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EINE KURZE GESCHICHTE ÖSTERREICHISCHER POLITIK

Die wiedergeborene demokratische Republik Österreich stand 1945 vor dem gewaltigen Problem des Umgangs mit den ehemaligen Mitgliedern der NSDAP und ihrer Teilorganisationen. Wenn man die Unabhängigkeitserklärung vom 27.04.1945 liest, könnte man den Eindruck gewinnen, es hätte solche gar nicht gegeben. Wohl aber wurde in derselben Unabhängigkeitserklärung auf die Deklaration von Moskau 1943 verwiesen, die von der Verantwortung Österreichs für die Teilnahme am Krieg an der Seite Hitler-Deutschlands spricht. Dieses Österreich hat aber mit dem Inkrafttreten des »Anschlussgesetzes« vom 13.03.1938 zu bestehen aufgehört. Daher konnte die offizielle österreichische Politik von Österreich als dem Opfer des Nationalsozialismus sprechen. Juristisch war dies auch richtig, denn Hitler ist schon am 12.03.1938 in Österreich einmarschiert. Realistisch war diese »Opfertheorie« aber nicht. Denn Österreich war durch und durch von Nationalsozialisten unterwandert. Viele von ihnen waren 1945 wieder da. Dass ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl wirkte, kann nicht überraschen. Auch nicht die bei vielen vorhandenen Überzeugungen, es werde ihnen Unrecht getan.

Bei den Nationalratswahlen 1949 trat ein »Wahlverband der Unabhängigen« an. Dieser ging nach einigen inneren Differenzen in die FPÖ über. Erster Vorsitzender der FPÖ wurde Anton Reinthaller, der sich »Bundesminister außer Dienst« nannte. Das war er auch gewesen, zumindest für einen Tag, als Arthur Seyß-Inquart Bundeskanzler war.

In den letzten Jahrzehnten sind in anderen europäischen Staaten ähnliche Bewegungen aufgetreten, so in Frankreich, Belgien, Italien, Ungarn und zuletzt (durchaus erfolgreich) in Deutschland. Für alle diese Begegnungen hat sich der Begriff »populistisch« eingebürgert. Ich bin mit diesem Begriff nicht glücklich. Er ist einerseits verharmlosend, führt aber andrerseits zum Eindruck, als wäre damit das gesamte Wesen der betreffenden Bewegung erfasst.

Die »populistischen« Bewegungen leisten (nicht immer) auch durchaus seriöse Arbeit, insbesondere in den Ländern und Gemeinden. Die FPÖ bekennt sich zur Demokratie. Da mir aber kein besserer Begriff einfällt, folge ich dem Mainstream und schließe mich der gängigen Terminologie an. Es gibt auch einen »Linkspopulismus« analog dem vom deutschen Philosophen Jürgen Habermas geprägten Ausdruck »Linksfaschismus«.

Warum ist Demokratie überhaupt so schützenswert? Was macht Demokratie aus? Nicht alle Staaten, die sich als »Demokratie« bezeichnen, sind auch demokratisch. Das wichtigste Instrument einer Demokratie sind Wahlen. Diese Wahlen müssen frei sein. Es sollte verschiedene Parteien geben, die unterschiedliche Meinungen und Interessen vertreten. Dadurch entsteht Pluralismus und die Gefahr sinkt, von einer einzigen Macht kontrolliert zu werden. Staaten wie Russland oder China lassen zwar Wahlen zu, die Ergebnisse stehen aber meist schon im Vorhinein fest.

Gleichzeitig müssen die Menschen auch die Möglichkeit haben, an diesen Wahlen teilzunehmen. Die USA hat hierbei etwa noch starken Aufholbedarf. Besonders Menschen aus geringeren Einkommensschichten werden dort, oftmals gezielt, daran gehindert, wählen zu gehen. Der Bundesstaat North Carolina hat es seinen Einwohnern unmöglich gemacht, ihre Stimme vor dem Wahltag abzugeben. Wenn nun an einem Wochentag vormittags gewählt wird, können viele ärmere Menschen nicht wählen gehen, weil sie es sich nicht leisten können, die Arbeit zu versäumen. Menschen in dieser Form an der Abgabe ihrer Stimme zu hindern, ist ein demokratisches Defizit.

