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Die Zwillingsschwestern von Machecoul

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XVII.
Nach Nantes

Mary hatte keine Nachricht von Bertha. Seit dem Abend, wo ihre Schwester die Jaquetmühle verlassen hatte, um Michel aufzusuchen, wußte man nicht, was aus ihr geworden war.

Mary erschöpfte sich in Muthmaßungen. Hatte Michel sich verrathen? Hatte Bertha in ihrer Verzweiflung vielleicht einen unheilvollen Entschluß ausgeführt? War der junge Baron verwundet, vielleicht wohl gar todt? War Bertha unter den feindlichen Kugeln gefallen? Alle diese traurigen Fälle fürchtete Mary für die beiden Theuern, über deren Schicksal sie so sehr in Sorgen war.

Sie bedachte freilich, daß es schwer sey, ihre Spur wiederzufinden, denn Petit-Pierre war mit seinen Umgebungen genöthigt, jeden Abend seinen letzten Aufenthalt, wo er übernachtet, zu verlassen und einen andern Versteck zu suchen. Aber sie meinte doch, daß Bertha durch die mit den Royalisten einverstandenen Landleute ihren Aufenthalt hätte erfahren können, wenn ihr nicht ein Unglück begegnet wäre.

Mary, deren Herz schon so schmerzlich verwundet war, vermochte diesen neuen Schlag kaum zu ertragen. Sie war auf sich selbst beschränkt, konnte sich nicht aussprechen, ihren Schmerz nicht mittheilen; die Anwesenheit des Geliebten hatte ihr Kraft gegeben, den schweren inneren Kampf zu bestehen, nun aber fühlte sie sich nicht mehr stark genug dazu: sie überließ sich nun willenlos, hoffnungslos ihrem Gram und versank in düstere Schwermuth. Statt am Tage von den Anstrengungen der Nacht auszuruhen, lauschte sie vergebens auf die Ankunft ihrer Schwester oder eines Boten, und Stunden lang war sie so tief in ihren Schmerz versunken, das; sie nicht antwortete, wenn sie angeredet wurde.

Mary liebte ihre Schwester, sie bewies es durch das schwere Opfer, welches sie ihr brachte; aber sie mußte sich selbst mit Erröthen gestehen, daß ihre Gedanken nicht ausschließlich auf Bertha gerichtet, dass das Schicksal ihrer Schwester nicht ihre größte Sorge war. Ein anderes, lebhafteres, stärkeres Gefühl hatte ihre Seele erfüllt. Wie heldenmüthig sie dieses Gefühl auch bekämpfte, wie freudig sie dem Glücke ihrer Schwester auch das Opfer brachte, das Bild des Geliebten war doch nie aus ihrem Herzen verdrängt worden, und seit seiner Abwesenheit verging kein Augenblick, ohne dass sie mit einem gewissen schmerzlichen Entzücken an ihn dachte. Es war ihr fast ein Trost, für den Geliebten so viel zu leiden, und allmälig bekam er einen sehr großen, einen zu großen Antheil an ihren Thränen, an den Sorgen um die lange Abwesenheit ihrer Schwester.

Nachdem sie sich ihrer Verzweiflung überlassen, nachdem sie sich in den traurigsten Muthmaßungen über das Schicksal der beiden theuern Wesen erschöpft hatte, fing sie an, ihr Benehmen zu bereuen und sich Vorwürfe zu machen. Sie vergegenwärtigte sich das Verhältniß, in welchem sie, in welchem Bertha zu Michel stand. Sie fragte sich, ob sie nicht Unrecht gethan, das Herz des armen jungen Mannes und zugleich das ihrige zu brechen; ob sie das Recht hatte, über seine Liebe zu verfügen, ob sie nicht verantwortlich sey für das Unglück, das sie verursachen würde, indem sie ihn wider seinen Willen theilnehmen ließ an dem schweren Opfer, das sie ihrer Schwester gebracht.

