Бесплатно

Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

Текст
0
Отзывы
iOSAndroidWindows Phone
Куда отправить ссылку на приложение?
Не закрывайте это окно, пока не введёте код в мобильном устройстве
ПовторитьСсылка отправлена

По требованию правообладателя эта книга недоступна для скачивания в виде файла.

Однако вы можете читать её в наших мобильных приложениях (даже без подключения к сети интернет) и онлайн на сайте ЛитРес.

Отметить прочитанной
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

CXLVII
Die Marseillaise

Was die Königin beruhigte, hätte sie gerade erschrecken müssen: das Manifest des Herzogs von Braunschweig.

Dieses Manifest, das, in den Tuilerien abgefaßt, erst am 20. Juli nach Paris zurückkommen sollte, war in den ersten Tagen des Monats abgegangen.

Sagen wir aber, was zu gleicher Zeit, da der Hof in Paris dieses wahnsinnige Stück redigirte, dessen Wirkung wir sogleich sehen werden, in Straßburg vorging.

Straßburg, eine unserer französischsten Städte, gerade weil es vorher österreichisch gewesen war, Straßburg, eines unserer festesten Bollwerke, hatte, wie gesagt, den Feind vor seinen Thoren.

In Straßburg versammelten sich auch seit sechs Monaten, das heißt seitdem vom Kriege die Rede war, diese jungen Bataillons von Freiwilligen mit dem glühenden, patriotischen Geiste.

Straßburg, seinen hohen Münsterthurm im Rhein spiegelnd, der uns allein vom Feinde trennte, war ein kochender Herd zugleich des Krieges, der Jugend, der Freude, des Vergnügens, der Bälle, der Revuen, wo sich der Lärm der Kriegsinstrumente beständig mit dem der Festinstrumente vermengte.

Von Straßburg, wo durch ein Thor die erst zu formirenden Freiwilligen ankamen, gingen durch das andere die Soldaten ab, die man für schlagfähig hielt; hier fanden sich die Freunde wieder, umarmten sich und sagten sich Lebewohl; die Schwestern weinten, die Mütter beteten, die Väter sprachen: »Geht, und sterbt für Frankreich!«

Und Alles dies beim Schalle der Glocken, beim Donner der Kanonen, bei diesen zwei ehernen Stimmen, welche zu Gott sprechen, die eine, um seine Barmherzigkeit, die andere, um seine Gerechtigkeit anzurufen.

Bei einem dieser Abgänge, der feierlicher war als die andern, weil er beträchtlicher, lud der Maire von Straßburg, Dietrich, ein würdiger, vortrefflicher Patriot, diese jungen Leute zu sich ein, um bei einem Bankett mit den Officieren der Garnison zu fraternisiren.

Die zwei Töchter des Maire und zwölf bis fünfzehn von ihren Gespielinnen, blonde, edle Mädchen des Elsaß, die man nach ihren goldenen Haaren für Nymphen von Ceres gehalten hätte, sollten, nicht präsidieren bei diesem Bankett, doch es wenigstens verschönern und durchduften.

Unter der Zahl der Geladenen, ein gewöhnlicher Genoß des Hauses Dietrich, ein Freund der Familie, junger edler Hochburgunder Namens Rouget de l’Isle.

Wir haben ihn alt gekannt, und er selbst, der sie uns ganz mit eigener Hand schrieb, hat uns die Geburt dieser edlen Kriegsblume erzählt, deren Erschließen der Leser beiwohnen soll.

Rouget de l’Isle war damals zwanzig Jahre alt und lag als Officier vom Genie in Straßburg in Garnison.

Dichter und Musiker, war ein Piano eines von den Instrumenten, das man bei diesem ungeheuren Concerte hörte; seine Stimme eine von denen, welche unter den stärksten und patriotischsten ertönten.

Nie war ein mehr französisches, mehr nationales Fest von einer glühenden Junisonne beleuchtet worden.

Niemand sprach von sich, Alle sprachen von Frankreich.

Der Tod war allerdings da, wie bei den Banketten des Alterthums; doch der schöne, lächelnde Tod, nicht mit der häßlichen Sense und der grauenvollen Sanduhr, sondern in der einen Hand ein Schwert, in der andern eine Palme haltend!

Man suchte, was man singen könnte: das alters Ça ira war ein Gesang des Zornes und des Bürgerkriegs; man brauchte einen patriotischen, brüderlichen und dennoch für das Ausland drohenden Ruf.

Wer sollte der moderne Tyrtäos sein, der unter dem Dampfe der Kanonen, unter dem Pfeifen der Kugeln die Hymne Frankreichs dem Feinde zuschleudern würde?

