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Die Zwillingsschwestern von Machecoul

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XV.
Etwas Geschichte schadet nicht

Das Zimmer, in welches der Reisende trat, war erst vor Kurzem erbaut worden. Die Wände waren feucht, und durch den schlechten Anstrich war das weiße Holz der Thüren und Fensterrahmen zu sehen.

Auf einem Bett von schlecht gehobeltem Tannenholz lag die Herzogin von Berry. Das Bettzeug, von sehr feinem Battist, war der einzige Luxus, der ihrem hohen Range angemessen erschien.

Ein roth und grün gewürfelter Shawl diente als Decke. In einem schlechten, mit Holz eingefaßten Camin brannte ein Feuer. Die ganze Einrichtung des Zimmers bestand in einem Tische, auf welchem Papiere und zwei Pistolen lagen, und zwei Stühlen. Auf dem einen Stuhle, der neben dem Tische stand, lag eine dunkelbraune Perrücke; auf dem andern, vor dem Bett stehenden lag ein vollständiger Bauernanzug.

Die Prinzessin trug eine wollene Haube mit breitem auf die Schultern herabfallenden Besatz.

Auf einem sehr baufälligen Nachttisch von Rosenholz, der offenbar einst in dem Schlafzimmer eines Schlosses Dienste geleistet hatte, brannten zwei Wachskerzen, bei deren Licht die Prinzessin ihre Correspondenz las.

Ein Packet Briefe, auf welchem ein zweites Paar Pistolen lag, schien noch ungelesen zu seyn.

Die Prinzessin schien die Ankunft des Reisenden mit Ungeduld zu erwarten; denn als er erschien, streckte sie beide Hände nach ihm aus.

Er küßte ihr dieselben und sie fühlte auf die eine Hand, die er festhielt, eine Thräne fallen.

»Eine Thräne!« sagte die Herzogin, »bringen Sie denn schlechte Nachrichten?«

»Diese Thräne kommt aus meinem Herzen, Madame,« antwortete Maître Marc, »sie drückt nur meine treue Ergebenheit aus und mein tiefes Bedauern, Sie in einer Meierei der Vendée so einsam und verlassen zu finden. Ich sah Sie ja einst —«

Er stockte; die Thränen hinderten ihn mehr zu sagen.

»In den Tuilerien, meinen Sie?« setzte die Herzogin, die abgebrochenen Worte ergänzend, hinzu. »Ich muß gestehen, lieber Herr, daß ich an den Stufen des Thrones schlechter bewacht und bedient worden bin, als hier; denn hier werde ich durch aufopfernde Treue bewacht, dort hingegen schützte mich nur die eigennützige Berechnung des Vortheils, den ich bieten konnte. – Doch zur Sache. Bringen Sie mir gute Nachrichten von Paris?«

»Ich bin ein Mann der Begeisterung, Madame,« erwiderte Marc, »ich sehe mich daher zu meinem größten Bedauern gezwungen, ein Bote der klugen Vorsicht zu seyn.«

»Ich verstehe Sie,» sagte die Herzogin; während meine Freunde in der Vendée ihr Leben aufs Spiel sehen, scheinen meine Freunde in Paris vorsichtig zu seyn. Sehen Sie wohl, daß ich Recht hatte, ich bin hier besser bewacht und zumal besser bedient, als in den Tuilerien.«

»Besser bewacht vielleicht – aber besser bedient gewiß nicht. Es gibt Augenblicke, wo Vorsicht eine nothwendige Vorbedingung des Erfolges ist.«

»Aber,« entgegnete die Herzogin ungeduldig, »ich bin über die Stimmung in Paris so gut unterrichtet wie Sie, und ich weiß, daß dort eine Revolution nahe bevorsteht.«

»Madame,« erwiderte der Advocat mit seiner klaren, wohltönenden Stimme, »wir leben seit anderthalb Jahren in Emeuten und keine dieser Emeuten hat sich zur Höhe einer Revolution erhoben.«

»Louis Philipp ist unpopulär —«

»Das will ich zugeben; aber daraus folgt nicht, daß Heinrich V. populär sey.«

»Heinrich V.? Mein Sohn heißt nicht Heinrich V.,« sagte die Herzogin ungeduldig, »er heißt der zweite Heinrich IV.«