Aber eine Demokratie muss noch viel mehr können, als freie Wahlen zu ermöglichen. Sie zeichnet sich durch eine Vielzahl von Freiheiten aus: Meinungsfreiheit, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit, Glaubensfreiheit, Pressefreiheit, aber auch eine Vielzahl von Schutzmechanismen wie Minderheitenrechte oder Schutz vor Diskriminierung aufgrund von Herkunft oder Geschlecht. Damit soll der Pluralismus in einer Gesellschaft gestärkt werden. Denn eine Demokratie macht nur Sinn, wenn Menschen verschiedene Interessen und Meinungen äußern können. Dadurch entsteht eine Debatte, und im besten Fall können sich die Bürger und Politiker auf einen Kompromiss einigen. Das ist ein großer Vorteil, gleichzeitig aber ein großer Nachteil der Demokratie. Einerseits macht sie es möglich, dass jede Stimme gehört wird. Andererseits wird keine Partei völlig zufrieden mit dem Endergebnis sein, weil Demokratie Kompromisse verlangt. Das liegt in ihrer Natur.

WARUM DER POPULISMUS DIE GRÖSSTE GEFAHR FÜR UNSERE DEMOKRATIE IST

»Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist«, sagte FPÖ-Politiker Norbert Hofer im Zuge des Präsidentschaftswahlkampfes 2016, den er gegen Alexander van der Bellen nicht nur einmal, sondern nach der Wahlwiederholung zweimal verlor.

Diese Aussage kann man in zwei Richtungen interpretieren. Als Hinweis auf wichtige, bisher nicht genützte Kompetenzen des Bundespräsidenten oder aber als Drohung und je nach dem politischen Standort des Interpreten wird er sich der einen oder der anderen Deutung anschließen.

Überhaupt kann die Bedeutung der Sprache im politischen Diskurs gar nicht überschätzt werden. Manche Ausdrücke wie etwa »Altparteien« konnte man schon in der Zwischenkriegszeit hören und lesen. Und so sieht sich die FPÖ in einem Dilemma: Sie blickt angesichts ihres Klientels nach hinten, man kann ihr aber nicht das Bemühen absprechen, eine moderne Partei zu sein. Auffallend ist allerdings die immer wieder geübte aggressive und vereinfachende Redeweise. Ebenso das Bestreben, die regierenden Institutionen gegen den wahren Willen des Volkes auszuspielen. Diese Vorgangsweise ist keineswegs neu. Sie ist schon in der Zwischenkriegszeit geübt worden, und zwar auch von einer so seriösen Persönlichkeit wie Ignaz Seipel.

Populisten fördern eine radikale Trennung in »wir« und »die anderen«. Die anderen sind dabei meist Menschen mit Migrationshintergrund, ganz egal wie lange sie schon in Österreich leben. Auch ein Elitenhass gegen Menschen aus anderen Einkommensschichten macht sich breit. Dabei gibt es einen großen Unterschied zwischen reflektierter Kritik an einzelnen Umständen, etwa Probleme in der Integration oder die herrschende Ungleichheit, und der Verurteilung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Einkommens. Populisten versuchen, Spaltung zu erzeugen und dann ihre Wähler über deren Angst und Wut zu manipulieren. Auch die EU muss oft als Feindbild herhalten. Politische Entscheidungen, die bei den Bürgern nicht gut ankommen, werden gerne auf »die in Brüssel« geschoben.

Eine weitere Spezialität populistischer Parteien ist es, komplexe Vorgänge bis zur Unkenntlichkeit zu vereinfachen. Statt konstruktiv über die Probleme und Chancen von Integration und Migration zu verhandeln, heißt es dann bloß »Schnitzel statt Döner«. Es gibt einen Satz von Alexis de Tocqueville, französischer Historiker und erster Politikwissenschaftler aus dem 19. Jahrhundert, der mich sehr beeindruckt hat: »Eine Idee, die richtig, aber kompliziert ist, wird sich nicht durchsetzen gegen eine Idee, die falsch ist, aber einfach klingt.«

VON JÖRG HAIDER ZU HERBERT KICKL – EINE KURZE GESCHICHTE DES ÖSTERREICHISCHEN POPULISMUS

Der Vergleich zwischen der ersten blauen Regierungsbeteiligung unter Wolfgang Schüssel mit der zweiten unter Sebastian Kurz macht sichtbar, wie sich die FPÖ in dieser Zeit verändert hat. Jörg Haider, der den Populismus in Europa salonfähig gemacht hat, war nicht so konsequent darin wie Herbert Kickl.

