmettertem Kopf nieder.

Trigaud stürzte mit gräßlichem Geschrei auf den Reiter los, dessen Bein unter dem Pferde festsaß, parirte den Säbelhieb des Husaren mit dem Arme, der eine tiefe Wunde erhielt, faßte ihn bei einem Bein, zog ihn an sich, riß ihn empor und zerschmetterte ihm den Kopf an dem steinernen Kreuz.

Der schon etwas baufällige Obelisk wankte und blieb mit Blut bedeckt.

Die übrigen Reiter waren wüthend, aber sie mochten nicht Mann gegen Mann mit dem riesigen Bettler kämpfen, sie luden ihre Pistolen wieder.

Unterdessen gab Aubin Courte-Joie den Geist auf; sein letztes Wort war: »Amen.«

Als Trigaud seinen geliebten Herrn aus seinen Schultern zusammensinken fühlte, setzte er sich auf die Grundplatte des Kreuzes, als ob ihn die Vorkehrungen der Husaren nicht kümmerten, schnallte den Leichnam Aubin’s los, nahm ihn auf den Schooß, betrachtete sein bleiches Antlitz, wischte mit seinem Aermel das Blut von seinen Wagen, und ein Strom von Thränen – die ersten, welche der stumpfsinnige Koloß je vergossen – rann ihm über die gebräunten Wangen.

Die Husaren feuerten. Zwei neue Wundem die er erhielt, und einige Kugeln, die in den Leichnam schlugen, entrissen ihn seinem stummen Schmerz. Er richtete sich auf. Die Husaren glaubten, er werde auf sie losstürzen; sie zogen ihre Säbel und hielten sich zur Abwehr bereit.

Aber der Bettler sah sie nicht einmal an; er dachte nicht mehr an sie, er sann nur auf ein Mittel nach dem Tode nicht mehr von seinem Freunde getrennt zu seyn, und er schien einen Ort zu suchen, der ihm die Gewißheit der Vereinigung in der Ewigkeit gab.

Er ging aus den Fluß zu.

Trigaud blutete aus fünf bis sechs Schußwundem aber sein Gang war gerade und sicher. Er kam ans Ufer, ohne daß ein Soldat ihn daran hinderte. Das Ufer war hoch und steil; die dunkle Farbe des ruhig und langsam dahinfließenden Wassers zeigte eine beträchtliche Tiefe an. Trigaud drückte den Leichnam des armen Krüppels fest an sich, sammelte alle seine noch übrige Kraft und stürzte sich, ohne einen Laut hören zu lassen, in den Fluß.

Das Wasser spritzte hoch empor unter der gewaltigen Masse, die es verschlang; es wallte noch lange auf an der Stelle, wo Trigaud mit seinem Freunde verschwunden war, und bildete endlich große Ringe, die sich bis zum Ufer ausdehnten.

Die Reiter sprengten herbei; sie dachten, der Bettler habe sich ins Wasser gestürzt, um zum andern Ufer hinüberzuschwimmen, und hielten ihre Carabiner schußfertig, um auf ihn zu feuern, sobald er wieder auftauchen würde, um Athem zu schöpfen.

Aber Trigaud kam nicht wieder zum Vorschein; seine Seele fand die des einzigen Wesens wieder, das er auf Erden geliebt hatte, und ihre Körper ruhten sanft auf dem tiefen Grunde der Maine.

XVI.
Unerwartete Hilfe

In der letztverflossenen Woche hatte sich Maître Courtin mit seiner bekannten Vorsicht ganz ruhig hinter den Wänden des Meierhofes zu La Logerie verborgen gehalten.

Wie alle Diplomaten war Courtin kein Freund vom Kriege; er berechnete ganz richtig, daß die Zeit der Säbelhiebe und Musketenschüsse schnell vorübergehen werde, und war nur darauf bedacht, sich frisch und munter zu halten für den Moment, wo er der Sache und sich selbst nützlich seyn könnte, um von den geringen Mitteln, die ihm die Natur verliehen, einen guten Gebrauch zu machen.

