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Die Zwillingsschwestern von Machecoul

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V.
Eine Wolfsjagd

Der Marquis von Souday blieb ganz gleichgültig bei diesen Aeußerungen des allgemeinen Tadels, ja er schien nicht einmal eine Ahnung davon zu haben. Als er bemerkte, daß man die seltenen Besuche, die er seinen Nachbarn machen zu müssen glaubte, nicht erwiderte, rieb er sich erfreut die Hände, denn er glaubte von einem schweren Frohndienst befreit zu seyn.

Von Zeit zu Zeit kam ihm wohl von den Verleumdungen, die über Bertha und Mary im Umlauf waren, etwas zu Ohren, aber er war so glücklich zwischen seinem Factotum, seinen Töchtern und seinen Hunden, daß er dieses alberne Geschwätz ganz unbeachtet ließ, um seine Ruhe nicht zu stören. Er hegte nach wie vor Hasen und Füchse, erlegte zuweilen einen Keiler und spielte Abends Whist mit den armen verleumdeten Mädchen.

Jean Oullier besaß keineswegs den philosophischen Gleichmuth seines Herrn; er hatte auch weit mehr Gelegenheit, von den verleumderischen Gerüchten zu erfahren.

Seine zärtliche Zuneigung zu den Kindern war nach und nach zur schwärmerischen Verehrung geworden: er konnte sich nicht satt an ihnen sehen, gleichviel ob sie gemüthlich plaudernd im Salon saßen oder im langen Reitkleide mit rundem Federhut und flatternden Locken an seiner Seite galoppirten. Dann dachte er mit Freude und Stolz, daß er zur Entwickelung dieser vollendet schönen und zugleich so herzensguten Mädchen das Seine beigetragen, und er wunderte sich, daß sich das Weltall nicht vor ihnen beugte.

Die Ersten, welche von den in der Umgegend verbreiteten Gerüchten sprachen, wurden von ihm so derb zurückgewiesen, daß den Andern die Lust dazu verging. Aber Jean Oullier errieth schon aus Blicken, Mienen, Winken, was von seinen Lieblingen gedacht wurde. Er war sehr betrübt über die Verachtung, mit der sich Reiche und Arme über die beiden Schwestern äußerten, und wenn er den Regungen seines Gefühls gefolgt wäre, so würde er jede beleidigende Aeußerung, ja selbst jedes respectwidrige Naserümpfen auf der Stelle mit seiner gewichtigen Faust bestraft haben; aber sein gesunder Verstand sagte ihm, daß Bertha und Mary durch andere Mittel in Schutz genommen und gerechtfertigt werden müßten. Ueberdies fürchtete er, und dies war seine größte Besorgniß, daß die beiden Schwestern in Folge eines solchen öffentlichen Exempels, welches er so gern statuirt hätte, von dem Gerede Kenntniß bekommen könnten.

Der arme Jean Oullier ertrug daher mit Geduld, wenn auch nicht ohne Kummer und Thränen, die boshaften Verleumdungen, welche über seine Lieblinge verbreitet wurden. Er wurde dadurch ein Menschenfeind, und er hatte wohl Ursache, die Menschen zu hassen, denn er mußte ja in allen Nachbarn die Feinde, die Verfolger der beiden Schwestern erblicken.

Die Revolution von 1830 hatte ihm nicht die gewünschte Gelegenheit geboten, seine Rachepläne in Ausführung zu bringen. Aber er wartete auf eine günstigere Gelegenheit: die »Emeute«, welche noch täglich in den Straßen von Paris auszubrechen drohte, konnte sich ja leicht über die Provinzen verbreiten.

An einem schönen Septembermorgen jagte der Marquis von Souday mit seinen Töchtern, Jean Oullier und seiner Meute im Walde von Machecoul. Es war ein längst ersehnter Tag, von welchem sich der Marquis einen wahren Hochgenuß versprach.