Haider war ein großartiger Rhetoriker, das wissen seine Freunde wie seine Feinde. Aber er schwankte ständig zwischen den Extremen, zwischen Radikalismus und Konzilianz. Trotz einiger verbaler Entgleisungen übertrat er die rote Linie nur selten – und wenn, dann zog er gleich darauf wieder zurück. Sein Umgang mit der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum Thema der zweisprachigen topografischen Aufschriften in Kärnten nimmt ihm den Nimbus des großen Staatsmannes. Jedem ist es erlaubt, Entscheidungen von Gerichten zu kritisieren, wobei ein Staatsorgan im Hinblick auf seine Funktion sich eine größere Beschränkung auferlegen muss als ein Privater. Es geht vor allem um die Methoden, die dabei angewendet werden und diese sind im Falle der erwähnten Angelegenheit entschieden zu verurteilen. Er schreckte nicht vor persönlichen Angriffen auf die jeweils im Amt befindlichen Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes zurück. Es ist immer wirksamer, wenn man eine Person angreift, als physisch nicht fassbare Entscheidungen zu kritisieren.

Bis zur Ibiza-Affäre schien die FPÖ ihre Lehren aus früheren Fehlern gezogen zu haben. Auf der einen Seite gab es Parteimitglieder wie Norbert Hofer, die besonnen und ruhig auftraten und beweisen sollten, dass die Partei regierungsfähig war. Doch besonders Herbert Kickl zeigte bald nach der Angelobung als Innenminister, in welche Richtung sich die FPÖ bewegt. Alle antidemokratischen und illiberalen Tendenzen, die es unter Haider gegeben haben mag, wurden nun konsequent und präzise vorangetrieben.

Bereits die Affäre rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) führte zu einem massiven Vertrauensverlust. Der folgende Untersuchungsausschuss konnte keine völlige Klarheit schaffen, aber offenbar wurden vertrauliche Informationen des Geheimdienstes, unter anderem über rechtsextreme Aktivitäten in Österreich, weitergegeben. Wichtige Akten wurden zurückgehalten und zweifelhafte Personalentscheidungen getroffen. Die Sicherheitsdienste anderer Länder beschränkten die Zusammenarbeit mit Österreich auf ein Minimum. Ob nun politisches Kalkül oder Unvermögen schuld an diesem Chaos war, konnte auch der diesbezügliche Untersuchungsausschuss nicht restlos klären.

Medien, die sich kritisch mit dem Innenministerium auseinandersetzen, sollten möglichst wenige Informationen erhalten, und somit wurde die Arbeit der Journalisten erschwert. Als er von allen Seiten wegen seiner Pläne zur Verschärfung der Asylgesetze kritisiert wurde, meinte Kickl: »Das Recht hat der Politik zu folgen, nicht die Politik dem Recht.« Vom Wortlaut her ist dieser Satz vollkommen indiskutabel, weil er die Beziehung zwischen Recht und Politik auf den Kopf stellt. Natürlich sind die Akte des Gesetzgebers politische Akte. Sie sind aber Gesetz geworden, so binden sie die Politik, und wenn ein Akt des Gesetzgebers sich als ungeeignet herausstellt, ist die Politik aufgerufen, ihn zu ändern. Eine Gesetzesinterpretation, die sich an mittlerweile geänderten politischen Vorstellungen oder Machtverhältnissen orientiert, ist unzulässig. Dabei ist freilich davon auszugehen, dass der Gesetzgeber seine Verantwortung wahrnimmt und auf Änderungen in der politischen Realität rechtzeitig reagiert.