Dann dachte sie an die Scene auf der Binseninsel. Sie glaubte noch die Stimme zu hören, die ihr sagte: »Ich liebe Dich!« Sie schloß die Augen und es schien ihr, als ob sie den ersten, den einzigen Kuß des Geliebten noch auf ihren Lippen fühlte.

Die Entsagung zu der sie sich aus Liebe zu ihrer Schwester entschlossen, schien ihr nun zu groß für ihre Kraft; sie zürnte sich selbst, daß sie einen unmöglich auszuführenden Entschluß gefaßt, die Liebe nahm wieder Besitz von ihrem Herzen, und die sonst so fromme Mary, die stets gewohnt gewesen war, aus dem Gedanken an das künftige Leben Geduld und Muth zu schöpfen, hatte nicht mehr die Kraft, ihre Blicke zum Himmel emporzurichten: sie wurde ganz von ihrer stürmischen Leidenschaft beherrscht, oder überließ sich einer trostlosen Verzweiflung. Sie dachte, ob der flüchtige Eindruck, den jener einzige Kuß hinterließ, Alles sey, was ihr von dem Liebesglück beschieden, und ob es der Mühe werth sey, ein so freudenloses Leben zu führen.

Der Marquis von Souday hatte die unverkennbaren Spuren des Grames in Mary’s Gesichtszügen endlich bemerkt, aber er hatte die Schuld der übermäßigen Anstrengung zugeschrieben. Er selbst war sehr niedergeschlagen, als er alle seine schönen Träume zerrinnen, die Prophezeiungen des Generals in Erfüllung gehen sah: war doch der Tag der Verfolgungen angebrochen, ehe der alte Royalist den so sehnlich erwarteten Tag des Kampfes erlebt hatte!

Aber er hielt es für die Pflicht des Kriegers, Muth und Entschlossenheit im Unglück zu zeigen. Der Marquis achtete die aus den socialen Verhältnissen hervorgehenden Pflichten gering, aber um so mehr galt bei ihm die militärische Ehre. Wie tief daher sein innerlicher Gram war, so wenig ließ er ihn merken, und er fand in den Wechselfällen des abenteuerlichen Lebens, welches er führte, den Text zu tausend Späßen, durch die er die sorgenvollen Gesichter seiner Gefährten zu erheitern suchte.

Mary hatte ihrem Vater gesagt, daß sich Bertha aus der Jaquetmühle entfernte. Der würdige alte Edelmann hatte wohl vermuthet, daß die Sorge um Michel’s Schicksal und Verhalten dem Entschlusse Bertha’s nicht fremd geblieben. Wie ihm Augenzeugen erzählt, hatte der junge La Logerie, weit entfernt, seine Pflicht zu verletzen, zur Vertheidigung des Schlosses La Penissière muthig beigetragen. Nach der Meinung des Marquis war Jean Oullier, auf dessen Treue und kluge Vorsicht er sich verlassen konnte, bei seiner Tochter und ihrem künftigen Gatten, und der alte Herr war über ihre Abwesenheit nicht mehr besorgt, als ein General über das Schicksal eines auf Kundschaft ausgeschickten Offiziers. Er wußte sich nur nicht zu erklären, warum der junge Baron vorgezogen hatte, an der Seite Oulliers sich die Sporen zu verdienen und nicht lieber bei ihm geblieben war. Dies verdroß ihn ein bisschen.

Petit-Pierre war an demselben Abende genöthigt gewesen, sein nicht mehr sicheres Versteck in der Jaquetmühle sammt den um ihn versammelten vornehmen Legitimisten zu verlassen. Auf der nahen Landstraße hatte man Soldaten mit Gefangenen vorbeiziehen sehen. Man brach in der Nacht auf. Als die kleine Schaar die Landstraße überschreiten wollte, begegnete sie einer Truppenabtheilung, und um diese vorbeiziehen zu lassen, mußten sich die Flüchtlinge länger als eine Stunde in einem mit Gebüsch bedeckten Graben versteckt halten. Das ganze Land wurde Tag und Nacht von mobilen Colonnen durchzogen, und man konnte ihrer Wachsamkeit nur auf Nebenpfaden entgehen.

