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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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CXLIII
Vergniaud wird sprechen

Der Sieg von Lafayette, ein zweifelhafter Sieg, auf den ein Rückzug folgte, hatte ein seltsames Resultat gehabt.

Er hatte die Royalisten niedergeschlagen, während die vermeintliche Niederlage der Girondisten diese wieder aufgerichtet; sie hatte sie aufgerichtet, indem sie ihnen den Abgrund gezeigt, in welchen sie beinahe gefallen wären.

Man denke sich weniger Haß im Herzen von Marie Antoinette, und die Gironde war vielleicht zu dieser Stunde vernichtet.

Man durfte dem Hofe nicht Zeit lassen, den Fehler, den er begangen, wieder gut zu machen.

Man mußte wieder seine Kraft und feine Richtung dem revolutionären Strome geben, der einen Augenblick umgekehrt und zu einer Quelle zurückgegangen war.

Jeder suchte das Mittel, Jeder glaubte es gefunden zu haben; war sodann das Mittel vorgeschlagen, so sah man seine Unwirksamkeit, und man verzichtete daraus.

Madame Roland wollte durch eine große Erschütterung in der Nationalversammlung zum Ziele gelangen. Wer konnte aber diese Erschütterung hervorbringen? Wer konnte diesen Streich führen? Vergniaud.

Was that aber dieser Achilles unter seinem Zelte? oder vielmehr der in den Gärten Armidas umherirrende Rinaldo? – Er liebte.

Es ist so schwer, zu hassen, wenn man liebt!

Er liebte die schöne Madame Simon Candeille, Schauspielerin, Dichterin, Tonkünstlerin; seine Freunde suchten ihn zuweilen ein paar Tage, ohne ihn zu treffen; dann fanden sie ihn endlich zu den Füßen der reizenden Frau liegend, eine Hand auf ihren Schooß ausgestreckt, mit der anderen zerstreut über die Saiten ihrer Harse hinstreifend.

Sodann saß er jeden Abend im Orchester des Theaters, um diejenige zu beklatschen, welche er am Tage anbetete.

Eines Tages gingen zwei Deputirte in Verzweiflung aus der Nationalversammlung weg: diese Unthätigkeit von Vergniaud erschreckte sie für Frankreich.

Das waren Grangeneuve und Chabot.

Grangeneuve, der Advocat von Bordeaux, der Freund, der Nebenbuhler von Vergniaud, und, wie er, Deputirter der Gironde.

Chabot, der entkuttete Capuziner, der Verfasser oder einer der Verfasser des Katechismus der Sansculottes, der über das Königthum und die Religion die im Kloster angehäufte Galle ergoß.

Grangeneuve ging düster und nachdenkend neben Chabot.

Dieser schaute ihn an, und es schien ihm, als sähe durch die Stirne seines Collegen den Schatten seiner Gedanken ziehen.

»Was denkst Du?« fragte ihn Chabot.

»Ich denke,« erwiederte Grangeneuve, »daß alle diese Langsamkeiten das Vaterland entnerven und die Revolution tödten.«

»Ah! Du denkst dies!« versetzte Chabot mit dem bittern Lachen, das seine Gewohnheit war.

»Ich denke,« fuhr Grangeneuve fort, »daß, wenn das Volk dem Königthum Zeit läßt, das Volk verloren ist!«

Chabot ließ sein scharfes Gelächter hören.

»Ich denke,« vollendete Grangeneuve, »daß es nur eine Stunde für die Revolutionen gibt; daß diejenigen, welche sie entwischen lassen, dieselbe nicht wiederfinden und dafür später Gott und der Nachwelt Rechenschaft schuldig sind.«

»Und Du glaubst, Gott und die Nachwelt werden von uns Rechenschaft über unsere Trägheit und unsere Unthätigkeit fordern?«

»Ich befürchte es.«

Dann, nach einem Stillschweigen, sagte Grangeneuve:

»Höre, Chabot, ich habe eine Ueberzeugung: daß das Volk von seiner letzten Niederlage müde ist; daß es sich nicht ohne einen mächtigen Hebel, ohne eine blutige Triebfeder erheben wird; es braucht einen Anfall von Wuth oder von Schrecken, aus dem es eine verdoppelte Energie schöpfen muß.«

»Wie soll man ihm diesen Anfall von Wuth oder von Schrecken geben?« fragte Chabot.

»Hieran denke ich gerade,« erwiederte Grangeneuve, »und ich glaube, ich habe das Geheimniß gefunden.«

Chabot näherte sich ihm; nach dem Stimmtone seines Gefährten hatte er begriffen, dieser werde ihm etwas Erschreckliches vorschlagen.

