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Im Reiche des silbernen Löwen I

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Das war der erste und letzte, der einzige Vorwurf, den Halef für seine Unvorsichtigkeit zu hören bekam, und da zeigte er sich allerdings so schlau, nicht darauf zu antworten. Doch darf ich für diese meine Nachsicht ihm gegenüber kein großes Lob beanspruchen, denn ich hätte ihn jedenfalls viel strenger vorgenommen, wenn mich nicht die Rücksicht auf die Gegenwart seines Sohnes davon abgehalten hätte.

Wir ritten die ganze Nacht hindurch, worauf wir unsere Hedschan eine Stunde ausruhen ließen, dann ging es wieder weiter, bis wir den Hadschar el mahlis erreichten und auf einer recht harten und glatten Stelle desselben die bisherige Richtung änderten. Es gab heute eine tüchtige Tagesarbeit für die Kamele, denn wir ritten bis tief in den Abend hinein, wo wir am Bir Bahrid[39] eine vorgeschobene Abteilung der Lazafah-Schammar erreichten.

Wir wurden als Haddedihn sehr freundlich von ihnen aufgenommen, und als wir ihnen sagten, daß wir nicht nur als Freunde, sondern zugleich als Warner gekommen seien und ihnen den Sachverhalt mitteilten, wurde der Empfang sogar ein jubelnder. Ein verratener Ueberfall der Todfeinde, denen nun eine Schlappe sehr leicht beizubringen war, das versetzte diese Leute in die freudigste Aufregung, und es wurden sofort Boten nach den andern Abteilungen geschickt, um diese schleunigst zu benachrichtigen und herbeizurufen; denn wie die Verhältnisse lagen, mußten die Scherarat hierher nach dem Bir Bahrid kommen, auf den sie es jedenfalls und zunächst abgesehen hatten.

Schon am Morgen wurden Späher gegen sie ausgesandt, obgleich ihre Annäherung an diesem Tage nicht erwartet werden konnte, und gegen Abend, sowie auch während der Nacht trafen die herbeibeschiedenen Lazafah ein, so daß gegen fünfhundert Krieger versammelt waren.

Wir wurden selbstverständlich mit zu dem Kriegsrate gezogen, der nun zusammentrat. Wie bei solchen Gelegenheiten stets, so suchte ich auch jetzt dahin zu wirken, daß man ein größeres Blutvergießen womöglich verhüten möge, aber alles, was ich da vorbrachte, war vergeblich gesprochen. Wir hatten es mit Beduinen zu thun, welche jede Schonung für Schwachheit hielten, die ihnen sogar für Feigheit ausgelegt werden könnte, und ich war ihnen ein Fremder, auf den sie nicht, wie ihre Verwandten, die Haddedihn, aus Dankbarkeitsrücksichten zu hören hatten. Zwar gab sich auch der brave Halef alle Mühe, in diesen ihren Ansichten in meinem Sinne eine Aenderung hervorzubringen, doch hatte er ebensowenig Erfolg wie ich. Es wurde beschlossen, die Scherarat zu umzingeln und alle niederzumachen, die sich nicht ergeben würden; über die Gefangenen sollte dann die Versammlung der Aeltesten entscheiden. Wie diese Entscheidung ausfallen würde, darüber konnte es bei der unerbittlichen Gesinnung der Lazafah keinen Zweifel geben.

Als dieser Kriegsrat beendet war und ich mich mit Halef allein befand, sagte er zu mir:

»Sihdi, ich weiß, wie wenig einverstanden du mit dem bist, was diese Krieger beschlossen haben, und ich wünsche, du wärest mit deiner Ansicht durchgedrungen, denn ich bin im Herzen auch ein Christ, obgleich ich es nicht öffentlich sein darf; denn ich würde als Scheik abgesetzt werden und allen Einfluß auf die Haddedihn verlieren, den ich jetzt im christlichen Sinne üben kann. Wir dürfen uns an diesem Blutbade nicht beteiligen, und darum schlage ich vor, daß wir noch heute von hier aufbrechen und nach dem Dschebel Schammar reiten.«

»Das dürfen wir nicht.«

»Warum nicht?«

»Erstens weil wir als Gäste der Lazafah verpflichtet sind, ihnen beizustehen; zweitens weil wir keinen genügenden Grund für eine so schnelle Entfernung angeben können; drittens weil wir dadurch die Achtung unserer Gastfreunde verlieren würden, die uns Mangel an Mut vorwerfen müßten, und viertens weil es uns, wenn wir hier bleiben und uns am Kampfe beteiligen, doch vielleicht möglich ist, Härten zu mildern und wenigstens dahin zu wirken, daß möglichst wenig Feinde getötet und dafür möglichst viel Gefangene gemacht werden.«

