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Die Prinzen von Orleans

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Von dem Augenblicke, wo jenes unglückselige Ereigniß die Loosung zum Kampf auf Tod und Leben zwischen Volk und Regierung herbeigeführt, hatten beide Theile unermeßliche Defensiv- und Offensivvorkehrungen getroffen und sich mit ungeheurem Kraftaufwande zur blutigen Arbeit des kommenden Tags gerüstet. Die Truppen behaupteten noch ihre Stellung vom Carrouselplatz über die Quais, die Straße St.-Honoré hinab bis zur Halle, andrerseits von den Champs-Elysées längs der Boulevards bis zum Bastilleplatz und dem Vendomeplatz, dem Marché des Jacobins, dem Platz des Palais Royal, die Place des Victoires, die Straße Montmartre, die Märkte des Centrums und die Plate Royale. Von Seiten des Volks war die ganze Nacht hindurch an neuen Barricaden gearbeitet worden. Jedermann hatte Hand angelegt, die Alten wie die Jungen, die Starken wie die Schwachen, die Kämpfer des Tags trotz ihrer Ermüdung, die Weiber trotz der Schwäche ihres Geschlechts, und wie durch einen Zauberschlag waren in kurzer Zeit Riesenwerke [ 91 ] von Verrammelungen ausgeführt. Bei Tagesanbruch sah Paris merkwürdig aus. In den Häusern war es still wie ausgestorben; Thüren, Fenster und Läden geschlossen. Alle Straßen gesperrt mit ungeheuern Barricaden, wahre Cyklopenmauern, mit Pflastersteinen, Wagen und Eisengittern gebaut und mit so großem Geschick in einander gefügt, daß sie die allerunverwüstlichsten Schanzen bildeten. Vom Boulevard de la Madeleine bis an die Porte St-Denis waren alle Bäume zu beiden Seiten der Trottoirs umgehauen, alle Spitzsäulen umgestürzt, alle gußeiserne Bänke herausgerissen und quer über den mittlern Fahrweg hinübergeworfen, um ihn der Reiterei verderblich zu machen; die Zugänge aller einmündenden Straßen von Insurgenten bewacht. Bei der Porte St.-Denis der Boulevard in seiner ganzen Breite gesperrt und mit einer hohen, bombenfesten Barricade; die Einmündung der Rue St-Denis mit einer noch höhern, undurchdringlichern Barricade verrammelt; die andern Boulevards bis zum Bastilleplatze hin in gewissen Abständen mit ähnlichen Verschanzungen bedeckt. In allen Straßen der Ruf der Trommeln rasselnd, von allen Thürmen die Sturmglocken ertönend, von allen Seiten die Haufen der Kampflustigen den Barricaden zuströmend, meist Leute, die nicht zu den Reichen, vielfach nicht einmal zu den Wohlhabenden gehörten, Handwerker und Ouvriers in blauen Kitteln, ganz Unbemittelte in halb zerrissenen Wämsern, dann feurige junge Männer, Studenten, Commis, zum Theil noch unbewaffnet, theils mit den verschiedenartigsten Waffen versehen. Hier trug Einer eine gute doppelläufige Jagdflinte, dort ein Anderer ein verrostetes Commißgewehr; alte Degen, Rappiere, Aexte, Bratspieße, Eisenstäbe und Werkzeuge aller Art wurden in diesen bunten Reihen erblickt.

In dieser schrecklichen Nacht vom 23. bis 24. Febr. Mögen [ 92 ] leicht 5000 Barrikaden binnen 4—6 Stunden, darunter höchst kunstreiche errichtet worden sein; einige mit Schießscharten, wie Festungswerke; alle 50 Schritte erhob sich ein solches Ungethüm, und an jedem Kreuzwege fanden ihrer vier im Quadrat oder im Trapez. Während dieses urplötzlichen Festungsbaues in der verhängnißvollen Nacht warfen die Frauen aus allen Fenstern alle Flaschen heraus, die sie nur finden konnten, und einige Ingenieurs in der Blouse hackten je 8 – 10 Pflastersteine im Zickzack los, damit die Pferde der Kavallerie zum Sturze kamen. Um Paris in dieser Position einzunehmen, hätte man 300.000 Truppen und eines achttägigen Kampfes auf Leben und Tod bedurft, und das Resultat würde Tod – aber ein freies Paris gewesen sein.