»Aber,« fuhr Grangeneuve fort, »werde ich gleichfalls einen Mann finden, der fähig ist zu einem für einen solchen Act nothwendigen Entschlusse?«

»Sprich,« sagte Chabot mit einem Ausdrucke von Festigkeit, der seinem Collegen keinen Zweifel lassen sollte: »ich bin zu Allem fähig, um zu vernichten, was ich hasse, und ich hasse die Könige und die Priester!«

»Nun wohl,« sprach Grangeneuve, die Blicke auf die Vergangenheit werfend, »ich habe gesehen, daß reines Blut in der Wiege aller Revolutionen war, von der von Lucretia bis zu der von Sidney. Für die Staatsmänner sind die Revolutionen eine Theorie; für die Völker sind die Revolutionen eine Rache; will man die Menge zur Rache antreiben, so muß man ihm ein Opfer zeigen: dieses Opfer verweigert uns der Hof; nun wohl, geben wir es selbst unserer Sache!«

»Ich verstehe nicht,« sagte Chabot.

»Nun, es muß Einer von uns – einer der Bekanntesten, einer der Hitzigsten, einer der Reinsten, – unter den Streichen der Aristokraten fallen.«

»Fahre fort.«

»Derjenige, welcher fallen wird, muß zur Nationalversammlung gehören, damit die Nationalversammlung die Rache in die Hand nehme; kurz, dieses Opfer muß ich sein!«

»Die Aristokraten werden Dich aber nicht schlagen, Grangeneuve: davor werden sie sich hüten!«

»Ich weiß es; darum sagte ich, man müsse einen Mann von Entschlossenheit finden . . . «

»Wozu?«

»Um mich zu schlagen!«

Chabot wich einen Schritt zurück; Grangeneuve faßte ihn aber beim Arme und sagte:

»Chabot, so eben behauptetest Du, Du seist zu Allem fähig, um zu vernichten, was Du hassest: bist Du fähig, mich zu ermorden?«

Der Mönch blieb stumm. Grangeneuve fuhr fort:

»Mein Wort ist nichtig; mein Leben ist werthlos für die Freiheit, während ihr mein Tod im Gegentheil nützen wird. Meine Leiche wird die Fahne des Aufruhrs sein, und ich sag’s Dir . . . «

Grangeneuve streckte mit einer heftigen Geberde die Hand gegen die Tuilerien aus.

»Dieses Schloß und diejenigen, welche es enthält, müssen in einem Sturme verschwinden!«

Chabot schaute Grangeneuve schauernd vor Bewunderung an.

»Nun?« sagte Grangeneuve.

»Nun, großer Diogenes,« erwiederte Chabot, »lösche Deine Laterne aus: der Mensch ist gefunden!«

»So laß uns Alles festsetzen, und diesen Abend noch werde es beendigt. Ich will heute Nacht allein hier (man befand sich vor den Einlässen des Louvre) an dem ödesten und dunkelsten Orte auf- und abgehen; glaubst Du, Deine Hand werde Dir versagen, so benachrichtige zwei andere Patrioten: ich werde dieses Zeichen machen, damit sie mich erkennen.«

Grangeneuve hob seine beiden Arme in die Luft empor.

»Sie werden mich niederstoßen, und ich versprecht Dir, zu fallen, ohne einen Schrei von mir zu geben.«

Chabot wischte mit seinem Taschentuche über seine Stirne.

»Tage wird man meinen Leichnam finden,« fuhr Grangeneuve fort; »Du wirst den Hof anklagen; die Rache des Volkes wird das Uebrige thun.«

»Es ist gut,« erwiederte Chabot; »heute Nacht!«

Und die zwei seltsamen Verschworenen drückten sich die Hand und verließen sich.

Grangeneuve begab sich nach Hause und machte sein Testament, das er von Bordeaux und ein Jahr rückwärts datirte.

Chabot speiste im Palais Royal zu Mittag.

Nach dem Mittagessen trat er bei einem Messerschmied ein und kaufte ein Messer.

Als er von dem Messerschmied wegging, fielen seine Blicke auf die Theaterzettel.

Mademoiselle Candeille spielte: der Mönch wußte, wo er Vergniaud zu finden hatte.

Er begab sich nach der Comédie-Française, ging in die Loge der schönen Schauspielerin hinauf und fand bei dieser ihren gewöhnlichen Hof: Vergniaud, Talma, Chénier, Dugazon.

