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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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CLIV
Von sechs Ahr bis neun Uhr Morgens

Nachdem Maudat kaum getödtet war, wurde an seiner Stelle Santerre zum Oberkommandanten ernannt, und Santerre ließ sogleich den Generalmarsch in allen Straßen schlagen und gab Befehl, das Sturmläuten in allen Kirchen zu verdoppeln. Dann organisirte er die patriotischen Patrouillen und befahl, bis in die Tuilerien zu rücken und besonders die Assemblée zu durchsuchen.

Es hatten übrigens die ganze Nacht Patrouillen die Umgegend der Nationalversammlung durchzogen.

Gegen zehn Uhr Abends hatte man auf den Champs-Elysées eine Versammlung von elf Personen verhaftet, von denen zehn mit Dolchen und Pistolen, die elfte mit einer Stutzbüchse bewaffnet waren.

Diese elf Personen ließen sich ohne allen Widerstand festnehmen und nach der Wachstube der Feuillants führen.

Im Verlaufe der übrigen Nacht wurden elf weitere Gefangene gemacht.

Man sperrte sie in zwei abgesonderte Stuben ein.

Bei Tagesanbruch fanden die elf Ersten Mittel, zu entweichen; sie sprangen aus ihrem Fenster in einen Garten und zerbrachen die Thüren dieses Gartens.

Elf blieben, die man solide eingeschlossen hatte.

Um sieben Uhr Morgens führte man in den Hof der Feuillants einen jungen Mann von neunundzwanzig bis dreißig Jahren, mit der Uniform und der Mütze der Nationalgarde. Die Frische seiner Uniform, der Glanz seiner Waffen, die Eleganz seiner Haltung hatten den Verdacht erregt, er gehöre der Aristokratie an, und seine Verhaftung herbeigeführt.

Ein gewisser Bonjour, früher Schreibe bei der Marine, präsidirte an diesem Tage bei der Section der Feuillants.

Bei verhörte den jungen Mann.

»Wo hat man Sie verhaftet?« fragte er ihn.

»Auf der Terrasse der Feuillants,« antwortete der Gefangene.

»Was machten Sie da?«

»Ich begab mich nach dem Schlosse.«

»In welcher Absicht?«

»Um einem Befehle der Municipalität zu gehorchen.«

»Was gebot Ihnen dieser Befehl?«

»Den Stand der Dinge zu untersuchen und hierüber dem Generalprocurator Syndicus des Departement meinen Bericht zu machen.«

»Haben Sie diesen Befehl?«

»Hier ist er,« erwiederte der junge Mann.

Und er zog ein Papier aus seiner Tasche.

Der Präsident entfaltete das Papier und las:

»Der Nationalgarde Inhaber gegenwärtigen Befehls wird sich nach dem Schlosse begeben, um den Stand der Dinge zu untersuchen und seinen Bericht dem Herrn Generalprocurator Syndicus des Departements zu machen.

»Boirie, Le Rouix,
Municipalbeamte.«

Der Befehl war positiv; man befürchtete indessen, die Unterschriften seien falsch, und man schickte nach dem Stadthause einen Mann mit dem Auftrage, ihn von den zwei Unterzeichnern anerkennen zu lassen.

Diese letzte Verhaftung hatte viele Leute im Hofe der Feuillants versammelt, und einige Stimmen, – es gibt immer solche Stimmen bei den Volksversammlungen, – einige Stimmen unter dieser Menge verlangten den Tod der Gefangenen.

Ein Commissär der Municipalität, der gerade da war, begriff, man dürfe diese Stimmen keine Consistenz erlangen lassen.

Er stieg auf ein Gestell, haranguierte das Volk und forderte es auf, sich zurückzuziehen.

In dem Augenblicke, wo das Volk vielleicht im Begriffe war, dem Einflusse dieses barmherzigen Wortes nachzugeben, kam der Mann zurück, den man zu Bewahrheitung der Unterschrift der zwei Municipalbeamten nach dem Stadthause geschickt hatte, und sagte, der Befehl sei echt, und man könne Suleau, der der Inhaber desselben, in Freiheit setzen.

Suleau war derselbe, den wir bei jener Soirée bei Frau von Lamballe gesehen haben, wo Gilbert für den König Ludwig XVI. eine Zeichnung von der Guillotine machte, und wo Marie Antoinette in diesem seltsamen Instrumente die Maschine erkannte, die ihr Cagliostro in einer Flasche im Schlosse Taverney gezeigt hatte.