Ueberdies war er nicht ohne Besorgniß über die möglichen Folgen der Rolle, die er bei der Verhaftung Oulliers und dem tragischen Ende Bonnevilles gespielt hatte; das ganze Landvolk, von Haß und Rachgier erfüllt, war mit guten Gewehren bewaffnet ausgezogen, er hielt es daher für gerathen, den Schaaren der Royalisten nicht unbesonnen in den Weg zu treten.

Sogar seinem bisher so harmlosen jungen Gutsherrn, dem Baron Michel, mochte er nicht begegnen, seitdem er eines Abends den Sattelgurt seines Pferdes zerschnitten hatte. Courtin glaubte dem Tode am besten zu entgehen, wenn er sich halb todt stellte und in’s Bett kroch, und von seiner Hausmagd im Dorfe das Gerücht verbreiten ließ, er sey von einem sehr bösartigen Fieber befallen und schwebe am Rande des Grabes.

Die Baronin von La Logerie hatte in ihrer Besorgniß um Michel schon zweimal zu ihrem Pächter geschickt, aber Courtin konnte der Einladung nicht Folge leisten und die stolze Dame mußte sich entschließen, den angeblichen Patienten zu besuchen.

Sie hatte gehört, daß ihr Sohn verhaftet worden sey. Sie wollte sich nach Nantes begeben, und ihren ganzen Einfluß geltend machen, um ihn zu befreien und aus diesem Unglückslande zu entfernen. In keinem Fall würde sie so bald wieder nach La Logerie kommen, wo der Aufenthalt wegen des bevorstehenden Kampfes gefährlich war, und sie wünschte Courtin zu sprechen, um ihm die Aufsicht über ihr Haus dringend zu empfehlen.

Courtin versprach es ihr mit so kläglicher Stimme, daß sie ungeachtet ihres eigenen Kummers den armen Teufel herzlich bedauerte.

Dann kamen die Gefechte zu Duchesne und La Penissière. Man konnte das Gewehrfeuer in La Logerie hören, und Courtin schwebte in großer Angst. Als er aber den Ausgang dieser beiden Gefechte erfuhr, verließ er vollkommen genesen sein Bett.

Am andern Morgen fühlte er sich schon wieder so stark, daß er sich, trotz der Gegenvorstellungen seiner Magd, nach Montaigu begab, um von dem Unterpräfecten Verhaltungsbefehle einzuholen.

Der Geier witterte Aas und wollte seinen Antheil an der Beute haben.

In Montaigu erfuhr Courtin, daß er einen vergeblichen Weg gemacht hatte. Das Département war unter die Leitung der Militärbehörde gestellt worden. Der Unterpräfect gab ihm daher den Rath, nach Aigrefeuille zu gehen und seine Instructionen von dem dort befindlichen General zu holen.

Der biedere alte General hatte eine Abneigung gegen Menschen von Courtins Charakter; er behandelte daher den Maire von La Logerie mit großer Kälte und beachtete kaum die Angebereien, durch welche dieser seine »gute Gesinnung« bethätigen zu müssen glaubte.

Er ging indeß auf den Vorschlag Courtin’s ein, in das Schloß, dessen Lage ihm sehr günstig schien, das Land zwischen Machecoul und St. Colombin im Zaume zu halten, eine Garnison zu legen.

Der Himmel war dem Maire wohl eine Entschädigung schuldig für den kalten Empfang, den er bei dem General gefunden. Diese Entschädigung sollte ihm bald zu Theil werden.

Als er nämlich das Haus verließ, in welchem sich das Hauptquartier befand, wurde er von einem Mann angeredet, der ihm nicht bekannt war, aber sich trotzdem äußerst höflich und zuvorkommend gegen ihn benahm.

