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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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Der Finger von Danton zeichnete darauf die Quellen, die Zuflüsse, den Lauf und den Vereinigungspunkt dieser Menschenbäche und Menschenströme, welche zwei Tage nachher Paris überschwemmen sollten.

Der Bastille-Platz, nach welchem man durch die Straßen des Faubourg Saint-Antoine, durch das Quartier des Arsenals, durch den Faubourg Saint-Marceau mündet, wurde als Sammelplatz bezeichnet; die Nationalversammlung als Vorwand; die Tuilerien als Ziel.

Das Boulevard war die breite, sichere Straße, auf diese ganze tosende Woge verlaufen sollte.

Nachdem Jedem die Posten angewiesen waren, nachdem Jeder sich dabei einzufinden versprochen hatte, trennte man sich.

Das allgemeine Losungswort war:

»Mit dem Schlosse ein Ende machen!«

Auf welche Art würde man ein Ende machen?

Das blieb unbestimmt.

Den ganzen Tag des 19. hielten sich Gruppen auf der Stelle der Bastille, in der Umgegend des Arsenals, im Faubourg Saint-Antoine auf.

Plötzlich erschien mitten unter diesen Gruppen eine kühne, erschreckliche Amazone, roth angethan, Pistolen im Gürtel und an der Seite jenen Säbel, der durch achtzehn andere Wunden das Herz von Suleau suchen und finden sollte.

Das war Théroigne von Méricourt, die schöne Lütticherin.

Wir haben sie auf der Straße von Versailles am 5. Oktober gesehen. Wie ist es ihr seit jener Zeit ergangen?

Lüttich hat sich empört: Théroigne wollte ihrer Vaterstadt zu Hilfe eilen; sie wurde unter Weges durch Agenten von Leopold verhaftet und achtzehn Monate lang in den Gefängnissen Oesterreichs festgehalten.

Ist sie entflohen? hat man sie gehen lassen? hat sie ihr Gitter durchfeilt? hat sie ihren Kerkermeister bestochen? Alles dies ist geheimnißvoll wie der Anfang ihres Lebens, gräßlich wie das Ende.

Wie dem sein mag, sie kommt zurück! Sie ist da! Von der Courtisane des Reichthums ist sie die Buhlerin des Volkes geworden; der Adel hat ihr das Geld gegeben, mit dem sie die wohl gehärteten Klingen, die damascirten Pistolen kaufen wird, um ihre Feinde damit zu treffen.

Das Volk erkennt sie auch und empfängt sie mit gewaltigem Geschrei.

Wie rechtzeitig kommt sie, so roth gekleidet, für das blutige Fest am andern Tage an, die schöne Théroigne! Am Abend desselben Tages sieht sie die Königin längs der Terrasse der Feuillants hingaloppiren; sie begibt sich vom Bastille-Platze nach den Champs»Elysées, von der Volksversammlung zum patriotischen Bankett.

Von den Mansarden der Tuilerien, zu denen sie bei dem Geschrei, das sie gehört, hinaufgestiegen ist, erblickt die Königin zugerichtete Tafeln; der Wein kreist, patriotische Gesänge erschallen, und bei jedem Toast auf die Nationalversammlung, auf die Gironde, auf die Freiheit strecken die Tischgenossen die Faust gegen die Tuilerien aus.

Der Schauspieler Dugazon singt Lieder gegen den König und gegen die Königin, und vom Schlosse aus können der König und die Königin das Beifallklatschen hören, das auf jeden Refrain erfolgt.

Wer sind die Tischgenossen?

Die Föderierten von Marseille, geführt von Barbaroux: sie sind am Tage vorher angekommen.

Am 18. Juni hat der 10. August seinen Einzug in Paris gehalten!

CXL
Der 20. Juni

Der Tag kommt frühzeitig im Monat Juni.

Um fünf Uhr Morgens waren die Bataillons versammelt.

Diesmal war der Aufstand geregelt; er hatte den Anblick einer Invasion angenommen.

Das Volk unterzog sich, Chefs anerkennend, einer Disciplin, hatte seinen bezeichneten Platz, eine Reihe, seine Fahne.

Santerre war zu Pferde mit einem Stabe von Leuten aus der Vorstadt.

Billot verließ ihn nicht; man hätte glauben sollen, er sei durch eine verborgene Macht beauftragt, ihn zu bewachen.

Die Versammlung war in drei Armeecorps abgetheilt:

Santerre commandierte das erste;

Saint-Huruge das zweite;

Théroigne von Méricourt das dritte.

Gegen elf Uhr Morgens setzte sich auf einen von einem Unbekannten überbrachten Befehl die ungeheure Masse in Marsch.