Beim Namen Suleau richtete eine in der Menge verlorene Frau den Kopf auf und stieß ein Wuthgeschrei aus.

»Suleau!« rief sie, »der Hauptredacteur der Apostelgeschichte? Suleau, einer der Mörder der Lütticher Unabhängigkeit? . . . Wie, Suleau! Ich verlange den Tod von Suleau!«

Die Menge öffnete sich vor dieser kleinen, schwächlichen Frau, die in eine Amazone mit den Farben der Nationalgarde gekleidet und mit einem Säbel bewaffnet war, den sie an einem über die Schultern gehenden Riemen trug; sie lief auf den Commissär der Municipalität zu, nöthigte ihn, vom Gestelle herabzusteigen, und stieg statt seiner hinauf.

Kaum überragte ihr Kopf das Volk, da stieß die Menge einen einzigen Schrei aus:

»Théroigne!«

Théroigne war in der That die vorzugsweise volksbeliebte Franz; ihre Mitwirkung am 5. und 6. Oktober, ihre Verhaftung in Brüssel, ihr Aufenthalt in den oesterreichischen Gefängnisseen ihr Angriff am 20. Juni hatten ihr diese Popularität verschafft. – eine Popularität, welche so groß, daß ihr Suleau in seinem spöttischen Journal zum Liebhaber den Bürger Populus, das heißt des ganze Volkes gegeben hatte.

Es lag hierin eine doppelte Anspielung auf die Popularität von Théroigne und auf die Leichtigkeit ihrer Sitten, die man des Uebermaßes beschuldigte.

Dabei hatte Suleau in Brüssel die Sturmglocke der Könige veröffentlicht und so dazu beigetragen, daß die Lütticher Revolution erdrückt, und ein edles Volk, das frei und französisch sein wollte, wieder unter den österreichischen Stock und die Mitra eines Priesters gebracht wurden.

Théroigne war um diese Zeit gerade beschäftigt, die Erzählung ihres Verhaftes zu schreiben, und sie hatte schon ein paar Kapitel davon beiden Jacobinern vorgelesen.

Sie verlangte nicht nur den Tod von Suleau, sondern auch den der elf Gefangenen, welche mit ihm waren.

Suleau hörte diese Stimme ertönen, welche mitten unter dem Beifallklatschen seinen Tod und den seiner Gefährten forderte; er rief durch die Thüre dem Anführer des Postens, der ihn bewachte.

Dieser Posten bestand ans zweihundert Mann Nationalgarde.

»Laßt mich hinaus,« sagte er; »ich werde mich nennen: man wird mich tödten, und Alles wird abgethan sein; mein Tod wird elf Leben retten.«

Man weigerte sich, ihm die Thüre zu öffnen.

Er versuchte es, zum Fenster hinauszuspringen; seine Gefährten zogen ihn zurück und hielten ihn fest.

Sie konnten nicht glauben, man werde ihn kalt den Mördern überliefern.

Sie täuschten sich.

Eingeschüchtert durch das Geschrei der Menge, entsprach der Präsident Bonjour der Reclamation von Théroigne, indem er der Nationalgarde verbot, sich dem Willen des Volkes zu widersetzen.

Die Nationalgarde gehorchte, trat auf die Seite und gab, auf die Seite tretend, die Thüre preis.

Das Volk stürzte ins Gefängniß und bemächtigte sich aufs Gerathewohl des Ersten des Besten.

Dieser Erste der Beste war ein Abbé, Namens Bouyon, dramatischer Schriftsteller, gleich bekannt durch die Epigramme des Cousin Jacques, und durch die Durchfälle, welche drei Viertel von seinen Stücken im Theater Montansier erfahren hatten. Es war ein colossaler Mann; auf den Armen des Commissärs der Municipalität gerissen, der ihn zu retten suchte, wurde er in den Hof geschleppt, und er begann gegen seine Mörder einen verzweifelten Kampf; obschon er keine andere Waffe hatte, als seine Hände, wurden doch zwei oder drei von diesen Elenden von ihm kampfunfähig gemacht.

Ein Bajonnetstich nagelte ihn an die Wand; er verschied, ohne daß seine letzten Streiche seine Feinde erreichen konnten.

Während dieses Kampfes gelang es zwei von den Gefangenen, zu entweichen.