»Du hast recht, Sihdi. Wir werden also bleiben, und obgleich mein Vaterherz eigentlich davor zittert, freue ich mich doch darauf, meinen Sohn Kara Ben Halef im Kampfe zu sehen. Er wird gewiß keinem Feinde den Rücken zeigen.«

»Ich bin überzeugt davon, doch ist er noch nicht erfahren genug und wird sich zu leicht von seinem Mute hinreißen lassen; darum ist es deine und meine Pflicht, ein wachsames Auge auf ihn zu haben, damit er sich nicht unnötigerweise in Gefahr begiebt.«

Auch dieser Tag verging und die darauffolgende Nacht ebenso. Bei Anbruch des Morgens kehrten einige Späher zurück, um zu melden, daß die Scherarat wahrscheinlich im Anzuge seien, weil sie nur fünf Reitstunden von hier mitten in der Wüste für die Nacht gelagert hätten. Es waren drei Kundschafter zurückgeblieben, um sie zu beobachten. Diese kamen nach einiger Zeit und benachrichtigten uns, daß die Feinde vom Lagerplatze aufgebrochen seien und Spione vorausgesandt hätten, deren Erscheinen wir bald erwarten könnten. Hierauf wurde die besprochene Aufstellung zum Empfange der Scherarat getroffen.

Der Brunnen lag in einer muldenähnlichen Bodensenkung, welche nach Nord und West, woher die Feinde kamen, keinen natürlichen Schutz besaß, nach Süd und Ost aber von einer halbkreisförmigen Felsenlinie eingefaßt wurde. Hinter diese Linie versteckten sich so viele Lazafah, daß nur vierzig Mann am Brunnen zurückblieben. Die Weidetiere, welche sich hier befanden, wurden in die Umgebung zerstreut, so daß der Bir Bahrid einen ganz friedlichen Anblick bot. Halef, Kara und ich, wir befanden uns mit in dem Hinterhalte, weil unsere Anwesenheit am Brunnen leicht hätte Verdacht erregen können.

Gegen Mittag sahen wir zwei Reiter kommen, welche langsam auf den Brunnen zuritten. Sie riefen die dort befindlichen Lazafah an, ob sie Wasser bekommen könnten. Es wurde ihnen gestattet. Sie gaben sich, wie wir später erfuhren, für freundliche Aneïzeh aus, die nach en Nfud wollten, ließen ihre Tiere trinken und ritten dann wieder fort. Als sie mit bloßem Auge nicht mehr gesehen werden konnten, schlugen sie, wie mir mein Fernrohr zeigte, einen Bogen nach West und Nord, um die Scherarat, zu denen sie natürlich gehörten, zu benachrichtigen, daß sie es nur mit vierzig Lazafah zu thun hätten und also mit leichter Mühe mehrere Hundert Pferde und Kamele erbeuten könnten.

Eine Stunde später erschienen die Feinde im Nordwest vom Brunnen. Sie kamen, um uns zu überrumpeln, geritten, was ihre Tiere nur laufen konnten. Am Rande der Thalmulde angekommen, sprangen sie von ihren Kamelen, erhoben ein durchdringendes Kriegsgeschrei und stürmten in die Bodensenkung herab. Zu gleicher Zeit aber brachen rechts und links die Lazafah hinter dem Felsen hervor; die Scherarat stockten erschrocken, und diese kurze Zeit der Unthätigkeit genügte, sie vollständig zu umringen. Welch ein Geheul und Getümmel gab das nun! Messer blitzten, Lanzen und Speere splitterten, Schüsse krachten. Kara Ben Halef flog jauchzend mitten in das Gewühl hinein, ich mit seinem Vater hinter ihm her, um ihn zu beschützen. Dies eine gelang uns gut, aber einen Einfluß auf den Ausgang des Kampfes konnten wir leider nicht gewinnen; das Blut floß in Strömen, und als der Sieg erfochten war, lagen weit über hundert Scherarat tot auf dem Plane; die Verwundeten waren schonungslos erstochen oder erschossen worden; kaum zwanzig hatten das Glück gehabt, zu ihren Tieren kommen und entfliehen zu können, und die übrigen waren gefangen. Unter den letzteren befand sich Abu el Ghadab, der Sohn des Zauberers. Anstatt die Lazafah zu berauben, hatten sie ihnen sich selbst und eine reiche Beute zugeführt.