Es war ein Mann von etwa dreißig Jahren, schwarz gekleidet, fast wie die Geistlichen in der Stadt. Er hatte eine eingedrückte Stirn, eine Habichtsnase und dünne, aber in Folge des eigenthümlichen Baues der Kinnlade weit hervorstehende Lippen; sein Kinn bildete einen sehr spitzen Winkel, sein schwarzes Haar war glatt gekämmt, seine grauen Augen schauten lauernd hinter den blinzelnden Lidern hervor. Es war der Form nach ein Judengesicht, der Ausdruck aber war ganz jesuitisch.

Einige Worte die der Unbekannte dem Maire zuflüsterte, schienen das Mißtrauen, mit welchem dieser die Freundlichkeit des Schwarzen aufgenommen, ganz zu beseitigen; denn Courtin nahm das ihm angebotene Mittagessen bereitwillig an.

 

Der Mann, dessen Porträt wir flüchtig skizziert haben, begab sich mit Courtin in den Gasthof, ließ in seinem Zimmer den Tisch decken, und nach einer zweistündigen Unterredung ohne Zeugen waren die Beiden so vollkommen einverstanden, daß sie einander wie alte Freunde behandelten und mit einem mehrmals wiederholten warmen Händedruck schieden. Als der Maire von La Logerie bereits seinen Klepper bestiegen hatte, erneuerte er dem Unbekannten noch einmal das Versprechen, bald von sich hören zu lassen.

Es war neun Uhr Abends, als Courtin nach La Logerie zurückkehrte. Er schien seelenvergnügt, und schwenkte seinen mit Leder beschlagenen Stock mit dem unternehmenden Anstande und der Munterkeit eines jungen Springinsfeld. Sein Kopf war offenbar ganz voll von rosenfarbenen Gedanken. Er hatte vor Allem die trostreiche Gewißheit, dass er am andern Morgen beim Erwachen einen Büchsenschuß vor dem Meierhofe eine halbe Compagnie Soldaten haben werde; er konnte daher ganz unbesorgt seyn wegen der Folgen seiner bereits verübten und noch beabsichtigten Thaten. In seiner Eigenschaft als Maire konnte er, nach Bedürfniß oder Gefallen, vielleicht über diese fünfzig Bajonnete verfügen.

Dies schmeichelte seiner Eigenliebe, und er sah darin auch ein Mittel zur Befriedigung seines Hasses. Aber wie anlockend auch diese Aussicht auf eine Prätorianerwache war, die er mit einiger Schlauheit zu seiner Leibwache machen konnte, so wäre sie doch nicht genügend gewesen, einen so schwer zu befriedigenden, habsüchtigen Menschen so vergnügt zu machen. Der Unbekannte hatte ihm gewiss etwas ganz Anderes in Aussicht gestellt, als den Schimmer einer eitlen Ehre; denn Maître Courtin sah in dem Nebel der Zukunft nicht mehr und nicht weniger als Haufen Goldes und Silbers, nach denen er begierig die Hände ausstreckte.

Mit diesen lieblichen Phantasiegebilden beschäftigt und trunken von dem Wein, den ihm der Fremde reichlich eingeschenkt, versank Courtin in einen halb wachen Zustand; sein Oberkörper schwankte hin und her, und als der Klepper an einem Stein stolperte, fiel der gold- und weinselige Reiter nach vorn. Der Sattelknopf bot ihm zum Glück eine Handhabe, sonst wäre er über den Hals des Pferdes gestürzt.

Die Stellung war nichts weniger als bequem, und gleichwohl kam es ihm nicht in den Sinn, eine andere zu wählen, er hatte eben einen gar zu herrlichen Traum, den er um keinen Preis unterbrechen mochte.

Er glaubte seinen jungen Gutsherrn zu sehen, der mit der Hand auf die Besitzung La Logerie zeigte und zu ihm sagte: Alles dies ist dein! Das Geschenk war noch beträchtlicher, als es anfangs schien, denn Courtin fand darin eine Quelle unermeßlichen Reichthums. Die Apfelbäume waren mit goldenen und silbernen Früchten beladen, und die Aeste brachen trotz der Stützen unter der Last. Die wilden Rosensträuche trugen Edelsteine von allen Farben, die in der Sonne funkelten. Im Stalle fand er eine lange Reihe fetter Kühe, und unter jeder saß ein hübsches junges Mädchen und molk. Die beiden ersten Mädchen waren den Töchtern des Marquis von Souday täuschend ähnlich. Die den Eutern der Kühe entströmende Milch war bald weiß, bald gelb, aber immer glänzend wie flüssiges Metall, und gab beim Fallen in die kupfernen Eimer den für seine Ohren so lieblichen Ton von Gold- und Silberstücken. Und als er in die Eimer schaute, bemerkte er, daß sie halb voll von Napoleons und Thalern waren.