Sie spielte in zwei Stücken.

Chabot blieb bis zum Ende des Schauspiels.

Sodann, als das Schauspiel beendigt, als die schöne Künstlerin ausgekleidet war und Vergniaud sich anschickte, sie nach der Rue de Richelieu, wo sie wohnte, zurückzuführen, stieg er hinter seinem Collegen in den Wagen.

»Sie haben mir etwas zu sagen, Chabot?« fragte Vergniaud, der begriff, daß es der Capuziner mit ihm zu thun hatte.

»Ja . . . doch seien Sie unbesorgt, es wird nicht lange währen.«

»So sagen Sie es sogleich.«

Chabot zog seine Uhr.

»Es ist nicht die Stunde,« erwiederte er.

»Und wann wird es die Stunde sein?«

»Um Mitternacht.«

Die schöne Candeille zitterte bei diesem geheimnißvollen Dialog.

»Oh! mein Herr!« murmelte sie.

»Beruhigen Sie sich,« versetzte Chabot, »Vergniaud hat nichts zu befürchten; nur bedarf das Vaterland seiner.«

Der Wagen rollte nach der Wohnung der Schauspielerin.

Die Frau und die zwei Männer blieben schweigsam. Vor der Thüre von Mademoiselle Candeille fragte Vergniaud:

»Gehen Sie hinauf?«

»Nein, Sie werden mit mir kommen.«

»Aber, mein Gott! wohin führen Sie ihn denn?« fragte die Schauspielerin.

»Zweihundert Schritte von hier; in einer Viertelstunde wird er frei sein, das verspreche ich Ihnen.«

Vergniaud drückte seiner schönen Geliebten die Hand, machte ihr ein Zeichen, um sie zu beruhigen, und entfernte sich mit Chabot durch die Rue Traversière, Sie gingen durch die Rue Saint-Honoré und schlugen den Weg nach der Rue de l’Echelle ein.

An der Ecke dieser Straße drückte der Mönch mit einer Hand auf die Schulter von Vergniaud, und mit der andern zeigte er ihm einen Mann, der an den den Mauern des Louvre auf- und abging.

»Siehst Du?« fragte er Vergniaud.

»Diesen Mann?«

»Ja,« antwortete der Girondist.

»Nun, es ist unser College Grangeneuve.«

»Was macht er da?«

»Er wartet.«

»Worauf wartet er?«

»Daß man ihn tödte.«

»Daß man ihn tödte?«

»Ja.«

»Und wer soll ihn tödten?«

»Ich!«

Vergniaud schaute Chabot an, wie man einen Narren anschaut.

 

»Erinnere Dich Spartas, erinnere Dich Roms und höre,« sagte Chabot.

Dann erzählte er ihm Alles.

So wie der Mönch sprach, neigte Vergniaud das Haupt.

Er sah ein, welche Entfernung von ihm, dem weibischen Tribun, dem verliebten Löwen, bis zu diesem furchtbaren Republicaner war, der, wie Decius, nur einen Schlund verlangte, um sich hineinzustürzen, damit sein Tod das Vaterland rette.

»Es ist gut,« sagte er, »ich verlange nur drei Tage, um meine Rede vorzubereiten.«

»Und in drei Tagen?«

»Sei unbesorgt,« erwiederte Vergniaud, »in drei Tagen werde ich an dem Götzenbilds brechen, oder ich werde es umstürzen!«

»Ich habe Dein Wort, Vergniaud?«

»Ja.«

»Es ist das eines Mannes?«

»Es ist das eines Republicaners!«

»Dann bedarf ich Deiner nicht mehr; geh und beruhige Deine Geliebte.«

Vergniaud schlug wieder den Weg nach der Rue de Richelieu ein.

Chabot ging ans Grangeneuve zu.

Als dieser einen Mann auf sich zukommen sah, zog er sich nach der dunkelsten Stelle zurück.

Chabot folgte ihm dahin.

Grangeneuve blieb am Fuße der Mauer stehen, da er nicht mehr weiter gehen konnte.

Chabot näherte sich ihm.

Grangeneuve machte die Arme aufhebend das verabredete Zeichen.

Sodann, als Chabot unbeweglich blieb, sagte Grangeneuve:

»Nun, was hält Dich zurück? Stoß zu!«

»Das ist unnöthig,« erwiederte Chabot, »Vergniaud wird sprechen.«

»Es sei!« versetzte Grangeneuve mit einem Seufzer; »doch ich glaube, das andere Mittel war besser!«

Was sollte das Königthum gegen solche Männer thun?