Man wollte nämlich junge Wölfe fangen, deren Lager Jean Oullier entdeckt hatte, als sie noch blind waren, und die er seitdem mit der Zärtlichkeit eines echten Wolfsjägers gehegt und gepflegt hatte. Wenn es nämlich keine Wölfe mehr gab, so wurde auch das Amt eines Wolfsjägermeisters überflüssig; es ist daher Jean Oullier, als dem Faktotum des Letzteren, wohl zu verzeihen, daß er gegen die jungen Wölfe und ihre Mutter nicht so strenge verfuhr, wie gegen einen Wolf männlichen Geschlechts.

Dazu kommt, daß ein alter Wolf sowohl auf der Hetze als auf der Treibjagd schwer zu erlegen, die Jagd auf einen jungen Wolf von fünf bis sieben Monaten angenehm und unterhaltend ist.

Um seinem Herrn daher dieses schöne Vergnügen zu bereiten, hatte sich Jean Oullier wohl gehütet, die Wölfin mit ihren Jungen zu beunruhigen oder zu verscheuchen. Auf einige Schafe, welche die Alte auf jeden Fall den benachbarten Bauern rauben würde, kam es ihm dabei nicht an; er hatte den kleinen Wölfen von Zeit zu Zeit einen freundschaftlichen Besuch abgestattet, um sich zu überzeugen, ob auch Niemand eine respectwidrige Hand an sie lege. Und mit wahrer Freude hatte er endlich bemerkt, daß die verständige Mutter sie zum ersten Male spaziren geführt.

Als sie endlich »jagdbar« geworden waren, hatte er sie in einem Gehäge aufgespürt und die sechs Hunde des Marquis auf einen von ihnen losgelassen.

Der junge Wolf, der nicht wußte, was das Hundegebell und das Blasen des Waldhorns bedeutete, verließ seine Mutter und seine Brüder und lief in ein anderes Gehölz, wo er sich wie ein Hase hetzen ließ. Endlich setzte er sich ermattet nieder und wartete.

Er sollte bald erfahren was man von ihm wollte; denn Domino, einer der Hunde des Marquis, faßte ihn und brach ihm das Genick.

Jean Oullier rief seine Hunde wieder zusammen und zehn Minuten nachher ward der Bruder des Verendeten aufgejagt.

Dieser lief nicht so weit; die Hunde wurden bald durch die übrigen jungen Wölfe, bald durch die alte Wölfin irregeleitet, aber Jean Oullier führte sie immer wieder auf die rechte Fährte. Endlich kehrte der von allen Seiten bedrängte junge Wolf um, verließ das Gehölz und kam dem Marquis und seinen Töchtern in den Wurf. In seiner Angst versuchte er zwischen den Füßen der Pferde hindurch zu schlüpfen, aber der Marquis bückte sich rasch, faßte ihn beim Schweif und warf ihn den nacheilenden Hunden zu.

Der Marquis, durch diesen doppelten Fang in die heiterste Laune versetzt, wollte es dabei nicht bewenden lassen. Während er sich mit Jean Oullier berieth, lief die Wölfin, welche wohl merken mochte, daß es auf ihre noch übrigen Sprößlinge abgesehen war, zehn Schritte von den Hunden über den Weg. Die noch nicht wieder zusammengekoppelte kleine Meute eilte ihr heulend nach.

Alles Rufen und Schreien und Peitschengeknall blieb fruchtlos, die Hunde ließen sich nicht zurückhalten.

Jean Oullier lief ihnen nach. Der Marquis und seine Töchter setzten ihre Pferde in Galopp, um die Meute einzuholen.

Aber die Hunde verfolgten keinen furchtsamen, unentschlossenen, jungen Wolf mehr, sondern ein kühnes, kräftiges, gewandtes Thier, welches unbekümmert um Schluchten und Felsen und Bäche ohne Furcht und allzu große Hast immer geradeaus lief. Von Zeit zu Zeit wurde die Wölfin von der kleinen Meute erreicht, aber sie trabte unbekümmert zwischen den Hunden fort, welche sie durch ihre grimmigen Blicke, hauptsächlich aber durch das Klappern ihres furchtbaren Gebisses im Schach hielt.

Jean Oullier war immer drei- bis vierhundert Schritte hinter seinen Hunden. Der Marquis und seine Töchter hingegen mußten oft einen Umweg machen und blieben zurück.