Bei ihrem Abgange von der Bastille bestand sie aus ungefähr zwanzigtausend Mann.

Diese Schaar bot einen seltsamen, wilden, erschrecklichen Anblick!

Das von Santerre angeführte Bataillon war das regelmäßige; es fanden sich dabei viele Uniformen und als Waffen eine Anzahl Flinten und Bajonnete.

Doch die zwei andern, waren die Armee des Volkes, eine Armee in Lumpen, hohläugig, abgemagert; vier Jahre Brodtheuerung und Hungersnoth und in diesen vier Jahren drei Revolutionen!

Das war der Schlund, aus der diese Armee hervorkam.

Hier auch keine Uniformen, keine Flinten, Kittel in Fetzen, zerrissene Blousen, seltsame Waffen in einer ersten Aufwallung des Zornes ergriffen: Pieken, Spieße, abgestumpfte Lanzen, Säbel ohne Griff, Messer an das Ende langer Stöcke gebunden, Zimmermannsäxte, Maurerhämmer, Schusterkneife.

Sodann, als Standarten, ein Galgen mit einer an einem Stricke bammelnden Puppe, die Königin vorstellend; ein Ochsenkopf mit seinen Hörnern, mit denen sich eine obscöne Devise verschlingt; ein Kalbsherz an einen Spieß gesteckt mit dem Worte: Aristokratenherz.

Ferner Fahnen mit den Wahlsprüchen:

Die Sanction oder den Tod!

Zurückberufung der patriotischen Minister!

Zittere, Tyrann! Deine Stunde ist gekommen!

An der Ecke der Rue Saint-Antoine spaltete sich die Schaar.

Santerre und seine Nationalgarde folgten dem Boulevard; Santerre hatte seine Uniform als Bataillonschef; Saint-Huruge, auf einem trefflich gezäumten Pferde reitend, das ihm ein unbekannter Stallknecht gebracht hatte, und Théroigne von Méricourt, auf einer von Leuten mit bloßen Armen gezogenen Kanone liegend, folgten der Rue Sainte-Antoine.

Man sollte sich bei den Feuillants wiedervereinigen.

Drei Stunden lang defilierte die Armee, auf ihrem Marsche die Bevölkerung der Quartiere, durch die man zog, fortreißend.

Sie war jenen Strömen ähnlich, welche, wachsend, springen und schäumen.

Auf jedem Kreuzwege wuchs sie an, an jeder Ecke schäumte sie.

Die Masse dieses Volkes war schweigsam; nur trat sie in Zwischenräumen auf eine unerwartete Weise aus diesem Stillschweigen hervor und stieß ungeheures Geschrei aus, oder sang das bekannte Ça ira von 1790, das, allmälig sich modifizierend, von einem Ermunterungsgesang ein Drohungsgesang wurde; endlich ließ sie die Rufe ertönen: »Es lebe die Nation! es leben die Sansculottes! nieder mit Herrn und Frau Veto

Lange, ehe man die Köpfe der Colonne erblickte, hörte man das Geräusch der Tritte dieser Menge, wie man das Rauschen einer steigenden Fluth hört; sodann, von Zeit zu Zeit, ertönte der Ausbruch ihrer Gesänge, ihrer Schreie, ihrer Rufe, wie das Pfeifen des Sturmes durch die Lüfte ertönt.

Auf dem Vendome-Platze angelangt, fand das Armeecorps von Santerre, das den Pappelbaum trug, der auf die Terrasse der Feuillants gepflanzt werden sollte, einen Posten von der Nationalgarde, der ihm den Weg versperrte; nichts wäre dieser Masse leichter gewesen, als den Posten zwischen ihren tausend Falten zu zermalmen; doch nein, das Volk hatte sich ein Fest versprochen und wollte lachen, sich belustigen, Herrn und Frau Veto erschrecken: es wollte nicht tödten. Diejenigen, welche den Baum trugen, gaben das Vorhaben, ihn auf die Terrasse zu pflanzen, auf und pflanzten ihn in den Hof in der Nähe der Capucines.

Die Nationalversammlung hörte den ganzen Lärmen seit fast einer Stunde, als die Commissäre dieser Menge kamen und für diejenigen, welche sie vertraten, um die Erlaubniß baten, vor ihr defilieren zu dürfen.

Vergniaud verlangte die Zulassung, zu gleicher Zeit machte er aber den Antrag, sechzig Deputirte abzuschicken, um das Schloß zu beschützen.

Die Girondisten wollten auch den König und die Königin erschrecken, doch sie wollten nicht, daß man ihnen Böses zufüge.