Am folgenden Tage mußte man weiter ziehen. Petit-Pierre war außerordentlich aufgeregt; seine Seelenleiden verriethen sich durch seine blassen, abgespannten Gesichtszüge, nie durch Worte und Haltung. Mitten in diesem bewegten und zuweilen sehr düsteren Leben schimmerten immer die Blitze einer Heiterkeit, welche mit der erzwungenen Lustigkeit des Marquis von Souday wetteiferte.

Die beständig verfolgten Flüchtlinge hatten nie eine ganz ruhige Nacht, und wenn der Tag anbrach, kehrten auch die Gefahren und Strapazen wieder. Alle diese Nachtmärsche, zu denen sie sich genöthigt sahen, waren zuweilen gefährlich und zumal für Petit-Pierre höchst ermüdend. Er machte sie zuweilen zu Pferde, in den meisten Fällen aber zu Fuß; denn die Felder waren durch Hecken getrennt, über die man steigen mußte, wenn man in der Dunkelheit keinen niedrigen Zaun finden konnte, und die Wege waren fast überall entweder steinig oder vom Regen durchweicht.

Die Begleiter Petit-Pierre’s dachten mit Besorgniß an die Folgen, welche dieses unruhige, mühevolle Leben für seine Gesundheit haben konnte. Sie beriethen sich über die zweckmäßigsten Mittel, ihn in Sicherheit zu bringen. Die Meinungen waren getheilt: Einige wollten, daß er sich nach Paris begebe, wo er sich mitten in dem Gewühl der Bevölkerung verlieren könnte; Andere wollten ihn nach Nantes bringen, wo bereits für seine Unterkunft gesorgt war; Andere riethen zur schleunigsten Einschiffung da er bei den eifrigen Nachforschungen nirgends im Lande sicher sey.

Der Marquis von Souday stimmte den Letzteren bei. Aber diese Meinung wurde von den Uebrigen bekämpft, da die Küste streng bewacht werde und Niemand sich selbst in dem kleinsten Seehafen ohne Paß einschiffen könne.

Petit-Pierre schloß die Berathung durch die Erklärung, er sey entschlossen nach Nantes zu gehen und die Stadt am hellen Tage als Bäuerin verkleidet zu betreten. Er machte dem Marquis von Souday den Vorschlag, ihm seine Tochter Mary als Begleiterin mitzugeben.

Der Marquis nahm den Vorschlag mit Dank an.

Mary fügte sich nicht so leicht. Konnte sie in einer Stadt die so sehnlich erwarteten Nachrichten von Bertha und Michel erhalten? Aber sie konnte, sie durfte sich nicht weigern, sie gab nach.

Am folgenden Tage – es war Sonnabend – war Wochenmarkt. Petit-Pierre und Mary, als Bäuerinnen verkleidet, machten sich um sechs Uhr Früh auf den Weg. Sie hatten etwa drei Lieues zu machen.

Nach einer halben Stunde hatte Petit-Pierre, der an die Holzschuhe und wollenen Strümpfe nicht gewöhnt war, wunde Füße bekommen. Er setzte sich an einen Graben, zog Holzschuhe und Strümpfe aus, steckte sie in seine großen Taschen und fing an barfuß zu gehen.

Als ihm aber mehre Bäuerinnen begegneten, fürchtete er, seine weiße Haut und die aristokratisch zarte Form der Füße könne ihn verrathen. Er ging daher abseits, rieb sich Füße und Waden mit schwärzlicher Erde und ging weiter.

Als sie auf der Höhe von Joncières waren, bemerkten sie vor einem an der Straße liegenden Wirthshause zwei berittene Gendarmen, die mit einem ebenfalls zu Pferde sitzenden Bauer sprachen.

Petit-Pierre und Mary gingen damals mitten in einer Gruppe von fünf bis sechs Bäuerinnen, und die Gendarmen nahmen keine Notiz von ihnen; aber Mary glaubte zu bemerken, daß der Bauer sie sehr aufmerksam ansah.