Derjenige, welcher auf den Abbé Bonyon folgte, war ein ehemaliger Garde des Königs Namens Solminac; seine Vertheidigung war nicht minder kräftig, als die seines Vorgängers; sein Tod war nur grausamer; dann ermordete man einen Dritten, dessen Name unbekannt geblieben ist. Suleau kam als der Vierte.

»Sieh sagte ein Weib zu Théroigne, hier ist er, dein Suleau!«

Théroigne kannte ihn nicht von Gesichte; sie glaubte er sei Priester, und nannte ihn Abbé Suleau; wie eine Tigerkatze stürzte sie auf ihn los und packte ihn bei der Gurgel.

Suleau war jung, muthig und kräftig; er schleuderte Théroigne mit einem Faustschlage zehn schritte von sich, entledigte sich durch eine heftige Erschütterung der drei oder vier Männer, die ihn am Grimmigsten angriffen, riß einen Säbel aus den Händen seiner Mörder und streckte mit seinen zwei ersten Hieben zwei derselben zu Boden.

Da begann ein erschrecklicher Kampf; immer Terrain gewinnend, immer gegen die Thüre vorrückend, machte sich Suleau dreimal frei; er erreichte sie die unglückliche Thüre; doch genöthigt sich umzudrehen, um sie zu öffnen, bot er sich einen Augenblick wehrlos seinen Mördern: dieser Augenblick genügte zwanzig Säbeln, um ihn zu durchbohren.

Er fiel zu Füßen von Théroigne, welche die grausame Freude hatte, ihm seine letzte Wunde beizubringen.

Der arme Suleau hatte sich zwei Monate vorher mit einer reizenden Frau, der Tochter eines berühmten Malers, Adele Hal verheirathet.

Während Suleau so gegen die Mörder kämpfte, hatte ein dritter Gefangener Gelegenheit gefunden, zu entweichen.

Der fünfte, welcher von den Mördern aus der Wachstube geschleppt erschien, entriß der Menge einen Schrei der Bewunderung: das war ein ehemaliger Garde du corps Namens du Vigier, den man nur den schönen du Vigier nannte. Da er eben so muthig, als schön, eben so gewandt, als muthig war, so kämpfte er über eine Viertelstunde, fiel dreimal, erhob sich dreimal wieder und färbte in der ganzen Breite des Hofes jeden Pflasterstein mit seinem Blute, doch auch mit dem seiner Mörder. Endlich unterlag er, wie Suleau, von der Menge zermalmt.

Der Tod der vier Andern war ein einfaches Erwürgen; man kennt ihre Namen nicht.

 

Die neun Leichname wurden auf den Vendome-Platz geschleppt, wo man sie enthauptete; dann steckte man ihre Köpfe ans Pieken und trug sie in ganz Paris umher.

Am Abend kaufte ein Diener von Suleau gegen Gold den Kopf seines Herrn, und es gelang ihm durch eifrige Nachforschungen, den Leichnam aufzufinden; es war die fromme Gattin von Suleau, welche, seit zwei Monaten schwanger, mit herzzerreißendem Geschrei diese kostbaren Ueberreste verlangte, um ihnen die letzte Pflicht zu erweisen.

So war, sogar ehe der Kampf begonnen hatte, das Blut schon an zwei Orten geflossen: auf den Stufen des Stadthauses, im Hofe der Feuillants.

Wir werden es sogleich in den Tuilerien fließen sehen; – nach dem Tropfen der Bach, nach dem Bache der Strom.

Gerade in dem Augenblicke, wo diese Morde vollbracht wurden, das heißt zwischen acht und nenn Uhr Morgens, marschirten zehn bis elftausend Mann Nationalgarden, durch die Sturmglocke von Barbaroux, und den Generalmarsch von Santerre versammelt, die Rue Saint-Antoine hinab, zogen durch die oft erwähnte, in der vorhergehenden Nacht so wohl bewachte Saint-Jean-Arcade und mündeten auf den Grève-Platz.

Diese zehntausend Mann forderten den Befehl, gegen die Tuilerien zu marschiren.

Man ließ sie eine Stunde warten.

Es liefen zwei Versionen in der Menge umher:

Die erste war, man hoffe Concessionen vom Schlosse;

Die zweite, der Faubourg Saint-Marceau sei nicht bereit, und man dürfe nicht ohne ihn marschiren.

Ein Tausend Mann mit Pieken wurde ungeduldig; wie immer waren die am schlechtesten Bewaffneten die Hitzigsten.