Ein Feuillant bekämpfte den Antrag von Vergniaud und sagte, diese Vorsichtsmaßregel wäre eine Ungerechtigkeit gegen das Volk von Paris.

Lag nicht die Hoffnung auf ein Verbrechen unter diesem scheinbaren Vertrauen? Die Zulassung wird bewilligt, das Volk der Vorstädte wird in Waffen im Saale defilieren.

Alsbald öffnen sich die Thüren und gewähren den dreißigtausend Petitionären Durchgang. Das Defilé beginnt um Mittag und ist erst um drei Uhr zu Ende.

Das Volk hat den ersten Theil von dem, was es verlangte, erreicht; es hat vor der Nationalversammlung defilirt, es hat seine Petition vorgelesen, es bleibt ihm nur noch übrig, vom König seine Sanction zu verlangen.

Wenn die Nationalversammlung die Deputation empfangen hatte, wie war es dem König möglich, sie nicht zu empfangen? Der König war sicherlich kein vornehmerer Herr, als der Präsident, da der König, wenn er zum Präsidenten kam, nur ein dem seinigen ähnliches Fauteuil, und zwar zu seiner Linken hatte.

Der König ließ auch antworten, er werde die Petition Überreicht von zwanzig Personen empfangen.

Das Volk hatte nie geglaubt, es sollte ihm der Eintritt in die Tuilerien gestaltet sein; es rechnete darauf, seine Abgeordneten werden eintreten, während es selbst unter den Fenstern defiliren würde.

Alle diese Fahnen mit drohenden Wahlsprüchen, alle diese kläglichen Standarten würde es den König und die Königin durch die Fensterscheiben sehen lassen.

Alle gegen das Schloß gehende Thüren hatte man geschlossen; es waren sowohl, im Hofe als im Garten der Tuilerien, drei Linienregimenter, zwei Schwadronen Gendarmerie, mehrere Bataillons Nationalgarde und vier Kanonen.

Die königliche Familie sah aus den Fenstern diesen scheinbaren Schutz und schien ziemlich ruhig.

Immer ohne schlimme Absicht, verlangte indessen das Volk, daß man ihm das Gitter öffne, das nach der Terrasse der Feuillants ging.

Die Officiere, die es bewachten, weigerten sich, es ohne den Befehl des Königs zu öffnen.

 

Da verlangten drei Municipalbeamte den Eintritt, um den Befehl zu holen.

Man ließ sie passieren.

Montjoye, der Verfasser der Geschichte von Marie Antoinette, hat ihre Namen aufbewahrt.

Es waren Boucher René, Boucher-Saint-Sauveur und Mouchet; Mouchet, dieser kleine Friedensrichter des Marais, krumm, säbelbeinig, ein Zwerg, mit der ungeheuren dreifarbigen Schärpe.

Sie wurden ins Schloß eingelassen und zum König geführt.

Mouchet nahm das Wort und sprach:

»Sire, eine Volksschaar marschiert unter der Aegide des Gesetzes; Sie dürfen keine Besorgniß haben: friedliche Bürger haben sich vereinigt, um eine Petition an die Nationalversammlung zu machen, und wollen ein bürgerliches Fest aus Veranlassung des im Ballhause im Jahre 1789 ausgesprochenen Schwures feiern. Die Bürger verlangen über die Terrasse der Feuillants zu passiren, deren Thor nicht nur geschlossen ist, sondern zu welcher auch den Zugang eine aufgepflanzte Kanone verwehrt. Wir kommen nun, um zu bitten, Sire, daß dieses Gitter geöffnet und ein freier Durchgang gestattet werde.«

»Mein Herr,« erwiederte der König, »ich sehe an Ihrer Schärpe, daß Sie Municipalbeamter sind; es ist also Ihre Sache, das Gesetz vollziehen zu machen. Halten Sie es der Nationalversammlung wegen für nothwendig, so lassen Sie das Thor der Terrasse der Feuillants öffnen: die Bürger mögen über diese Terrasse defiliren und durch das Thor der Stallungen abgehen. Verständigen Sie sich zu diesem Ende mit dem Herrn Obercommandanten der Garde und sorgen Sie besonders dafür, daß die öffentliche Ruhe nicht gestört wird.«

Die drei Municipalbeamten verbeugten sich und gingen ab, in Begleitung eines Officiers, der beauftragt war, zu bekräftigen, der Befehl, das Thor zu öffnen, sei wirklich vom König selbst gegeben worden.

Man öffnete das Gitter.

Sobald das Gitter geöffnet war, wollte Jeder hinein.