Enthusiastisch, liebeglühend, patriotisch, antwortete Rouget de l’Isle auf diese Frage:

»Ich!«

Und er stürzte aus dem Saale.

In einer halben Stunde, während man sich kaum um seine Abwesenheit bekümmerte, war Alles gemacht, Worte und Musik, Alles war von einem Gusse, in die Form geflossen wie die Statue eines Gottes.

Rouget de l’Isle erschien wieder, die Haare zurückgeworfen, die Stirne mit Schweiß bedeckt, keuchend von dem Kampfe, den er gegen die zwei erhaben, Schwestern, die Musik und die Poesie, bestanden hatte.

»Höret,« sprach er, »höret Alle!«

Als seine Stimme ertönte, wandten sich Alle um, die Einen ihr Glas in der Hand, die Andern eine bebende Hand in der ihrigen haltend.

Rouget de l’Isle begann:

 
Allons enfants de la Patrie,
Le jour de gloire est arrivé!
Contre nous de la tyrannie
L’étendard sanglant est levé.
Entendez-vous dans les campagnes
Mugir ces féroces soldats?
Ils viennent jusque dans vos bras
Égorger vos fils, vos compagnes!
Aux armes, citoyens, Formez vos bataillons,
Marchons, marchons!
Qu’un sang impur Abreuve nos sillons!
 

Bei der ersten Strophe durchlief ein elektrischer Schauer die ganze Versammlung.

Ein paar Schreie des Enthusiasmus erschollen, doch begierig, das Uebrige zu hören, riefen alsbald andere Stimmen:

»Stille! Stille! höret.«

Rouget fuhr mit einer Geberde tiefer Entrüstung fort:

 
Que veut cette horde d’esclaves,
De traîtres, de rois conjurés?
Pour qui ces ignobles entraves,
Ces fers dès longtemps préparés?
Français, pour nous, ah! quel outrage!
Quels transports il doit exciter!
C’est nous qu’on ose méditer
De rendre à l’antique esclavage!
Aux armes, citoyens!
 

Diesmal hatte Rouget de l’Isle nicht nöthig, den Chor herbeizurufen, ein Schrei schwang sich aus aller Brust empor:

 
Formez vos bataillons,
Marchons, marchons!
Qu’un sang impur Abreuve nos sillons!
 

Da fuhr er unter einer wachsenden Begeisterung fort:

 
Quoi! des cohortes étrangères
Feraient la loi dans nos foyers!
Quoi! ces phalanges mercenaires
Terrasseraient nos fiers guerriers?
Grand Dieu! par des mains enchaînées
Nos fronts sous le joug se ploieraient!
De vils despotes deviendraient
Les maîtres de nos destinées!
 

Keuchend erwartete die Brust von Hunderten den zweiten Theil, und ehe dieser letzte Vers vollendet war, riefen sie:

»Nein! Nein! Nein!

Dann erscholl mit dem Ungestüm eines Wetterwirbels der erhabene Chor:

 
Aux armes, citoyens! Formez vos bataillons,
Marchons, marchons!
Qu’un sang impur Abreuve nos sillons!
 

Diesmal durchlief ein solcher Schauer alle Zuhörer, daß es Rouget de l’Isle war, der sich, um seine vierte Strophe singen zu können, genöthigt sah, Stille zu verlangen.

Man hörte fieberhaft.

Die entrüstete Stimme wurde drohend.

 
Tremblez, tyrans, et vous perfides
L’opprobre de tous les partis,
Tremblez! vos projets parricides
Vont enfin recevoir leurs prix!
Tout est soldat pour vous combattre:
S’ils tombent, nos jeunes héros,
La terre en produit de nouveaux,
Contre vous tout prêts à se battre!
 

»Ja! ja!« riefen alle Stimmen.

Und die Väter schoben die Söhne vor, welche marschiren konnten, die Mütter hoben in ihren Armen diejenigen empor, welche sie noch trugen.

Da bemerkte Rouget de l’Isle, daß ihm eine Strophe fehlte; der Gesang der Kinder; erhabener Chor der entstehenden Ernte, des keimenden Kornes, und während die Bankettgenossen rasend den furchtbaren Refrain wiederholten, ließ er seinen Kopf in seine Hand fallen; unter dem Lärmen und den Bravos improvistrte er sodann folgende Strophe:

 
Nous entrerons dans la carrière
Quand nos aînés n’y seront plus;
Nous y trouverons leur poussière
Et la trace de leurs vertus.
Bien moins jaloux de leur survivre
Que de partager leur cercueil,
Nous aurons le sublime orgueil
De les venger ou de les suivre!
 