Als sie den Saum des Waldes erreicht hatten, bemerkten sie in der Ferne zwischen Machecoul und La Billardière die Hunde mit der Wölfin und hinter ihnen den unermüdlichen Jean Oullier. Das verfolgte Thier lief noch immer in gerader Richtung fort.

»Zehn Tage von meinem Leben würde ich geben,« sagte der Marquis in seinem Eifer, »wenn ich jetzt drüben wäre und der Wölfin eine Kugel durch den Leib jagen könnte.«

Die beiden Mädchen machten einige Gegenvorstellungen, waren indeß bereit, ihrem Vater zu folgen.

»Also vorwärts,« sagte der Marquis und gab seinem Pferde die Sporen.

Der Weg, aus welchem der Marquis fortsprengte, war steinig und von tiefen Geleisen und Rinnen durchschnitten. Die Pferde, welche keinen festen Fuß fassen konnten, stolperten oft und würden gestürzt seyn, wenn sie nicht von geschickten Händen gehalten worden wären. Auf Nebenwegen war indes; der »Heidewald«, auf welchen die Wölfin mit der Meute zueilte, nicht zeitig genug zu erreichen.

Der Marquis, der ein kräftigeres Pferd ritt als seine Töchter war einige hundert Schritte voraus. Er bemerkte ein offenes Feld, und ohne seinen Töchtern einen Wink zu geben, verließ er die Straße und ritt querfeldein.

Bertha und Mary, die ihrem Vater immer zu folgen glaubten, ritten auf dem holperigen Wege fort.

Als sie wohl seit einer Viertelstunde von ihrem Vater getrennt waren, kamen sie in einen tiefen Hohlweg, dessen Seiten mit Hecken besetzt waren. Sie hielten hier plötzlich an, denn sie glaubten das Bellen ihrer Hunde in geringer Entfernung zu hören.

Gleich darauf fiel ein Schuß; ein Hase mit blutrothen, zerschossenen Ohren huschte aus der Ecke in den Hohlweg, und oben auf dem Felde trieb eine laute Stimme die Hunde zum Verfolgen des Hasen an.

Die beiden Schwestern, welche in die Jagd eines Nachbars gerathen zu seyn glaubten, wollten sich schnell entfernen; da sahen sie an der Stelle, wo der Hase hindurchgeschlüpft war, den wohlbekannten Rustaud, einen von ihres Vaters Hunden, und gleich darauf Faraud, dann Bellande, dann Domino, endlich Fanfare aus der Hecke hervorstürzen. Die Rüden verfolgten den angeschossenen Hasen so eifrig, als ob sie an diesem Tage kein edleres Wild gewittert hätten.

Aber kaum war der sechste Hund aus der schmalen Heckenöffnung hervorgekommen, so schaute ein Menschenantlitz aus derselben hervor.

Es war ein jugendliches Gesicht, bleich und verstört, mit verworrenem Haar und wild starrenden Blicken. Der junge Mann gab sich alle Mühe, durch die enge Oeffnung der Hecke hindurchzuschlüpfen, und während er sich durch das Gestrüpp arbeitete, rief er den Hunden unaufhörlich nach. Bertha und Mary erkannten die Stimme, welche sie fünf Minuten zuvor unmittelbar nach dem Schusse gehört hatten.

VI.
Der angeschossene Hase

Aber die Hecken in Niederpoitou wie in der Bretagne bestehen gemeiniglich aus jungen Eichen, welche gebogen und in einander geflochten werden. Wenn daher ein Hase und sechs Hunde durch eine Oeffnung geschlüpft sind, so folgt daraus noch nicht, daß die Oeffnung ein bequemer Durchgang für Menschenkinder seyn müsse. Der junge Mann steckte mit dem Halse in dem Loche fest, und vergebens bot er alle seine Kräfte auf, um sich durchzudrängen, vergebens ritzte er sich Hände und Gesicht blutig, er kam keinen Zoll vorwärts.