Es gab nun Scenen zwischen den Siegern und den Besiegten, die ich lieber nicht beschreiben will. Ich entfernte mich mit Halef und Kara, um nichts davon zu sehen, da wir doch keinen Einfluß hatten. Bald aber wurden wir geholt, weil man diesen Sieg uns zu verdanken hatte; wir sollten den uns gebührenden Dank empfangen und uns einen Teil der Beute auslesen. Wir nahmen natürlich nichts.

Dabei war es gar nicht zu umgehen, daß wir von den Gefangenen gesehen wurden. Als Abu el Ghadab uns erblickte, richtete er sich trotz seiner Fesseln halb empor, starrte uns mit hervorquellenden Augen an und schrie, vor Wut bebend.

»Kara Ben Nemsi, der Christenhund! Er hat uns verraten, und Scheba et Thar, der Löwe der Blutrache, wird ihn dafür fressen! Allah verdamme ihn und die beiden Haddedihn, die bei ihm sind!«

Ueber sein Gesicht zogen sich zwei breite, blau unterlaufene Peitschenschwielen; es sah schrecklich aus. Ich nahm seine Worte ruhig hin; mein kleiner Halef aber brachte es nicht über sich, zu schweigen; sich vor den Sohn des Zauberers hinstellend, antwortete er:

»Dich selbst wird er verschlingen, der Löwe der Rache; wir aber lachen über ihn; du sagtest, wir müßten uns vor euch fürchten; du aber bist kein Krieger mehr, sondern gebrandmarkt für alle Zeit und noch hundert Jahre darüber hinaus, denn dein Gesicht trägt die Spuren meiner Peitsche, die du bekommen hast wie ein Hund, den die Hand eines tapferen Mannes nicht berühren mag. Schande über dich, und Hohn über deinen Scheba et Thar, dem es nur ekeln wird, ehe er dich selbst verschlingt!«

Ich zog den zornigen Kleinen fort, sonst hätte er seinem Herzen noch mehr Luft gemacht.

Der Kampf war vorüber, und wir konnten nun gehen, ohne den Vorwurf der Feigheit auf uns zu laden, und ich ging – — gern! Ich wollte nicht länger an einem Orte bleiben, wo so viel Blut zum Himmel dampfte, während es uns nicht schwer geworden wäre, die Feinde alle ohne ein solches Gemetzel in unsere Hände zu bekommen. Wir verabschiedeten uns und ritten fort, auf eine weite Strecke von einem Ehrengefolge begleitet.

 

Als wir nach sechs Tagen glücklich unser Ziel erreichten, war, ich weiß nicht auf welchem so schnellen Wege, die Kunde von unserem Erlebnisse schon angekommen, und wir wurden dementsprechend auf das ehrenvollste in Empfang genommen.

Es ist nicht die Absicht dieser Erzählung, über den Dschebel Schammar viel zu sagen. Diese Landschaft wird von einem Scheik regiert, der sich auch Fürst nennen läßt. Der Hauptort Hâil liegt zwischen dem Adscha- und dem Selmaberge in bedeutender Höhe und bot uns eine Woche lang einen sehr angenehmen und gastlichen Aufenthalt. Der Scheik war kurz vor unserer Ankunft zur großen Hadsch[40] nach Mekka aufgebrochen; seine Stelle vertrat Hamed Ibn Telal, ein Verwandter des früheren und sehr berühmten Scheikes Telal, dem die Landschaft sehr viel zu verdanken hat. Halef konferierte viel mit diesem Manne, und es gelang ihm, ein Bündnis mit ihm abzuschließen, welches seinen Haddedihn große Vorteile bot. Damit, daß wir nur zu dreien gekommen waren, hatten wir mehr imponiert, als wenn wir hundert Krieger mitgebracht hätten. Ich ritt oder wanderte während dieser Zeit im Lande umher und belehrte und unterhielt mich dabei ausgezeichnet; dennoch war es mir lieb, als die Verhandlungen endlich abgeschlossen waren und wir wieder heimkehren konnten. Wir wären wahrscheinlich noch einige Zeit geblieben, wollten aber das Eintreffen der persischen Pilgerkarawane, welche alljährlich den Dschebel Schammar durchzieht und bald eintreffen mußte, nicht abwarten. Ich hatte diese Karawane früher mehr als zur Genüge kennen gelernt, um nicht zu wünschen, ihr lieber ausweichen zu können. Wir wurden beim Abschiede von Hamed Ibn Telal freundschaftlich beschenkt und bekamen zwanzig Reiter mit, welche uns zwei Tagereisen weit zu begleiten hatten. Sie thaten dies mit großem Vergnügen und wären wohl auch noch weiter mitgeritten, wenn wir uns nicht geweigert hätten, sie länger von den Ihrigen fernzuhalten.