Und durch das erstickte Schluchzen der Mütter, durch die enthusiastischen Ausrufungen der Väter, hörte man die reinen Stimmen der Kindheit im Chore singen:

 
Aux armes, citoyens! Formez vos bataillons,
Marchons, marchons!
Qu’un sang impur Abreuve nos sillons!
 

»Oh!« murmelte einer von den Gästen, »gibt es keine Gnade für diejenigen, welche nur verirrt sind?«

»Warten Sie, warten Sie,« rief Rouget de l’Isle, »und Sie werden sehen, daß mein Herz diesen Vorwurf nicht verdient.«

Und mit einer Stimme voll Rührung sang er die Arme zum Himmel empor und sang die letzte Strophe, die Anrufung an den Genius Frankreichs:

 
Amour sacré de la Patrie,
Conduis, soutiens nos bras vengeurs.
Liberté, Liberté chérie,
Combats avec tes défenseurs!
Sous nos drapeaux que la victoire
Accoure à tes mâles accents,
Que tes ennemis expirants
Voient ton triomphe et notre gloire!
 

»Ah!« sprach eine Stimme, »nun ist Frankreich gerettet!

Und in einem erhabenen Rufe, de profundis des Despotismus, Magnificat der Freiheit, ertönte es aus Aller Munde:

 
Aux armes, citoyens! Formez vos bataillons,
Marchons, marchons!
Qu’un sang impur Abreuve nos sillons!
 

Dann war es nur eine tolle, berauschende, wahnsinnige Freude; Jeder warf sich seinem Nachbar in die Arme, die Mädchen nahmen ihre Blumen von Sträußen und Kränzen mit vollen Händen und streuten sie zu den Füßen des Dichters.

Achtunddreißig Jahre später, als er mir diesen großen Tag erzählte, mir, dem jungen Manne, der ich zum ersten Male durch die mächtige Stimme des Volkes die heilige Hymne singen hörte, – achtunddreißig Jahre später strahlte noch die Stirne des Dichters von der glänzenden Glorie von 1792.

 

Und das war Gerechtigkeit!

Woher kommt es, daß ich selbst, indem ich diese letzten Strophen aufzeichne, ganz bewegt bin? Woher kommt es, daß, während meine rechte Hand zitternd den Chor der Kinder, die Anrufung an den Genius Frankreichs schreibt, woher kommt es, daß meine linke Hand eine Thräne abwischt, welche nahe daran, auf das Papier zu fallen?

Davon, daß die heilige Marseillaise nicht nur ein Kriegsgeschrei, sondern auch ein Erguß, ein Aufschwung der Bruderliebe ist, daß die königliche, mächtige Hand Frankreichs allen Völkern gereicht ist, daß es immer der letzte Schrei der sterbenden Freiheit, immer der erste der wiedererstehenden Freiheit sein wird!

Wie ist nun die in Straßburg unter dem Namen Rheinlied geborene Hymne plötzlich im Herzen Frankreichs unter dem Namen Marseillaise hervorgebrochen?

Das wollen wir unsern Lesern sagen.

CXLVIII
Die fünfhundert Mann von Barbaroux

Am 28. Juli. als sollte dadurch der Proclamation der Gefahr des Vaterlands eine Basis gegeben werden, kam das Manifest von Koblenz.

Das war, wie gesagt, ein wahnsinniges Werk, eine Drohung, folglich ein Schimpf für Frankreich.

Der Herzog von Braunschweig, ein Mann von Geist, fand das Manifest albern, doch über dem Herzog waren die Könige des Bundes; sie erhielten das Schriftstück ganz abgefaßt von den Händen des Königs von Frankreich, und es wurde von ihnen ihrem General auferlegt.

Nach dem Manifeste war ganz Frankreich strafbar; jede Stadt oder jedes Dorf sollte niedergerissen oder in Asche verwandelt werden. – Was Paris, das zu Dornen und Unkraut verdammte moderne Jerusalem betrifft, so sollte kein Stein davon auf dem andern bleiben.

Dies besagte das Manifest, das von Koblenz am Tage des 28. mit dem Datum des 26. ankam.

Welcher Adler hatte es in seinen Klauen gebracht, daß er zweihundert Meilen in sechs und dreißig Stunden zurückgelegt?

Man kann sich die durch ein solches Stück hervorgebrachte Explosion denken: es war die, welche ein auf die Pulverbüchse fallender Funke hervorbringt.

Alle Herzen bebten, alle geriethen in Unruhe, alle schickten sich zum Kampfe an.