Sie drangen durch die Reihen der Nationalgarde, sagten, sie können sie entbehren, und werden das Schloß allein nehmen.

Einige Marseiller Föderierte und zehn bis zwölf Gardes-françaises, – von denselben Gardes-françaises, welche drei Jahre vorher die Bastille genommen hatten, – stellten sich an ihre Spitze und wurden durch Acclamation als Anführer begrüßt.

Das war die Vorhut des Aufruhrs.

Der Adjutant, der Maudat hatte ermorden sehen, war indessen mit verhängten Zügeln nach den Tuilerien zurückgekehrt; doch erst in dem Augenblicke, wo nach seinem unglücklichen Gange in die Höfe der König wieder in sein Gemach gekommen war und die Königin in das ihrige, hatte er sie treffen können, um ihnen die unselige Kunde mitzutheilen.

Die Königin empfand, was man immer empfindet, wenn man einem den Tod eines Menschen verkündet, den man vor einem Augenblick verlassen hat; sie konnte nicht daran glauben, und ließ sich die Scene ein erstes und dann ein zweites Mal in allen ihren Einzelheiten erzählen.

Während dieser Zeit stieg der Lärm eines Streites im ersten Stocke empor und drang durch die offenen Fenster ein.

Mehrere Gendarmen, die Nationalgarden und die patriotischen Kanoniere, – kurz diejenigen, welche: »Es lebe die Nation!« gerufen hatten, – fingen an die Royalisten herauszufordern, nannten sie die Herren königlichen Grenadiere und sagten, es seien unter den Grenadieren der Filles-Saint-Thomas und denen der Butte-des-Moulins nur an den Hof verkaufte Leute, und da man unten den Tod des Obercommandanten noch nicht wußte, der im ersten Stocke schon bekannt war, so rief ein Grenadier ganz laut:

»Diese Canaille Maudat hat offenbar nur Aristokraten ins Schloß geschickt.«

Der ältere Sohn von Maudat war in den Reihen der Nationalgarde. Wir haben gesehen, wo der jüngere war: er versucht es, jedoch vergebens, seinen Vater auf den Stufen des Stadthauses zu vertheidigen.

Bei dieser Beleidigung, die man seinem abwesenden Vater anthat, stürzte der ältere Bruder aus den Reihen, seinen Säbel schwingend, hervor.

Drei bis vier Kanoniere warfen sich ihm entgegen.

Weber, der Kammerdiener der Königin, war da als Nationalgarde unter den Grenadieren von Saint- Roche. Er eilte dem jungen Manne zu Hilfe.

Man hörte ein Geklirre von Säbeln; der Streit trat zwischen den zwei Parteien hervor. Durch den Lärm ans Fenster gezogen, erkannte die Königin Weber.

Sie rief Thierry, den Kammerdiener des Königs, und befahl ihm, ihren Milchbruder zu holen.

Weber kam herauf und erzählte der Königin Alles.

Die Königin erzählte ihm dagegen den Tod von Mandat.

Der Lärm währte unter den Fenstern fort.

»Sieh doch, was vorgeht, Weber,« sagte die Königin.

»Was vorgeht? Die Kanoniere verlassen ihre Stücke und stoßen mit Gewalt eine Kugel darein, und da die Stücke nicht geladen sind, so sind sie nun unbrauchbar.

»Was denkst Du von Allem dem, mein armer Weber?«

»Ich denke,« erwiederte der gute Oesterreicher, »Eure Majestät müßte Herrn Röderer zu Rathe ziehen, der mir noch einer der Ergebensten von denen, welche sich im Schlosse finden, zu sein scheint.«

»Ja, doch wo soll ich mit ihm sprechen, ohne behorcht, bespäht, gestört zu werden?«

»In meinem Zimmer, wenn die Königin will,« sagte der Kammerdiener Thierry.

»Gut,« erwiederte die Königin.

Dann sich gegen ihren Milchbruder umwendent:

»Hole mir Herrn Röderer und führe ihn zu Thierry.«

Und während Weber allein durch eine Thüre abging, ging die Königin durch eine andere, Thierry folgend, ab.

Es schlug neun auf der Schloßuhr.

CLV
Von neun Uhr bis Mittag

Berührt man einen so wichtigen Punkt in der Geschichte, wie der, zu welchem wir gelangt sind, so darf, man kein Detail auslassen, in Betracht, daß das Eine sich mit dem Andern verbindet und die genaue, sorgfältige Anrechnung aller dieser Details die Länge und die Breite der Leinwand bildet, die sich vor den Augen der Zukunft in den Händen der Vergangenheit entrollt.