CLIV
Vergniaud spricht

Es war Zeit, daß Vergniaud sich entschloß.

Die Gefahr wuchs außen und im Innern.

Außen, in Regensburg, hatten sich die versammelten Gesandten einstimmig geweigert, den Minister Frankreichs anzunehmen.

England, das sich unsern Freund nannte, machte eine ungeheure Rüstung.

Die Fürsten des Reiches, welche ganz laut ihre Neutralität rühmten, führten nächtlicher Weile den Feind in ihre festen Plätze ein.

Der Markgraf von Baden hatte Oesterreicher nach Kehl, ganz nahe bei Straßburg, gebracht.

In Flandern war es noch schlimmer: Luckner, ein alter, einfältiger Haudegen, der allen Plänen von Dumouriez, dem einzigen Manne, wenn nicht von Genie, doch wenigstens von Kopf, den wir von dem Feinde hatten, entgegenwirkte.

Lafayette gehörte dem Hof, und sein letzter Schritt hatte bewiesen, daß die Nationalversammlung, das heißt Frankreich, nicht auf ihn rechnen durfte.

Biron endlich, brav und redlich, entmuthigt durch unsere ersten Niederlagen, begriff nur einen Defensivkrieg.

Dies, was das Aeußere betrifft.

Im Innern verlangte das Elsaß mit gewaltigem Geschrei Waffen, doch der Kriegsminister, der ganz dem Hofe ergeben war, hütete sich wohl, ihm zu schicken.

Im Süden ließ ein Generallieutenant der Prinzen, Gouverneur von Nieder-Langnedoc und den Cevennen seine Vollmachten durch den Adel beglaubigen.

Im Westen verkündigt ein einfacher Bauer, Allan Redeler, beim Ausgange der Messe, es finde eine bewaffnete Zusammenkunft der Freunde des Königs bei einer benachbarten Kapelle statt.

Auf den ersten Ruf versammelten sich daselbst fünfhundert Bauern. Die Chouannerie war in der Vendée und in der Bretagne gepflanzt: sie brauchte nur noch zu treiben.

Fast von allen Direktorien der Departements kamen endlich contrerevolutionäre Adressen an.

Die Gefahr war groß, drohend, erschrecklich, so groß, daß es nicht mehr die Menschen waren, die sie bedrohte, es war das Vaterland.

Ohne laut proclamirt worden zu sein, liefen auch leise die Worte umher: »Das Vaterland ist in Gefahr!«

Die Nationalversammlung wartete übrigens.

Chabot und Grangeneuve hatten gesagt: »In drei Tagen wird Vergniaud sprechen!«

Und man zählte die verlaufenden Stunden.

Weder am ersten, noch am zweiten Tage erschien Vergniaud in der Versammlung.

Am dritten Tage kam Jeder schauernd herbei.

Nicht ein Abgeordneter fehlte auf seiner Bank; die Tribünen waren überfüllt.

Zuletzt von Allen trat Vergniaud ein.

Ein Gemurmel der Freude durchlief die Versammlung, die Tribünen klatschten, wie es das Parterre beim Auftreten eines beliebten Schauspielers thut.

Vergniaud schaute empor, um mit den Augen zu suchen, wem dieses Klatschen gelte: ein Verdoppeln des selben unterrichtete ihn, daß es ihm galt.

Vergniaud war damals kaum drei und dreißig Jahre alt; sein Charakter war meditativ und träge; sein indolentes Genie gefiel sich in Nachlässigkeiten; er war nur glühend beim Vergnügen, als beeilte er sich, mit vollen Händen die Blumen einer Jugend zu pflücken, welche einen so kurzen Frühling haben sollte! Er ging spät zu Bette und stand kaum vor Mittag auf; sollte er sprechen, so bearbeitete er drei bis vier Tage vorher seine Rede, er blänkte, er putzte, er schärfte sie, wie am Vorabend einer Schlacht ein Soldat seine Waffen blänkt, putzt und schärft. Das war als Redner, was man in einem Fechtsaale einen schönen Fechter nennt; der Coup schien ihm nicht gut, wenn er nicht glänzend ausgeführt war und stark beklatscht wurde; er mußte sein Wort für die Augenblicke der Gefahr, für die äußersten Momente vorbehalten.

Er war nicht der Mann aller Stunden, hat ein Dichter gesagt; er war der Mann der großen Tage.