Gegen 7 Uhr erschien die Nationalgarde, fest entschlossfen, sagte man, mit dem Volke gemeinschaftliche Sache zu machen und an dem bevorstehenden Kampf gegen die Linientruppen thätigen Antheil zu nehmen. Nicht lange darauf hörte man von verschiedenen Seiten her Kanonendonner und Gewehrfeuer. Man erfuhr, daß, seit dem blutigen Vorfall auf dem Boulevard des Capucins das Handgemenge in den Quartieren St.-Denis und St.-Martin unausgefetzt fortgedauert. Bald rückte auch oben an der Straße Montmar- tre eine bedeutende Truppenmacht auf den Boulevards aus. Chaffeurs von Vincennes, Dragoner, reitende Jäger, Linienmilitair trafen nach und nach ein. Man hörte fernen Commandoruf, dem ein Pelotonfeuer folgte, welches gegen die Vertheidiger der am Eingange des Faubourg Montmartre befindlichen Barricade gerichtet war und mit heftigem Flintenfeuer erwidert wurde.

Um 8 Uhr marschierten die Truppen gegen den Boulevard St-Denis ab, wo sich mörderische Gefechte entspannen. Das Schießen wurde immer hörbarer und furchtbarer. [ 93 ] Zu gleicher Zeit ertönte, das Krachen der Gewehre überbietend, die Musik der Linie mit dem Rasseln der Trommeln abwechselnd; dazwischen rollte, fern und nah, der Donner der Kanonen, heulte der gellende Klang der Sturmglocken, stiegen tausend verwirrte Stimmen in betäubenden Mißtönen gen Himmel; es war, als seien alle Furien der Hölle losgelassen, um die arme Menschheit zu geißeln.

Um 9 Uhr verbreitete sich das Gerücht, man habe Unterhandlungen angeknüpft. Zahlreiche Ordonnanzoffiziere kreuzten sich auf dem Wege nach dem Schlosse. Bald erfuhr man gewiß, daß Vorschläge der Ausgleichung gethan und Zugeständnisse gemacht worden. Es hieß, der vom Gemetzel in der Rue Transmonain her beim Volke übelberüchtigte und verhaßte Marschall Bugeaud, in der Nacht zum Obercommandanten der Pariser Nationalgarde ernannt, sei gleich nach seiner Ernennung abgedankt und an seiner Stelle der populäre General Lamoricière erwählt worden. Auch war die Rede von einem Ministerium Thiers-Barrot und von der Auflösung der Kammer. Diese Gerüchte bestätigten sich bald amtlich. Der Befehl, die Feindseligkeiten einzustellen, gelangte nach den Boulevards um 10 Uhr, in demselben Augenblicke, wo das 45. Linienregiment zum Volke übergetreten war und, von der Nationalgarde begleitet, in die Kaserne La Nouvelle France im Faubourg Poisfonnière zurückkehrte. Gleich nachdem jener Befehl angekommen, nahm die Infanterie ihre Gewehre verkehrt auf die Schulter und blieb so ruhig stehen, bis alle auf den Boulevards aufgestellten Truppen im Schritt vor dem Volke defilierten, welches sie mit Vivats begrüßte. Die Nationalgarde folgte hinterdrein. Allgemeiner Jubelruf und mächtiges Händeklatschen empfing sie. Um 11 Uhr bemächtigten sich bewaffnete Volkshaufen, [ 94 ] mit Nationalgarden untermischt, auf dem Boulevard des Italiens mehrer Kanonen und etwa zehn Bagagewagen; jubelnd wurden die erbeuteten Patronen verteilt. Anderwärts lieferten viele Soldaten ihre Flinten freiwillig dem Volke aus, welches nun, da es gehörig mit Waffen und Schießvorrath versehen, die ersten Zugeständnisse des Hofes unzulänglich fand. Die angeschlagenen Proklamationen, welche diese Zugeständniffe bekannt machten, wurden überall wieder abgerissen, und schon vernahm man statt des anfänglichen Rufes: Vive la Réforme! den Schrei: A has Louis Philippe! Vive la Nation! der die schnelle Umstimmung der Gemüther verkündete. Während die Truppen, meist entwaffnet, sich langsam zurückzogen, rückten Insurgentencolonnen, wohlbewaffnet und wohlgeordnet, gegen das Centrum der Stadt vor. Die Lage des Schlosses wurde von Minute zu Minute kritischer, bedenklicher. Gegen Mittag entschloß sich der Hof zu neuen Bewilligungen, und um halb 1 Uhr verkündigte eine zweite Proklamation die Abdankung des Königs zu Gunsten seines Enkels, des Grafen von Paris, mit der Herzogin von Orleans als Regentin. Aber auch dieser Schritt kam zu spät. Gleichzeitig zogen geschlossene Kämpferchaaren von Nationalgardisten und Barricadenmännern gegen die Tuilerieen und drangen, nach einem hitzigen Gefechte mit dem am Chateau d'eau vor dem Palais Royal aufgestellten Wachtposten des 14. Linienregiments, nach dem Carrouselplatze hin, wo sofort der Angriff gegen das Schloß geschah. Der Widerstand dauerte nicht lange. Die Truppen waren niedergeschlagen, mißmuthig, demoralisiert, ihre Colonnen aufgelöst, Reihe und Glied gebrochen, Offiziere und Soldaten bunt durcheinander gemischt, Alles in eiligem Rückzuge nach den Champs-Elysées.