Es war zum Ersticken; man weiß, was die erstickende Menge ist: das ist der Dampf der ausbricht und zertrümmert.

Das Gitter der Terrasse der Feuillants krachte wie ein Weidengeflechte.

Die Menge athmete und verbreitete sich heiter im Garten.

Man hatte es versäumt, das Thor der Stallungen zu öffnen.

Als sie dieses Thor geschlossen fand, defilirte die Menge vor der im Spalier an der Façzade der Tuilerien aufgestellten Nationalgarde.

Dann ging sie durch das Thor vom Quai ab, und da sie im Ganzen nach ihrer Vorstadt zurückkehren mußte, so wollte sie den Weg durch die Einlässe des Carrousel nehmen.

Die Einlässe waren geschlossen und bewacht.

Doch bedrängt, gestoßen, gequetscht, fängt die Menge an in Zorn zu gerathen.

Vor ihrem Tosen öffnen sich die Einlässe, und die Menge verbreitet sich auf dem ungeheuren Platze.

Hier erinnert sie sich, die Hauptangelegenheit des Tages sei die Petition an den König, daß er sein Veto aufhebe.

Eine Folge hiervon ist, daß, statt ihres Weges zu ziehen, die Menge beim Carrousel wartet.

Eine Stunde vergeht; sie wird ungeduldig.

Sie wäre wohl gegangen, doch das stand den Führern nicht an.

Es waren Leute da, welche von Gruppe zu Gruppe gingen und sagten: »Bleibet, aber bleibet doch! der König wird seine Sanction geben; gehen wir nur mit der Sanction nach Hanse, oder das wird wieder anfangen.«

Die Menge fand, diese Leute haben vollkommen Recht; zu gleicher Zeit bedachte sie aber, die viel besprochene Sanction lasse lange ans sich warten.

Man hatte Hunger; das war der allgemeine Schrei.

Die Brodtheuerung hatte aufgehört; aber keine Arbeit, kein Geld mehr; und so wohlfeil das Brod ist, man gibt es doch nicht umsonst.

Alles dies war Morgens um fünf Uhr von seinem armseligen Bette aufgestanden, wo sich Viele am Abend vorher nüchtern niedergelegt hatten. Alles dies, Arbeiter mit ihren Weibern, Mütter mit ihren Kindern, Alles dies hatte sich auf den Weg begeben in der unbestimmten Hoffnung, der König werde das Decret sanctioniren, und die ganze Sache werde gut gehen.

Der König schien ganz und gar nicht geneigt, zu sanctioniren.

Es war heiß, und man hatte Durst.

Der Hunger, der Durst und die Hitze machen die Hunde wüthend.

Nun, dieses arme Volk wartete und geduldete sich.

Man fängt indessen an, an den Gittern des Schlosses zu rütteln.

Ein Municipalbeamter erscheint im Hofe der Tuilerien und haranguirt das Volk.

»Bürger,« spricht er, »das ist das Domicil des Königs, und bewaffnet hineingehen hieße dasselbe verletzen. Der König will eine Petition in Empfang nehmen, doch nur überreicht von zwanzig Abgeordneten.«

Also die Abgeordneten, welche die Menge erwartet, die sie seit einer Stunde beim König glaubt, die Abgeordneten sind nicht eingeführt!

Plötzlich hört man gewaltiges Geschrei auf der Seite der Quais.

Das sind Santerre und Saint-Huruge auf ihren Pferden; das ist Théroigne auf ihrer Kanone.

»Nun! was macht Ihr da vor diesem Gitter?« ruft Saint-Huruge; »warum geht Ihr nicht hinein?«

»In der That,« sagen die Leute aus dem Volke, »warum gehen wir nicht hinein?«

»Ihr seht wohl, daß das Thor geschlossen ist,« wenden mehrere Stimmen ein.

Théroigne springt von ihrer Kanone herab und ruft:

»Sie ist geladen: sprengt das Thor mit der Kugel!«

Und man protzt die Kanone vor dem Thore auf.

»Wartet! wartet!« rufen zwei Municipalbeamte, »keine Gewaltthat; man wird Euch sogleich öffnen!«

Und sie drücken wirklich auf den Schlagbaum, der die zwei Flügel schließt; der Schlagbaum spielt, das Thor öffnet sich.

Alle drängen sich hinein.

Wollt Ihr wissen, was die Menge ist, und welch einen furchtbaren Strom sie macht?

Nun, die Menge dringt ein; die Kanone rollt fortgerissen in ihren Wogen hin, zieht mit ihr durch den Hof, steigt mit ihr die Stufen hinauf, und findet sich mit ihr oben auf der Treppe.