 

Der junge eifrige Jäger verlor indeß den Muth nicht, er arbeitete mit verzweifelter Anstrengung, um die Lücke zu erweitern. Da hörte er auf einmal ein lautes Gelächter.

Er sah sich um und bemerkte die beiden reizenden Amazonen, welche, auf den Hals ihrer Pferde gebeugt, ihrer Heiterkeit freien Lauf ließen.

Ganz beschämt über die lächerliche Figur, die er den beiden schönen Mädchen gegenüber spielte, wollte der junge Jäger den Kopf zurückziehen; aber die fatale Hecke ließ ihn nicht los, die Dornen hielten Kleider und Waidtasche fest, er konnte nicht zurück, er saß in der Hecke fest, wie in einer Falle. Das Gelächter der beiden Zuschauerinnen wurde immer lauter und ausgelassener.

Der arme Gefangene, der seine Anstrengungen verdoppelte, machte dabei ein so verzweifeltes Gesicht, daß Mary Mitleid mit ihm bekam.

»Still, Bertha!« sagte sie zu ihrer Schwester, »Du siehst ja, daß wir ihm durch unsere Schadenfreude weh thun.«

»Es ist wahr,« antwortete Bertha, »aber wer könnte dabei wohl ernsthaft bleiben!«

Sie sprang, immerfort lachend, vom Pferde, und eilte dem Gefangenen zu Hilfe.

»Mein Herr,« sagte sie zu ihm, »ich glaube, daß Ihnen einige Hilfe nicht unnütz seyn würde. Wollen Sie meinen und meiner Schwester Beistand annehmen?«

Die Eigenliebe des unglücklichen Jägers war durch das Gelächter der beiden Mädchen noch empfindlicher verletzt worden, als durch die Dornen, welche ihm die Haut blutig geritzt, hatten; er vergaß daher über der höflichen Anrede keineswegs die lächerliche Rolle, zu der er sich verurtheilt sah.

Er gab keine Antwort, er wollte sich selbst ohne fremde Hilfe aus der Klemme ziehen. Er machte noch einen verzweifelten Versuch, sich vorwärts zu drängen; aber zum Unglücke stieß er mit der Stirne gegen den schräg abgehauenen Stumpf eines Astes. Die scharfe Kante des harten Holzes drang wie ein Messer in die Stirnhaut; der Verwundete schrie laut auf, und sogleich strömte ihm das Blut über das Gesicht.

Die beiden Schwestern erschraken über diesen Unfall, dessen unfreiwillige Ursache sie waren, eilten auf den Verwundeten zu, faßten ihn bei den Schultern, bogen einige Zweige zurück, zogen ihn aus der Ecke hervor und setzten ihn auf die Böschung des Hohlweges.

Mary, welche die starkblutende Wunde für gefährlicher hielt, als sie wirklich war, zitterte vor Schrecken; Bertha hingegen verlor keinen Augenblick die Besonnenheit.

»Laufe hinunter an den Bach,« sagte sie zu ihrer Schwester, »und tauche dein Sacktuch ein, damit wir dem Verwundeten das Blut abwischen.«

Während Mary sich entfernte, wandte sie sich wieder zu dem jungen Jäger und fragte:

»Haben Sie viele Schmerzen?«

»Ich weiß in der That nicht, mein Fräulein,« erwiderte er, »ob mir der Kopf innen oder außen weh thut. Ich habe in diesem Augenblicke gar viel zu denken – O, mein Gott! warum habe ich den Rath meiner Mutter nicht befolgt!«

Der verwundete Jäger war erst zwanzig Jahre alt, aber diese letzten Worte klangen doch gar zu sonderbar in dem Munde des hübschen, kräftigen, jungen Mannes. Die beiden Mädchen fanden das große, stattliche Muttersöhnchen so unwiderstehlich komisch, daß sie wieder in ein lautes Gelächter ausbrachen.

Der arme junge Nimrod sah die beiden Schwestern bittend an, und zwei Thränen quollen aus seinen Augen. Zugleich aber riß er das nasse Schnupftuch, welches Mary ihm auf die Stirn gelegt hatte, mit einer hastigen, ungeduldigen Geberde ab.