Ludwig Philipp war kaum zu den Barrieren hinaus, als das siegreiche Volk von zwei Seiten her durch den Hof [ 95 ] und durch den Garten in die Vorhallen des Palastes stürzte. Augenblicklich waren alle Prachtzimmer mit Bewaffneten und Unbewaffneten angefüllt, die sich wohlgemuth und scherzend in den goldenen Sälen herumtrieben, die Vorhänge abrissen, die Schubladen ausleerten und Meubles, Papiere und sonstiges Geräth zu den Fenstern hinaus in den Garten warfen, wo sie zu Haufen geschleppt und in Brand gesteckt wurden. Aehnlich ging es fast zu gleicher Zeit im Palais Royal her, wo ebenfalls alle Staatsgemächer in einem Nu ausgeräumt und die zum Fenster hinausgeworfenen Gegenstände verbrannt wurden. Um 3 Uhr fand an der Thür des National angeschlagen: Plus de Bourbonst Vive la république! Auf den Boulevards sah man viele Soldaten, die von den abmarschirten Colonnen zurückgeblieben waren und sich an die Bürger angeschlossen hatten. Diese faßten sie unter den Arm und zogen sie in die Wein- und Kaffeehäuser, die sich teilweise schnell geöffnet hatten, und aus denen bald der Klang der Gläser und der Gesang patriotischer Lieder erschallte. Welcher schnelle und überraschende Wechsel in dieser Scene des Bürgerkriegs! In der nämlichen Straße, in der vor wenigen Stunden noch der wildeste Kampf gewüthet, der Donner des Geschützes gekracht hatte, hörte man jetzt taufend jubelnde Stimmen und Freudenschüsse, sah man Sieger und Besiegte untermischt, Soldaten und Bürger, erst noch im bittersten Kampfe begriffen, Arm in Arm wandeln, und das Alles in der grausen Verwirrung des eben beendigten Kampfes; hochgethürmte Barricaden, das Pflaster aufgewühlt, verlassene Kanonen, der Boden mit Gewehren, mit Patrontaschen, mit Glasscherben, mit umgehauenen Bäumen, mit Leichen bedeckt! Abends war die ganze Stadt illuminiert. Ganz besonders machte die Erleuchtung auf den Boulevards durch ihre Ausdehnung, Fülle und Pracht eine zauberhafte Wirkung. Die [ 96 ] langen und hohen Häuserreihen zu beiden Seiten waren zwei fortlaufende Feuerreihen, die zwei feurigen Mauern eines transparenten Feenpalastes glichen, leider aber nichts als Gräuel der Verwüstung und Trümmer des Bürgerkriegs beschienen.

 