In dem Augenblicke, wo Weber dem Syndicus der Commune melden wollte, die Königin wünsche ihn zu sprechen, stieg der Schweizer Kapitän Durler zum König hinauf, um von ihm oder dem Generalmajor die letzten Befehle einzuholen.

Charny erblickte den guten Kapitän, welcher einen Huissier oder einen Kammerdiener suchte, der ihn beim König einführen könnte.

»Was wünschen Sie, Kapitän?« fragte er.

»Sind Sie nicht der Generalmajor?« sagte Herr Durler.

»Ja, Kapitän.«

»Ich komme, um die letzten Befehle zu verlangen, da die Spitze der Insurrectionscolonne auf dem Carrousel zu erscheinen anfängt.«

»Man empfiehlt Ihnen, sich nicht Gewalt anthun zu lassen, denn der König ist entschlossen, in unserer Mitte zu sterben.«

»Seien Sie unbesorgt, Herr Generalmajor,« erwiederte einfach der Kapitän Durler.

Und er überbrachte seiner Compagnie diesen Befehl, der ihr Todesurtheil war.

Die Vorhut der Insurrection fing, wie es der Kapitän Durler gesagt hatte, wirklich an zu erscheinen.

Das waren die mit Pieken bewaffneten tausend Mann; an ihrer Spitze marschirten ungefähr zwanzig Marseiller und zwölf bis fünfzehn Gardes-françaises, in deren Mitte die goldenen Epauletten eines jungen Kapitäns glänzten.

Dieser junge Kapitän war Pitou, welcher, von Billot empfohlen, mit einer Sendung beauftragt war, die wir ihn werden sogleich auseinandersetzen sehen.

Hinter dieser Vorhut kam, in der Entfernung von ungefähr einer Viertelstunde, ein beträchtliches Corps Nationalgarden und Föderierte, denen eine Batterie von zwölf Kanonen voranging.

Die Schweizer, als ihnen der Befehl des Generalmajors mitgetheilt wurde, stellten sich, das Stillschweige und die Kälte der Entschlossenheit behauptend, jeder seinen Posten.

Weniger streng disciplinirt, gingen die Nationalgarden bei ihren Dispositionen mit Geräusch und Unordnung, jedoch ebenfalls mit Entschlossenheit zu Werke.

Schlecht organisirt, nur mit Waffen von geringer Tragweite, – Degen oder Pistolen – versehen, wissend, daß es sich diesmal um einen Kampf auf Leben und Tod handelte, sahen die Edelleute mit einer Art von fieberhaften Trunkenheit den Augenblick herannahen, wo sie in Berührung mit dem Volke kommen sollten, mit diesem alten Gegner, diesem ewigen Athleten, diesem immer besiegten und dennoch seit acht Jahrhundert immer wachsenden Ringer!

Während die Belagerten oder diejenigen, welche es sein sollten, so ihre Anordnungen trafen, klopfte man an das Thor vom Königshofe, mehrere Stimmen riefen »Parlamentär!« und man sah zu gleicher Zeit über Mauer ein an der Spitze einer Pieke befestigtes weißes Sacktuch flattern.

Man holte Röderer.

Auf dem halben Wege begegnete man ihm.

»Mein Herr, man klopft am Königsthore,« sagte man zu ihm.

»Ich habe dieses Klopfen gehört, und ich komme.«

»Was soll man thun?«

»Oeffnet.«

Der Befehl wurde dem Concierge übertragen: er öffnete das Thor und lief spornstreichs davon.

Röderer sah sich der Vorhut der Piekenmänner gegenüber.

»Meine Freunde,« sprach Röderer, »Ihr habt verlangt, daß man das Thor einem Parlamentär öffne, und nicht einem Heere. Wo ist der Parlamentär?«

»Hier bin ich, mein Herr,« antwortete Pitou mit einer sanften Stimme und seinem wohlwollenden Lächeln.

»Wer sind Sie?«

»Ich bin der Kapitän Ange Pitou, Chef der Föderierten von Haramont.«

Röderer wußte nicht, wer die Föderierten von Haramont waren; doch da die Zeit kostbar, so hielt er es nicht für geeignet, zu fragen.

»Was wünschen Sie?« sagte er.

»Ich wünsche den Durchgang für mich und meine Freunde zu erhalten.«

Die Freunde von Pitou, in Lumpen, ihre Pieken schwingend und grimmig dreinschauend, schienen sehr gefährliche Feinde zu sein.