 

Gleich darauf sah sie sich um. Der Bauer hatte die Gendarmen verlassen und trieb seinen Klepper an, um die Bäuerinnen einzuholen.

»Nehmen Sie sich in Acht« sagte sie leise zu Petit-Pierre, »dort kommt ein Mann, den ich nicht kenne; er hat mich mit großer Aufmerksamkeit angesehen und folgt uns jetzt. Entfernen Sie sich von mir und thun Sie, als ob ich Ihnen ganz fremd wäre.«

»Gut, Mary, aber wenn er Sie anredet?«

»Dann werde ich ihm so gut wie möglich antworten, fürchten Sie nichts.«

»Wenn wir etwa gezwungen sind, uns zu trennen, so wissen Sie, wo wir uns wieder finden.«

»Ja wohl, aber jetzt sprechen Sie nicht mehr mit mir, er kommt.«

Man hörte wirklich die Hufschläge des trabenden Pferdes auf der Landstraße.

XVIII.
Nach  Nantes! (Fortsetzung.)

Mary trennte sich wie zufällig von ihren Begleiterinnen und blieb einige Schritte zurück.

Sie erschrak unwillkürlich, als der Mann sie anredete.

»Wir gehen also nach Nantes, mein schönes Kind?« sagte der Mann, indem er sein Pferd anhielt und Mary wieder neugierig betrachtete.

Sie hielt es für das Beste, einen scherzhaften Ton anzustimmen.

»Ja wohl, wie Ihr seht,« antwortete sie.

»Wollt Ihr meine Begleitung annehmen?« fragte der Reiter.

»Schönen Dank,« erwiderte Mary, den Dialekt der Vendéer Landleute nachahmend, »ich habe schon Begleitung von denen zu Hause.«

»Von denen zu Hause! Die Dirnen vor Euch sind doch gewiß nicht alle aus eurem Dorfe?«

»Was kann denn Euch daran liegen?« antwortete Mary, um die Antwort durch eine offenbar arglistige Frage zu umgehen.

Der Reiter merkte es.

»Ich will Euch einen Vorschlag machen,« sagte er, »setzt Euch mit auf mein Pferd.«

»Das wäre schön.« erwiderte Mary, »ein armes Mädchen hinter einem Mann sitzen zu sehen, der beinahe wie ein Herr aussieht!«

»Ihr schämt Euch wohl, weil Ihr gewohnt seyd, mit wirklichen Herren umzugehen.«

»Was meint Ihr damit?« fragte Mary, die etwas Angst bekam.

»Ich will damit sagen, daß Sie in den Augen eines Gendarmen wohl als Bäuerin passiren können; aber für mich sind Sie nicht das, was Sie scheinen wollen, Fräulein Mary von Souday.«

»Warum nennt Ihr mich denn so laut, wenn Ihr nichts Böses mit mir im Sinne habt?« fragte Mary stillstehend.

»Was würde denn daran liegen?« fragte der Mann zu Pferde.

»Die Bäuerinnen hätten’s hören können und Ihr könnt leicht denken, daß ich meiner Sicherheit wegen diese Kleider angelegt habe.«

»Die Weibsleute da,« entgegnete der Mann mit den Augen blinzelnd, »sind nicht so gefährlich, wie Ihr mir aufbinden möchtet: sie sind mit Euch einverstanden.«

»Nein, ich versichere —«

»Wenigstens eine.«

Mary schauderte unwillkürlich, aber sie rief ihre ganze Willenskraft zu Hilfe und erwiderte:

»Weder eine noch mehr: aber warum diese Fragen?«

»Weil ich Sie ersuchen will, einige Augenblicke stehen zu bleiben, wenn Sie wirklich allein sind.«

»Ich«

»Ja.«

»Zu welchem Zwecke denn?«

»Um eine große Mühe zu ersparen, die ich gehabt haben würde, wenn Sie mir nicht begegnet wären.«

»Was für eine Mühe?«

»Ich sollte Sie suchen.«

»Mich wolltet Ihr suchen?«

»Wohl verstanden, nicht aus eigenem Antriebe.«

»Wer hatte Euch denn den Auftrag gegeben?«

»Leute, die Ihnen gut sind,« antwortete der Mann und setzte leise hinzu: »Fräulein Bertha und der Baron Michel.«