Oben auf der Treppe sind Municipalbeamte mit der Schärpe.

»Was gedenkt Ihr mit einer Kanone zu thun?« fragen sie.

»Eine Kanone in den Gemächern des Königs! Glaubt Ihr etwas durch eine solche Gewalthätigkeit zu erlangen?«

»Das ist wahr,« erwiedern diese Leute, selbst ganz erstaunt, daß diese Kanone da war.

Und sie wenden die Kanone um und wollen sie hinabführen.

Die Achse hängt sich an einer Thüre an, und die Mündung der Kanone ist gegen die Menge gekehrt.

»Gut! es ist Artillerie bis in den Gemächern des Königs!« rufen die Ankommenden, welche, da sie nicht wissen, wie sich dieses Stück hier findet, die Kanone von Théroigne nicht erkennen und glauben, sie sei gegen sie aufgeführt worden.

Auf den Befehl von Monchet zerhauen und zertrümmern zwei Männer mit Aexten die Bekleidung der Thüre und machen die Kanone los, die sodann unter das Vestibule gebracht wird.

Diese Operation, durch welche man die Kanone zu befreien beabsichtigt, macht glauben, man breche die Thüren mit Axtstreichen auf.

Ungefähr zweihundert Edelleute sind ins Schloß geeilt, nicht um es zu vertheidigen, sondern sie glauben, man wolle dem König das Leben nehmen, und sie kommen, um mit ihm zu sterben.

Ueberdies sind da der alte Marschall von Monchy; Herr d’Hervilly, Commandant der verabschiedeten constitutionellen Garde; Acloque, Commandant des Bataillon der Nationalgarde vom Faubourg Saint-Marceau; drei Grenadiere vom Bataillon des Faubourg Saint-Martin, welche allein auf ihrem Posten geblieben waren, die Herren Lecrosnier, Bridaud und Gosse; ein schwarz gekleideter Mann, der schon einmal herbeigeeilt ist, um seine Brust der Kugel der Mörder zu bieten, dessen Rathschläge man beständig verworfen hat, und der am Tage der Gefahr, die er zu beschwören versucht, sich als ein letzter Wall zwischen die Gefahr und den König stellt: Gilbert.

Sehr beunruhigt durch den erschrecklichen Lärmen dieser ganzen Menge, hatten sich der König und die Königin allmälig an diesen Lärmen gewöhnt.

Es war halb vier Uhr Nachmittags; sie hoffen, das Ende des Tages werde verlaufen wie der Anfang.

Die königliche Familie war im Schlafzimmer des Königs versammelt.

Plötzlich erschallt das Geräusch der Aexte bis in diesem Gemache, nur zuweilen beherrscht durch Geschrei, das dem entfernten Heulen des Sturmes gleicht.

In diesem Augenblicke stürzt ein Mann in das Schlafzimmer des Königs und ruft:

»Sire, verlassen Sie mich nicht; ich stehe für Alles!«

CXLI
Wo der König sieht, daß es gewisse Umstände gibt, unter denen man, ohne Jacobiner zu sein, die rothe Mütze aufsetzen kann

Dieser Mann war der Doctor Gilbert.

Man sah ihn nur in fast periodischen Zwischenräumen, und bei allen großen Peripetien des ungeheuren Dramas, das sich entrollte.

Der König als Jacobiner.


»Ah! Doctor, Sie da! Was geht denn vor?« fragten gleichzeitig der König und die Königin.

»Sire,« erwiederte Gilbert, »das Schloß wird gestürmt und der Lärm, den Sie hören, ist der, den das Volk macht, das den König zu sehen verlangt«

»Oh!« rufen die Königin und Madame Elisabeth: »wir verlassen Sie nicht, Sire!«

»Sire,« sprach Gilbert, »will mir der König auf eine Stunde die Gewalt geben, die ein Schiffskapitän auf einem Schiffe während des Sturmes hat?«

»Ich gebe sie Ihnen,« antwortete der König.

In diesem Augenblick erschien der Commandant der Nationalgarde Acloque ebenfalls an der Thüre, – bleich, aber entschlossen, den König bis aufs Aeußerste zu vertheidigen.

»Mein Herr!« rief Gilbert, »hier ist der König: er ist bereit, Ihnen zu folgen; sorgen Sie für den König.«

Sodann zum König:

»Gehen Sie, Sire, gehen Sie!«

»Aber ich,« rief die Königin, »ich will meinem Gemahle folgen!«

»Und ich meinem Bruder!« rief Madame Elisabeth.