»In dieser Beziehung, Madame,« erwiderte der Advocat, »läßt sich sein eigentlicher Name noch nicht nennen; er ist noch zu jung. Verzeihen Sie meiner Offenheit; je mehr man einem Oberhaupt zugethan ist, desto mehr ist man ihm Wahrheit schuldig.«

»Ja wohl, Wahrheit will ich vor allen Dingen.«

»Nun, so hören Sie die Wahrheit, Madame. Leider verlieren sich die Erinnerungen der Völker in einem beschränkten Gesichtskreise. Für das französische Volk, nämlich jene materielle rohe Gewalt, welche einen Aufruhr, zuweilen sogar, wenn sie von einer großen Idee belebt wird, eine Revolution zu Stande bringt, gibt es zwei große Erinnerungen: die erste ist dreiundvierzig, die andere siebzehn Jahre alt. Die erste ist die Erstürmung der Bastille – der Sieg des Volkes über das Königthum der Sieg, welcher der Nation die dreifarbige Fahne gegeben hat. Die zweite ist die doppelte Restauration von 1814 bis 1815 – der Sieg des Königthums über das Volk; der Sieg, welcher dem Lande die weiße Fahne aufgedrängt hat. In stürmischen Zeiten ist aber Alles ein Symbol: die dreifarbige Fahne ist das Banner der Freiheit, sie führt die Inschrift: »Unter diesem Zeichen wirst Du siegen!« Die weiße Fahne ist das Banner des Despotismus, und auf ihr steht geschrieben: »Unter diesem Zeichen bist du besiegt worden!«

»Mein Herr! —«

»Sie wollten die Wahrheit hören, Madame, erlauben Sie mir also, daß ich sie Ihnen frei und offen sage.«

»Gut; aber wenn Sie gesprochen haben, werden Sie mir erlauben, Ihnen zu antworten.«

»Ja, Madame, und ich werde mich glücklich schätzen, wenn mich diese Antwort überzeugt.«

»Fahren Sie fort.«

»Sie haben Paris den 28. Juli verlassen, Sie haben also nicht gesehen, mit welcher Erbitterung das Volk die weiße Fahne zerrissen und die Lilien mit Füßen trat.«

»Die Fahne des heiligen Ludwig – die Lilien Ludwigs XIV!«

»Leider erinnert sich das Volk nur an Waterloo, das Volk kennt nur Ludwig XVI. – eine Niederlage und eine Hinrichtung. Nach meiner Ansicht, Madame, findet Ihr Sohn, nämlich der letzte Nachkomme des heiligen Ludwig und Ludwigs XIV., das Haupthinderniß gerade in der weißen Fahne. Wenn Se. Majestät Heinrich V. – oder der andere Heinrich IV., wie Sie ihn so treffend nennen – mit der weißen Fahne in Paris einzieht, so wird er nicht durch die Vorstadt Saint-Antoine kommen; ehe er auf den Bastilleplatz kommt, ist er todt.«

»Und wenn er mit der dreifarbigen Fahne einzieht?«

»Dann ist’s noch schlimmer, Madame; ehe er die Tuilerien erreicht, ist er entehrt!«

Die Herzogin fuhr auf, erwiderte aber erst nach einer langen Pause:

»Es ist vielleicht die Wahrheit – aber sie ist sehr hart!«

»Ich habe Ihnen die ganze Wahrheit versprochen und halte mein Versprechen.«

»Aber wenn Sie diese Ueberzeugung haben,« sagte die Herzogin, »warum bleiben Sie denn einer Partei ergeben, die keine Hoffnung auf Erfolg hat?«

»Weil ich mit Herz und Mund der weißen Fahne geschworen, und lieber das Leben als die Ehre verlieren will.«

Die Herzogin schwieg wieder eine Weile, dann erwiderte sie:

»Ich habe ganz andere Nachrichten über Frankreich erhalten, und diese Nachrichten haben mich zur Rückkehr bewogen.«

»Bedenken Sie, Madame, daß die Wahrheit wohl zuweilen bis zu den regierenden, aber nie bis zu den entthronten Fürsten dringt.«

»Erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, mein Herr, daß Sie als Advocat in Verdacht kommen können, nach paradoxen Behauptungen zu haschen.«

»Die paradoxen Redefiguren,« entgegnete der Advocat, »gehören zur Redekunst; allein hier, vor Euer Hoheit, kommt es nicht auf Redekunst, sondern auf Wahrheit an.«

»Sie sagten aber, die Wahrheit gelange nie zu den entthronten Fürsten: Sie müssen sich also vorhin geirrt haben, oder Sie irren sich jetzt.«

Der Advocat biß sich in die Lippen: er war in seinem eigenen Dilemma gefangen.