Um 12 Uhr rückten etwa Hundert Bürger (Citoyens) vor die Wasserkunst auf der Place du Palais Royal, dessen Wache von einer Compagnie des 14. Linienregiments besetzt war. Da die Schildwache »Wache heraus!« rief, marschirten die Bürger an die Freitreppe, welche das Wachthaus hinaufführt, die Soldaten ließen sie ruhig herankommen, weigerten sich aber auf geschehene Aufforderung hartnäckig ihre Flinten abzugeben, obwohl man ihnen feierlich sicheren Abzug gelobte. Dies war der erste Akt der blutigen Tragödie auf der Place du Palais Royal. Fast eine Stunde lang wuchs die Masse immer mehr an und blieb gegen das Wachthaus gedrängt stehen; sie wandte keine andern Mittel an als die der Ueberredung, aber Alles war fruchtlos. Bald nachher erschien General Lamoricière auf dem Platze des Palais Royal, begleitet von seinen Adjutanten und zwei Offizieren der Nationalgarde; sie näherten sich dem Posten, doch ihre wiederholten Aufforderungen blieben ohne Erfolg. Aber die Eröffnung des großen Drama's ließ nicht lange auf sich warten. Eine majestätische Barrikade ward an der Ecke der Rue de Valois errichtet, welche sie sammt der Rue St. Honoré absperrte. Auf der andern Seite des Platzes du Palais Royal schaarte sich ein Haufe von Bürgern zusammen, dem sich diejenigen zugesellten, die vergebens die Flinten der Soldaten gefordert hatten. Einige Schüsse fielen, gleichsam die ersten Kundgebungen des aufwallenden Volkszornes. Der Wachtposten beantwortete diese Schüsse, und bald entspann sich von beiden Seiten des Platzes ein furchtbares Kleingewehrfeuer und viele [ 97 ] tapfere Bürger fielen, deren Muth ein befferes Loos verdient hätte. Die Nationalgarde war mittlerweile nicht unthätig; wie das Volk, mit dem Volk, focht sie, das sich inzwischen nothdürftig Pulver und Blei verschafft hatte. Zwei Stunden dauerte der Kampf mit der Heftigkeit einer Belagerung und eines Sturmes. Um die Episoden dieser Waffenthat zu schildern, würden viele Bogen nicht genügen. Hier sah man Knaben mit schon blutigem Hemde, welche nach neuen Wunden zu verlangen schienen; dort Nationalgarden, welche allein oder begleitet von einigen Bürgern in Blousen oder Jacken, muthig mitten auf dem Platze. Stand hielten und unter einem auf sie herabprasselnden Kugelregen ohne Wanken feuerten. Gleichzeitig drang das Volk in die Wache des Palais Royal und die Soldaten desselben fraternisierten Angesichts der noch kämpfenden Compagnie vom 14. Regiment, mit dem Volke, und Volk und Soldaten stellten sich so in der Cour d'Honneur auf und feuerten von da aus gemeinschaftlich auf die Wasserkunst. Unbeschreibliches Unglück war die Folge dieses langen Kampfs; meistentheils war daran die Verwegenheit der Anstürmenden Schuld; die zu weit gegen die Wachen vordringenden Angreifer wurden von den Kugeln ihrer eigenen Brüder getroffen, doch noch immer unerschüttert standen die Soldaten, welche aus Verzweiflung oder in starrem Gehorsam gegen die erhaltenen Befehle, nicht abließen von der Thüre der Wache und den oberen Fenstern aus ein heftiges Feuer zu unterhalten. In diesem Augenblicke wurden die Hofwagen auf den Platz des Palais Royal gebracht und dort in einem umgeheuern Freudenfeuer verbrannt. Das Volk sah so den letzten Pomp des Königthums in Rauch aufgehen! Hinter den Kutschen standen einige Männer welche auf das Wachthaus feuerten; jetzt aber begannen die Nationalgardisten, an der Spitze ihr Hauptmann Etienne Arago, welcher [ 98 ] mit der Flinte in der Hand auf dem Platze war, die Verrammelungen vor der Wache zu erklimmen. Hauptmann Leferre empfing eine klaffende Wunde, – noch einige Todte – einige Verstümmelte – und der Posten war gewonnen! Nun erscholl der Ruf: »Zu den Tuilerien! zu den Tuilerien!« das Volk eilte dorthin, – aber das Königthum war bereits aus der letzten Zufluchtsstätte seiner Hauptstadt geflohen, – der neue Souverain hatte für immer Besitz davon genommen!