Was das Aeußere betrifft, so war Vergniaud eher klein als groß, nur war er ein Mann von robusten Körperbau, dem man den Athleten ansah. Seine Haare trug er lang und flatternd; bei seinen rednerischen Bewegungen schüttelte er sie, wie es ein Löwe mit seiner Mähne macht; unter seiner breiten Stirne glänzte, von dichten Brauen beschattet, ein Paar Augen voll Sanftmuth oder von Flammen; die Nase war kurz, ein wenig breit, an den Flügeln stolz emporgerichtet; die Lippen waren dick, und wie aus der Oeffnung einer Quelle das Wasser reichlich und brausend hervorsprudelt, so fielen die Worte in schäumenden, rauschenden Cascaden von seinem Munde. Seine ganz von den Pocken gezeichnete Haut schien mit Diamanten besäet zu sein, wie der noch nicht durch den Meißel des Bildhauers geglättete, sondern erst durch den Hammer des Gehilfen aus dem Groben gearbeitete Marmor; sein bleicher Teint färbte sich entweder mit Purpur oder wurde bleifarbig, je nachdem das Blut ihm zu Gesichte stieg oder sich zum Herzen zurückzog. In der Ruhe und unter der Menge war es ein gewöhnlicher Mensch, auf dem das Auge des Geschichtschreibers, so durchdringend es sein mochte, zu verweilen keinen Grund gehabt hätte; machte aber die Flamme der Leidenschaft sein Blut kochen, zuckten die Muskeln seines Gesichtes, gebot sein ausgestreckter Arm Stillschweigen und beherrschte die Menge, so wurde der Mensch zum Gotte, der Redner verwandelte sich, die Tribüne war sein Thabor!

Dies war der Mann, welcher mit der noch geschlossenen, aber ganz mit Blitzen geladenen Hand ankam.

Aus dem Beifallklatschen, das bei seinem Anblick erscholl, errieth er, was man von ihm erwartete.

Er verlangte das Wort nicht; er ging gerade auf die Rednerbühne zu, stieg hinauf und begann seine Rede unter einem Stillschweigen voller Schauer.

Seine ersten Worte wurden mit dem traurigen, tiefen, concentrirten Tone eines niedergeschlagenen Mannes gesprochen; er schien schon am Anfang ermüdet, wie man es gewöhnlich am Ende ist: seit drei Tagen kämpfte er mit dem Genius der Beredsamkeit, und er wußte, wie Simson, bei der äußersten Anstrengung, die er zu versuchen gedachte, werde er unfehlbar den Tempel umstürzen, und nachdem er die Tribüne inmitten seiner noch stehenden Säulen, unter seinem noch schwebenden Gewölbe bestiegen, werde er über die Trümmer des Königthums schreitend davon herabsteigen.

Da der Geist von Vergniaud ganz in dieser Rede liegt, so werden wir sie unverkürzt hier geben; wir glauben, man wird sie lesend dieselbe Neugierde empfinden, die man beim Besuche eines Arsenals vor einer jener historischen Kriegsmaschinen, welche die Mauern von Sagunt, Rom oder Carthago niedergeworfen hätten, empfinden würde.

»Bürger,« sprach Vergniaud mit einer Anfangs kaum verständlichen Stimme, welche aber bald gewichtig und sonor wurde, »Bürger, ich komme zu Euch und frage Euch:

»Was ist denn die seltsame Lage, in der sich die Nationalversammlung befindet? Welches Verhängniß verfolgt uns und bezeichnet jeden Tag durch Ereignisse, die Unordnung in unsere Arbeiten bringend, uns unablässig in die stürmische Aufregung der Besorgnisse, der Hoffnungen, der Leidenschaften zurückwerfen? Welches Geschick bereitet Frankreich die erschreckliche Gährung, in deren Schooße man versucht wäre, zu zweifeln, ob die Revolution rückwärts schreite, oder ob sie ihrem Ziele zuschreite?