»Folgen Sie Ihrem Bruder, Madame,« sprach Gilbert zu Madame Elisabeth; doch Sie, Madame, bleiben Sie,« fügte er, sich an die Königin wendend, bei.

»Mein Herr!« sagte Marie Antoinette.

»Sire! Sire!« rief Gilbert, »um des Himmels willen, bitten Sie die Königin, sie möge sich auf mich verlassen, oder ich stehe für nichts.«

»Madame,« sprach der König, »hören Sie auf den Rath von Herrn Gilbert, und, wenn es sein muß, gehorchen Sie seinen Befehlen.«

Dann zu Gilbert:

»Mein Herr, Sie stehen mir für die Königin und für den Dauphin?«

»Sire, ich stehe für sie, oder ich werde mit ihnen sterben! das ist Alles, was ein Steuermann während eines Sturmes sagen kann.«

Die Königin wollte einen letzten Versuch machen; Gilbert streckte aber die Arme ans, um ihr den Weg zu versperren.

»Madame,« sagte er, »Sie, und nicht der König, laufen die wahre Gefahr. Mit Recht oder mit Unrecht bezichtigt man Sie, Sie seien Schuld am Widerstande des Königs; Ihre Gegenwart würde ihn also bloßstellen, ohne ihn zu beschützen. Thun Sie den Dienst des Wetterableiters: wenden Sie den Blitz ab, wenn Sie können!«

»Dann falle der Blitz auf mich allein und verschone meine Kinder!«

»Ich habe mich dem König für Sie und für Ihre Kinder verbürgt, Madame. Folgen Sie mir.«

Hierauf wandte sich Gilbert an Frau von Lamballe, welche einen Monat vorher aus England und drei Tage vorher von Vernon angekommen war, und an die anderen Frauen und fügte bei:

»Folgen Sie uns.«

Die andern Frauen der Königin waren die Prinzessin von Tarent, die Prinzessin de la Trémouille, die Damen von Tourzel, von Mackau und de la Roche-Aymon.

Gilbert kannte das Innere des Schlosses! er orientirte sich.

Was er suchte, das war ein großer Saal, wo Jedermann sehen und hören könnte; das war ein erster Wall, er würde die Königin, ihre Kinder, die Frauen hinter diesen Wall stellen und sich vor den Wall selbst.

Er dachte an den Conseilsaal.

Zum Glücke war er noch frei.

Er schob die Königin, die Kinder, die Prinzessin von Lamballe in die Vertiefung eines Fensters. Die Minuten waren so kostbar, daß man nicht mehr Zeit hatte, zu sprechen: schon klopfte man an die Thüren.

Er schleppte den schweren Tisch des Conseil vor das Fenster; der Wall war gefunden.

Madame Royale stand auf dem Tische bei ihrem sitzenden Bruder.

Die Königin befand sich hinter ihnen: die Unschuld beschirmte die Unpopularität.

Marie Antoinette wollte sich im Gegentheil vor ihre Kinder stellen.

»Alles ist gut so,« rief Gilbert mit dem Tone eines Generals, der ein entscheidendes Manoeuvre commandirt; »rühren Sie sich nicht.«

Und da man an der Thüre rüttelte und er eine Woge von Weibern in dieser heulenden Fluth erkannte, zog er die Riegel und sagte:

»Tretet ein, Bürgerinnen; die Königin und ihre Kinder erwarten Euch!«

 

Sobald die Thüre geöffnet war, drang die Woge wie durch einen gebrochenen Damm ein.

»Wo ist sie, die Oesterreicherin? wo ist sie, Frau Veto?« riefen fünfhundert Stimmen.

Das war der furchtbare Augenblick, Gilbert begriff, daß in diesem äußersten Momente alle Gewalt der Hand der Menschen entschlüpfte und in die Hand Gottes überging.

»Ruhe, Madame!« sagte er zur Königin; »ich brauche Ihnen die Güte nicht zu empfehlen!«

Eine Frau schritt den Andern, mit fliegenden Haaren, einen Säbel schwingend, schön vor Zorn, vor Hunger vielleicht, voran.

»Wo ist die Oesterreicherin?« rief sie; »sie soll nur von meiner Hand sterben.«

Gilbert nahm sie beim Arme, führte sie vor die Königin und sagte:

»Hier ist sie!«

Da fragte die Königin mit ihrer sanftesten Stimme:

»Habe ich Ihnen ein persönliches Unrecht angethan, mein Kind?«

»Keines, Madame,« erwiederte die Vorstädterin, ganz erstaunt zugleich über die Milde und die Majestät von Marie Antoinette.

