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Die Cabane und die Sennhütte

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Die Cabane und die Sennhütte
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Erster Band

Erstes Kapitel
Worin wir denjenigen von unseren Lesern, die es nicht wissen, sagen, was eine Cabane ist

Zu jener Zeit hatte Marseille ein malerisches und romantisches, und nicht wie heute ein grünendes und blühendes Stadtgebiet. Von der Höhe des Berges Notre Dame de la Garde war es ebenso leicht, die vereinzelten Häuser auf der Ebene und auf den Hügeln zu zählen, wie die Fahrzeuge und Tartanen, die mit ihren weißen und rothen Segeln die unermeßliche blaue Fläche übersäeten, die sich bis zum Horizonte erstreckt; keins von diesen Häusern, mit Ausnahme vielleicht desjenigen, welches man an den Ufern des Huveaume, auf den Ruinen des Schlosses Belle Ombre erbaut hatte, und welches die Enkelin der Madame de Sevigné bewohnte, keins von diesen durfte sich dieser prächtigen Platanen, dieser reizenden Gebüsche von Lorbeer, Tamarisken, Pfaffenhütchen, von in- und ausländischen Bäumen rühmen, die gegenwärtig unter der Masse ihres schattigen Laubwerks die Dächer der unzähligen marseiller Villen verbergen; die Durance floß noch nicht hier durch, rollte nicht durch diese Thäler, hatte diese Hügel noch nicht erklommen und diese Felsen befruchtet.

Damals mußte jeder Marseiller, der seine Blumen beleben wollte, wenn ihre Blätter, von der Hitze der Augustsonne verwelkt, sich zur Erde neigten, wie an Bord eines Schiffes in voller Fahrt, wie Monsieur de Jussieu es mit einer Ceder that, einen Theil des für seinen Magen bestimmten Wassers ersparen, um der armen Pflanze das Almosen einiger Tropfen zu geben.

Zu jener Zeit, schon so weit von uns, vermöge der allmächtigen Vereinigung des Wassers und der Sonne, die so schnell die Vegetation dieses Landes verwandelt hat, daß man sich selbst in Marseille nicht mehr erinnert, daß es eine Zeit gab, wo einige Fichten oder einige Olivenbäume, in der Sonne krachend, allein die Einförmigkeit des entblößten Landes unterbrachen – in jener fernen Zeit, sagen wir, bot das Dorf Montredon die vollständigste Probe der Dürre, die ehemals die Umgebung der alten Stadt der Phokäer charakterisierte.

Montredon kommt nach jener Dreiheit von Dörfern, die man Saint-Genies, Bonne-Veine und Marsargues nennt; es liegt an der Grundfläche des Dreiecks, welches sich dem Meer nähert, die Rhede vor dem Ostwinde schützt, und das Cap Croisette heißt. Es ist am Fuße dieser ungeheuren Massen von grauem und himmelblauem Kalkstein erbaut, auf deren Abhängen kaum nur ein verkrüppeltes Gestrüpp hervorsproßt, dessen grauliche Blätter die Sonne und der Staub noch weißer machen.

Nichts ist öder und trauriger, als die Ansicht dieser grandiosen Massen; es dürfte scheinen, als hätten die Menschen nie vernünftigerweise daran denken können, ihre Zelte auf diesen abgesonderten und verlassenen Stufen dieser Steinwälle aufzupflanzen, welche Gott nur dorthin gestellt, um die Küste vor dem Eindringen des Meeres zu schützen; und doch lange vor 1787 hatte Montredon außer seinen Strohhütten zahlreiche Landhäuser, wovon das eine berühmt ist, wenn nicht durch sich selbst, doch wenigstens durch den Ruf derjenigen, die es bewohnt haben.