»Was machen Sie da,« fragte Bertha.

»Lassen Sie mich!« erwiderte er anmuthig, »Sie wollen sich für Ihre Bemühung durch Spöttereien bezahlt machen. Jetzt bereue ich, daß ich nicht, wie ich anfangs wollte, die Flucht genommen habe – selbst auf die Gefahr hin, mich noch schwerer zu verletzen.«

»Aber da Sie einmal so vernünftig waren, es nicht zu thun,« entgegnete Mary, »so seyen Sie jetzt wieder vernünftig und lassen Sie diese Binde wieder auf Ihre Stirne legen.«

Sie hob das Schnupftuch auf und näherte sich mit so unverkennbarer Theilnahme, daß der Verwundete keinen Widerstand mehr leistete.

»Thun Sie was Sie wollen,« antwortete er.

»Mein lieber Herr,« sagte Bertha, die ihn unterdessen beobachtet hatte, »für einen Jäger sind Sie ein bisschen zu empfindlich.«

»Ich bin kein Jäger, mein Fräulein, und seit diesem Anfalle bin ich weniger als je geneigt, es zu werden.«

»Ich bitte um Entschuldigung,« versetzte Bertha mit demselben spöttischen Tone, der den jungen Mann schon vorhin verletzt hatte, »aus dem Eifer mit welchem Sie den Hasen verfolgten und unsere Hunde antrieben, glaubte ich schließen zu dürfen, daß Sie ein Jäger sind – oder wenigstens werden wollen.«

»O nein, mein Fräuleins ich folgte nur einer leidenschaftlichen Aufwallung, die mir jetzt unbegreiflich ist. Jetzt sehe ich ein, daß meine Mutter vollkommen Recht hatte, das Vergnügen an der Qual und dem Tode eines wehrlosen Thieres lächerlich und barbarisch zu nennen.«

»Nehmen Sie sich in Acht, mein lieber Herr,« sagte Bertha, »wir sind so lächerlich und barbarisch, an diesem Vergnügen Gefallen zu finden, und könnten leicht in Versuchung kommen, zwischen Ihnen und dem Fuchs in der Fabel einige Aehnlichkeit zu finden.«

Mary, die ihr Schnupftuch zum zweiten Male in den Bach getaucht hatte, wollte es wieder um die Stirne des Verwundeten knüpfen.

Aber er wollte es nicht leiden.

»Um des Himmels willen, mein Fräulein,« sagte er, »verschonen Sie mich mit Ihrer Pflege! Sie sehen ja, daß Ihre Schwester sich immer noch über mich lustig macht.«

»O, ich bitte Sie!« sagte Mary mit ihrer sanften, einschmeichelnden Stimme.

Aber er ließ sich nicht bereden; er richtete sich auf, um sich zu entfernen.

Dieser fast kindische Eigensinn reizte die lebhafte Bertha, und ihre Ungeduld, die allerdings aus wirklicher Theilnahme entsprang, äußerte sich doch in einer für ihr Geschlecht etwas zu stürmischen Weise.

»Morbleu!« sagte sie, wie ihr Vater bei derlei Gelegenheiten zu sagen pflegte. »Der kleine Starrkopf will also keine Vernunft annehmen! Verbinde Du ihn, Mary; ich will ihm die Hände halten – und ich will ihm nicht rathen, sich zu rühren!«

Bertha faßte die Handgelenke des Verwundeten mit einer Kraft, welche sein Sträuben fruchtlos machte. Mary konnte ihm nun ungehindert das Schnupftuch um den Kopf binden.

Als diese mit einer Geschicklichkeit, welche einem Schüler Dupuytren’s oder Joberts Ehre gemacht haben würde, den Verband gehörig angelegt hatte, sagte Bertha zu dem Verwundeten: »Jetzt sind Sie so ziemlich im Stande, sich nach Hause zu begeben. Sie können also Ihrem ersten Gefühle folgen und uns den Rücken kehren, ohne sich zu bedanken. Sie sind frei.«

Aber trotz der erhaltenen Erlaubniß blieb er ruhig sitzen. Er schien sehr erstaunt und tief beschämt, daß er von der Laune und Willkür der beiden Amazonen abhing; seine Blicke wandten sich von Bertha zu Mary und von Mary zu Bertha, ohne daß er eine Antwort finden konnte.