Wählen wir unter allen diesen Männern einen Mann, unter allen diesen Typen einen Typus.

Wir haben den Mann schon genannt: es ist Barbaroux.

Wir wollen es versuchen, den Typus zu schildern.

Barbaroux schrieb, wie wir erwähnt, am Anfange des Juli an Nebecqui: »Schicke mit fünfhundert Mann, welche zu sterben wissen.«

Wer war der Mann, der einen solchen Satz schreiben konnte, und welchen Einfluß hatte er auf seine Landsleute? Er hatte den Einfluß der Jugend, der Schönheit, des Patriotismus.

Dieser Mann, das war Charles Barbaroux, ein sanftes, reizendes Gesicht, das Madame Roland bis in ihrem ehelichen Gemache beunruhigte, das Charlotte Corday bis am Fuße des Schaffots träumen machte.

Madame Roland fing an sich selbst zu mißtrauen.

Warum mißtraute sie sich?

Er war zu schön!

Das war der Vorwurf, den man zwei Männern der Revolution machte, deren Köpfe, so schön sie waren, in einem Zwischenraume von vierzehn Monaten, der eine in der Hand des Henkers von Bordeaux, der andere in der Hand des Henkers von Paris erschienen: der Erste war Barbaroux, der Zweite Hérault de Séchelles.

Man höre, was Madame Roland von ihnen sagt.

»Barbaroux ist leichten Sinnes; die Anbetungen, welche die sittenlosen Frauen an ihn verschwenden, schaden dem Ernste seiner Gefühle. Sehe ich diese schönen jungen Männer zu stark berauscht von dem Eindrucke, den sie hervorbringen, wie Barbaroux und Hérault de Séchelles, so denke ich unwillkürlich, sie beten zu sehr sich selbst an, um das Vaterland genug anzubeten.«

Sie täuschte sich, die strenge Pallas.

Das Vaterland war nicht die einzige, doch die erste Geliebte von Barbaroux; wenigstens liebte er es am Innigsten, da er für dasselbe starb.

Barbaroux war kaum fünfundzwanzig Jahre alt.

Er war geboren in Marseille, von einer Familie von jenen kühnen Schiffern, welche aus dem Handel eine Poesie gemacht haben. Was die Form, die Anmuth, die Idealität, das griechische Profil besonders betrifft, so schien er in gerader Linie von einem der Phokäer abzustammen, welche ihre Götter von den Usern des Parnassos nach denen der Rhone brachten.

Jung, hatte er sich in der großen Kunst der Rede geübt, – in dieser Kunst, aus der sich die Männer des Süden zugleich eine Waffe und einen Schmuck zu machen wissen, – sodann in der Poesie, dieser Blume des Parnassos, welche die Gründer von Marseille mit sich vom Meerbusen von Korinth nach dem Meerbusen von Lyon49 versetzten. Er hatte sich ferner mit der Physik beschäftigt, und sich mit Saussure und Marat in Correspondenz gesetzt.

Man sah ihn plötzlich während der Gährungen in seiner Vaterstadt, in Folge der Wahl von Mirabeau, hervorkommen.

Er wurde damals zum Secretär der Municipalität ernannt.

Später fanden Unruhen in Arles statt.

Unter diesen Unruhen erschien die schöne Gestalt von Barbaroux dem bewaffneten Antinous ähnlich.

Paris reclamirte ihn; der große Ofen brauchte von diesem wohlriechenden Rebholze; der ungeheure Tiegel bedurfte dieses Metalles.

Er wurde dahin geschickt, um über die Unruhen von Avignon Bericht zu erstatten; man hätte glauben sollen, er gehöre keiner Partei an; sein Herz, wie das der Gerechtigkeit, hege weder Haß, noch Freundschaft: er sagte die Wahrheit einfach und erschrecklich, wie sie war, und indem er sie sagte, schien er groß wie sie.

Die Girondisten waren so eben angekommen. Was die Girondisten von den anderen Parteien unterschied, was ihnen vielleicht das Verderben bereitete, ist, daß sie echte Künstler waren! sie liebten, was schön; sie reichten ihre warme, biedere Hand Barbaroux; dann führten sie, ganz stolz auf diese neue Rekrutirung, den Marseiller zu Madame Roland.

Man weiß, wie beim ersten Anblicke Madame Roland von Barbaroux gedacht hatte.

Was Madame Roland besonders in Erstaunen gesetzt, war, daß seit langer Zeit ihr Mann in Correspondenz mit Barbaroux stand, und daß die Briefe des jungen Mannes regelmäßig, pünktlich, voll Vernunft ankamen.