»Madame, habe ich wirklich gesagt: nie?«

»Ja, Sie haben es gesagt.«

»Dann erlauben Sie mir, daß ich hier eine Ausnahme gelten lasse und mich als Vertreter dieser Ausnahme betrachte.«

»Gut, wir wollen die Ausnahme gelten lassen; aber sagen Sie, warum die Wahrheit nie bis zu den entthronten Fürsten gelangt?«

»Weil die Fürsten auf dem Throne möglicherweise den Ehrgeiz ihrer Umgebungen befriedigen können, die entthronten Fürsten hingegen den Ehrgeiz ihrer Anhänger noch zu befriedigen haben.

In Ihrer Umgebung, Madame, befinden sich gewiß einige edle Gemüther, die Ihnen mit völliger Hingebung zugethan sind; aber Viele sehen in Ihrer Rückkehr nach Frankreich einen Weg zu Reichthum und Ehrenstellen. Es gibt auch Mißvergnügte, die ihre Stellung verloren haben und dieselbe wieder gewinnen, zugleich aber sich an denen, die sie ihnen genommen, Rache nehmen wollen. Alle diese Leute haben falsche Ansichten von der Lage der Dinge: ihre Wünsche werden zu Hoffnungen, ihre Hoffnungen zur Gewißheit; sie träumen unaufhörlich von einer Revolution, die vielleicht kommen wird, aber gewiß nicht zu der Stunde, wo sie sie erwarten. Sie täuschen sich selbst und Ew. Hoheit; sie bereiten Ihnen eine Gefahr, in welche sie sich zu stürzen jeden Augenblick bereit sind. Diesen unheilvollen Irrthum, Madame, müssen Sie erkennen, und deshalb enthülle ich Ihnen die Wahrheit vielleicht schonungslos, aber in der besten Absicht.«

»Kurz und gut,« erwiderte die Herzogin, die umso ungeduldiger war, da diese Worte die Bestätigung dessen enthielten, was sie bereits im Schlosse Souday gehört hatte, »was bringen Sie in den Falten Ihrer Toga, Meister Cicero? bringen Sie Friede oder Krieg?«

»Da wir verabredetermaßen in den Traditionen des constitutionellen Königthums bleiben, so antworte ich, daß es Eurer königlichen Hoheit als Regentin zukommt, darüber zu entscheiden.«

»Ja wohl, es soll den Kammern freistehen, mir Hilfsgelder zu verweigern, wenn ich nicht nach ihrem Willen entscheide! Maître Marc, ich kenne alle die Vermittlungsversuche Ihres constitutionellen Systems, dessen Hauptfehler nach meiner Meinung darin besteht, daß nicht die am besten Zahlenden, sondern die am meisten Redenden ihr Glück dabei machen. Sie müssen die Meinungen meiner getreuen Rathgeber über die Zweckmäßigkeit einer bewaffneten Erhebung kennen gelernt haben. Was sagt man dazu? was denken Sie selbst darüber? Wir haben viel von der Wahrheit gesprochen: sie ist zuweilen ein furchtbares Gespenst, aber ich fürchte mich nicht; reden Sie.«

 

»Eben weil ich überzeugt bin, daß Eure Hoheit einen hohen königlichen Sinn, einen starken Geist haben, trug ich kein Bedenken, einen Auftrag zu übernehmen, den ich als peinlich betrachte.«

»Lassen Sie die Diplomatie, Maître Marc; reden Sie frei, offen, und bedenken Sie, daß ich jetzt Soldat bin.«

Der Reisende hatte inzwischen seine Cravate abgenommen und suchte sie aufzutrennen, um ein Papier herauszunehmen.

»Geben Sie her,« sagte die Herzogin mit Ungeduld, »ich verstehe das besser als Sie.«

Es war ein in Zeichen geschriebener Brief.