»Den Durchgang, und wozu?«

»Um die Nationalversammlung zu blockieren . . . Wir haben zwei Kanonen; nicht eine wird feuern, wenn man thut, was wir wollen.«

»Und was wollen Sie?«

»Die Entsetzung des Königs.«

»Mein Herr,« sagte Röderer, »die Sache ist ernst.«

»Sehr ernst, ja, mein Herr,« antwortete Pitou mit einer gewöhnlichen Höflichkeit.

»Sie verdient also, daß man darüber berathschlagt.«

»Das ist nur zu billig,« erwiederte Pitou.

Und auf die Uhr des Schlosses schauend, sagte er: »Es ist drei Viertel auf zehn Uhr; wir geben Ihnen Zeit bis zehn Uhr: haben wir mit dem Schlage zehn Ihr keine Antwort, so greifen wir an.«

»Mittlerweile erlauben Sie, daß man das Thor schließt, nicht wahr?«

»Allerdings.« sagte Pitou.

Sodann sich an seine Gefährten wendend:

»Meine Freunde, erlaubt, daß man das Thor schließt.«

Und er winkte den Vordersten von den Piekenmännern zurückzuweichen.

Sie gehorchten, und das Thor wurde ohne Schwierigkeit geschlossen.

Doch vermöge dieses einen Augenblick geöffneten Thores hatten die Belagernden die furchtbaren Anstalten die man getroffen, um sie zu empfangen, beurtheilen können.

Als das Thor geschlossen war, erfaßte die Leute von Pitou die Lust, das Parlamentiren fortzusetzen.

Einige stützten sich auf die Schultern ihrer Kameraden, stiegen auf die Mauer, nahmen rittlings darauf Platz und fingen an mit den Nationalgarden zu plaudern.

Die Nationalgarde reichte die Hand und plauderte.

Die Viertelstunde verging so.

Da kam ein Mann aus dem Schlosse und gab Befehl, das Thor zu öffnen.

Diesmal war der Concierge in seine Loge gekauert, und die Nationalgarden hoben die Querbäume auf.

Die Belagernden glaubten, ihr Verlangen sei bewilligt; sobald das Thor geöffnet war, drangen sie auch ein wie Menschen, welche lange gewartet haben, und die von mächtigen Händen von hinten angetrieben werden, – das heißt in Menge; sie riefen die Schweizer lärmend herbei, steckten die Hüte an das Ende der Pieken und der Säbel und schrieen: »Es lebe die Nation! es lebe die Nationalgarde! es leben die Schweizer!«

Die Nationalgarden antworteten auf den Ruf: »Es lebe die Nation!«

Die Schweizer beobachteten ein finsteres, tiefes Stillschweigen.

Erst bei der Mündung der Kanonen blieben die Angreifenden stehen und schauten vor sich und um sich.

Das große Vestibule war voll von Schweizern die Mann hoch aufgestellt; ein Glied stand überdies an jeder Stufe der Treppe, was sechs Gliedern zugleich zu Feuern erlaubte.

Einige von den Insurgenten singen an zu überlegen, und in der Zahl von diesen befand sich Pitou; nur war es schon ein wenig spät zum Ueberlegen.

Das ist übrigens das, was immer diesem braven Volke begegnet, dessen Hauptcharakter es ist, Kind zu sein, das heißt bald gut, bald grausam.

Als es die Gefahr sah, hatte es nicht einen Augenblick die Idee, zu fliehen; doch es suchte sie abzuwenden, indem es mit den Nationalgarden und den Schweizern scherzte.

Die Nationalgarden waren nicht abgeneigt, selbst zu scherzen; die Schweizer behaupteten aber ihren Ernst; denn fünf Minuten vor der Erscheinung der insurrectionellen Vorhut hatte sich Folgendes ereignet.

 

Wie wir im vorhergehenden Kapitel erzählten, hatten die patriotischen Nationalgarden in Folge des über Maudat entstandenen Streites sich von den royalistischen Nationalgarden getrennt, und sich von ihren Mitbürgern trennend, hatten sie auch von den Schweizern Abschied genommen, deren Tapferkeit sie schätzten und beklagten.

Sie hatten beigefügt, sie würden in ihren Häusern wie Brüder diejenigen von den Schweizern aufnehmen, welche ihnen folgen wollten.