Endlich fand er kein anderes Mittel, seiner Verlegenheit zu entgehen, als sich das Gesicht mit beiden Händen zu bedecken.

»Mein Gott!« sagte Mary besorgt, ist Ihnen nicht wohl?«

Er antwortete nicht.

Bertha zog ihm mit sanfter Gewalt die Hände vom Gesicht, und als sie sah, daß er weinte, wurde sie eben so sanft und theilnehmend wie ihre Schwester.

»Sie sind also gefährlicher verwundet, als wir glaubten?« fragte Bertha. »Haben Sie so heftige Schmerzen, daß Sie weinen? Wenn das ist, so setzen Sie sich auf mein Pferd oder auf das Pferd meiner Schwester; wir wollen Sie nach Hause begleiten.

Aber der junge Mann schüttelte den Kopf.

»Lassen Sie den kindischen Eigensinn,« setzte Bertha hinzu, »wir haben Sie beleidigt, aber konnten wir ahnen, daß wir unter Ihrem Jagdanzuge eine zarte Mädchenhaut finden würden? Kurz und gut, wir sehen ein, daß wir Unrecht haben und bitten Sie um Verzeihung. Vielleicht vermissen Sie einige von der Etikette vorgeschriebene Formen; aber Sie müssen die Umstände berücksichtigen, und überdies ist ja Aufrichtigkeit Alles, was man von zwei Mädchen erwarten darf, die unglücklicher Weise an der Ihrer Frau Mutter so mißfälligen lächerlichen Zerstreuung Geschmack finden. Zürnen Sie uns noch?«

»Nein, mein Fräulein,« antwortete der junge Mann, »ich bin nur gegen mich selbst aufgebracht.«

»Warum denn?«

»Ich kann es wirklich nicht sagen. Vielleicht schäme ich mich, daß ich schwächer gewesen bin als Sie; vielleicht quält mich auch der Gedanke, was ich meiner Mutter sagen, wie ich ihr diese Wunde erklären soll.«

Die beiden Mädchen sahen einander an: sie wären wegen einer solchen Kleinigkeit nicht in Verlegenheit gekommen. Aber dieses Mal lachten sie nicht, wie große Lust sie auch dazu hatten.

»Nun, wenn Sie uns nicht zürnen,« sagte Bertha, »so geben Sie uns die Hand; wir wollen als gute Freunde scheiden.«

Sie reichte dem Verwundeten mit Freimuth und Herzlichkeit die Hand.

Als er die dargebotene schöne Hand fassen wollte, hob Mary einen Finger, um die Aufmerksamkeit der beiden Andern zu erregen.

»Still!« sagte Bertha und lauschte eben so aufmerksam wie ihre Schwester.

Man hörte in der Ferne, aber schnell näher kommend, heftiges, anhaltendes Hundegebell.

Es war die Meute des Marquis von Souday, welche nicht dieselben Gründe hatte, wie die beiden Mädchen, in dem Hohlwege zu bleiben, dem Hasen nachgelaufen war und denselben nun zurückjagte.

Bertha ergriff rasch die Doppelflinte des Verwundeten, deren rechter Lauf noch nicht wieder geladen war.

Er machte eine abwehrende Geberde, als ob er eine Unbesonnenheit verhüten wollte. Das lächelnde Gesicht der schönen Amazone beruhigte ihn.

Sie stieß rasch den Ladestock in den geladenen Lauf, wie ein vorsichtiger Jäger, der sich eines Gewehres bedienen will, das er nicht selbst geladen hat. Als sie sich überzeugt hatte, daß Alles in der Ordnung war, trat sie einige Schritte vor.

Gleich darauf kam der Hase auf der andern Seite aus der Hecke, wahrscheinlich in der Absicht, dem Hohlwege zu folgen; aber als er die drei Personen bemerkte, kehrte er schnell um.