Der prächtige Park, den die Herren Patré mit Mauern umgeben haben, schließt in seinen Raum eine bescheidene Villa, die der Familie Bonaparte als Zufluchtsort gedient hat bei dem langen Aufenthalte in Marseille während der Revolution; die Könige und Königinnen der Hälfte von Europa haben den Sand dieser Alleen betreten; und die Gastfreundschaft, die er ihnen gewährte, hat Monsieur Clary besonderes Glück gebracht; seine Kinder wurden von dem Wirbel fortgerissen, der seine Gäste zu den Thronen hintrieb, und sie haben auf den ersten Stufen Platz genommen. Es fehlte sogar wenig, daß die jüngste der Fräulein Clary berufen wurde, um das Geschick des künftigen Herrn der Welt zu theilen. Es war die Rede von einer ehelichen Verbindung zwischen ihr und dem jungen Commandeur der Artillerie; aber wie es später der Notar der Madame Beauharnais bei einer ähnlichen Gelegenheit sagte, konnte man keinen Mann heirathen, der Nichts weiter hatte, als seinen Mantel und seinen Degen.

Wir wollen hier sogleich sagen, daß wir Euch nicht mit diesen Halbgöttern von gestern zu unterhalten haben, liebe Leser. Wir haben einer Regung, des patriotischen Stolzes nicht widerstehen können; wir haben das Bedürfniß empfunden, Euch zu sagen, daß Montredon am Ende nicht so bescheiden ist, wie es das Ansehen hat; daß es, wie jede andere Stadt, ein Recht an eine Berühmtheit hat, deren sich jedes seiner Kinder rühmen darf; und dies zugegeben, wollen wir uns beeilen, Euch gewissenhaft zu benachrichtigen, daß wir hier nur eine Abschweifung gemacht haben, daß unsere künftigen Personen ganz klein, ganz bescheiden sind, daß unser Drama auf einem Sandkorn entsteht, lebt und sich entwickelt, und daß, wenn unsere handelnden Personen in dieser Welt Aufsehen gemacht haben, es gewiß auf der einen Seite nicht weiter als bis zu der alten Kapelle und auf der anderen bis Madrague, der Säule des Hercules von Montredon, gedrungen ist.

Verlassen wir also rasch die Villa Clary, folgen dem Ufer des Meeres und erreichen dieses kleine Vorgebirge, welches man die rothe Spitze nennt, wo wir im Jahre 1831, in welchem wir stehen, nur drei oder vier Häuser finden, und unter diesen Häusern die Cabane, in welcher die Geschichte vorgeht, die wir Euch erzählen wollen.

Indessen würde es selbst auf die Gefahr einer neuen Abschweifung durchaus angemessen sein, zu halten, was die Ueberschrift dieses Kapitels verspricht, Euch zu erklären, was eine Cabane ist, Euch Allen, die Ihr vielleicht nicht das Glück gehabt, in der Provençe geboren zu werden, welche jeder Marseiller als ein irdisches Paradies betrachtet.

Unter dem Worte Cabane hat Eure Phantasie sich vielleicht schon eine Hütte von Planken oder Baumzweigen vorgestellt, ein Dach von Stroh oder Rohr, mit einem Loch in der Decke, um den Rauch herauszulassen. Eure Einbildungskraft ist zu schnell gegangen.

Schloß, Landhäuschen oder Cabane ist alles Eins in Marseille, das heißt, der Charakter und die Einbildungskraft des Eigenthümers entscheiden über den Titel, den jede Wohnung außer den Mauern führt, mehr als der Zuschnitt oder vielmehr die Bauart der genannten Wohnung. Wenn der Marseiller stolz ist, wird das Haus ein Schloß sein; wenn er einfach ist, wird es ein Landhäuschen; wenn er bescheiden ist, nennt er es eine Cabane. Aber er allein kann diese Classification machen, denn Nichts gleicht so sehr einem marseiller Schlosse wie ein Landhäuschen, wenn es nicht vielleicht eine Cabane ist.

Wir wollen mit einander von der Cabane und ihrem Besitzer reden.