Da hatten zwei Waadtländer auf diesen in ihrer Sprache gemachten Ausruf antwortend, ihre Reihe verlassen und sich den Franzosen, das heißt ihren wahren Landsleuten in die Arme geworfen.

Zu gleicher Zeit waren aber zwei Schüsse von den Fenstern des Schlosses gefallen, und zwei Kugeln hatten die Deserteurs in den Armen ihrer neuen Freunde getroffen.

Die Schweizer Officiere, vortreffliche Schützen, Gemsenjäger, hatten dieses Mittel gefunden, um die Desertion kurz abzuschneiden.

Die Sache hatte überdies die andern Schweizer, wie man leicht begreift, bis zur Stummheit ernst gemacht.

Was die Leute betrifft, die man in den Hof eingeführt, bewaffnet mit alten Pistolen, mit alten Flinten und mit neuen Pieken, das heißt, schlechter bewaffnet, als wenn sie gar keine Waffen gehabt hätten, – das waren von jenen seltsamen Revolutionsvorläufern, wie wir sie bei allen großen Emeuten gesehen haben, die lachen! herbeieilen, um den Abgrund zu öffnen, der einen Thron verschlingen soll; – zuweilen mehr als einen Thron; eine Monarchie!

Die Kanoniere waren zu ihnen gekommen, die Nationalgarde schien ganz geneigt, auch zu kommen; sie suchten die Schweizer zu bestimmen, ebenso viel zu thun.

Sie bemerkten nicht, daß die Zeit verlief, daß ihr Anführer Pitou Herrn Röderer Frist bis um zehn Uhr gegeben hatte, und daß es ein Viertel auf elf Uhr war, Sie belustigten sich: warum hätten sie die Minuten zählen sollen?

Einer von ihnen hatte keine Pieke, keine Flinte, keinen Säbel, sondern eine Stange, um die Aeste der Bäume niederzudrücken, eine Stange mit einem Haken.

Er sagte zu seinem Nachbar:

»Wenn ich einen Schweizer fischen würde?«

»Fische!« erwiederte sein Nachbar.

Und dieser Mann hakte einen Schweizer an seinem Lederzeug an und zog den Schweizer zu sich.

Der Schweizer widerstand nur gerade so viel, als; er brauchte, um das Ansehen des Widerstands zu haben.

»Das beißt an!« sagte der Fischer.

»Dann mache es gelinde!« erwiederte der Andere.

Der Mann mit der Stange machte es gelinde, und der Schweizer ging vom Vestibule in den Hof über, wie ein Fisch vom Flusse auf das User übergeht.

Hierauf erfolgten große Acclamationen und gewaltiges Gelächter.

»Einen Andern! einen Andern!« rief man von allen Seiten.

Der Fischer wählte einen andern Schweizer, den er anhakte wie den Ersten.

Nach dem Zweiten kam ein Dritter, dann ein Vierter, dann ein Fünfter.

Das ganze Regiment wäre gefolgt, hätte man nicht das Wort: »Schlagt an!« ertönen hören.

Als man die Gewehre sich mit der mechanischen Präcision senken sah, welche immer diese Bewegung bei den regelmäßigen Truppen begleitet, feuerte einer der Angreifenden, – es findet sich bei solchen Umständen stets ein Wahnsinniger, der das Signal zur Schlächterei gibt, – feuerte einer der Angreifenden eine Pistole nach einem Fenster des Schlosses ab.

Während des kurzen Zwischenraumes, der beim Commando das Wort: »Schlagt an!« vom Worte: »Feuer!« trennt, begriff Pitou Alles, was vorgehen sollte.

»Werft Euch auf den Bauch!« rief er seinen Leuten zu; »auf den Bauch, oder Ihr seid Alle des Todes!«

Und das Beispiel mit der Lehre verbindend, warf er sich selbst mit dem Bauche auf die Erde.

Doch ehe man Zeit gehabt hatte, seine Ermahnung zu befolgen, ertönte das Wort: Feuer! unter dem Vestibule, das sich mit Lärmen und Rauch füllte, während es, wie ein ungeheurer Musketonner, einen Hagel von Kugeln auspie.

Die compacte Masse, – die Hälfte der Colonne vielleicht war in den Hof eingedrungen, – die compacte Masse wogte wie ein vom Winde gebeugtes Kornfeld, sodann wie ein von der Sichel geschnittenes Kornfeld, und schwankte und stürzte zusammen.

Kaum das Drittel war am Leben geblieben.