Das Einzelne dieses Vorganges der Verwirrung und des Schreckens kennt man noch nicht hinlänglich, allein man weiß, daß kein Zug von Würde oder Muth dabei vorkam. Die Geschichte hat mit unsterblichem, theilnehmendem Leidwesen den melancholischen Weg Ludwig’s XVI. aus diesen nämlichen Tuilerien in die Nationalversammlung am 10. August 1792 aufbewahrt. Selbst Karl X., nachdem er einen sehr ungleichen Kampf in den Straßen von Paris gewagt, verbrachte die Tage, während deren er in St. Cloud und Rambouillet verweilte, wie ein König, wenn auch wie ein gefallener. Ludwig Philipp aber, an der Spitze überschwänglicher Hilfsmittel, mit einer zur Unterstützung der Regierung vollständig bereiten Kammer, ging durch eine Hinterthür in einem gemeinen Fuhrwerk davon, zerstreute seine kleinmüthige Familie, die nicht einmal den Muth hatte, an der Seite der eignen Frauen und Kinder zu bleiben, und überließ das Land, soweit es auf ihn ankam, allen Schrecknissen der Anarchie. Nicht unsere Absicht ist es, einen Gefallenen hart zu beurtheilen. Allein wo Handlungen so vollständiger Thorheit, wo Mangel an Entschlossenheit schließlich lediglich auf eine feige Lossagung, nicht allein von einer Krone, sondern von aller menschlichen Würde hinauslaufen, da hört auch alle Theilnahme und alles Bedauern auf. Das Ergebniß von dem Allen ist, daß die französische Monarchie an Volks-Verachtung starb. Das Volk [ 99 ] haßte die letzte Ordnung der Dinge nicht so stark als es sie verachtete, und zeigte glücklicherweise keine Neigung, seinen Sieg in Verfolgung zu verwandeln. Und es verachtete sie, weil der Charakter ihres Hauptes kein würdevoller, und der seiner Agenten die verkörperte Corruption war. Unter allen Ursachen politischer Katastrophen ist diese die verderblichste. Das Schwert kann ungeschehen machen, was das Schwert gethan, der Wille politischer Versammlungen kann ihre feierlichsten Beschlüsse aufheben; allein wenn eine Regierung durch die Verachtung der Nation gefallen ist, geht sie unter und läßt keine Spur hinter sich zurück.

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Des Königs letzte Regierungshandlungen.

Wir kommen jetzt zur letzten Regierungshandlung Ludwig Philipps, – welcher eine Reihe von Zugeständnissen, zuerst Entlassung Guizots, dann Berufung des Grafen Mole, dann die Ernennung Marschall Bugeauds zum Oberbefehlshaber der Nationalgarde, dann die Berufung der HH. Thiers und O-Barrot, und Ernennung des Generals Lamoricière zum Commandanten der Nationalgarde in rascher Aufeinanderfolge vorangegangen waren. Der König hatte die ganze Nacht durchwacht. Guizot, Bugeaud, Thiers, Odilon-Barrot wechselten in beständigen Berichten ab. Centrum und Linke, in dieser Nacht waren. Alle einig, da Alle fühlten, daß ihre Gesammtexistenz auf dem Spiele stehe. Erst zwischen 5 und 6 Uhr brachte man den König in sein Schlafzimmer, wo er angekleidet auf einem Lehnsessel eine Stunde schlummerte. Zu wiederholten Malen hatte er ausgerufen: »Was würde Adelaide sagen!« »Wäre nur Joinville da!« Als der König um 7 Uhr erwachte, brachte ihm Montpenfier zuerst die [ 100 ] Nachricht von dem veränderten Zustand der Stadt, worauf er sogleich die Herzogin von Orleans zu sich rufen ließ. Als diese eintrat, war sie todtenbleich und küßte ihrem Schwiegervater lange und schweigsam die Hand. Hierauf begab fich die ganze Familie, in Begleitung von einigen wenigen Vertrauten, in das Gemach der Königin, die noch nicht das Lager verlassen hatte. Um 8 Uhr den 24., während die Massen sich schon den Tuilerien näherten, waren in dem Palaste Thiers, O.-Barrot, Du vergier de Hauranne und Rémusat versammelt. Sie setzten folgende Proklamation auf, welche dem Volke anzeigte, daß der König sie zu Ministern ernannt und die Einstellung des Feuerns befohlen habe.

Proclamation. Halb zehn Uhr: »Bürger von Paris! Der Befehl ist gegeben, das Feuern einzustellen. … Wir sind soeben vom Könige mit der Bildung eines Cabinets beauftragt worden. Die Kammer wird aufgelöst werden. Der General Lamoricière ist zum Oberbefehlshaber der Pariser Nationalgarde ernannt. Die Herren Odilon-Barrot, Thiers, Lamoricière, Duvergier de Hauranne sind Minister. – Freiheit! – Ordnung! – Eintracht! – Reform! (Gez.) Odilon-Barrot und Thiers.«

Diese Proclamation ward überall so schnell wie möglich an den Straßenecken angeheftet, aber augenblicklich mit Unwillen wieder abgerissen. Jetzt begab sich Hr. Emil de Girardin in aller Eile nach den Tuilerien, versehen mit einer zweiten Proclamation, welche die Abdankung des Königs zu Gunsten des Grafen von Paris und die Ernennung der Herzogin von Orleans zur Regentin verkünden sollte.