Der Besitzer des Hauses auf der rothen Spitze war ein ehemaliger Packträgermeister. Seitdem die Stadt Marseille einen oder zwei Packträger zur Nationalversammlung geschickt hat, um sie zu repräsentieren, macht man sich im Allgemeinen eine sehr falsche Idee von den Mitgliedern dieser Corporation. Einige vermuthen, daß alle Bewohner unserer großen mittelländischen Hafenstadt Packträger sind; Andere, daß alle Packträger Millionairs sind. Die Wahrheit ist, daß diese Profession, die in Marseille nicht weniger als drei- oder viertausend Mitglieder zählt, zugleich einträglich für die Arbeiter und die Herren ist, unter deren Verantwortlichkeit diese arbeiten.

Die Packträgermeister übernehmen die Ausladung der Schiffe in Accord; der Tarif wechselt mit den Umständen, sowohl für sie, als für die Lastträger, die sie beschäftigen und verhältnißmäßig bezahlen. Der Handelsverkehr ist beträchtlich; die Patrone können einen Profit von fünfzehntausend Franken jährlich haben. Nachdem sie ihr Geschäft einige zwanzig Jahre getrieben, ziehen sie sich nicht reich, wohl aber mit den Mitteln eines anständigen Auskommens zurück.

Monsieur Coumbes war nicht mehr oder weniger begünstigt gewesen, wie die Mehrzahl seiner Collegen. Als der Sohn eines Bauern war er in Holzschuhen nach Marseille gekommen. Ein Verwandter, gemeiner Soldat in dieser großen Miliz des Hafens, schlug ihm einen Platz vor, welchen gehörig auszufüllen eine frühzeitige Schwäche ihn verhinderte.

Diese Packträger stellen vererben sich oder werden verkauft, gerade wie die Stellen der Notare oder Wechselagenten.

Monsieur Coumbes hätte gern eine Stelle gekauft, aber er besaß keinen Heller.

Der Verwandte beseitigte die Schwierigkeit; das Geld war von keiner Wichtigkeit für ihn; er sah in dieser Sache nur das künftige Glück seines Vetters, welches er sichern wollte; er begnügte sich mit dem dritten Theil des Verdienstes des jungen Mannes auf fünf Jahre!

Monsieur Coumbes würde gehandelt haben, aber der Andere übertäubte seine Protestationen mit einer Fluth von Worten, von einer Zärtlichkeit, die dem jungen Manne keine Möglichkeit ließ, die geringste Entgegnung vorzubringen; er sagte ja.

Monsieur Coumbes hielt pünktlich seine Verpflichtungen. Diese beträchtliche Bresche in seinem täglichen Erwerb verhinderte ihn nicht, ganz hübsche Ersparnisse zu machen. Er hatte dabei ein sehr einfaches Verfahren: Er zog sich das Drittel, welches er seinem Vetter zu geben hatte, an seiner Nahrung ab. Wenn er bei diesem Verfahren nicht fett wurde, so vermehrte sich ein Schatz nur um so besser, und bald setzte er Coumbes in den Stand, eine Meisterstelle in seiner Corporation zu kaufen. Freilich hatten sie noch nicht den hohen Preis, auf welchen sie heutigen Tages gestiegen sind.

Aber wenn die Meisterstelle Monsieur Coumbes wenig kostete, so lieferte sie doch einen reichlichen Ertrag. Seit den Expeditionen von Morea, seit dem Frieden von Navarin und seit der Einahme von Algier, machte der gute Verdienst, den die Packträgermeister von der Militairadministration erhielten, eine gewisse Summe vollständig, welche Monsieur Coumbes seit seiner frühen Jugend als das Ziel eines Ehrgeizes bestimmt hatte.

 

Als die Summe voll war, zog er sich von dem Geschäfte zurück.

Die Gewinnsucht, die gerade ihren Höhenpunkt erreicht hatte, konnte ihn nicht bestimmen, einen Augenblick länger Packträgermeister zu bleiben. Er hatte eine Leidenschaft, welche zwanzig Jahre des Genusses nicht hatten mildern können; es war diese Leidenschaft, welche ihn so stark gegen die Habsucht machte, welche nothwendigerweise aus seinen sparsamen Gewohnheiten hervorgehen mußte.