Da wir uns wohl hüten mußten, wieder mit den Scherarat zusammenzutreffen, hatte uns Hamed Ibn Telal geraten, unsere Richtung über Lyneh zu nehmen; wir folgten dieser Weisung und ahnten nicht, daß wir, indem wir dies thaten, dem Löwen geradezu und sogar ganz wörtlich genommen in die Höhle liefen. Niemand kann seinem Schicksale entgehen, sagt der Moslem, und dieses unser Schicksal war esch Scheba et Thar, der Löwe der Blutrache, mit welchem uns Abu el Ghadab gedroht hatte.

Unsere Wasserschläuche waren fast leer geworden, und so freuten wir uns auf Wadi Achdar[41], denn es gab Wasser in den zwei dortigen Brunnen hinter den steilen Felsenklüften, welche die hohen Thalwände bilden und oben im Hintergrunde von den Ruinen eines uralten Kasr[42] gekrönt werden. Solche Ruinen, welche meist aus der vorislamitischen Zeit stammen, sind in Arabien gar nicht selten, und daß im Wadi Achdar einst eine Burg gestanden hatte, konnte mich nicht wundern, denn ich kannte die Sage, nach weicher dieses Thal mit einem westlichen Nebenflusse des Euphrat in Verbindung gestanden haben soll. Auch wußte ich, daß zur Regenzeit das Wasser so hoch im Thale zu stehen pflegt, daß man darin baden und sogar schwimmen kann. Darum versiegen die zwei Brunnen nie, und darum giebt es selbst in der heißen Jahreszeit dort einen Pflanzenwuchs, welcher geeignet ist, ein sonst seltenes Tierleben und infolgedessen leider auch Raubtiere herbeizuziehen. Halef hatte sogar einmal gehört, daß dort Löwen gesehen worden seien, ob auch im Winter und Frühjahr, das wußten wir nicht.

Wir ritten die ganze Nacht hindurch und auch einen Teil des Morgens, und es war einige Stunden vor Mittag, als wir die Höhen, zwischen denen das Wadi liegt, vor uns emporsteigen sahen. Wo Brunnen in der Wüste sind, kann man auf Menschen rechnen, und vor diesen Menschen hat man sich gewöhnlich in acht zu nehmen. Wir mußten rekognoscieren. Halef bot sich dazu an; aber ich durfte ihn nicht in die Versuchung bringen, wieder einen solchen Fehler wie am Bir Nufah zu machen; darum ritt ich selbst voran. Ich kam zum ersten Brunnen und fand ihn unbesetzt; ich ritt noch weiter in das Wadi hinein und konnte keine Spur eines Menschen entdecken.

Eigentlich wunderte ich mich darüber, doch gab es so viele Erklärungen dieser Einsamkeit, daß ich mich beruhigte und zurückkehrte, um Halef und Kara zu holen. Wäre ich noch weiter geritten, bis zum zweiten Brunnen, der zwar tief, aber gerade unter der Ruine lag, so hätte ich in den deutlichen Tatzenspuren den sehr triftigen Grund gefunden, weshalb das Wadi jetzt gemieden wurde.

Wir lagerten uns am ersten Brunnen, wo es Gebüsch gab, sattelten unsere Kamele ab, tranken uns satt und schöpften dann auch für sie so viel Wasser, bis sie nicht mehr trinken wollten. Dann machte sich die Müdigkeit geltend. Ich ordnete an, daß immer zwei schlafen sollten, während einer wachte und nach zwei Stunden von dem nächsten abzulösen war. Die erste Wache übernahm ich, die zweite fiel auf Halef und die dritte auf Kara, seinen Sohn. Meine Wache verlief ohne Störung; als sie zu Ende war, legte ich mich nieder, nachdem ich Halef geweckt hatte. Ich war sehr müde, schlief ein und fiel in Träume. Der arabische Morpheus machte mir allerhand dummes Zeug weis; zuletzt gaukelte er mir gar einen Ueberfall durch Beduinen vor, ein leises, leises Rauschen von Gewändern, gedämpfte Schritte, unterdrückte Stimmen, dann ein Schuß – — war das wirklich Traum?

Ich fuhr empor, und zu gleicher Zeit sprangen Halef und Kara neben mir auch auf. Der Schuß war Wirklichkeit; ich sah uns von weit über hundert Arabern umringt, in denen ich zu meinem Schrecken Scherarat erkannte. Kara war während seiner Wache wieder eingeschlafen; nur darum hatte es diesen Leuten gelingen können, sich heranzuschleichen und uns in ihre Mitte zu nehmen. Ihre Kamele oder Pferde hatten sie außer Hörweite zurückgelassen. Ich sah unsere Gewehre, die sie uns leise weggenommen hatten, in ihren Händen. Wider- stand war unmöglich, unser Leben keinen Heller wert, weil wir mit ihnen in Blutrache standen. Es gab nur eine Rettung für uns, nämlich die, uns in den Himaji[43] eines Hervorragenden von ihnen zu begeben.