»Bertha! Michel!«

»Ja.«

»Dann ist er also nicht todt!« sagte Mary mit großer Freude. »Redet doch, Freund, ich bitte Euch, sagt mir, was aus ihnen geworden ist.«

Courtin – denn er war’s – beobachtete lauernd und mit hämischem Lächeln die angstvolle Spannung, mit der die arme Mary die Antwort erwartete. Er schwieg eine Weile, um ihre Angst noch zu verlängern.

Er sah sie unterdessen forschend an, um ihre Gedanken zu errathen.

»O nein, nein,« erwiderte er endlich, »er wird wieder aufkommen.«

»Er ist also doch verwundet?« fragte Mary hastig.

»Wissen Sie es denn noch nicht?«

»O mein Gott, verwundet!« klagte Mary, deren Augen sich mit Thränen füllten.

Mary hatte dem Maire keine weitere Erklärung zu geben, er hatte genug gesehen.

»Bah,« sagte er, »es hat nicht viel zu bedeuten mit der Wunde; er wird bald aufstehen und zur Hochzeit gehen können.«

Mary erblaßte. Bei diesen letzten Worten Courtin’s erinnerte sie sich, daß sie sich noch nicht nach ihrer Schwester erkundigt hatte.

»Ihr sagt ja nichts von Bertha,« stammelte sie. »Sie ist doch nicht krank, nicht verwundet?«

»Sie ist bloß ein bisschen unpäßlich.«

»Arme Bertha!«

»Sie hat auch zu viel Mühe und Arbeit gehabt. Mancher Mann würde die Strapatzen, die sie überstanden, gar nicht ausgehalten haben.«

»Mein Gott!« sagte Mary, »sie sind Beide krank, und es fehlt ihnen an Pflege!«

»O nein, sie pflegen sich gegenseitig. Sie sollten nur sehen, wie Ihre Schwester, obschon sie selbst krank ist, den jungen Herrn Baron hätschelt. Es ist wirklich wahr, manche Leute haben viel Glück. Der junge Baron wird jetzt von seiner Braut auf den Händen getragen, wie früher von seiner Mutter. Er muß sie recht lieb haben, wenn er nicht undankbar seyn will.«

Mary wurde wieder verlegen, als sie diese Worte hörte.

Courtin lächelte wieder satanisch, denn diese Befangenheit entging ihm nicht.

»Ich glaube indeß bemerkt zu haben,« setzte er hinzu, »daß der Herr Baron lieber dunkelblonde Haare als schwarze leiden mag.«

»Was wollt Ihr damit sagen?« fragte Mary athemlos lauschend.

»Wenn Sie es durchaus wissen wollen, so will ich Ihnen etwas im Vertrauen sagen, was Sie ohnedies schon wissen: er liebt Sie und keine Andere. Seine Verlobte heißt zwar Bertha, aber die Erwählte seines Herzens heißt Mary.«

»Das bildet Ihr Euch nur ein,« erwiderte Mary, »denn so etwas wird Euch der Baron von La Logerie nie gesagt haben.«

»Das wohl nicht, aber ich hab’s recht gut gemerkt. Er ist mir so lieb wie die Haut auf meinem Leibe, und ich möchte gern, daß er glücklich würde. Als mir daher Ihre Schwester gestern sagte, ich müsse Ihnen Nachricht von ihr bringen, nahm ich mir vor, Ihnen ganz aufrichtig zu sagen, was ich von der Sache denke.«

»Ihr irrt Euch, Maître Courtin,« antwortete Mary, »Herr von La Logerie denkt nicht an mich, er ist mit meiner Schwester verlobt; Ihr könnet glauben, daß er sie innig liebt.«

»Sie haben Unrecht, Fräulein Mary, dass Sie kein Vertrauen zu mir haben. Sie haben mich soeben beim Namen genannt, sie wissen also, daß ich der Hauptpächter des jungen Barons – ich kann sogar sagen, sein Vertrauter bin; wenn Sie also —«