»In dem Augenblicke, wo unsere Nord-Armeen in Belgien Fortschritte zu machen scheinen, sehen wir sie plötzlich vor dem Feinde zurückweichen; man führt den Krieg auf unser Gebiet zurück. Es wird von uns bei den unglücklichen Belgiern nichts bleiben, als die Erinnerung an die Brände, welche unsern Rückzug beleuchtet haben werden! Auf der Seite des Rheins häufen sich die Preußen unablässig an unseren entblößten Gränzen an. Wie kommt es, daß man gerade im Augenblick einer für die Existenz der Nation so entscheidenden Krise die Bewegung unserer Heere einstellt, durch eine plötzliche Desorganisation des Ministeriums die Bande des Vertrauens zerreißt und dem Zufall und unerfahrenen Händen das Heil des Reiches überläßt? Sollte es wahr sein, daß man unsere Siege fürchtet? Ist man mit dem Blute von Koblenz oder mit dem unsern geizig? Droht der Fanatismus der Priester uns zugleich den Zerklüftungen des Bürgerkrieges und der Invasion preiszugeben, was ist dann die Absicht derjenigen, welche mit einer unüberwindlichen Halsstarrigkeit die Sanction unserer Beschlüsse verwerfen machen? Wollen sie über verlassene Städte, über verwüstete Felder regieren? Was ist genau das Quantum von Thränen, von Elend, von Blut, von Todten, das ihrer Rache genügt? Woran sind wir? Und Sie, meine Herren, deren Muth erschüttert zu haben die Feinde der Constitution sich schmeicheln, Sie, deren Gewissen, deren Redlichkeit sie jeden Tag dadurch zu beunruhigen suchen, daß sie Ihre Liebe für die Freiheit als Meutereigeist bezeichnen, – als hätten Sie vergessen, daß ein despotischer Hof und die feigen Helden der Aristokratie den Namen Meuterer den Repräsentanten, welche den Eid im Ballhause schwuren, den Siegern der Bastille, allen denjenigen gaben, welche die Revolution gemacht und unterstützt haben! – Sie, die man nur verleumdet, weil Sie der Kaste fremd sind, welche die Constitution in den Staub geworfen hat, und weil die entarteten Menschen, die den Verlust der schändlichen Ehre, vor ihr zu kriechen, beklagen, nicht Genossen in Ihnen zu finden hoffen; Sie, die man gern vom Volke abwendig machen möchte, weil man weiß, daß das Volk Ihre Stütze ist, und daß es, würden Sie durch eine strafbare Abtrünnigkeit von seiner Sache selbst von ihm verlassen zu werden verdienen, leicht wäre, Sie aufzulösen; Sie, die man hat entzweien wollen, die Sie aber bis nach dem Kriege Ihre Spaltungen und Zwistigkeiten vertagen werden, da Sie es nicht so süß finden, sich zu hassen, daß Sie diesen höllischen Genuß der Wohlfahrt des Vaterlandes vorzögen; Sie, die man durch bewaffnete Petitionen erschrecken wollte, als wüßten Sie nicht, daß am Anfange der Revolution das Allerheiligste der Freiheit von Trabanten des Despotismns umgeben war. Paris von der Armee des Hofes belagert wurde, und daß diese Tage der Gefahr die Tage des Ruhmes unserer ersten Nationalversammlung waren; ich werde endlich Ihre Aufmerksamkeit auf den Zustand der Krise lenken, in welchem wir uns befinden.

»Diese inneren Unruhen haben zwei Ursachen: aristokratische Manoeuvres, priesterliche Manoeuvres; beide streben nach demselben Ziele, der Gegenrevolution.

»Der König hat seine Sanction Ihrem Beschlusse über die religiösen Unruhen verweigert. Ich weiß nicht, ob der finstere Geist der Medici und des Cardinals von Lothringen noch unter den Gewölben des Palastes der Tuilerien umherirrt, und ob das Herz des Königs durch die fantastischen Ideen, die man ihm in den Sinn gibt, beunruhigt wird; doch ohne ihm eine Beleidigung anzuthun und ihn zu bezichtigen, er sei der gefährlichste Feind der Revolution, ist es nicht erlaubt, zu glauben, er wolle durch die Straflosigkeit zu den verbrecherischen Versuchen des priesterlichen Ehrgeizes aneifern und den hoffärtigen Helfershelfern der Tiara die Macht wieder geben, mit der sie gleichmäßig die Völker und die Könige unterdrückt haben; es ist, ohne ihm eine Beleidigung anzuthun und ihn für den grausamsten Feind des Reiches zu erklären, nicht erlaubt, zu glauben, er gefalle sich darin, die Empörungen fortzupflanzen, die Unordnungen zu verewigen, die ihn durch den Bürgerkrieg zu seinem Untergange fortreißen würden. Ich schließe hieraus, daß er, wenn er sich Ihren Decreten widersetzt, sich für mächtig genug erachtet, ohne die Mittel, die Sie ihm bieten, den öffentlichen Frieden aufrecht zu erhalten. Geschieht es also, daß der Friede nicht aufrecht erhalten wird, daß die Fackel des Fanatismus abermals das Königreich in Brand zu stecken droht, daß die religiösen Gewaltthaten fortwährend die Departements verheeren, so sind die Agenten der königlichen Autorität selbst die Ursache aller unserer Uebel. Nun wohl sie mögen mit ihrem Kopfe für alle Unruhen haften, deren Vorwand die Religion sein wird! zeigen Sie bei dieser furchtbaren Verantwortlichkeit die Grenze Ihrer Geduld und der Besorgnisse der Nation.