Das waren nicht etwa langdauernde Erwägungen von mir, sondern die Augen aufschlagen, aufspringen, die Feinde erblicken und diese Gedankenreihe hegen, war das Werk einer Sekunde. Wir durften nicht warten, bis einer von ihnen uns sagte, daß wir Gefangene seien, denn dann wäre es zu spät gewesen; wir mußten zuerst sprechen. Zwei Schritte vor mir stand ein alter Beduine von ehrwürdigem Aussehen; er schien kein gewöhnlicher Krieger zu sein. Ich schob schnell Halef und Kara zu ihm hin, faßte seinen Haik und rief:

»Dakilah ia Scheik!«

Das heißt: Ich bin der Beschützte, o Herr! Kein Araber, und wenn er der größte Räuber und Mörder ist, wird einem Feinde seinen Schutz versagen, der ihm diese Worte zuruft und ihn oder sein Gewand dabei berührt, welch letzteres die Hauptsache ist. Er wird ihn vielmehr mit seinem Leben verteidigen. Halef und sein Sohn kannten diesen Brauch oder vielmehr dieses Wüstengesetz ebensogut wie ich; so groß ihre Ueberraschung war, sie hatten doch die Geistesgegenwart, meinem Beispiele sofort zu folgen. Zwei rasche Griffe nach seinem Haik und zwei zugleich erklingende Rufe »Dakilah ia Scheik!« – — sie standen nun auch unter seinem Schutze.

Ringsum ertönten laute Rufe des Aergers, daß wir ihnen zuvorgekommen waren. Der Alte wollte unwillig zurücktreten; als wir aber seinen Burnus festhielten, sagte er:

»Eure Mäuler sind schneller gewesen als mein Mund, und so bin ich gezwungen, euch in meinen Schutz zu nehmen. Ich bin Abu ‚Dem, der Scheik der Scherarat, und wehe dem, der euch, meinen Beschützten, ein Haar des Hauptes krümmt! Man gebe ihnen die Gewehre wieder!«

Welch ein glücklicher Zufall, daß er der Scheik war! Und als ich meine beiden Gewehre wieder in die Hände bekam, schien mir die Rettung sicher zu sein. Es fragte sich nur, ob es in dieser Schar einen gab, der uns kannte. Eben als ich mir dies sagte, rief jemand, der sich eifrig durch die anderen herbeidrängte.

»Nimm sie nicht unter deinen Schutz, o Scheik, ja nicht! Sie sind Blutfeinde von uns!«

»Blutfeinde?« fragte der Alte.

»Ja. Der Mann mit den zwei Gewehren ist der Emir Kara Ben Nemsi Effendi, ein Christ.«

»Maschallah!« fuhr der Scheik von uns zurück.

»Der Kleine ist Hadschi Halef Omar, der Scheik der Haddedihn; er war am Bir Nufah unser Gefangener und wurde von dem Giaur gerettet. Der dritte scheint sein Sohn zu sein. Alle drei haben uns an die Lazafah verraten, so daß wir am Bir Bahrid von ihnen besiegt wurden. Du weißt ja, wie viele tot und gefangen waren und wie wenige nur entkommen sind.«

»Sind sie es wirklich? Irrst du dich nicht?«

»Ich beschwöre es beim Propheten und bei allen Khalifen, daß sie es sicher sind!«

Jetzt war der schlimme, der entscheidende Augenblick gekommen!

»Ia thar, ia thar, ia thar – o Blutrache, o Blutrache, o Blutrache!« riefen rundum alle Stimmen, während die Hände nach den Waffen griffen.

»Ia himaji, ia himaji, ia himaji – o Schutz, o Schutz, o Schutz!« rief ich dagegen, und Halef und sein Sohn stimmten ein.