Diese zweite Proclamation lautete: Elf Uhr: »Bürger von Paris! Der König dankt zu Gunsten des Grafen von Paris ab, mit der Herzogin von Orleans als [ 101 ] Regentin. Allgemeine Amnestie – Auflösung der Kammer – Berufung an das Land.«

Auf seine Erklärung, daß kein Augenblick zu verlieren sei, daß jede Minute Aufschub die Gefahr vermehre, und auf die dringenden Vorstellungen des Herzogs v. Montpensier ward diese Proclamation vom Könige sofort angenommen. Es war wiederum zu spät. Vergebens stürzte Hr. Emilde Girardin als Ueberbringer der Proclamation in aller Eile der bewaffneten Bevölkerung entgegen, welche schon gegen die Tuilerien anrückte. Es war unmöglich dem Feuer Einhalt zu thun, welches sich zwischen dem Posten bei der Wasserkunst und den bewaffneten Männern im Hofe des Palais Royal entsponnen hatte. Dort war es wo auch General Lamoricière, der umsonst versuchte sich Gehör zu verschaffen, leicht verwundet wurde.

Mittlerweile tobte der Aufstand immer ärger; die Wachen vermochten die Stürmenden kaum mehr von den Tuilerien zurückzuhalten. Die Nachricht kam, daß der Stab des Artilleriebataillons, welches in der Nähe des Palastes stand, die Munition übergeben habe, und daß bereits die Truppen mit dem Volke fraternisierten. Epargnez les enfans! rief die Königin aus und umarmte weinend ihre Enkel. Chacun à sa place, sagte der königliche Greis mit Ruhe und nahm den Duc de Chartres auf den Arm, küßte ihn und gab ihn der Mutter zurück. Die Herzogin von Orleans zog sich in ihre Gemächer zurück, wohin ihr der Herzog und die Herzogin von Nemours folgten. Hier zeigte Nemours, daß in diesem stolzen, aber hochherzigen Manne ein uneigennütziger und auf opfernder Geist wohnt. C'est vous seule, sagte er zur Herzogin, qui pouvez sauver la couronne, c'est vous qui devez être la régente; moijºy renonce et de grand coeur. Thiers, der der Herzogin gefolgt war, brachte ihr jetzt die Nachricht [ 102 ] von dem Rufe »plus de Bourbon!« der allenthalben laut wurde. Die Herzogin, ohne darauf zu antworten, befahl, man solle ihren Wagen anspannen. Was wollen Sie thun? schrie ihr Alles entgegen. »Einen Wagen! Ich will mit meinen Kindern über den Boulevard fahren, Frankreich soll seimen König sehen.« Aber die Dienerschaft war zerstreut, versteckt. Alors cherchez moi une voiture de place! Dem widerfetzten sich aber alle Umstehenden. Si vous ne voulez pas, que mon fils se montre au peuple, alors je lui cher- cherai une place au milieu des représentants de la nation; je ferai ce que Marie Thérèse a fait. Der Muth dieser deutschen Frau ging auf ihre Umgebung über. »In die Kammer!« riefen Alle; die Herzogin, ganz in Trauer gekleidet, nahm die zwei Prinzen an die Hand und ging zu Fuße, von Nemours, Montpensier und den Eintagsministern gefolgt, über die Brücke in das Palais Bourbon. Eine Stunde nachher hatte die ganze königl. Familie die Tuilerien verlassen. Der König war, nachdem er seine Abdankung zu Gunsten seines Enkels in den Händen der Herzogin von Orleans zurückgelassen hatte, seine Gemahlin zur Seite, zu Fuß aus den Tuilerien gegangen. Die Herzogin von Orleans begab sich darauf ebenfalls zu Fuße mit dem Grafen von Paris und ihrem zweiten Sohne, dem Herzoge von Chartres, unter der Escorte von Ordonnanzoffizieren, einfachen Nationalgardisten und Oppositionsdeputierten, worunter man Dupin und Lacrosse bemerkte, nach der Deputiertenkammer. Hr. Lacrosse ritt in den Hof des Palastes Bourbon und rief laut: »Benachrichtigen Sie den Herrn Präsidenten! Es ist kein Augenblick zu verlieren!« Die Herzogin von Orleans mit ihren zwei Söhnen trat nun in den Saal, wo etwa 300 Deputierte anwesend waren. Die hierauf folgende Scene in der Kammer dürfte [ 103 ] eine der wichtigsten in der französischen Geschichte sein. Sie ließ sich in einen großen Sessel nieder, den man unten an die Tribune hingestellt hatte. Hr. Dupin bestieg hinter ihr die Tribune und kündigte der Kammer an, daß König Ludwig Philipp I. abgedankt 2c., und daß er seine Gewalt auf den Grafen von Paris, seinen Enkel, und auf dessen Mutter, die Herzogin von Orleans, in der Eigenschaft einer Regentin übertragen habe. Dreihundert Deputierte riefen: »Es lebe Ludwig Philipp! es lebe die Regentin!« Einige Deputierte der Linken jedoch, sowie die Legitimisten de Laroche-Jacquelin und de Genoude riefen: »Sie haben dazu nicht das Recht!« Mehre Stimmen von den Tribunen erschollen: »Es ist zu spät! Es ist eine Komödie!« Hr. Crémieux bestieg jetzt die Tribune, um die Einsetzung einer provisorischen Regierung zu verlangen. Seine Worte wurden von den Tribunen mit Bravorufen begrüßt. Hr. Odilon-Barrot, der in diesem Augenblick eintrat, folgte ihm auf die Tribune, um zu erklären, daß gegenwärtig nur die Regierung der Herzogin von Orleans und des Grafen von Paris dem Blutvergießen Einhalt thun könne. Diesen Worten klatschten alle Deputierten Beifall, in dem nämlichen Augenblick aber steckten Frauen aus dem Volk auf der Tribune die dreifarbige Fahne auf.