Als er eben mit seinen gierigen Händen einen Griff in einen Eimer thun wollte, wurde er durch einen heftigen Stoß und einen Hilferuf aus seinem lieblichen Traume geweckt.

Courtin riß die Augen auf und bemerkte in der Dunkelheit eine Bäuerin, die mit zerzausten Kleidern und aufgelösten Haaren vor seinem Pferde stand und flehend die Hände nach ihm ausstreckte.

»Was wollt Ihr?« fragte Courtin mit rauher Baßstimme, mit der er seine Amtsmiene zu begleiten pflegte und hob drohend seinen Stock.

»Ich bitte Euch um Gottes willen, mein lieber Mann, helft mir!«

Courtin, der sich anfangs scheu umgesehen, beruhigte sich, als er sich überzeugte, daß die Störung nur von einem Frauenzimmer herrührte.

»Ihr begeht eine Uebertretung, meine Liebe,« sagte er, »man darf die Leute nicht auf offener Straße um Almosen bitten.«

»Wer spricht denn von Almosen?« erwiderte die Unbekannte mit einer Würde, die Courtin etwas in Verlegenheit setzte, »ich will ja nur, daß Ihr einem Unglücklichen, der vor Ermüdung und Kälte umkommt, zu Hilfe eilt; ich will, daß Ihr ihm euer Pferd leiht, um ihn auf einen Meierhof in der Nachbarschaft zu bringen.«

»Wer ist denn der Mann, dem ich mein Pferd leihen soll?«

»Eurer Kleidung nach scheint ihr aus dieser Gegend zu seyn; ich trage daher kein Bedenken es Euch zu sagen, denn ich bin überzeugt, daß Ihr mich nicht verrathen werdet, wenn Ihr auch meine Meinungen nicht theilet – es ist ein royalistischer Offizier.«

Der Ton der Stimme, die gebildete Sprache der Unbekannten erregte Courtin’s Neugierde. Er neigte sich von seinem Klepper zu ihr, um sie vielleicht zu erkennen; aber es war zu dunkel.

»Wer seyd Ihr denn?« fragte er.

»Was kann Euch daran liegen?«

»Wie könnt Ihr verlangen, dass ich Leuten, die ich nicht kenne, mein Pferd leihe?«

»Ich habe wirklich kein Glück. Eure Antwort beweist mir, daß ich Unrecht hatte, Euch als Freund oder als biedern Feind anzureden. Ich sehe wohl, daß ich in einem andern Tone mit Euch reden mußt Ihr werdet mir auf der Stelle euer Pferd geben!«

»Wirklich!«

»Ich gebe Euch zwei Minuten Bedenkzeit.«

»Und wenn ich’s abschlage?«

»Dann schieße ich Euch nieder!« antwortete die Bäuerin und setzte dem Maire ein Pistol auf die Brust.

Zugleich spannte sie den Hahn und bewies dadurch, dass sie nur eine Minute Zeit brauchte, ihre Drohung in Ausführung zu bringen.

Jetzt erkenne ich Sie, ohne Sie gesehen zu haben,« sagte Courtin, »Sie sind das Fräulein von Souday.«

Und ohne weitere Drohungen abzuwarten, stieg er vorn Pferde.

»Gut!« erwiderte Bertha, denn sie war’s, »Jetzt sagt mir euren Namen, und morgen soll Euch das Pferd gebracht werden.