Der Scheik winkte mit der Hand, und es trat sofortige Stille ein. Sich zu mir wendend, fragte er:

»Bist du wirklich der Emir Kara Ben Nemsi Effendi, ein Christ?«

»Ja.«

»Dieser ist der Hadschi Halef Omar, Scheik der Haddedihn, und der andere sein Sohn?«

»Ja.«

»Und das wagst du, mir zu gestehen?«

»Ich lüge nie, und es ist kein Wagnis. Es wäre ein Wagnis, es zu leugnen.«

»Wieso?«

»Weißt du nicht, daß der Beschützte den Schutz verliert, wenn er dem Beschützer eine Lüge sagt?«

»Das ist die Wahrheit, ja. Ich habe gehört, daß du drüben in der Dschesireh und bei den Kurden viele große Thaten verrichtet hast. Wie kann Allah einem Giaur solche Kraft, Geschicklichkeit und Tapferkeit verleihen?«

»Er ist der Herr und Vater aller Menschen, der eurige und auch der unserige. Warum unterscheidest du mich nach dem Glauben von dir? Heute und hier gilt nur eines: Du bist der Schützer, und wir sind die Beschützten. Oder sollte sich der berühmte Scheik der Scherarat vor seinen Untergebenen so fürchten, daß er den gewährten Schutz zurückzuziehen vermöchte?«

Das war eine kühne Frage. Er zog die Brauen finster zusammen und antwortete:

»Und wenn ich dies thäte?«

»So würde dein Name geschändet sein in alle Ewigkeit.«

»Aber ihr wäret verloren!«

»Nein, noch lange nicht!«

»Maschallah, Gottes Wunder! Du würdest noch an Rettung glauben?«

»Nicht glauben, sondern von ihr überzeugt sein würde ich.«

»Du redest wie ein Wahnsinniger!«

»Ich spreche wie ein Mann, der ganz genau weiß, was er will. Wenn man dir von mir erzählt hat, so wirst du wahrscheinlich auch von meinem Zaubergewehre gehört haben?«

»Man sagt, du könnest immerfort schießen, ohne zu laden, und niemals gehe eine deiner Kugeln fehl. Das glaube ich nicht.«

»Du wirst es glauben. Zählt hundert Schritte ab, und steckt dort zehn Lanzen nebeneinander in die Erde! Ich treffe alle, ohne zu laden, bis auf ein Haar gleichweit entfernt von ihrer Spitze.«

Ein allgemeines Gemurmel folgte dieser selbstbewußten Rede. Der Scheik drehte sich um und sprach leise mit den Nächststehenden. Halef flüsterte mir zu:

»Wenn sie es thun, haben wir gewonnen, Sihdi!«

Nach einer kleinen Weile kehrte sich der Scheik wieder zu mir und sagte:

»Du sollst deinen Willen haben, doch nur unter einer Bedingung.«

 

»Sag sie mir!«

»Wenn du nicht so triffst, wie du gesagt hast, steht ihr nicht mehr unter meinem Schutze.«

»Ich bin einverstanden,« antwortete ich ruhig, obgleich ich wußte, was ich dabei auf das Spiel setzte.

Ging nur eine einzige Kugel fehl, so waren wir mitten unter so vielen Feinden auf uns selbst angewiesen.

Aber ich kannte mein Gewehr, auf das ich mich zu verlassen hoffte, selbst wenn der Scheik mich im Stiche ließ. Unsere Lage war vorhin nur deshalb eine so schlimme gewesen, weil uns im Schlafe die Gewehre genommen worden waren.

Die Schritte wurden abgezählt und die Lanzen in die Erde gesteckt. Dann richteten sich aller Augen erwartungsvoll auf mich. Ich legte, ohne ein Wort zu sagen, den Henrystutzen an und gab, scheinbar ohne genau zu zielen, schnell hintereinander die zehn Schüsse ab, so schnell, daß sie nicht gezählt werden konnten oder wenigstens nicht gezählt wurden.

Als ich das Gewehr absetzte, fragte der Scheik:

»Fertig schon?«

»Ja.«

»Zehn Schüsse? So schnell?«

»Wenn ich auf Menschen, auf Feinde schieße, geht es noch schneller! Seht die Lanzen an!«

Alles eilte hin. Jeder wollte der erste sein, der sie sah. Da sagte Halef:

»Sihdi, alle laufen dorthin, und wir stehen allein hier. Jetzt könnten wir fort!«

»Und wenige Augenblicke später wären sie hinter uns her. Nein, wir bleiben. Bedenke doch die Zeit, ehe wir die Kamele zum Aufstehen brächten!«

»Du hast recht; es geht nicht.«

Die Lanzen wurden wieder aus dem Boden gezogen; sie gingen von Hand zu Hand und laute Rufe der Bewunderung waren zu hören. Inzwischen drehte ich mich um, die abgeschossenen zehn Patronen unbemerkt zu ergänzen. Dann sah ich die Augen der Scherarat zwar feindlich, aber achtungsvoll auf mich gerichtet.