Allein wie schnell auch diese Bewegung war, so hatte Bertha doch Zeit zu zielen. Sie schoß und der Hase rollte die Böschung herab.

Unterdessen hatte Mary den Platz ihrer Schwester eingenommen und dem Verwundeten die Hand gereicht.

Beide hielten einander eine Weile bei der Hand, schauend und lauschend, was vorgehen werde.

Bertha hob den Hasen auf und kam wieder zu dem Unbekannten, der Mary’s Hand noch festhielt.

»Hier, mein lieber Herr,« sagte sie, »ist Ihre Entschuldigung.«

»Wieso?« fragte er.

»Sie können erzählen, der Hase sey zwischen Ihren Füßen aufgesprungen und Ihr Gewehr sey wider Ihren Willen losgegangen. Dann thun Sie Ihrer Frau Mutter Abbitte und versprechen ihr – wie Sie es uns soeben versprochen, – daß Sie es nicht wieder thun wollen. Der Hase wird mildernde Umstände geltend machen.«

Der Unbekannte schüttelte traurig den Kopf.

»Nein,« sagte er, »ich werde meiner Mutter nie gestehen, daß ich ihr ungehorsam gewesen bin.«

»Hat sie Ihnen denn unbedingt verboten, auf die Jagd zu gehen?«

»Ja, ganz unbedingt.«

»Dann sind Sie ja ein Wilddieb,« erwiderte Bertha, »Sie werden wenigstens gestehen, daß Sie einen Beruf haben —«

»Spotten Sie nicht, mein Fräulein. Sie sind so gut gegen mich gewesen, daß ich Ihnen nicht mehr zürnen kann. Sie würden mir also doppelten Kummer machen.«

»Dann haben Sie nur zwischen zwei Mitteln zu wählen,« sagte Mary. »Lügen wollen Sie nicht und wir wollen es Ihnen auch nicht rathen: gestehen Sie also ganz aufrichtig die Wahrheit. Glauben Sie mir, Ihre Offenheit ist das beste Mittel, Ihre Frau Mutter zu beschwichtigen, wie sie auch über das verpönte Vergnügen denken mag, – und im Grunde ist es ja kein so großes Vergehen, einen Hasen zu schießen!«

»Ist denn Ihre Frau Mutter so unerbittlich strenge?« setzte Bertha hinzu.

»Nein, mein Fräulein, sie ist herzensgut und kommt allen meinen Wünschen zuvor, befriedigt alle meine Launen; aber sie will durchaus nicht zugeben, daß ich ein Gewehr anrühre – und es ist ganz begreiflich,« setzte er mit einem Seufzer hinzu: »mein Vater hat auf der Jagd den Tod gefunden.«

Die beiden Mädchen erschraken.

»Wenn das ist,« erwiderte Bertha sehr ernst, »so waren unsere Scherze um so unzeitiger und unser Bedauern ist um so aufrichtiger. Ich hoffe, Sie werden die Scherze vergessen und sich nur des Bedauerns erinnern.«

 

»Ich werde mich nur der freundlichen Hilfe erinnern, die Sie mir geleistet, meine Damen, und ich hoffe, daß Sie meine übertriebene Empfindlichkeit vergessen werden.«

»O nein, wir werden daran denken,« erwiderte Mary, »um Anderen nicht die Gelegenheit zur Klage zu geben, die wir Ihnen gegeben.«

Während Mary antwortete, war Bertha zu Pferde gestiegen.

Der Unbekannte reichte der Ersteren noch einmal die Hand. Mary berührte sie mit den Fingerspitzen und schwang sich ebenfalls in den Sattel.

Nachdem die Hunde auf Bertha’s wohlbekannte Stimme herbeigeeilt waren, trieben die beiden Schwestern ihre Pferde an und entfernten sich im Galopp.

Der Verwundete schaute ihnen eine Weile nach, bis sie hinter einer Biegung des Hohlweges verschwanden.

Dann starrte er in tiefen Gedanken noch lange vor sich hin.

Wir müssen vorläufig bei ihm bleiben, um seine nähere Bekanntschaft zu machen.

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