»Es ist nicht nöthig; ich will Ihnen helfen.«

»Ihr? warum seyd Ihr denn auf einmal so bereitwillig?«

»Weil ich errathe, daß der Mann, dem ich helfen soll, der Eigenthümer meines Meierhofes ist.«

»Wie heißt euer Gutsherr?«

»Baron Michel von La Logerie.«

»So! Ihr seyd einer von seinen Pächter? Das freut mich; wir können in eurem Hause ein Obdach finden —«

»Aber,« stammelte Courtin, der keineswegs beruhigt war bei dem Gedanken, dem jungen Baron zu begegnen, zumal als er bedachte, daß die Anwesenheit Michel’s und Bertha’s in seinem Hauses auch einen Besuch des gefürchteten Jean Oullier zur Folge haben werde, »aber ich bin Maire, und —«

»Ihr fürchtet Euch für euren Herrn in Gefahr zu bringen,« unterbrach ihn Bertha mit dem Ausdruck tiefer Verachtung.

»O nein, ich würde mein Blut für den jungen Herrn hingeben; aber wir bekommen noch diese Nacht eine starke Besatzung Soldaten im Schlosse La Logerie.«

»Um so weniger wird man vermuthen, dass Vendéer in ihrer Nähe beherbergt werden.«

»Aber ich glaube – natürlich im Interesse des Herrn Barons – daß Jean Oullier einen Versteck finden würde, wo Sie sicherer wären, als in meinem Hause, wo die Soldaten täglich aus- und eingehen werden.«

»Ach! wahrscheinlich wird der arme Jean Oullier seinen Freunden nichts mehr nützen.«

»Wieso?«

»Wir hörten Vormittags ein heftiges Gewehrfeuer auf der Heide; wir verhielten uns ganz ruhig, wie es verabredet war; aber wir haben ihn vergebens erwartet. Jean Oullier muß todt oder in Gefangenschaft seyn; denn er würde sonst seine Freunde nicht verlassen haben.«

Wenn’s Tag gewesen wäre, hätte Courtin seine Freude über diese Nachricht, die ihn seiner drückendsten Sorge entledigte, schwerlich verbergen können. Aber er war wenigstens Herr seiner Worte, und erwiderte auf Bertha’s dringende Bitte zur Eile:

»Seht gern, so geschwind wie Sie wollen. – Aber wie brandig riecht es hier!«

»Ja, man hat die Heide in Brand gesteckt.«

»So! ein wahres Glück, daß der Herr Baron so gut davongekommen ist.«

»Jean Oullier hatte uns im Schilfrohr des Freneuseteiches versteckt.«

»Daher kommt es also, daß Sie ganz durchnäßt sind? Ich fühlte es vorhin, als ich Ihren Arm faßte, weil ich glaubte, Sie würden fallen.«

»Ja; als Jean Oullier nicht kam, ging ich ans Ufer, um Hilfe zu suchen. Da ich Niemand begegnete, nahm ich Michel auf den Rücken und trug ihn durchs Wasser. Ich wollte ihn bis zum nächsten Hause tragen, aber ich hatte nicht die Kraft, ich mußte ihn auf der Heide zurücklassen; denn wir haben seit vierundzwanzig Stunden nichts gegessen.«

»Sie sind ja eine wahre Heldin!« erwiderte Courtin – der in der Ungewißheit über den Empfang, den er bei seinem jungen Herrn finden würde, die Gelegenheit benützte, sich bei dem Fräulein in Gunst zu setzen. »Das lasse ich gelten! Sie sind wirklich eine Hausfrau für den Herrn Baron – zumal in solchen Zeiten —«

»Ist es denn nicht meine Pflicht, mein Leben für ihn zu opfern?« sagte Bertha.

»Jawohl,« erwiderte Courtin mit Nachdruck, »und mit dieser Pflicht ist es Niemanden mehr Ernst als Ihnen, das kann ich bezeugen. Aber beruhigen Sie sich und gehen Sie nicht so geschwind.»