Der Scheik kam wieder zu mir, betrachtete mich vom Kopfe bis zu den Füßen und sagte:

»Dein Zaubergewehr ist keine Lüge; es sitzen alle zehn Kugeln, eine ganz genau so wie die andere. Welcher Djinn[44] hat dieses Gewehr gemacht?«

»Es war ein Djinn in Amirica[45] und hat Henry geheißen.«

»So müssen dort in Amirica mächtigere Djinns sein als bei uns. Ihr steht unter meinem Schutze, und solange ihr euch bei mir befindet, wird euch nichts geschehen; da aber die Blutrache zwischen uns und euch ist, hat die Versammlung der Aeltesten zu entscheiden, was mit euch geschehen soll.«

»Was könnte sie zu entscheiden haben? Ich denke, wir sind bei dir sicher!«

»Diese Sicherheit erstreckt sich, wie du wissen wirst, nur auf zweimal sieben Tage höchstens. Dann muß ich euch entlassen. Wenn die Versammlung mild entscheidet, so nimmt sie euch die Waffen, giebt euch einen Vorsprung und läßt euch dann verfolgen. Werdet ihr ergriffen, so kostet es euch das Leben. Denkt ja nicht daran, daß wir uns herbeilassen werden, euch das Leben zu schenken und dafür die Dijeh[46] anzunehmen! Mein Name ist Abu ‚Dem, Vater des Blutes, und wenn auch ein gewöhnlicher Krieger das vergossene Blut bezahlen kann, solche Leute, wie ihr seid, müssen ihr Leben dafür geben.«

»Wann wird die Versammlung der Aeltesten zusammentreten?«

»Sobald der Haupttrupp meiner Leute gekommen ist; wir hier bilden nur die Vorhut. Wir müssen vorsichtig sein, um unsere Tiere hier zu tränken, denn es giebt – — «

Er hielt mitten in der Rede inne, musterte uns mit einem fragenden Blicke und fuhr dann fort:

»Ihr schlieft, als wir hier ankamen. Wie lange wolltet ihr an diesem Brunnen bleiben?«

»Bis morgen früh,« antwortete ich.

»Allah akbar – Gott ist groß! Bis morgen früh! Kanntet ihr denn nicht die Gefahr, in welcher ihr hier geschwebt hättet?«

»Wir kannten sie. Es gab nur eine einzige.«

»Welche?«

»Eine Ueberraschung durch euch, unsere Todfeinde.«

»Weiter keine?«

»Nein.«

»Allah kerihm – Gott ist barmherzig. Er hat euch vor dem sicheren Tode bewahrt. Ist euch denn wirklich nicht bekannt, daß – — «

Er hielt wieder inne, als ob er etwas hätte sagen wollen, was er uns lieber verschweigen müsse, und er hätte auch so nicht weiter sprechen können, denn es erhob sich jetzt am Eingange des Wadi ein lärmendes Getrappel von vielen Tieren, mit den Rufen von zahlreichen Menschenstimmen vermischt. Wir sahen eine große Schar von Reitern auf Pferden und Kamelen kommen. Voran ritt ein alter Mann von höchst abstoßendem Aeußern. Sein zurückgeschlagener Haik ließ sehen, daß sein ganzer Leib mit Amuletten behangen war; am Halse seines Kameles und an dem Sattel baumelten allerlei ausgestopfte Tiere und fremdartige Gegenstände; seine kleinen, tückischen Augen lagen tief in ihren Höhlen; weit wie ein Geierschnabel stand seine Nase vor, während sein zahnloser Mund desto mehr zurückwich; seine Gestalt, außerordentlich lang und dürr, wankte auf dem Kamele wie eine Pagode hin und her, und die grüne Farbe seines Turbans zeigte, daß er sich zu den Abkömmlingen des Propheten zählte. Sofort, als ich ihn erblickte, sagte ich mir, daß dies kein anderer als Gadub es Sahhar, der Zauberer, sei, und ich hatte mich nicht geirrt. Wie angesehen er bei den Scherarat sei, konnte ich daraus ersehen, daß sie alle ihm entgegenliefen, um ihm mitzuteilen, welch einen kostbaren Fang sie gemacht hätten.

Als er es hörte, stieß er einen Jubelruf aus, glitt elastisch wie ein Jüngling von dem hohen Kamele herab, ohne es niederknieen zu lassen, kam herbeigerannt, betrachtete uns mit wild rollenden Augen und schrie mich dann an:

»Du, du also, du bist der verdammte Christenhund, dem ich die Gefangenschaft und den sichern Tod meines Sohnes zu verdanken habe? Das sollst du büßen, büßen, büßen! Deine Seele soll in dir stecken wie ein glühender Eisenbolzen, und dein Leib um dich brennen wie der verzehrende Feuerbrand, der um die Sonne läuft! Deine Eingeweide sollen dir einzeln herausgenommen werden, und die – — «

»Schweig!« donnerte ich ihn an, indem ich ihn unterbrach. »Ich bin der Beschützte. Wie darfst du mich beleidigen!«

»Der Beschützte?« fuhr er auf. »Wessen?«

»Der meinige,« antwortete der Scheik.