Sie hatte weder nach dem Alter, noch nach dem äußeren Ansehen dieses ernsten Correspondenten gefragt: es war für sie ein Mann von etwa vierzig Jahren, mit einem durch das Denken kahl gewordenen Schädel, mit einer durch die Nachtwachen gerunzelten Stirne.

Sie kam dem Traume entgegen, den sie gemacht und fand einen fünfundzwanzigjährigen jungen Mann, heiter, lachlustig, leicht, die Frauen liebend: diese ganze reiche, glühende Generation, welche im Jahre 92 blühte, um im Jahre 93 gemäht zu werden, liebte die Frauen.

In diesem Kopfe, der so leichtfertig zu sein schien, und den Madame Roland zu schön fand, bildete sich vielleicht der erste Gedanke des 10. August.

Der Sturm war in der Luft; die wüthenden Wolken liefen von Norden nach Süden, von Westen nach Osten.

Barbaroux gab ihnen eine Richtung; er häufte sie auf dem Schieferdache der Tuilerien auf.

Als noch Niemand einen festen Plan hatte, schrieb er an Rebecqui: »Schicke mir fünfhundert Männer, welche zu sterben wissen.«

Ah! der wahre König von Frankreich, das war dieser König der Revolution, welcher schrieb, man solle ihm fünfhundert Mann schicken, die zu sterben wüßten, und den man eben so einfach, als er sie verlangt hatte, dieselben zuschickte.

Rebecqui hatte sie selbst ausgewählt, unter der französischen Partei von Avignon rekrutiert.

Sie schlugen sich seit zwei Jahren; sie haßten seit zehn Generationen.

Sie hatten sich in Toulouse, in Nimes; in Arles geschlagen; sie hatten sich aus Blut gewöhnt; von Strapazen sprachen sie nicht einmal.

Am bestimmten Tage hatten sie, wie eine einfache Etappe, den Marsch von zweihundertundzwanzig Meilen unternommen.

Warum nicht? Das waren rauhe Seeleute, harte Bauern; Gesichter durch den Sirocco Africas, oder durch den Mistral des Ventoux verbrannt, Hände geschwärzt durch den Theer oder unempfindlich gemacht durch die Arbeit.

Ueberall, wo sie vorüberkamen, nannte man sie Räuber.

Bei einem Halte, den sie bei Orgon machten, erhielten sie, – Worte und Musik, – die Hymne von Rouget de l’Isle.

Barbaroux schickte ihnen diese Wegzehrung, damit ihnen der Marsch minder lang scheine.

Einer von ihnen entzifferte die Musik und sang die Worte; dann wiederholten Alle mit einem ungeheuren Schrei den furchtbaren Gesang, der noch viel furchtbarer, als es Rouget de l’Isle selbst geträumt hatte.

Durch den Mund der Marseiller gehend, hatte sein Gesang den Charakter geändert, wie die Worte den Ausdruck.

Das war nicht mehr ein Gesang der Verbrüderung: es war ein Gesang der Vernichtung und des Todes; es war die Marseillaise, das heißt die weithin schallende Hymne, die uns im Schooße unserer Mütter beben gemacht hat.

Die kleine Bande von Marseillern erschreckte, durch Städte und Dörfer ziehend, Frankreich durch den Eifer, mit dem sie dieses neue, noch unbekannte Lied sang.

Als er sie in Montereau wußte, lies Barbaroux zu Santerre, um ihn davon zu unterrichten.

Santerre versprach ihm, die Marseiller in Charenton mit vierzigtausend Mann zu empfangen.

Man vernehme, was Barbaroux mit den vierzigtausend Mann von Santerre und seinen fünfhundert Marseillern zu thun gedachte:

Die Marseiller an die Spitze stellen, mit einem Anlaufe das Stadthaus und die Nationalversammlung überwältigen, über die Tuilerien hingehen, wie man am 14. Juli 1789 über die Bastille hingegangen war, und auf den Ruinen des florentinischen Palastes die Republik proclamiren.

Barbaroux und Rebecqui erwarteten in Charenton Santerre mit seinen viertausend Mann.

Santerre kam mit zweihundert Mann!

Vielleicht wollte er den Marseillern, das heißt Fremden, den Ruhm eines solchen Handstreichs nicht lassen.

Die kleine Bande mit den glühenden Augen, mit den schwarzbraunen Gesichtern, mit den scharfen Worten durchzog ganz Paris von Jardin du Roi bis zu den Champs-Elysées, beständig die Marseilaise singend. Warum sollten wir sie anders nennen, als man sie nannte?

Die Marseiller sollten auf den Champs-Elysées lagern, wo man ihnen am anderen Tage ein Bankett zu geben dachte.