Auch an der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ließ Kickl kein gutes Haar. Besonders die daraus abzuleitenden Regelungen für Asyl waren ihm ein Dorn im Auge. Diese seien in einer anderen Zeit entstanden, meinte Kickl, und müssten überdacht werden. Einmal mehr machte es nicht den Anschein, als wäre er wirklich daran interessiert, sich konstruktiv für gerechtere und verbesserte Menschenrechte einzusetzen, sondern als würde er sie nur für eigene Zwecke ignorieren wollen.

In seiner kurzen Amtszeit als Innenminister schaffte es Herbert Kickl also, gleich mehrere wichtige Errungenschaften einer liberalen Grundrechtsdemokratie zu kritisieren und zu bedrohen, etwa die Pressefreiheit, die Menschenrechte, den Rechtsschutz und das Vertrauen in Institutionen. Der Angriff auf die EMRK wiegt besonders schwer, weil diese seit ihrer Erhebung in den Verfassungsrang (1958/1964) den Ersatz für den immer noch nicht zustande gekommenen neuen österreichischen Grundrechtskatalog darstellt. Die in der EMRK garantierten Rechte wendet der VfGH unmittelbar an.

Ein einfaches Rezept gegen Populismus gibt es nicht. Die meisten Analysen liegen auch falsch darin, wenn sie ein Mittel suchen, um Populismus völlig zu beseitigen. Das ist in einer Demokratie nicht möglich. In einer pluralistischen Demokratie kämpfen Parteien um Wählerstimmen und sind in diesem Wettbewerb oft genötigt, Inhalte verkürzt oder überspitzt wiederzugeben. Gefährlich wird es, wenn der Populismus die gesamte politische Kultur zerstört und jede konstruktive Diskussion verhindert. Dafür müssen aber auch wir Bürger lernen, Populismus zu erkennen, ihn zu kritisieren und von den Politikern richtige Antworten und Lösungsvorschläge statt leerer Parolen einfordern.

Auch mit den Forderungen nach mehr direkter Demokratie müssen wir vorsichtig sein. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich auf diesem Wege eine Demokratie schließlich selbst abschaffen kann.

WIE SICH EINE DEMOKRATIE SELBST ABSCHAFFT

Die Demokratie war nicht nur der Grund für den Aufstieg Athens zu einer antiken Weltmacht, sie war auch der Grund für ihren Untergang. Und eine entscheidende Rolle spielte dabei die Form der direkten Demokratie.

Die Athener führten zwischen 430 und 400 vor Christus einen langen und erschöpfenden Krieg mit Sparta, der anderen Großmacht Griechenlands. Durch einen Sieg erhofften sich die Athener die Alleinherrschaft über die Region. Für manche Historiker gilt hierbei die Schlacht bei den Arginusen, eine Inselgruppe vor der heutigen Türkei, als Wendepunkt des Krieges. Es war die größte Seeschlacht, die jemals von den Athenern ausgefochten wurde. Mit ungefähr 140 Schiffen zogen sie gegen ihre Feinde. Und trotz großer Verluste konnten sie die Schlacht für sich entscheiden. Das Blatt schien sich also zugunsten der Athener zu wenden. Als die Kämpfe schließlich zu Ende gegangen waren, hätten die athenischen Strategen die Schiffbrüchigen sowie tote Soldaten bergen müssen. Doch ein schweres Unwetter zog auf. Die Strategen entschieden, nicht noch mehr Männer zu riskieren, und segelten zurück nach Athen.

Nun kommt die gefährliche Seite der direkten Demokratie zum Vorschein. Die Bürger Athens waren aufgebracht, dass die Toten nicht geborgen und die Schiffbrüchigen nicht gerettet worden waren. Einige Demagogen witterten ihre Chance, einen Machtwechsel herbeizuführen. Sie stellten den Antrag, alle überlebenden Strategen der Schlacht zum Tode zu verurteilen. Einige besonnene Köpfe, darunter der berühmte Philosoph Sokrates, versuchten, mit rationalen Argumenten dagegen zu argumentieren. So hätte ein Rettungsversuch bei dem Unwetter vermutlich noch viel mehr Opfer gefordert. Außerdem sei es militärischer Selbstmord, während eines Krieges fast alle eigenen Strategen zu töten.