Eines Tages, als er in seinen Feierabendstunden nach Montredon spazieren ging, hatte er einen Anschlagszettel gesehen, welcher ankündigte, daß ein Grundstück zu einem fabelhaft niedrigen Preise zu überlassen sei. Er liebte den Grund und Boden eben so sehr um seiner selbst willen, als wegen seines Ertrages, wie alle Bauerkinder. Er nahm also zweihundert Franken von seinen Ersparnissen, um zwei Morgen von diesem Boden zu kaufen.

Wenn wir Boden sagen, so fügen wir uns der Gewohnheit; die zwei Morgen des Monsieur Coumbes bestanden ausschließlich aus Sand und Felsen.

Er liebte sie nur um so mehr, gleich einer Mutter, welche oft ein mit der englischen Krankheit behaftetes und verwachsenes Kind allen anderen vorzieht.

Er machte sich ans Werk. Aus einer alten Seifenkiste erbaute er am Ufer des Meeres eine Hütte, umgab sein Eigenthum mit Rohr, und seitdem hatte er nur einen Gedanken, nur einen Zweck, nur eine Sorge: es zu verschönern und zu verbessern.

Die Aufgabe war schwierig, aber Monsieur Coumbes war der Mann, sie zu unternehmen und sie zu einem guten Ende zu führen.

Jeden Abend, wenn sein Tagewerk vollendet war, steckte er das Stück Brod, die rohen Goldäpfel oder andere Früchte, die ihm als Abendessen dienen sollten, in die Tasche und machte sich auf den Weg nach Montredon, um eine Kiste voll Gewächserde, die er hie und da sich einsammelte, während seine Kameraden ihren Mittagsschlummer hielten, dorthin zu tragen. Es versteht sich von selbst, daß er den ganzen Sonntag damit zubrachte, zu graben, zu schaufeln, zu ebnen und gewiß nie wurden Tage so angewendet, wie diese.

Als er vom Packträger zum Meister avancierte, war seine größte Freude zu denken, daß eine Cabane von der Verbesserung seiner Lage Vortheil haben solle. Die erste Anwendung, die er von seinem ersten Profit machte, war das Häuschen von Planken abbrechen und die Cabane erbauen zu lassen, wovon wir so eben gesprochen.

Um der Gegenstand so vieler Sorgfalt und Liebe zu sein war diese Cabane deshalb nicht eleganter oder prächtiger.

Im Innern bestand sie aus drei Gemächern im unteren Stock und aus vieren in der ersten Etage. Die unteren Gemächer waren ziemlich geräumig; für die erste Etage schien der Baumeister das oberste Stockwerk am Hintertheil eines Schiffes zum Muster genommen zu haben. In diesen kleinen Kajüten konnte man nur athmen, wenn man das Fenster offen ließ. Dies Alles war mit alten Hausgeräthen ausmöbliert, die Monsieur Coumbes bei allen Trödlern der alten Quartiere der Stadt zusammengekauft hatte.

Von außen hatte die Cabane des Monsieur Coumbes ein durchaus phantastisches Aussehen. Bei einer hohen Verehrung dieses Monuments hatte er sich jedes Jahr bemüht, es zu verschönern. Und diese Verschönerungen machten dem Herzen des Besitzers mehr Ehre, als einem Geschmack. Die Mauern der Cabane zeigten nach und nach alle Farben des Prisma. Von dem einfachen Anstrich ging Monsieur Coumbes zu den Arabesken über; dann erhob er sich weniger Perspective zu den Arabesken über; dann erhob er sich mit mehr oder weniger Perspective zu den baukünstlerisch in Fictionen. Die Cabane wurde nach einander ein griechischer Tempel, ein Mausoleum, eine Alhambra, eine norwegisch Höhle, eine mit Schnee bedeckte Hütte.