Die Herzogin warf einen Blick auf das Schreiben und gab es dem Advocaten zurück.

»Ich würde zu viel Zeit mit dem Entziffern verlieren,« sagte sie, »lesen Sie mir’s vor, es muß Ihnen leicht seyn, denn Sie kennen vermuthlich den Inhalt.«

Der Advocat nahm den Brief zurück und las ohne Zögern:

»Die Personen, denen man ein ehrenvolles Vertrauen geschenkt, können nicht umhin, ihr Bedauern auszudrücken über die Rathschläge, die zu der gegenwärtigen Krise geführt haben. Diese Rathschläge sind wahrscheinlich von wohlmeinenden, aber mit der Lage der Dinge und der allgemeinen Stimmung unbekannten Männern gegeben worden. Man täuscht sich, wenn man an die Möglichkeit einer Erhebung in Paris glaubt: man würde nicht zwölfhundert Mann auftreiben, ohne daß eine Anzahl Polizeiagenten darunter wäre, die für einige Thaler Lärm auf den Straßen machen und die Nationalgarde und eine treue Garnison zu bekämpfen haben würden. Man täuscht sich über die Vendée, wie man sich über den Süden getäuscht hat: diese getreue Provinz, die schon so viele Opfer gebracht hat, steht unter der Zuchtruthe einer starken Armee, welche von der fast durchgehend antilegitimistischen Bevölkerung der Städte unterstützt wird. Ein Aufstand der Bauern würde nur die Verwüstung des Landes und die Befestigung der Regierungsgewalt durch einen leichten Sieg zur Folge haben.

»Der allgemeinen Meinung nach sollte die Mutter Heinrichs V., wenn sie in Frankreich ist, allen Anführern befehlen, sich ruhig zu verhalten und dann das Land eilends verlassen. Dann wäre sie nicht gekommen den Bürgerkrieg vorzubereiten, sondern den Frieden zu erlangen; sie würde dann den doppelten Ruhm haben, eine muthige That zu vollbringen und Blutvergießen zu verhüten.

»Die verständigen Freunde der Legitimität sind nie von den beabsichtigten Schritten in Kenntniß gesetzt worden, man hat sie über die gewagten Entschlüsse, die man fassen wollte, nie um Rath gefragt, sie haben immer erst die vollendeten Thatsachen erfahren; sie schieben daher die Verantwortung den Rathgebers oder Urhebern zu, sie können weder aus die Ehre des Gelingens Anspruch machen, noch von dem Tadel im Fall des Mißlingens getroffen werden.«

Die Herzogin war während der Vorlesung dieses Briefes in großer Aufregung; ihr sonst blasses Gesicht war stark geröthet, ihre behende Hand wühlte in den Haaren und schob die wollene Haube zurück. Sie unterbrach den Vorleser durch keine Sylbe, keinen Laut; aber diese Ruhe war offenbar der Vorbote eines Sturmes, und um diesen abzuwenden, sagte der Advocat, indem er ihr den Brief zurückgabt:

»Ich habe den Brief nicht geschrieben, Madame.«

»Nein,« antwortete die Herzogin, die sich nicht länger zu halten vermochte, »aber der Ueberbringer war wohl fähig, ihn zu schreiben!«

Der Reisende sah ein, daß er durch Unterwürfigkeit nichts über dieses lebhafte reizbare Naturell vermögen würde, er erwiderte daher mit Selbstgefühl:

»Ja, und er erröthet über eine Anwandlung von Schwäche, und er erklärt Eurer Hoheit, daß er zwar einzelne Ausdrücke dieses Briefes nicht billigt, aber das Gefühl theilt, welches aus demselben spricht.«

»Dieses Gefühl,« wiederholte die Herzogin, »nennen Sie es Selbstsucht, nennen Sie es Vorsicht, welche große Aehnlichkeit hat mit —«

»Mit Feigheit! nicht wahr, Madame, das wollten Sie sagen? Finden Sie ihn wirklich feig den Mann, der Alles verlassen hat, um hierher zu kommen und eine Situation zu theilen, zu der er nicht gerathen? Finden Sie es selbstsüchtig, wenn er sich Ihnen vorstellt und sagt: Sie wollen die Wahrheit, Madame, ich sage sie Ihnen; aber wenn es Eurer Hoheit gefällt, einem ebenso unnützen als sichern Tode entgegen zu gehen, so werden Sie mich an Ihrer Seite sehen.«