»Courtin,« fiel ihm Mary ins Wort, »Ihr würdet mir einen großen Gefallen thun, von etwas Anderem zu reden.«

»Gut, wie Sie wünschen. Aber erlauben Sie mir, daß ich mein Anerbieten wiederhole; setzen Sie sich auf die Croupe meines Pferdes, Sie werden dann nicht so müde. Sie gehen vermuthlich nach Nantes?«

»Ja,« antwortete Mary, die sich keineswegs zu Courtin hingezogen fühlte, aber doch dem »Vertrauten« des jungen Barons das eigentliche Ziel ihrer Reise nicht verhehlen zu dürfen glaubte.

»Ich will auch in die Stadt« sagte Courtin, »wir können zusammen reisen. Oder wenn Sie etwas zu bestellen haben, könnte ich Ihnen die Mühe abnehmen.«

Mary sah sich, trotz ihrer Aufrichtigkeit, zu einer Lüge gezwungen; denn die Ursache ihrer Reise durfte Niemand erfahren.«

»Nein, antwortete sie, »das ist unmöglich; ich will zu meinem Vater, der sich geflüchtet und in Nantes versteckt hat.«

»Wirklich!« sagte Courtin, »der Herr Marquis ist in Nantes versteckt? Nicht übel ausgedacht! Und die Andern suchen ihn und wollen das Schloß Souday vom Keller bis zum Dachboden durchsuchen.«

»Wer hat das gesagt?« fragte Mary.

Courtin sah, daß er einen Fehler gemacht hatte; er konnte sich verdächtig machen, wenn er merken ließ, daß er mit den Plänen der Regierung bekannt sey. Er suchte diesen Fehler möglichst wieder gut zu machen.

»Ihr Fräulein Schwester,« sagte er, »läßt Ihnen sagen, Sie möchten nicht nach Souday gehen, und hauptsächlich in dieser Absicht hat sie mich abgeschickt, Sie zu suchen.«

»Ihr seht ja,« versetzte Mary, »man wird weder meinen Vater noch mich dort finden.«

»Aber es fällt mir ein,« sagte Courtin mit der unbefangensten Miene von der Welt, »wenn Fräulein Bertha und Herr von La Logerie Ihnen Nachricht geben wollen, so müssen sie Ihre Adresse wissen! – »Ich weiß sie selbst noch nicht-« antwortete Mary, »ein Mann, den ich an der Rousseaubrücke finden soll, wird mich in das Haus führen, wo mein Vater ist. Sobald ich bei ihm bin, will ich meiner Schwester schreiben.«

»Gut,« sagte Courtin, »und wenn Sie ihr etwas mitzutheilen haben, wenn Fräulein Bertha und Herr von La Logerie etwa zu Ihnen kommen wollen, so werde ich's besorgen.« – Dann setzte er mit vielsagendem Lächeln hinzu: »Ich weiß gewiß, daß mich der Herr Baron mehr als einmal schicken wird.«

»Schon wieder!« sagte Mary.

»Nichts für ungut, Fräulein; ich wußte nicht, daß Sie so böse darüber werden.«

»Allerdings, denn eure Vermuthungen beleidigen zugleich euren Herrn und mich.«

»Bah! das sind nur leere Worte,« meinte Courtin. »Der junge Herr Baron hat ein schönes Vermögen und ich kenne auf zehn Meilen in der Runde keine Demoiselle, wie reich sie auch sey, die ihn verschmähen würde. Sagen Sie ein Wort, Fräulein Mary,» sagte Courtin zutraulich, denn er glaubte, alle Menschen wären so eifrige Verehrer des goldenen Kalbes wie er selbst, »sagen Sie ein Wort und das Vermögen des Barons soll in Ihre Hände kommen.«

»Maître Courtin,« erwiderte Mary stehen bleibend, und den Maire mit einem nicht zu verkennenden Ausdruck ansehend, »ich würde ernstlich böse werden, wenn ich nicht wüßte, daß Ihr ein treuer Diener des Herrn von La Logerie seyd. Noch einmal, sprechet nicht so!«