 

»Ihre Fürsorge für die äußere Sicherheit des Reiches hat Sie ein Lager bei Paris beschließen lassen; alle Föderierte Frankreichs sollten hier am 14, Juli ihren Schwur, frei zu leben oder zu sterben, wiederholen. Der giftige Hauch der Verleumdung hat diesen Plan gebrandmarkt; der König hat seine Sanction verweigert. Ich achte zu sehr die Ausübung eines constitutionellen Rechtes, um bei Ihnen zu beantragen, die Minister für diese Weigerung verantwortlich zu machen; geschieht es aber, daß vor der Versammlung der Bataillons der Boden der Freiheit profanirt wird, so müssen Sie dieselben als Verräther behandeln! Sie müssen sie selbst in den Abgrund werfen, den ihre Sorglosigkeit oder ihre Böswilligkeit unter den Schritten der Freiheit gegraben haben wird! Zerreißen wir die Binde, welche die Intrigue oder die Schmeichelei auf die Augen des Königs gelegt haben, und zeigen wir ihm das Ziel, zu dem falsche Freunde ihn zu führen bemüht sind.

»Im Namen des Königs wiegeln die französischen Prinzen gegen uns die Höfe Europas auf; um die Würde des Königs zu rächen, ist der Vertrag von Pillnitz geschlossen worden; um den König zu vertheidigen, sieht man in Deutschland unter der Fahne des Aufruhrs die ehemaligen Compagnien der Gardes du corps herbeilaufen; um dem König zu Hilfe zu kommen, treten die Emigrirten in die österreichischen Heere ein und schicken sich an, den Schooß des Vaterlandes zu zerreißen; um sich diesen tapfern Rittern der königlichen Prärogative anzuschließen, verlassen Andere ihren Posten in Gegenwart des Feindes, werden zu Verräthern an ihren Schwüren, bestehlen die Kassen, bestechen die Soldaten, und setzen so ihre Ehre in die Feigheit, den Meineid, die Insubordination, den Diebstahl und die Morde. Kurz der König ist bei allen diesen Mißgeschicken!

»Ich lese nun in der Constitution:

»Stellt sich der König an die Spitze eines Heeres und lenkt die Kräfte desselben gegen die Nation, oder er widersetzt sich nicht durch einen förmlichen Act einem solchen in seinem Namen ausgeführten Unternehmen, so wird er dafür angesehen werden, daß er die Regierung niedergelegt habe.«

»Vergebens würde der König antworten:

»Allerdings behaupten die Feinde der Nation, sie handeln nur, um meine Macht wieder zu heben; doch ich habe bewiesen, daß ich nicht ihr Genosse war; ich habe der Constitution gehorcht; ich habe Truppen ins Feld gestellt, Allerdings waren diese Heere zu schwach; doch die Constitution bezeichnet nicht den Grad von Stärke, den ich ihnen geben mußte. Allerdings habe ich sie zu spät versammelt; doch die Constitution bezeichnet nicht die Zeit, zu der ich sie versammeln mußte. Allerdings hätten sie Reservelager unterstützen können; doch die Constitution verpflichtet mich nicht, Reservelager zu bilden. Allerdings, wenn die Generale ohne Widerstand auf dem feindlichen Gebiete vorrückten, befahl ich ihnen, zurückzuweichen; doch die Constitution gebietet mir nicht, den Sieg davonzutragen. Allerdings haben meine Minister die Nationalversammlung über die Zahl, die Disposition der Truppen und ihre Verproviantirung getäuscht; doch die Constitution gibt mir das Recht, meine Minister zu wählen; sie gebietet mir nirgends, mein Vertrauen den Patrioten zu gewähren und die Contrerevolutionäre fortzujagen. Allerdings hat die Nationalversammlung für die Vertheidigung des Vaterlandes nothwendige Beschlüsse gefaßt, welche zu sanctionieren ich mich geweigert; doch die Constitution garantiert mir diese Befugniß. Allerdings bewerkstelligt sich die Gegenrevolution, ist der Despotismus im Begriffe, sein eisernes Scepter wieder in meine Hände zu geben, werde ich Euch damit niederschmettern, werdet Ihr kriechen, werde ich Euch dafür bestrafen, daß Ihr die Frechheit gehabt habt, frei sein zu wollen; doch Alles dies geschieht constitutionell. Es ist mir kein Act entflossen, den die Constitution verdammt: es ist also nicht erlaubt, an meiner Treue gegen Euch und an meinem Eifer für ihre Vertheidigung zu zweifeln.««