»Wie? Wie? Wie? Der deinige? Wie kannst du es wagen, Leute, die unsere tausendfachen Todfeinde sind, in deinen Schutz zu nehmen!«

»Wagen?« fragte der Scheik stolz. »Was kann Abu ‚Dem, der Scheik der Scherarat, wagen? Hast du mir etwa zu befehlen, was ich thun darf oder nicht?

Diese Männer haben mein Gewand ergriffen und mir dabei zugerufen: Dakilah ia Scheik!« Nun will ich wissen, wer es wagt, mir zu sagen, daß ich sie nicht beschützen darf!«

»Wer? Wer? Wer? Ich sage es, ich, ich, ich! Und ich will hören, wer es wagt, mir zu widersprechen. Ich schicke ihm alle bösen Geister der Erde und der Hölle in den Leib!«

Da wendete sich der Scheik zu seinen Leuten um und rief:

»Ihr Männer und Krieger der Scherarat, entscheidet, wer recht hat, er oder ich! Muß ich die Gefangenen beschützen oder darf ich es nicht?«

Er erhielt keine Antwort. Sie mußten ihm im stillen recht geben, aber keiner wagte es, gegen den Zauberer zu sprechen, dessen Kunst sie fürchteten, weil sie mehr als zu sehr abergläubisch waren. Er stieß ein höhnisches Lachen aus und kicherte den Scheik mit überschnappender Stimme an:

»Hörst du etwas, o Scheik, hihihihi; hörst du ein einziges Wort? Diese Hunde haben meinen Sohn am Bir Nadahfa mit der Peitsche in das Gesicht geschlagen, und er hat ihnen dafür mit dem Scheba et Thar gedroht, mit dem Löwen der Blutrache, ja, mit dem Löwen – «

Er unterbrach sich plötzlich mit einer Bewegung, als ob ihm ein außerordentlich guter Gedanke komme, ließ seine Blicke mit giftigem Triumphe über uns gleiten und wendete sich dann mit plötzlich ganz freundlicher Miene und Stimme an den Scheik:

»Doch, du sollst das Recht haben, o Scheik, nämlich wenn die Versammlung der Aeltesten es dir zuspricht. Laß die Ichtjarije[47] rufen; es soll sofort die Beratung abgehalten werden, sofort, sofort! Wir wollen die Stimmen der Männer hören, welche über diese Hunde zu entscheiden haben. Wir dürfen keine Zeit verlieren, denn schon morgen früh müssen wir zu den Lazafah aufbrechen, um unsere Söhne und Krieger zu befreien oder zu rächen!«

Er eilte fort, um die Alten selbst mit zusammenzuholen. Da trat der Scheik zu uns und sagte halblaut:

»Ich ahne, was der Sahhar will. Ich habe euch mein Wort gegeben und möchte es ganz halten; gegen den Scheba et Thar, den er meint, kann ich aber nichts thun. Doch denke ich, daß ihr Männer seid, die sich nicht fürchten, und eure Waffen sind ja besser als die unserigen. Allah thut, was ihm gefällt!«

Unsere Lage schien sich seit der Ankunft des Zauberers bedeutend verschlimmert zu haben. Die Scherarat mußten uns zwar auch vorher schon feindlich gesinnt sein, doch hatte das ritterliche Verhalten ihres Scheikes den Eindruck auf sie nicht verfehlt. Nun aber waren ihrer viel mehr geworden, und der alte Gadub es Sahhar hatte, weil sie ihn mehr fürchteten, mehr Einfluß auf sie als der Scheik. Wir sahen jetzt mehr drohende Blicke auf uns gerichtet als früher, brauchten aber zunächst nichts zu fürchten, denn vor dem Richterspruche der Dschemma[48] durfte sich niemand an uns vergreifen.

Es waren zwölf Greise, welche sich in einiger Entfernung von uns zur Beratung niedersetzten. Diese wurde in ernster Würde geführt, wie wir sahen. Nur einer ließ sich von seiner Erregtheit hinreißen, lebhafter zu sein, als es der Gebrauch erforderte; das war der Zauberer, welcher fast unablässig auf die andern einsprach.

39Kühler Brunnen.
40Pilgerzug.
41Grünes Thal.
42Burg, Festung, Schloß.
43Schutz.
44Geist.
45Amerika.
46Blutpreis.
47Alten.
48Rat der Aeltesten.
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