Courtin hatte so viel Zartgefühl bei einer der »Wölfinnen« nicht erwartet. Sein Erstaunen war um so größer, da er leicht erkannte, daß Mary die Liebe erwiderte, die der forschende Blick des Maire in dem Herzen des jungen Barons entdeckt hatte. Er war anfangs ganz verblüfft über die unerwartete Antwort. Durch Ueberstürzung konnte er Alles verderben. Er beschloß daher zu warten, bis sich der Fisch im Netze verwickelte, ehe er es an sich zog.

Der Unbekannte von Aigrefeuille hatte ihm gesagt, daß die Häupter des legitimistischen Aufstandes wahrscheinlich nach Nantes flüchten würden. Der Marquis von Souday – wie Courtin wenigstens glaubte – war schon da. Mary war auf dem Wege. Petit-Pierre begab sich wahrscheinlich dahin. Die Liebe Michel’s zu Mary sollte der Ariadnefaden seyn bis zu ihrem Versteck, wo sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch Petit-Pierre aufhalten würde, und dies war der Hauptzweck seiner ehrgeizigen Bestrebungen. Er wollte sich Mary nicht zum Begleiter aufdrängen, er würde Verdacht erregt haben. Wie sehr er auch wünschte, sein Unternehmen noch denselben Tag zu Ende zu führen, so gebot ihm doch die Klugheit keine Uebereilung zu begehen und sich lieber durch vorsichtiges Zuwarten einen günstigen Erfolg zu sichern.

»Sie verschmähen mein Pferd,« sagte er, »wissen Sie, daß es mir in der Seele wehe thut, Ihre zarten Füße auf der steinigen Landstraße sich wund laufen zu sehen?«

»Es muß seyn,« erwiderte Mary, »ich mache weniger Aufsehen, wenn ich zu Fuß gehe, als wenn ich hinter Euch zu Pferde sitze. Ich möchte Euch sogar ersuchen, nicht neben mir zu reiten – ich fürchte Alles, was die Aufmerksamkeit auf mich lenken könnte. Laßt mich daher allein gehen und die Bäuerinnen wieder einholen, die schon eine Viertelstunde voraus sind; in ihrer Gesellschaft bin ich am sichersten.«

»Sie haben Recht,« sagte Courtin, »dort kommen auch die Gendarmen, die uns bald einholen werden.«

Mary sah sich erschrocken um. Es folgten wirklich zwei Gendarmen auf etwa dreihundert Schritte Entfernung.

»Fürchten Sie sich nicht,« setzte Courtin hinzu, »ich will den beiden Leuten in einem Wirthshause zutrinken. Gehen Sie – aber zuerst sagen Sie mir, was ich an Fräulein Bertha zu bestellen habe.«

»Sagt ihr, daß ihr Glück mein einziger Gedanke ist, daß ich für sie bete.«

»Haben Sie mir sonst nichts aufzutragen?« fragte Courtin.

Mary zögerte; sie sah den Bauer an, aber vermuthlich waren seine geheimen Gedanken in seinem Gesichte zu lesen, denn sie schlug die Augen nieder und antwortete:

»Nein, sonst nichts.«

Aber Courtin wußte ihr Schweigen zu deuten; sie hatte den Namen Michel nicht genannt, aber der schlaue Bauer merkte, daß ihr der Name auf der Zunge schwebte!

 

Er hielt sein Pferd an.

Mary ging schneller und suchte die Bäuerinnen wieder einzuholen, welche während der Unterredung mit Courtin einen Vorsprung bekommen hatten.

Als sie sich der Gruppe wieder angeschlossen hatte, erzählte sie Petit-Pierre, was sie mit dem Bauer gesprochen, verschwieg aber natürlich Alles, was auf den jungen Baron La Logerie Bezug hatte.