Zu der Zeit wo diese Geschichte beginnt, und wie alle Künstler den Einfluß des romantischen Fiebers empfindend, welches die Welt bewegte, hatte Monsieur Coumbes seine Wohnung in eine mittelalterliche Burg verwandelt. Es fehlte. Nichts an der äußersten Treue der Nachahmung, an den Spitzfenstern, noch an den Zinnen, noch an dem Zwinger, noch an den Schießscharten, oder dem Fallgatter, welches auf die Hausthüre gemalt war.

Als er im Kamin zwei eichene Holzblöcke gewahr wurde, die dort warteten, daß man einen Tisch oder einen Schrank aus ihnen mache, kam Monsieur Coumbes zu dem Schlusse, daß es viel angemessener sein würde, sie zu der Farbe und dem Baustyl einer Wohnung hinzuzufügen, und er opferte sie ohne Bedauern. Von seiner Hand geformt, wurden sie als Thürmchen an die beiden Ecken seines Häuschen angefügt und erhoben Windfahnen zum Himmel, mit Wappen verziert, wie sie gewiß nie, weder Hozier noch Chorin erfunden.

Als Monsieur Coumbes diese meisterhafte Verschönerung hinzugefügt hatte, begann er sein Werk mit der Miene zu betrachten, wie Perrault wahrscheinlich das Louvre betrachtete, nachdem er die Colonnade hinzugefügt hatte.

Dieser Anblick hatte dem Herzen des Monsieur Coumbes jenen Stolz eingeflößt, der zwar unter dem falschen Schein der Bescheidenheit verborgen lag, der aber, wie wir sehen werden, eine große Rolle in dem Leben dieses Mannes spielen wird.

Die Leidenschaften sind gewöhnlich zusammengesetzt. Und doch fehlte viel daran, daß Monsieur Coumbes in allen seinen Unternehmungen gleich glücklich war, wie man anzunehmen in Versuchung geräth, wenn man an den hohen Stolz denkt, den ihm ein Werk einflößte.

Wenn das Haus sich getreulich allen Phantasien des Besitzers gefügt hatte, so war es nicht ebenso mit dem Garten. Die Mauern des einen bewahrten getreulich, den Anstrich, den man ihm gegeben hatte; die Rabatten des anderen behielten niemals die Form, die ihnen Monsieur Coumbes gab, und der Saame, den er ausstreute, ging niemals auf.

Um das Voraufgehende zu erklären, müssen wir sagen, daß Monsieur Coumbes einen Feind hatte. Dieser Feind war der Nordwestwind; es war derjenige, welchen Gott beauftragt hatte, dem Wagen dieses Triumphators zu folgen, die Rolle des antiken Sclaven zu spielen, Monsieur Coumbes zu erinnern, wenn er liebevoll seine Besitzung betrachtete, daß er, wenn auch der Herr und Schöpfer dieser schönen Dinge, doch immer ein Mensch sei. Es war dieser unerbittliche Hauch, der heftige und schreckliche Wind, der, wie Strabo sagt, »die Felsen versetzt und wegführt, die Menschen von ihren Wagen stürzt, die ihrer Kleider und Waffen beraubt;« es war derselbe Wind, der nach Monsieur de Sauffures Aussage so oft die Fensterscheiben des Schlosses Grignan zerbrach, daß man darauf verzichtete, sie wieder herstellen zu lassen; es war dieser Wind, welcher den Abbé Portalis über die Terrasse des Berges Sainte-Victoire erhob und ihn auf der Stelle tödtete; kurz, es war der Wind, der, nachdem er ehemals dies Alles gethan hatte, heutiges Tages verhinderte, daß die Welt sich des mächtigen und interessanten Schauspiels eines Menschen, der ohne Ehrgeiz und ohne Wunsch mit seinem Schicksal zufrieden ist, erfreuen kann.