Doch die Demagogen hatten kein Interesse an einer rationalen Diskussion. Sie setzten auf die Gefühle der aufgebrachten Athener und versprachen eine rasche und schnelle Lösung. Eines ihrer Argumente, so ist vom Historiker Xenophon überliefert, war: »Es sei doch schlimm, wenn das Volk nicht tun könne, was es wolle.« Dabei war das demokratische System Athens bei Weitem nicht so gut ausgebaut wie unseres heute. Damals zählte vor allem, die stimmberechtigte Mehrheit auf seine Seite zu ziehen.

In einer repräsentativen Demokratie müssen Entscheidungen erst verschiedene Prozesse durchlaufen, die sie vor der wandelbaren Stimmung der Bevölkerung schützt. Ansonsten könnte uns das passieren, was den Athenern passierte. Ihre Strategen wurden hingerichtet und das Volk war zufrieden gestellt worden. Nur hielt diese Zufriedenheit nicht besonders lange, denn schon bald wurde klar, welchen schrecklichen Schaden sich die Athener selbst zugefügt hatten. Ihre besten Strategen waren allesamt tot. Nur zwei Jahre später war der Krieg verloren und die attische Demokratie für immer vorbei.

Direkte Demokratie kann dazu führen, dass nur noch um die Stimmen der Bürger gekämpft wird, ohne sich auf rationale Diskussionen oder Argumente zu besinnen. Politische Debatten würden von den Personen gewonnen, die am lautesten rufen. Und auf lange Sicht würde sich die Demokratie selbst abschaffen.

Das bedeutet freilich nicht, dass Bürger nicht mehr politische Verantwortung bekommen sollten. Doch das muss vorsichtig und durchdacht geschehen. Etwa, indem sie bereits früh an politische Entscheidungsprozesse gewöhnt werden. Nichts ist für eine Demokratie so wichtig wie mündige Bürger. Dennoch kommt dieses so wichtige Thema in Schulen viel zu kurz. Nur die wenigsten jungen Menschen wissen heute noch, wer Kurt Schuschnigg war. Und selbst der Name Bruno Kreisky gerät langsam in Vergessenheit.

Dabei ist es wichtig, dass junge Menschen die Geschichte der österreichischen Politik kennenlernen, um heutige Prozesse besser verstehen zu können. Auch historische Entwicklungen in den USA, Frankreich oder England sind wichtig, um zu erklären, wie wir überhaupt zu der modernen Demokratie kommen, in der wir heute leben dürfen.

Zudem bietet eine Auseinandersetzung mit Politik innerhalb der Schule eine Chance für Kinder und Jugendliche, Perspektiven und Ideen zu hören, die zuhause nicht zur Sprache kommen. Bisher findet Politisierung oft am Esstisch statt, wenn sich Eltern unterhalten. Kinder hören zu und übernehmen nur zu oft die Meinung ihrer Eltern, die schließlich auch eine Vorbildwirkung haben. Doch gerade in einer Demokratie ist es wichtig, dass Menschen sich selbst kritisch ein Bild von der politischen Landschaft machen. Das schließt nicht aus, dass Kinder letztlich genau dasselbe wählen wie ihre Eltern. Doch dann wird es ihre eigene Entscheidung sein.

Um das zu gewährleisten, muss politische Bildung so wertneutral wie möglich vermittelt werden und nach einem seriösen Schulbuch, nicht nach einem Parteibuch gelehrt werden. Ich bin jedoch sicher, dass dafür eine Möglichkeit gefunden werden kann. Allerdings muss die Bildung endlich aufhören, als Schlachtfeld für Personalpolitik missbraucht zu werden, und von echten Experten gestaltet werden. In den zurückliegenden Jahrzehnten wurde das verabsäumt. Dabei ist jede Demokratie nur so stark wie die Bürgerinnen und Bürger, die in ihr wählen. Und die Ausbildung ihres demokratischen und politischen Verständnisses beginnt bereits in den Klassenzimmern.