Ohne diesen Mann, dessen Name ihm ganz fremd war, verdächtig zu finden, hielt es Petit-Pierre für gerathen, sich seiner Neugierde zu entziehen. Er blieb mit Mary zurück und warf einen Seitenblick auf Courtin, der seinem Versprechen gemäß mit den Gendarmen vor einer Schenke anhielt; zugleich beobachtete er die Bäuerinnen die nach Nantes gingen. Als diese hinter einer Biegung des Weges verschwunden waren, eilten die beiden Flüchtlinge in einen etwa hundert Schritte von der Straße entfernten Wald, von dessen Saume sie die ihnen folgenden Personen sehen konnten.

Nach einer Viertelstunde kam Courtin, der sein Pferd zu einem möglichst raschen Trabe antrieb. Leider war ihr Versteck zu weit entfernt, als daß Petit-Pierre hätte erkennen können, daß der Besucher in Pascal Picauts Hause, der Mann, welcher den Sattelgurt von Michel’s Pferde zerschnitten hatte, und der jetzige Wirth der beiden jungen Leute eine und dieselbe Person war.

Als Courtin nicht mehr sichtbar war, gingen Petit-Pierre und Mary weiter. Als sie der Stadt, wo Petit-Pierre eine sichere Zuflucht finden sollte, näher kamen, verschwanden ihre Besorgnisse. Petit-Pierre hatte sich an seinen Anzug gewöhnt und die Landleute, an denen er vorüberging, schienen nicht zu bemerken, daß die kleine Bäuerin, die so rüstig auf der Landstraße fortschritt, etwas Anderes sey, als was ihre Kleider anzeigten. Es war schon viel gewonnen, daß sie den Scharfblick der Landleute getäuscht hatte, denn diese kommen darin den Kriegsleuten gleich, oder stehen ihnen doch nur wenig nach.

Endlich wurde die Stadt Nantes sichtbar.

Petit-Pierre zog Strümpfe und Schuhe wieder an, um nicht barfuß in die Stadt zu kommen.

Mary bemerkte zu ihrem großen Verdruß, daß Courtin, der sie auf der Landstraße nicht wieder gefunden, sich entschlossen hatte, sie zu erwarten. Statt daher über die Rousseaubrücke zu gehen, nahmen die beiden Flüchtlinge ein Boot und ließen sich über die Loire setzen.

Als sie eben die Stadt betreten hatten, fühlte Petit-Pierre einen leisen Schlag auf der Schulter.

Er sah sich erschrocken um.

Die Person, welche sich diese bedenkliche Vertraulichkeit erlaubt hatte, war eine alte Höckerin, die einen Korb mit Aepfeln auf die Erde gestellt hatte und denselben nicht wieder ohne Hilfe auf den Kopf heben konnte.

»Kinderchen,« sagte sie zu Petit-Pierre und Mary, »helft mir meinen Korb wieder auf – ich schenke jeder von Euch einen Apfel.«

Petit-Pierre faßte sogleich den einen Henkel, gab dem Fräulein von Souday einen Wink, den andern zu fassen, und so hoben sie den Korb auf den Kopf der Alten, die sich entfernen wollte, ohne die versprochene Belohnung zu geben.

Petit-Pierre aber faßte sie beim Arme und sagte:

»Mütterchen, wo bleibt denn mein Apfel?«

Die Höckerin gab ihr den Apfel.

Petit-Pierre hatte auf der dreistündigen Wanderung Appetit bekommen und biß begierig in die saftige Frucht. Während er den Apfel verzehrte, bemerkte er einen Anschlagzettel, der die sehr groß gedruckte Ueberschrift führte:

Belagerungszustand.

Es war die vom Ministerium erlassene Verordnung, welche über vier Départements der Vendée den Ausnahmezustand verhängte.

Petit-Pierre trat näher und las den Maueranschlag ganz ruhig von einem Ende zum andern, obgleich Mary dringend mahnte, sich in das Haus zu begeben, wo man ihn erwartet; aber Petit-Pierre meinte, die Sache interessiere ihn und er müsse die Bekanntmachung lesen.

Gleich darauf gingen die beiden Bäuerinnen in die engen dunkeln Straßen der alten Bretagnestadt.

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