Das Bankett fand in der That statt; doch zwischen den Champs-Elysées und dem Pont Tournant, ein paar Schritte vom Gastmale, waren die Grenadierbatallions der Section der Filles-Saint-Thomas aufgestellt.

Das war eine royalistische Garde, welche das Schloß dahin als einen Wall zwischen den Ankömmlingen und ihm gestellt hatte.

Marseiller und Grenadiere des Filles-Saint-Thomas rochen sich gegenseitig den Feind an. Man wechselte zuerst Schmähungen, dann Streiche; beim ersten Blute das floß, riefen die Marseiler zu den Waffen, sprangen zu ihren in Pyramiden aufgestellten Gewehren und griffen mit dem Bajonnet an.

Die Pariser Grenadiere wurden durch diesen ersten Anfall über den Haufen geworfen; zum Glücke hatten sie die Tuilerien und ihre Gitter hinter sich: der Pont Tournant beschützte ihre Flucht und erhob sich wieder vor den Feinden.

Die Flüchtlinge fanden ein Asyl in den Gemächern des Königs. Die Tradition behauptet, ein Verwundeter sei mit eigenen Händen von der Königin gepflegt worden.

Die Föderierten, Marseiller, Bretagner und Dauphinéer, waren ihrer fünftausend; diese fünftausend Mann bildeten eine Macht, nicht durch die Zahl, sondern durch den Glauben.

Der Geist der Revolution war in ihnen.

Am 17. Juli hatten sie eine Adresse an die Nationalversammlung abgesandt, »Ihr habt das Vaterland in Gefahr erklärt,« sagten sie; »bringt Ihr es aber nicht selbst dadurch in Gefahr, daß Ihr die Straflosigkeit der Verräther verlängert? Verfolgt Lafayette, suspendirt die executive Gewalt, setzt die Directoren der Departements ab, stellt die richterliche Gewalt wieder her.«

Am 3, August ist es Pétion selbst, der dasselbe Verlangen stellt, Pétion, der mit seiner eisigen Stimme den Aufruf zu den Waffen fordert.

Allerdings hat er hinter sich zwei Doggen, die ihn in die Beine beißen: Danton und Sergent.

»Die Commune,« sagt Pétion, »denuncirt Euch die executive Gewalt. Um die Uebel Frankreichs zu heilen, muß man sie an ihrer Quelle angreifen, und man darf keinen Augenblick verlieren. Wir hätten nur die momentane Suspension von Ludwig XVI. zu verlangen gewünscht: die Constitution widersetzt sich diesem; er ruft unabläßlich die Constitution an: wir rufen sie unsererseits auch an, und wir verlangen die Absetzung.«

 

Höret Ihr den König von Paris, der den König von Frankreich denuncirt, den König des Stadthauses, der dem König der Tuilerien den Krieg erklärt? Die Nationalversammlung wich vor der entsetzlichen Maßregel zurück, die man bei ihr beantragte.

Die Absetzungsfrage wurde auf den 9. August verschoben.

Am 8. August erklärte die Nationalversammlung, es sei kein Grund zur Anklage gegen Lafayette vorhanden.

Die Nationalversammlung wich zurück.

Was würde sie am andern Tage in Betreff der Absetzung beschließen? Würde sie sich auch in Opposition mit dem Volke stellen?

Sie nehme sich in Acht! Weiß sie nicht, was vorgeht, die Unkluge?

Am 3. August, – an demselben Tage, wo Pétion die Absetzung verlangt hat, – wird der Faubourg Saint-Marceau müde, Hungers zu sterben bei diesem Kampfe, der weder der Friede, noch der Krieg ist: er schickt Abgeordnete an die Section der Quinze-Vingt und läßt seine Brüder vom Faubourg-Saint-Antoine fragen:

»Wenn wir gegen die Tuilerien marschiren, marschirt Ihr mit uns?«

»Wir marschiren,« antworteten diese.

Am 4. August verdammt die Nationalversammlung die aufrührerische Proclamation der Section Mauconseil.

Am 5. weigert sich die Commune, das Decret bekannt zu machen.

Es ist nicht genug, daß der König von Paris dem König von Frankreich den Krieg erklärt: nun setzt sich die Commune in Opposition mit der Nationalversammlung!

Alle diese Oppositionsgerüchte kommen den Marseillern zu; die Marseiller hatten Gewehre, doch sie hatten keine Patronen, Sie verlangten mit gewaltigem Geschrei Patronen: man gab ihnen keine.