DIE ROLLE DES RECHTSSTAATES IN DER KRISENGESCHÜTTELTEN GESELLSCHAFT

Wie schon mehrfach betont, gehört das rechtsstaatliche Prinzip zu den leitenden Prinzipien des österreichischen Bundesverfassungsrechts. Es ist nicht in der Form einer Deklamation festgehalten. Es ergibt sich vielmehr aus der Zusammenschau einer Anzahl von Bestimmungen der Verfassung. Die wichtigste findet sich in Art. 18 Abs. 1 B-VG, wonach die gesamte staatliche Verwaltung nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden darf. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes bedeutet das, dass Gesetze nicht eine bloß formale Ermächtigung an die Vollziehung enthalten dürfen, sondern, dass das Verhalten der Vollziehung jedenfalls in den wesentlichen Punkten aufgrund der gesetzlichen Regelung voraussehbar sein muss.

Gemäß Art. 18 Abs. 2 B-VG darf jede Verwaltungsbehörde aufgrund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen erlassen. Verordnungen sind generelle Normen, also Regelungen, die sich nicht nur auf einen Einzelfall beziehen, sondern materiell wie Gesetze gestaltet sind. Verordnungen unterliegen nach den näheren Bestimmungen der Bundesverfassung der Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof. Sie sind insofern eine sensible Institution, als sie das Prinzip der Gewaltentrennung durchbrechen und daher mit besonderer Vorsicht gehandhabt werden müssen. Vom Verordnungsrecht wird vor allem für Maßnahmen von örtlich eingeschränktem Geltungsbereich Gebrauch gemacht werden, aber auch dann, wenn die Regelung des Gesetzgebers zu spät käme. Dabei stellt sich immer wieder die Frage, ob die Verordnung noch eine ausreichende gesetzliche Grundlage hat. Formalgesetzliche Ermächtigungen, die den wesentlichen Inhalt nicht vorherbestimmen, sind unzulässig.

Als die Pandemie ausbrach, lag als gesetzliche Regelung nur das alte Epidemiegesetz vor, das den Anforderungen der bestehenden Situation keineswegs genügte. Es wurde daher daneben ein eigenes Bundesgesetz zur Bekämpfung der Covid-Pandemie erlassen. Das Epidemiegesetz wurde novelliert.

Die vorgesehenen Maßnahmen griffen – zum Teil sehr tief – in grundrechtliche Positionen ein. Bei den sich ergebenden Reaktionen konnte man den Eindruck gewinnen, als wäre der grundrechtliche Schutz überhaupt zur Gänze eliminiert. Dazu ist zu sagen, dass die als Grundrechte zu wertenden, im Verfassungsrang stehenden Bestimmungen fast durchwegs einen sogenannten »Gesetzesvorbehalt« haben. Das ist eine Ermächtigung an den Gesetzgeber, unter bestimmten Voraussetzungen in das Grundrecht einzugreifen. Solche Gesetzesvorbehalte enthalten sowohl das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger als auch die Europäischen Menschenrechtskonventionen. Was aber die beiden Regelungstypen voneinander unterscheidet, ist der Umstand, dass die Gesetzesvorbehalte der EMRK inhaltlich determiniert sind: Es muss sich um eine auf Gesetz beruhende Maßnahme handeln, die im Interesse von ausdrücklich in der Ermächtigung aufgezählten Rechtsgütern getroffen wird. Es muss also eine Abwägung zwischen dem primär geschützten Rechtsgut und anderen hochwertigen Rechtsgütern getroffen werden. Dabei ist das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Die Judikatur sowohl des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte als auch des Verfassungsgerichtshofes geht in diese Richtung.

Eine große Zahl von Verordnungen ist im Zusammenhang mit der Pandemie getroffen worden, sodass der Rechtslehrer Alfred J. Noll von einem »Verordnungsstaat« sprechen konnte.

Eine Fülle von Anträgen ergoss sich über den Verfassungsgerichtshof. Es gibt einen »leading case«, der Beschränkungen des Verlassens von Räumen vorsieht. Der Verfassungsgerichtshof hat die betreffende Regelung mangels gesetzlicher Grundlage zwar als verfassungswidrig aufgehoben, gleichzeitig aber zum Ausdruck gebracht, dass er solche Beschränkungen nicht aus Prinzip für unzulässig hält.

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