Die Herzogin schwieg eine kleine Weile, dann erwiderte sie sanfter:

»Ich weiß Ihre treue Ergebenheit zu schätzen, aber Sie kennen die Stimmung der Vendée nicht, Sie haben nur von denen etwas erfahren, die sich der Bewegung widersetzen.«

»Angenommen,« sagte der Advocat, »angenommen, aber nicht zugegeben, die Vendée werde sich wie ein Mann erheben, sie werde sich um Sie scharen und kein Opfer scheuen – so ist doch zu bedenken, daß die Vendée nicht Frankreich ist.«

»Sie sagten vorhin,« entgegnete die Herzogin, »das Volk in Paris hasse die Lilien und verachte die weiße Fahne: Sie wollen wohl behaupten, daß ganz Frankreich die Stimmung des Pariser Volkes theile.«

»Ach! Madame, Frankreich ist konsequent in seinem Urtheil wie in seinem Handeln; wir hingegen jagen einem Hirngespinnst nach, wenn wir eine Vereinigung des göttlichen Rechtes mit der Volkssouveränität für möglich hatten; es sind zwei unvereinbare Dinge; das göttliche Recht scheint unvermeidlich zum Absolutismus zu führen und Frankreich will keinen Absolutismus mehr.«

»Absolutismus! ein hochtönendes Wort, um kleine Kinder zu erschrecken!«

»Nein, es ist kein hochtönendes, leeres Wort, und vielleicht sind wir der Sache näher, als wir glauben. Allein ich gestehe zu meinem Bedauern, Madame, daß ich nicht glaube, Ihrem königlichen Sohne sey die gefährliche Ehre vorbehalten, den Volkswillen zu zähmen.«

»Warum nicht?«

»Weil er hauptsächlich gegen ihn Mißtrauen hegt; weil der Löwe, sobald er ihn kommen sieht, seine Mähne schütteln und sich zum Sprunge bereit halten wird. Glauben Sie nur, Madame, man ist nicht ungestraft der Enkel Ludwigs XIV.«

»Sie meinen also, es sey zu Ende mit der bourbonischen Dynastie?«

»Gott behüte mich vor einem solchen Gedanken! Ich glaube, daß man das Rad der Ereignisse nicht gewaltsam zurückrollen kann, dass man die einmal aus dem Schooße dieser Ereignisse hervorgegangene Revolution in ihrer Entwicklung nicht hindern soll; es wäre ein fruchtloses Unternehmen, den Strom zu seiner Quelle zurückleiten zu wollen. Diese Quelle wird entweder befruchtend wirken, und in diesem Falle, Madame, kenne ich Ihre Vaterlandsliebe genug, um überzeugt zu seyn, daß Sie ihr verzeihen werden; oder sie wird unfruchtbar seyn, und dann werden die Mißgriffe der Machthaber Ihrem Sohne mehr nützen, als alle seine Anstrengungen.«

»Aber es kann doch nicht immer so dauern.«

»Madame, Se. Majestät Heinrich V. ist ein Princip, und ein Princip dauert ewig.«

»Dann soll ich also nach Ihrer Meinung alle Hoffnung aufgeben? ich soll also meine Freunde verlassen, ich soll ihnen, wenn sie in drei Tagen zu den Waffen gegriffen haben, durch einen Fremden sagen lassen: Marie Caroline, für die Ihr kämpfen, für die Ihr das Leben lassen wollet, hat an ihrem Glück verzweifelt und sich vor dem Verhängniß zurückgezogen! Marie Caroline hat sich gefürchtet? Nein, nein, das werde ich nie thun!«

»Ihre Freunde werden Ihnen diesen Vorwurf nicht zu machen haben, Madame, denn in drei Tagen werden sich Ihre Freunde nicht versammeln.«

»Wissen Sie denn nicht, daß die allgemeine Erhebung auf den 24. festgesetzt ist?«

»Ihre Freunde müssen Gegenbefehl erhalten haben.«

»Wann?«

»Heute.«

»Heute?« erwiderte die Herzogin, indem sie sich im Bett ausrichtete und auf beide Hände stützte, »woher ist dieser Gegenbefehl gekommen?«