Und doch hatte der Nordwestwind für Monsieur Coumbes keine von den unheilvollen Folgen, welche der griechische Schriftsteller bezeichnete; er hatte die Granitfelsen des Marchia-Veyre nicht auf seine Wohnung heruntergestürzt; er hatte ihn nicht von dem kleinen Karren mit einem korsikanischen Pferde bespannt, worin er von Zeit zu Zeit zur Stadt fuhr, heruntergeworfen; wenn er ihm zuweilen seine Mütze wegführte, so respectirte er wenigstens sein Wamms und ein Pantalon. Kaum daß er mit der Spitze seines Flügels einige Ziegel von dem Dache seiner Cabane ausgewühlt oder einige von den Scheiben gespalten hatte.

Monsieur Coumbes hätte ihm dies Alles vielleicht verziehen; aber was er ihm nicht verzieh und was ihn in Verzweiflung brachte, das war die Erbitterung, womit dieser verwünschte Wind sich entschlossen zu haben schien, die zwei Morgen Gartenland in den Zustand einer verlassenen Sandfläche oder einer dürren Wüste zu verwandeln.

Bei diesem Kampfe zeigte sich Monsieur Coumbes halsstarriger, als sein Gegner es war. Er grub sein Terrain um, düngte und besäete es mühsam und mit Anstrengung acht, neun- und selbst zehnmal im Jahre. Sobald der Salatsaamen die Rabatte mit leichten grünen Festons überzog, sobald die Erbsen ihre gelblichen Saamenlappen zeigten, zwischen welchen sich ein Blatt wie ein Smaragd in der goldenen Einfassung eines Ringes entwickelte, begann seinerseits der Nordwestwind sein Werk. Er ließ seine Wuth an den unglücklichen Pflanzen aus; er trocknete den Saft bis auf die Wurzel aus, welcher in ihren zarten Gebilden zu circuliren begann; er bedeckte sie mit einer dicken Lage von heißem Sande, und wenn das nicht ausreichte, kehrte er sie mit dem Staube, den er gewöhnlich in seiner Wuth herbeiführte, zu seinen Nachbaren hinüber.

Monsieur Coumbes gab sich eines Tages seiner Verzweiflung und seinen Wehklagen hin.

Er ging mit düsterem Auge auf dem Schlachtfelde umher, hob die Todten und Verwundeten mit einer rührenden Ehrerbietung auf, verschwendete seine Sorgfalt an sie, die leider größtentheils unnütz war, hielt für sich selber einem Kohlkopfe voll Hoffnung oder einem vielversprechenden Goldapfel die Leichenrede; dann, als er seinem Bedauern eine paffende Zeit bewilligt hatte, machte er sich wieder an die Arbeit, suchte seine Gänge und Rabatten auf, die der Nordwestwind unerbittlich gleich gemacht hatte, befreite die überschütteten Einfassungen von der Erde, richtete seine Beete her, zog seine Fußsteige wieder, und streute auf Alles Saamen, und sein Werk mit Stolz betrachtend, erklärte er von Neuem jedem, der es hören wollte, daß er, ehe zwei Monate um wären, das beste Gemüse in der Provençe essen werde.

Aber wir haben es gesagt, ein Verfolger hatte noch nicht das letzte Wort gesprochen; er hatte neue Kräfte gewonnen in dem Waffenstillstande, den er auf verrätherische Weise einem Gegner bewilligt hatte, und das Herz des Monsieur Coumbes war nicht so bald wie ein Garten voll Hoffnung, als er sich beeilte, sie zu vernichten.

Dieser erbitterte Kampf währte zwanzig Jahre und ungeachtet so vieler Täuschungen und der Vergeblichkeit seiner Anstrengungen vergaß Monsieur Coumbes dennoch seine Schmerzen und hielt sich nicht weniger überzeugt, daß er einen außerordentlichen Garten besitze, und daß die sandige Beschaffenheit des Bodens, vereint mit den Salzdünsten, die aus dem Meere aufstiegen, unfehlbar allen seinen künftigen Producten einen Wohlgeschmack mittheilen müsse, den man nirgends finden würde.