»Doch ich muß eilen, denn er leidet, er ruft mir – wenn er sich nämlich von seiner Ohnmacht wieder erholt hat.«

»Er war in Ohnmacht gefallen?« sagte Courtin hastig und nicht sehr betrübt, denn er sah in dieser Ohnmacht die Möglichkeit einer sofortigen Erklärung auszuweichen.

»Leider ja; dazu kommt, daß er verwundet ist —«

»Ach, mein Gott!«

»Und der an keine Entbehrungen gewöhnte junge Mann hat seit vierundzwanzig Stunden keine gehörige Pflege gehabt —«

»Gerechter Himmel!«

»Bedenkt auch, daß er den ganzen Tag, im Schilf versteckt, den heißen Sonnenstrahlen ausgesetzt war und diesen Abend sind seine Kleider, trotz meiner Vorsicht, durchnäßt worden; er liegt nun im Fieberfrost —«

»Herr Jesus!«

»Ach wenn ihm ein Unglück begegnet, so würde ich mein ganzes Leben nicht wieder ruhig werden; denn ich habe ihn in Gefahren gebracht, denen er nicht Trotz zu bieten vermochte!« sagte Bertha, deren politische Leidenschaften durch den Liebesschmerz verdrängt worden waren.

Courtin schien auf einmal längere Beine bekommen zu haben, als er die Gewißheit hatte, daß der junge Baron nicht sprechen konnte. Bertha hatte nicht mehr nöthig, ihn anzutreiben, er ging so rasch, daß er seinen Klepper mit Gewalt am Zügel nachschleppen mußte. Da er Jean Oullier nicht mehr zu fürchten hatte, glaubte er sein Benehmen leicht entschuldigen zu können.

Bald kamen Bertha und Courtin an die Stelle, wo Michel zurückgeblieben war. Der junge Baron saß mit dem Rücken an einen Stein gelehnt, sein Kopf war auf die Brust gesenkt. Ohne wirklich ohnmächtig zu seyn, befand er sich in einem Zustande völliger Abspannung, in welchem die Sinne fast ganz unthätig oder abgestumpft sind. Er beachtete Courtin nicht im mindesten, und als ihn dieser mit Bertha’s Hilfe auf das Pferd gesetzt hatte, hielt er, ohne zu wissen, was er that, die Hand des Maire wie die des Fräuleins fest.

Courtin und Bertha gingen zu beiden Seiten des Pferdes und hielten den Verwundeten, der sich sonst nicht hätte aufrecht halten können.

Man kam nach La Logerie. Courtin weckte seine Hausmagd, auf die er nach seiner Versicherung zählen konnte, nahm aus seinem Bett die einzige im Hause vorhandene Matratze und legte den Verwundeten auf eine Art Hängeboden über seiner Stube. Er zeigte dabei so viel Eifer und Selbstverleugnung, daß Bertha am Ende bedauerte, über Courtin eine so ungünstige Meinung gehabt zu haben.

Als Michel’s Wunde verbunden war, ging Bertha in die Kammer der Magd, um ebenfalls einige Stunden zu ruhen.

Courtin blieb allein in seiner Stube; er rieb sich frohlockend die Hände, der Abend war gut. Mit Gewalt hatte er bis dahin nichts durchgesetzt, und er dachte, daß er mit Güte mehr ausrichten werde. Er hatte nicht nöthig, sich in das feindliche Lager zu wagen, denn das feindliche Lager war ja in seinem Hause aufgeschlagen, und er konnte hoffen, alle Geheimnisse der Weißen zu belauschen und zumal über Petit-Pierre etwas Näheres zu erfahren.

Er sann über die von dem Unbekannten zu Aigrefeuille erhaltenen Weisungen nach. Er sollte diesen schnell benachrichtigen, sobald er den Aufenthalt der Vendéerheldin entdecken würde, den Generalen aber nichts mittheilen, weil diese Herren in die Künste der Diplomatie nicht eingeweiht wären und überhaupt von der Politik wenig verstanden.

Durch Michel und Bertha glaubte Courtin das Versteck Petit-Pierre’s erfahren zu können. Seine schönen Träume schienen zur Wirklichkeit zu werden.

 
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