Am 4. August, Abends, eine Stunde, nachdem sich das Gerücht verbreitet, die Nationalversammlung habe die aufrührerische Proclamation der Section Mauconseil verdammt, begeben sich zwei junge Marseiller nach der Mairie.

Es sind auf dem Bureau nur zwei Municipalbeamte: Sergent, der Mann von Danton; Panis, der Mann von Robespierre.

»Was wollen Sie?« fragen die zwei Beamten.

»Patronen!« antworten die beiden jungen Leute.

»Es ist ausdrücklich verboten, abzugeben,« sagt Panis.

»Verboten, Patronen abzugeben?« versetzt Einer der Marseiller; »die Stunde des Kampfes naht aber heran, und wir haben nichts, um ihn aufzuhalten!«

»Man hat uns also nach Paris kommen lassen, um uns zu ermorden?« ruft der Andere.

Der Erste zieht eine Pistole aus der Tasche.

Sergent lächelt.

»Drohungen, junger Mann?« spricht er: »nicht mit Drohungen schüchtern Sie zwei Mitglieder der Commune ein!«

»Wer spricht von Drohungen und Einschüchterungen?« erwiedert der junge Mann; »diese Pistole ist nicht für Sie: sie ist für mich!«

Und er hält das Gewehr an seine Stirne und ruft: »Pulver! Patronen! oder so wahr ich ein Marseiller bin, ich zerschmettere mir die Hirnschale!«

Sergent hatte eine Künstlereinbildungskraft, ein Franzosenherz: er fühlte, daß der Schrei, den der junge Mann ausgestoßen, der Schrei Frankreichs war.

»Panis,« sagte er, »nehmen wir uns in Acht! tödtet sich dieser junge Mann, so wird sein Blut auf uns zurückfallen!«

»Geben wir aber Patronen ab, so spielen wir um unsern Kopf.«

»Gleichviel! ich glaube, die Stunde, um unsern Kopf zu spielen, ist gekommen. In jedem Falle Jeder für sich; ich spiele um den meinigen und überlasse es Dir, ob Du um den Deinigen nicht spielen willst.«

Und er nahm ein Papier, schrieb den Befehl, den Marseillern Patronen abzugeben, und unterzeichnete.

»Gib!« sagte Panis. Als Sergent geendigt hatte.

Man konnte fortan ruhig sein: sobald die Marseiller Patronen hatten, würden sie sich nicht ermorden lassen.

Nachdem die Marseiller bewaffnet sind, empfängt die Nationalversammlung eine donnernde Adresse, die sie an dieselbe richten; sie empfängt nicht nur, sondern sie läßt sogar die Petitionäre zur der Sitzung zu.

Sie hat gewaltig Angst, die Nationalversammlung, dergestalt Angst, daß sie berathschlagt, ob sie sich nicht nach der Provinz zurückziehen soll.

Vergniaud allein hält sie davon ab. Und, mein Gott! warum? Wer wird sagen, nicht um bei der schönen Candeille zu bleiben, habe Vergniaud in Paris bleiben wollen? Uebrigens gleichviel!

»In Paris, spricht Vergniaud, »muß man den Sieg der Freiheit sichern, oder mit ihr untergeben! Verlassen wir Paris, so kann es nur sein, wie Themistokles, mit allen Bürgern, indem wir nichts als Asche zurücklassen, und bloß einen Augenblick vor dem Feinde fliehen, um ihm ein Grab zu graben!«

Alle Welt ist also im Zweifel, alle Welt zaudert. Jeder fühlt die Erde unter sich zittern und befürchtet, sie werde sich unter seinen Schritten öffnen.

Am 4. August, – am Tage, wo die Nationalversammlung die Proclamation der Section Mauconseil verdammt, an dem Tage, wo die zwei Marseiller durch Panis und Sergent Patronen an ihre fünfhundert Landsleute austheilen lassen, – an demselben Tage fand eine Versammlung im Cadran-Bleu auf dem Boulevard du Temple statt; Camille Desmoulins war für seine Rechnung und für die von Danton da; Carra führte die Feder und entwarf den Insurrectionsplan.

Nachdem der Plan entworfen war, begab man sich zu dem Exconstituanten Antoine, der in der Rue Saint-Honoré beim Schreiner Duplay, in demselben Hause wie Robespierre, wohnte.

Robespierre war nicht bei Allem dem; als Frau Duplay diese ganze Bande von Ruhestörern sich bei Antoine festsetzen sah, stieg sie rasch in das Zimmer hinauf, wo sie versammelt waren, und rief in ihrem Schrecken:

»Aber, Herr Antoine, Sie wollen also Herrn Robespierre ermorden lassen?«

»Es handelt sich wohl um Robespierre!« antwortete der Exconstituant. »Gott sei Dank! Niemand denkt an ihn; hat er Angst, so mag er sich verbergen!«

Um Mitternacht wurde der von Carra geschriebene Plan an Santerre und Alexandre, die zwei Commandanten der Vorstadt, geschickt.