Der scharfsichtige Leser wird uns hier unterbrechen und fragen, warum Monsieur Coumbes nicht in Marseille, wo es daran nicht fehlt, einen Winkel Erde gesucht, geschützt vor dem Winde, den er so mit Recht fürchtete. Wir antworten dem Leser, daß man eine Geliebten nicht wählt, sondern daß der Himmel sie uns giebt, und daß man sie, häßlich oder untreu, liebt, wie der Himmel sie uns zusendet.

Uebrigens hatte diese Unbequemlichkeit ihre Entschädigung. Es war nicht ohne reifliche und tiefe Ueberlegung, daß Monsieur Coumbes sich entschlossen hatte, die zwei Morgen Landes anzukaufen, in deren Besitz wir sich ihn zu Anfang dieser Erzählung haben setzen sehen.

Mit seiner Zärtlichkeit für seine Cabane, mit dem Stolze, den ihm diese Gegenstände der Fürsorge eines ganzen Lebens einflößten, vereinte sich eine andere Leidenschaft, deren Gegenstand wir im letzten Jahrhundert als »die blonde Amphitrite« bezeichnet haben würden, was ein ungünstiges Licht auf die Reinheit der Sitten des Monsieur Coumbes hätte werfen können, und welchem wir jetzt den einfacheren Namen beilegen wollen, indem wir ihn »die See« nennen. Dieser Name paßt um so besser für unseren Zweck, da durchaus nichts Poetisches in dem Cultus lag, den Monsieur Coumbes der See weihte. Es schmerzt uns, diesen Prosaismus unseres Helden zu gestehen; aber was er an ihr liebte, war weder ihre Tunica von durchsichtigem Blau, noch ihr endloser Horizont, noch das melodische Geräusch ihrer Wogen, noch ihr Gebrüll, noch ihr Zorn; er hatte nie daran gedacht, den Spiegel Gottes darin zu sehen; er stellte sie sich leider nicht so groß vor; er liebte sie ganz einfach und gut, weil er in ihr eine unversiegbare Quelle der marseiller Suppe fand.

Monsieur Coumbes war Fischer, und zwar marseiller Fischer; das heißt, er wußte aus ihren mit grünen Seegewächsen übersäeten Grotten die Rascaffen, die Roucas, die Bogues, die Patacliffs, die Garris, die Fielas und die anderen Ungeheuer, welche das mittelländische Meer bevölkern, hervorzulocken, und dann kam das noch größere Vergnügen, die auf ein Bett von Zwiebeln, Goldäpfeln, Petersilie und Knoblauch zu legen, dann Oel, Saffran und andere Gewürze in gehörigem Verhältniß hinzuzufügen, bis er einen weißen Schaum auf die Oberfläche steigen sah, den Dampf das Vorspiel zu jenem monotonen Gesange des vollständigen Kochens anstimmen hörte und dann mit weit geöffneter Nase den aromatischen Duft eines Nationalgerichts einsog.

 

Dies war Monsieur Coumbes; dies war eine Cabane. Das Grundstück war gleichsam mit dem Besitzer Eins geworden. Sie ließen sich nicht ohne einander malen.

Um unser Portrait zu vollenden, müssen wir hinzufügen, daß das Haus, ganz von Ziegeln und Sandsteinen, wie es war, einen nachtheiligen Einfluß auf das Herz und den Charakter des Monsieur Coumbes ausgeübt hatte.

Es hatte ihm das geistloseste aller Laster mitgetheilt, nämlich den Stolz.

Weil er immer den Gegenstand seiner Liebe betrachtete und in dem Besitze desselben frohlockte, war er dahin gekommen, diejenigen von seines Gleichen zu verachten, welche eines ähnlichen unschätzbaren Glücks beraubt waren, und einen verächtlichen Blick auf das Werk Gottes zu werfen. Fügen wir hinzu, so friedlich und gleichgültig das Leben des Monsieur Coumbes gewesen war, hätte es ihm doch andere, als diese künstlichen Neigungen und anderes Bedauern lassen sollen, als das, welches ihm die Verwüstungen des Nordwestwindes verursachten.

Es war ein Drama in seiner Vergangenheit gespielt worden.

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