Dieses Drittel entfloh, unter dem Feuer der zwei Linien und unter dem der Baraken passirend; Linien und Baraken schossen aus unmittelbarer Nähe.

Die Schützen würden einander selbst getödtet haben, hätten sie nicht zwischen sich einen so dichten Vorhang von Menschen gehabt.

Der Vorhang zerriß in breite Fetzen: vierhundert Menschen blieben auf dem Pflaster, von denen dreihundert todt waren.

Mehr oder weniger tödtlich verwundet, wehklagten die hundert Andern, versuchten es, aufzustehen, fielen wieder nieder, und gaben gewissen Theilen dieses Leichenfeldes eine Beweglichkeit ähnlich der einer verscheidenden Welle, eine entsetzlich anzuschauende Beweglichkeit.

Dann, allmälig, sank Alles zusammen, und abgesehen von einigen Halsstarrigen, die sich unüberwindlich ans Leben anklammerten, kehrte Alles in die Unbeweglichkeit zurück.

Die Flüchtlinge verbreiteten sich auf dem Carrousel, strömten einerseits auf die Quais, andererseits in die Rue Saint-Honoré und schrieen: »Mord! Mord! man hat uns ermordet!«

Ungefähr auf dem Pont-Neuf begegneten sie dem Kerne des Heeres.

Dieser Kern des Heeres wurde commandirt von zwei Männern zu Pferde, denen ein Mann zu Fuße folgte, welcher, obgleich zu Fuße, am Commando Theil zu haben schien.

»Ah!« riefen die Flüchtlinge, in einem der zwei Reiter den Bierbrauer des Faubourg Saint-Antoine erkennend, der sich durch seine colossale Gestalt auszeichnete, welcher ein ungeheures flämisches Roß als Piedestal diente, »ah! Herr Santerre, herbei! zu Hilfe! man mordet unsere Brüder!«

»Wer dies?« fragte Santerre.

»Die Schweizer! Sie haben auf uns geschossen, während wir den Mund an ihrem Backen hatten.«

Santerre wandte sich gegen den zweiten Reiter um und fragte ihn:

»Was denken Sie hiervon, mein Herr?«

»Bei meiner Treue!« erwiederte mit einem stark deutschen Accente der Andere, der ein kleiner, blonder Mann war und die Haare bürstenartig geschnitten trug, »ich denke, es gibt ein militärisches Sprichwort, welches sagt: »»Der Soldat muß sich dahin begeben, wo er den Lärmen der Musketen oder der Kanonen hört!«« Gehen wir dahin, wo dieser Lärm stattsfindet . . . «

»Ei;« fragte der Mann zu Fuße einen von den Flüchtlingen, »Ihr hattet einen jungen Officier bei Euch: ich sehe ihn nicht mehr.«

»Er ist zuerst gefallen, Bürger Repräsentant; und das ist ein Unglück, denn es war ein sehr braver junger Mann!«

»Ja, es war ein braver junger Mann,« sagte leicht erbleichend derjenige, welchem man den Titel Repräsentant gegeben hatte; »ja, es war ein braver junger Mann! er soll auch brav gerächt werden! Vorwärts, Santerre!«

»Ich glaube, mein lieber Billot,« sprach Santerre, »daß wir bei einer so ernsten Sache nicht nur den Muth, sondern auch die Erfahrung zu Hilfe rufen müssen.«

»Gut!«

»Dem zu Folge mache ich den Vorschlag, das Obercommando dem Bürger Westermann zu übergeben, der ein wahrer General und der Freund des Bürgers Danton ist, wobei ich mich erbiete, ihm zuerst als einfacher Soldat zu gehorchen.«

»Alles, was Ihr wollt.« erwiederte Billot, »wenn wir nur, ohne einen Augenblick zu verlieren, marschiren.«

»Nehmen Sie das Commando an, Bürger Westermann?« fragte Santerre.

»Ich nehme es an,« antwortete laconisch der Preuße52.

»Dann geben Sie Ihre Befehle.«

»Vorwärts!« rief Westermann.

Und die ungeheure Colonne, welche einen Augenblick Halt gemacht hatte, setzte sich wieder in Marsch.

In dem Momente, wo ihre Vorhut zugleich ins Carrousel durch die Einlässe der Rue de l’Echelle und durch die der Quais eindrang, schlug es elf auf der Uhr der Tuilerien.

52Westermann war kein Preuße, sondern ein Elsässer.
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