Alexandre wäre marschirt; doch Santerre antwortete, die Vorstadt sei nicht bereit.

Santerre hielt das der Königin am 20. Juni gegebene Wort.

Am 10. August marschierte er nur, als er es nicht anders machen konnte.

Der Aufstand wurde verschoben.

Antoine hatte gesagt, man denke nicht an Robespierre: er täuschte.

Die Geister waren so sehr beunruhigt, daß man den Gedanken hatte, ihn zum Hebel einer Bewegung zu machen, ihn, diesen Mittelpunkt der Unbeweglichkeit!

Und wer hatte diesen Gedanken? Barbaroux! Er war fast verzweifelt, dieser kühne Marseiller; er war ganz nahe daran, Paris zu verlassen, nach Marseile zurückzukehren.

Man höre Madame Roland.

»Wir rechneten wenig auf die Vertheidigung des Norden; wir prüften, mit Servan und Barbaroux, die Chancen, die Freiheit im Süden zu retten und dort eine Republik zu gründen; wir nahmen Landkarten und zogen Demarkationslinien. »»Glückt es unsern Marseillern nicht, so wird dies unsere Hilfsquelle sein, ’« sagte Barbaroux.«

Nun wohl, Barbaroux glaubte eine andere Hilfsquelle gefunden zu haben: das Genie von Robespierre.

Oder vielleicht wollte Robespierre wissen, woran Barbaroux war.

Die Marseiller hatten ihre Kaserne verlassen, welche zu weit entfernt, um zu den Cordeliers zu kommen.

Bei den Cordeliers waren die Marseiller bei Danton.

Sie würden also im Falle einer insurrectionellen Bewegung von Danton ausgehen, diese erschrecklichen Marseiller! Und glückte die Bewegung, so würde Danton die ganze Ehre davon haben.

Barbaroux, hatte Robespierre zu sehen verlangt.

Robespierre hatte den Anschein, als gäbe er seinem Wunsche nach: er ließ Barbaroux und Rebecqui sagen, er erwarte sie bei sich.

Robespierre wohnte, wie gesagt, beim Schreiner Duplay.

Der Zufall hatte ihn, wie man sich erinnert, am Tage des Zusammenstoßes auf dem Marsfelde dahin geführt.

Robespierre betrachtete diesen Zufall als einen Segen des Himmels, nicht allein, weil ihn für den Augenblick diese Gastfreundschaft von einer drohenden Gefahr rettete, sondern auch weil sie ganz natürlich die Inscenirung seiner Zukunft bildete.

Für einen Mann, der den Titel: der Unbestechliche, verdienen wollte, war dies gerade die Wohnung, die er brauchte.

Robespierre war jedoch nicht sogleich hier eingezogen, er hatte eine Reise nach Arras gemacht; von dort hatte er seine Schwester Mademoiselle Charlotte von Robespierre mitgebracht, und er wohnte in der Rue Saint-Florentin mit dieser magern, dürren Person, der ich achtunddreißig Jahre später vorgestellt zu werden die Ehre gehabt habe.

Er wurde krank.

Frau Duplay, welche für Robespierre schwärmte, erfuhr diese Krankheit, machte Mademoiselle Charlotte Vorwürfe, daß sie sie nicht von der Krankheit ihres Bruders unterrichtet, und verlangte, daß der Kranke zu ihr gebracht werde.

Robespierre ließ gewähren; sein Wunsch, da er von den Duplay als Gast eines Augenblicks wegging, war gewesen, als Miethsmann zu ihnen zurückzukehren.

Frau Duplay ging also ganz in seine Combinationen ein.

Sie hatte auch von der Ehre geträumt, den Unbestechlichen zu beherbergen, und sie setzte eine enge, aber reinliche Mansarde in Bereitschaft, wohin sie die besten und schönsten Meubles ihres Hauses bringen ließ, um einem reizenden, blau und weißen Bette Gesellschaft zu leisten, einem Bette voll Coquetterie, wie es sich für einen Mann geziemte, der sich im Alter von siebenundzwanzig Jahren eine Rose in der Hand haltend hatte malen lassen.

In dieser Mansarde ließ Frau Duplay durch den Gesellen ihres Mannes neue Fächer von Tannenholz anbringen, um Bücher und Papiere darauf zu legen.

49Bei Marseille.
Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»