 

Eben als dies geschah, donnerte man heftig und wiederholt an die Thür einer obern Galerie, und eine große Anzahl bewaffneter Männer drang durch dieselbe, und hielt ihre Flinten über die Versammlung. Die Herzogin versuchte mehrmals zu sprechen aber man ließ sie nicht zu Worte kommen. Die unglückliche Fürstin hatte mehr Muth als Maria Theresia bedurft, denn sie trat nicht auf einem Reichstag in einem friedlichen Kreise der Edelsten des Landes auf, sondern in der Mitte der Emeute, [ 104 ] in der Mitte von bewaffneten Blousenmännern, von denen der eine mit der Flinte sogar auf Lamartine anlegte, als er auf die Tribune trat. Die französische Kammer hatte jedoch nicht den Muth der Magyaren, sie stob aus einander. Die Herzogin wurde durch eine Hinterthür hinausgebracht. Der Graf von Paris ging keck neben der Mutter her; der kleine Duc de Chartres wurde vom Herzoge von Nemours an der Hand geführt. In diesem Augenblicke tönte ein wildes Geheul hinter ihnen her. Einer der Deputierten bat Nemours, seinen Oberrock anzunehmen, um ihn über die Uniform zu ziehen, damit diese ihn nicht sogleich dem nachstürmenden Pöbel verriethe; während er aber den ihm dargebotenen Rock anzog, war der kleine Prinz von seiner Seite gedrängt und verschwunden, ohne daß man es sogleich bemerkte. Unten an der Treppe angelangt, wurde die Herzogin von einem andrängenden Haufen auf die Seite gedrängt. Hier traf sie die Nachricht, daß Feuer im Palais Royal angelegt und die Tuilerien erstürmt seien; man brachte daher die Herzogin in das nebenstehende Haus eines jüdischen Negocianten Namens Cohen, der sich unter dem kleinen Häuflein der sie begleitenden Nationalgardisten befand. Aber wer beschreibt das Entsetzen der armen Mutter, als sie jetzt gewahrte, daß ihr zweiter Sohn ihr fehle. Die ganze Familie des Hauses und das kleine Gefolge der Herzogin machte sich nun auf, das Kind zu suchen, und die Herzogin blieb fünf martervolle Stunden allein mit der Frau des Negocianten und einer deutschen Dame ihres Gefolges. Endlich brachte man das Kind, das mitten im Gedränge still auf eine Thürtreppe sich gesetzt hatte und weinte, aber keinem der ihn Befragenden seinen Namen nennen wollte! In der Deputiertenkammer hatte inzwischen Hr. Sauzet den Präsidentenstuhl verlassen, [ 105 ] und eine große Anzahl Deputierter entfernte sich mit ihm von ihren Sitzen. Die Unordnung stieg aufs Höchste. Einen Augenblick nachher bestieg Hr. Dupont (de l'Eure) den Präsidentenstuhl, und Lamartine und Ledru-Rollin erschienen auf der Tribüne; das Schweigen wollte aber nicht wiederkehren! Einige Nationalgardisten und sonstige der Kammer fremde Personen versuchten umsonst, sich Gehör zu verschaffen. Geschrei auf den Galerien: »Lamartine! Laßt Lamartine reden!« Hr.de Lamartine: »Eine provisorische Regierung wird proclamiert werden. (Ruf: Es lebe Lamartine! Andere Stimmen: Die Namen: die Namen!) Herr Crémieux auf der Tribüne, welche eine Menge Bürger sich streitig machen: »Es ist wesentlich, daß man schweige, damit unser verehrter College, Hr. Dupont (de l'Eure) die Namen der Mitglieder der provisorischen Regierung verlesen kann.« Da der Lärm nicht nachließ, so schrieb man die Namen dieser Mitglieder auf ein Stück Papier und reichte es auf dem Bayonnet einer Flinte in der Versammlung umher. Hr. Ledru-Rollin rief inmitten des Lärms: »Eine provisorische Regierung läßt sich nicht auf soleichte Weise organisieren. Ich will die Namen verlesen und Sie werden dieselben gutheißen oder verwerfen.« Inmitten des Lärms verlas der Redner die Namen. Der Tumult erreichte seinen Gipfel; fast alle Deputierten waren weggegangen; das Volk und die Nationalgarde hatten den Saal inne. Hr. Ledru-Rollin: »Wir sehen uns genöthigt, die Sitzung aufzuheben, um uns zum Sitze der Regierung zu verfügen.« Ruf von allen Seiten: »Zum Stadthaus! Es lebe die Republik« Unter fortgesetztem tumultuarischem Lärm wurde die Sitzung um 4 Uhr aufgehoben, und die Menge zerstreute sich.