»Von Nantes.«

»Wer hat ihn gegeben?«

»Der Mann, dem nach Ihrem Befehl Jedermann gehorchen soll.«

»Der Marschall!«

»Der Marschall hat nur die Weisungen des Pariser Comité befolgt.«

»Also bin ich gar nichts mehr?« sagte die Herzogin auffahrend.«

»Sie sind Alles, Madame,« erwiderte der Abgesandte und ließ sich vor ihr auf ein Knie nieder, »deshalb schützen wir Sie, deshalb wollen wir Sie nicht in eine unnütze Bewegung ziehen, deshalb wollen wir Sie nicht durch eine Niederlage unpopulär machen.«

»Welche Zaghaftigkeit!« erwiderte die Herzogin unwillig, »hätte Maria Theresia so furchtsame Rathgeber gehabt wie ich, so würde sie ihrem Sohne den Thron nicht wieder erworben haben.«

»Wir wollen ihm den Thron für die Zukunft sichern, Madame, und deshalb sagen wir Ihnen: Verlassen Sie Frankreich und gestatten Sie, daß wir Sie zum Engel des Friedens und nicht zum Dämon des Krieges machen.«

»O welche Schmach!« seufzte die Herzogin, indem sie die Fäuste auf die Augen drückte, »welche Schmach!«

Der Advocat fuhr fort, als ob er diese Worte nicht gehört hätte oder vielmehr, als ob der Entschluss, den er der Prinzessin anzuzeigen hatte, unabänderlich gewesen wäre.

»Alle Vorkehrungen sind getroffen, um Ew. Hoheit sicher aus dem Lande zu geleiten: ein Schiff kreuzt in der Bai von Bourgneuf, in drei Stunden können Sie sich einschiffen.«

»Edle Vendée!« sagte die Herzogin, »wer hätte mir vorausgesagt, daß Du mich zurückweisen, forttreiben würdest, wenn ich im Namen des Gottes und deines Königs erschiene! Ich glaubte, nur Paris sey treulos und undankbar; aber auch die Vendéer, von deren Treue ich einen Thron zurückerwartete, gönnen mir nicht einmal ein Grab in der heimatlichen Erde! Nein, das hätte ich nie geglaubt!«

»Sie werden abreisen, nicht wahr, Madame?« sagte der Abgesandte, der noch immer kniete und bittend die Hände aufhob.

»Ja, ich will abreisen! sagte die Herzogin, »ja, ich will Frankreich verlassen. Aber ich komme nicht wieder; denn ich mag nicht erscheinen mit den Fremden, die nur eine günstige Gelegenheit erwarten, um sich gegen Philipp zu verbünden und meinen Sohn von mir zu fordern. Man hat für ihn zwar ebenso wenig wahre Freundschaft, wie man 1792 für Ludwig XVI. und 1813 für Ludwig XVIII. hatte; aber man will in Paris gern einen Anhang haben. Doch sie sollen ihn nicht haben, um keinen Preis der Welt bekommen sie meinen Sohn; ich gehe mit ihm lieber in die Gebirge von Calabrien. Wenn er den Thron Frankreichs durch die Abtretung einer Provinz, einer Stadt, einer Festung, eines Hauses, einer Hütte wie diese, in der ich jetzt bin, erkaufen müßte, so gebe ich Ihnen mein Wort als Regentin und Mutter, daß er nie König werden wird. Jetzt habe ich Ihnen nichts mehr zu sagen. Reisen Sie zurück und melden Sie in Paris, was ich gesagt habe.«

Der Advocat stand auf und verneigte sich vor der Herzogin. Er erwartete, sie werde ihm wieder wie bei seiner Ankunft die Hand reichen; aber sie blieb in drohender, zorniger Haltung.

»Gott behüte Ew. Hoheit,« sagte er; denn er glaubte nicht länger warten zu dürfen, er konnte ja nicht erwarten, daß der edle, stolze Sinn der Herzogin in seiner Anwesenheit die mindeste Rührung verrathen werde.

Er hatte sich nicht geirrt; aber kaum hatte sich die Thür hinter ihm geschlossen, so sank die Herzogin, von dieser langen Anstrengung erschöpft, auf das Bett zurück und sagte schluchzend:

»O Bonneville! – mein armer Bonneville!«

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