»Nun, warum wollen Sie mich denn tödten?«

»Man hat mir gesagt, Sie stürzen die Nation ins Verderben,« stammelte verblüfft das Mädchen, während es die Spitze eines Säbels gegen den Boden senkte.

»Dann hat man Sie getäuscht. Ich habe den König von Frankreich geheirathet; ich bin die Mutter des Dauphin, dieses Kindes hier, sehen Sie . . . ich bin Französin, ich werde mein Vaterland nie wiedersehen: ich kann also nur in Frankreich glücklich oder unglücklich sein . . . Ach! ich war glücklich, als Ihr mich liebtet!« fügte die Königin bei.

Und sie stieß einen Seufzer aus.

Das Mädchen ließ seinen Säbel fallen und fing an zu weinen.

»Ah! Madame,« sagte die Vorstädterin, »ich kannte Sie nicht; verzeihen Sie mir: ich sehe, daß Sie gut sind.«

»Fahren Sie fort, Madame,« flüsterte Gilbert der Königin zu, »und Sie sind nicht nur gerettet, sondern es wird sogar all dies Volk in einer Viertelstunde vor Ihnen auf den Knieen liegen.«

Sodann die Königin ein paar Nationalgarden, welche in aller Hast herbeikamen, und dem Kriegsminister Lajard, der mit dem Volke eingetreten war, vertrauend, eilte er zum König.

Der König war auf eine ungefähr ähnliche Scene gestoßen. Ludwig XVI. war dem Lärmen zugelaufen: in dem Augenblicke, wo er in den Saal des Oeil-de-Boeuf eintrat, öffneten sich die zertrümmerten Thürfüllungen, und die Bajonnete, die Piekenspitzen, die Axtschneiden drangen durch die Oeffnungen ein.

»Oeffnet!« rief der König, »öffnet!«

»Bürger,« sprach mit lauter Stimme Herr d’Hervilly, »es ist unnöthig, die Thüre zu sprengen: der König will, daß man sie öffne!«

Zu gleicher Zeit zieht er die Riegel und dreht den Schlüssel; die halb zerbrochene Thüre knarrt auf ihren Angeln.

Herr Acloque und der Herzog von Mouchy haben Zeit gehabt, den König in die Vertiefung eines Fensters zu schieben, während einige anwesende Grenadiere hastig Bänke vor ihn werfen und aufhäufen.

Als er die Menge mit Geschrei, Gebrülle, Verwünschungen in den Saal stürzen sah, da rief der König unwillkürlich:

»Zu Hilfe, meine Herren!«

Vier Grenadiere zogen sogleich ihre Säbel aus der Scheide und stellten sich ihm zur Seite.

»Den Säbel in die Scheide, meine Herren!« rief der König; »bleiben Sie an meiner Seite, nur das verlange ich von Ihnen.«

In der That, es wäre bald zu spät gewesen.

Ein Mann in Lumpen, mit nackten Armen, den Schaum auf dem Munde, stürzt auf den König los.

»Ah! da bist Du, Veto!« ruft er.

Und er versucht es, mit einer an das Ende eines Stockes gebundenen Messerklinge dem König einen Stoß zu versetzen.

Einer von den Grenadieren, welcher trotz des Befehles des Königs seinen Säbel noch nicht wieder in die Scheide gesteckt hatte, schlägt den Stock mit seinem Säbel nieder.

Doch nun ist es der König selbst, der völlig wieder zu sich gekommen, den Grenadier mit der Hand auf die Seite schiebt, und er spricht:

»Lassen Sie mich, mein Herr! Was kann ich mitten unter meinem Volke zu befürchten haben?«

Hiernach machte Ludwig XVI. einen Schritt vorwärts mit einer Majestät, der man ihn nicht fähig gehalten hätte, mit einem Muthe, welcher bei ihm bis dahin fremd geschienen, und bot seine Brust den Waffen aller Art dar, die man gegen ihn richtete.

»Stille!« rief unter diesem erschrecklichen Tumulte eine Stentorstimme; »ich will sprechen.«

Vergebens hätten sich Kanonen unter diesem gräßlichen Geschrei hörbar zu machen gesucht, und dennoch erloschen Lärm und Geschrei bei dieser Stimme.

Es war die Stimme des Schlächters Legendre.

Er trat so nahe auf den König zu, daß er ihn beinahe berührte.

Man hatte einen Kreis um ihn gebildet.

In diesem Augenblick erschien ein Mann an der äußersten Linie des Kreises, und hinter der furchtbaren Gestalt von Danton erkannte der König das bleiche, aber heitere Gesicht von Gilbert.