Auch die Pairskammer war um dieselbe Zeit beisammen gewesen, obschon nicht vollzählig; man erwartete [ 106 ] Mittheilungen der Regierung und hatte die Verhandlungen vorläufig suspendiert. Um 3 Uhr hieß es, die Herzogin von Orleans als ernannte Regentin und ihr Sohn, der junge König, wollten in die Kammer kommen. Alsbald war Kanzler Pasquier bedacht eine große Deputation zu ihrem Empfange durch das Loos zu ernennen; die Huissiers schafften rothammtne Sessel herbei und öffneten die Thür hinter dem Platze des Kanzlers, gleichzeitig füllten sich plötzlich die Galerien. Aber die Herzogin kam nicht. Die Pairs verließen nach fruchtlosem Harren den Saal, man trug die sammtnen Sessel wieder fort, die Huissers ließen die Gallerien räumen und nach 4 Uhr ward der Saal geschlossen.

Bald darauf brachten die öffentlichen Blätter folgende Proclamation der provisorischen Regierung. »An das französische Volk! Eine retrograde und oligarchische Regierung ist soeben durch den Heldenmuth des Volkes von Paris gestürzt. Diese Regierung ist geflohen, indem sie eine Blutspur hinter sich zurückließ, welche es ihr auf immer verbietet, wiederzukehren. Das Blut des Volkes ist geflossen, wie im Juli; aber dies Mal wird dieses edle Blut nicht betrogen werden. Es hat eine nationale und populaire Regierung erobert, die mit den Rechten, den Fortschritten und dem Willen dieses großen und hochherzigen Volkes übereinstimmt. Eine provisorische Regierung, hervorgegangen durch Acclamation und den Drang des Augenblicks, aus dem Willen des Volkes und der Deputierten der Departements in der Sitzung am 24. Febr., ist augenblicklich beauf tragt mit der Sorge, den Sieg des Volkes zu organisieren und zu sichern. Diese Regierung ist zusammengesetzt aus den HH.: Dupont (de l'Eure), Lamartine, Crémieux, Arago (Mitglied des Instituts), Ledru-Rollin, Garnier-Pages, Marie. Die Regierung hat zu Secretairen die HH. Armand [ 107 ] Marraf, Louis Blanc, Ferdinand Fiocon ernannt. Diese Bürger haben keinen Augenblick angestanden, die patriotische Mission anzunehmen, welche ihnen durch den Drang des Augenblicks auferlegt war. Wenn das Blut fließt, wenn die Hauptstadt von Frankreich in Flammen steht, so liegt das Mandat der provisorischen Regierung in der Gefahr und in der öffentlichen Wohlfahrt. Ganz Frankreich wird auf sie hören und sie mit seinem Patriotismus unterstützen. Unter der populairen Regierung, welche die provisorische Regierung proclamiert, ist jeder Bürger Magistrat.

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