»Meine Herren, wäre es möglich, daß bei den Calamitäten eines unseligen Krieges, bei den Unordnungen eines contrerevolutionären Umsturzes der König der Franzosen diese höhnische Sprache führte; wäre es möglich, daß er von seiner Liebe für die Constitution mit einer so verletzenden Ironie spräche, hätten wir dann nicht das Recht, ihm zu antworten:

»»O König! der Sie ohne Zweifel mit dem Tyrannen Lysander geglaubt haben, die Wahrheit sei nicht mehr werth, als die Lüge, und man müsse die Menschen mit Eiden belustigen, wie man die Kinder mit Knöchelchen belustigt; der Sie sich den Anschein gegeben, als liebten Sie die Gesetze, nur um die Macht zu behalten, die Ihnen dienen würde, um denselben zu trotzen, die Constitution, nur damit man Sie nicht vom Throne stürze, auf dem Sie bleiben mußten, um sie zu vernichten; die Nation, nur um den Erfolg Ihrer Treulosigkeiten zu sichern, indem Sie ihr Vertrauen einflößten, gedenken Sie uns heute durch heuchlerische Betheuerungen zu hintergehen? Gedenken Sie uns auf eine falsche Fährte über die Ursache unserer Mißgeschicke durch den Kunstgriff Ihrer Entschuldigungen und die Frechheit Ihrer Sophismen zu führen? Hieß es uns vertheidigen, den fremden Soldaten Streitkräfte entgegenstellen, deren Minderwerth nicht einmal die Ungewißheit über ihre Niederlage ließ? Hieß es uns vertheidigen, Pläne, welche darauf abzielten, das Innere des Königreiches zu befestigen, auf die Seite schieben, oder Anstalten zum Widerstande für eine Periode machen, wo wir schon die Beute der Tyrannen gewesen wären? Hieß es uns vertheidigen, nicht einen General im Zaume halten, der die Constitution verletzte, und dem Muthe von denjenigen, welche ihr dienten, Fesseln anlegen? Hieß es uns vertheidigen, unablässig die Regierung durch beständige Desorganisation des Ministeriums lähmen? Ließ Ihnen die Constitution die Wahl der Minister für unser Glück oder für unsern Ruin? Machte sie Sie zum Chef unseres Heeres für unsern Ruhm oder für unsere Schmach? Gab sie Ihnen endlich das Sanctionsrecht, eine Civilliste und so viele große Prärogative, um constitutionell die Constitution und das Reich zu Grunde zu richten? Nein, nein, Mann, den die Großmuth Frankreichs nicht bewegen konnte! Mann, den die Liebe für den Despotismus allein empfindlich machen konnte! Sie haben den Willen der Constitution nicht erfüllt! Sie kann umgestürzt werden, doch Sie werden die Frucht Ihres Meineides nicht ernten; Sie haben sich nicht durch einen förmlichen Act den Siegen widersetzt, die man in Ihrem Namen davon trug, doch Sie werden die Frucht dieser schmählichen Triumphe nicht ernten! Sie sind nichts mehr für diese Constitution, die Sie so schändlich verletzt, für dieses Volk, das Sie so niederträchtig verrathen haben!«

»Da die von mir angeführten Thatsachen nicht frei sind von einem sehr auffallenden Zusammenhange mit mehreren Handlungen des Königs, da es gewiß ist, daß die falschen Freunde, die ihn umgeben, an die Verschworenen von Koblenz verkauft sind, und daß sie brennen vor Verlangen, den König zu Grunde zu richten, um die Krone auf das Haupt von einem der Chefs ihrer Complotte zu übertragen; da es für seine persönliche Sicherheit sowohl, als für die des Reiches wichtig ist, daß sein Benehmen nicht mehr von Verdacht umgeben bleibe, so werde ich Ihnen eine Adresse vorschlagen, die ihn an die Wahrheiten, welche ich so eben habe hören lassen, erinnern soll, und worin man ihm darthun wird, daß die Neutralität, die er zwischen dem Vaterlande und Koblenz beobachtet, ein Verrath gegen Frankreich wäre.

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