– Ein Blick des Königs fragte ihn: »Was haben Sie mit der Königin gemacht, mein Herr?«

Ein Lächeln des Doctors antwortete: »Sie ist in Sicherheit, Sire!«

Der König dankte Gilbert durch ein Zeichen.

»Mein Herr!« sagte Legendre, sich an den König wendend.

Bei dem Worte mein Herr, das die Absetzung zu bezeichnen schien, drehte sich der König um, als ob ihn eine Schlange gebissen hätte.

»Ja, Herr . . . Herr Veto, mit Ihnen spreche ich,« sagte Legendre; »hören Sie uns an, denn Sie sind gemacht, um uns zu hören, Sie sind ein Treuloser; Sie haben uns immer betrogen, und Sie betrügen uns noch; nehmen Sie sich in Acht! das Maß ist voll, und das Volk ist müde, Ihr Spielzeug und Ihr Opfer zu sein!«

»Nun, ich höre Sie, mein Herr,« versetzte der König.

»Desto besser! Sie wissen, warum wir hierher gekommen sind? Wir sind gekommen, um von Ihnen die Sanction der Decrete und die Zurückberufung der Minister zu verlangen . . . Hier ist unsere Petition.«

Hierbei zog Legendre aus seiner Tasche ein Papier, das er entfaltete, und er las dieselbe drohende Petition, welche schon in der Nationalversammlung vorgelesen worden war.

Der König hörte ihn, die Augen auf den Boden geheftet, an, und als Legendre geendigt hatte, sagte er, wenigstens dem Anscheine nach, ohne die geringste Gemüthsbewegung:

»Mein Herr, ich werde thun, was mir die Gesetze und die Constitution zu thun gebieten.«

»Ah! ja,« entgegnete eine Stimme, »das ist Dein großes Schlachtroß, die Constitution! die Constitution von 91, die Dir erlaubt, die ganze Maschine zu hemmen, Frankreich an den Pfahl zu binden und zu warten, bis die Oesterreicher kommen, um es daran zu erwürgen.«

Der König wandte sich gegen diese neue Stimme um, denn er begriff, daß von dieser Seite ein ernsterer Angriff kam.

Gilbert machte auch eine Bewegung und legte seine Hand auf die Schulter des Mannes, der gesprochen hatte.

»Ich habe Sie schon gesehen, mein Freund,« sagte der König.

»Wer sind Sie?« Und er schaute ihn mit mehr Neugierde als Furcht an, obgleich das Gesicht dieses Mannes einen Charakter erschrecklicher Entschlossenheit an sich trug.

»Ja, Sie haben mich schon gesehen, Sire, Sie haben mich schon dreimal gesehen: einmal bei der Rückkehr von Versailles am 16. Juli; einmal in Varennes; einmal hier . . . Sire, erinnern Sie sich meines Namens; ich habe einen Namen von unseliger Bedeutung: ich heiße Billot48

In diesem Augenblick verdoppelte sich das Geschrei; ein mit einer Pieke bewaffneter Mensch versuchte es, den König damit zu stechen.

Billot packte aber die Pieke, riß sie dem Mörder aus den Händen, zerbrach sie auf seinem Knie und sagte:

»Keinen Mord! Nur ein Eisen hat das Recht, diesen Mann zu berühren: das des Gesetzes. Es soll einem König von England durch ein Gericht des Volkes, das er verrathen, der Kopf abgeschlagen worden sein; Du mußt seinen Namen wissen, Ludwig? Vergiß ihn nicht!«

»Billot!« murmelte Gilbert.

»Oh! Sie mögen machen, was Sie wollen,« versetzte Billot den Kopf schüttelnd, »dieser Mensch wird als Verräther gerichtet und verurtheilt werden!«

»Ja, Verräther!« riefen hundert Stimmen: »Verräther! Verräther! Verräther!«

Gilbert warf sich zwischen den König und das Volk.

»Fürchten Sie nichts, Sire,« sagte er, »und suchen Sie durch irgend eine materielle Demonstration diese Wüthenden zufrieden zu stellen.«

Der König nahm die Hand von Gilbert, legte sie auf sein Herz und sprach:

»Sie sehen, daß ich nichts fürchte, mein Herr; ich habe diesen Morgen die Sacramente empfangen: man mache mit mir, was man will. Was das materielle Zeichen betrifft, welches aufzustecken Sie mich ermahnen .,, nun, sind Sie zufrieden?«

Und der König nahm eine rothe Mütze vom Kopfe eines Sansculotte und setzte sie ans seinen eigenen Kopf.

Sogleich brach die Menge in ein Beifallklatschen aus.

»Es lebe der König! es lebe die Nation!« riefen alle Stimmen.

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