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Im Reiche des silbernen Löwen I

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Viertes Kapitel: Auf dem Tigris

Der im vorigen Kapitel erzählte Ausflug nach den Schammarbergen wurde wegen seiner episodischen Eigenschaft von mir nur kurz behandelt, weil ich über die Wüsten Arabiens in einem spätern Bande ausführlicher schreiben werde und hier eigentlich nur von unsern Erlebnissen während unsers Rittes nach Persien berichten will. Ich überließ es Halef, seiner Hanneh und den Haddedihn eine sehr oft wiederholte Beschreibung anderer großer und, wie er sich ausdrückte, vor- und nachweltlicher Heldenthaten zu geben, und war dabei überzeugt, diese Aufgabe in die richtigen Hände gelegt zu haben. Als dann nach zwei oder drei Tagen dieses Thema erschöpft war, fand er Zeit, nun auch von Persien zu sprechen. Der liebe, kleine Kerl hätte mich diese Reise auf keinen Fall ohne seine Begleitung unternehmen lassen; ja, er wollte sogar Kara Ben Halef, seinen Sohn, gern mitnehmen und wurde von diesem Gedanken nur durch meine wiederholte Darlegung abgebracht, daß dieser noch zu jung für eine so lang andauernde Anstrengung sei und mir eher Schaden als Nutzen bringen würde. Auch Omar Ben Sadek wollte mit, und verschiedene Haddedihn boten sich an. Ich hatte Mühe, ihnen zu beweisen, daß sich zwei einzelne Männer auf einer solchen Reise viel leichter, freier und auch sicherer bewegen können als ein zahlreicher Reitertrupp, welcher überall Aufsehen erregt und dessen Erhaltung mehr kostet, als meine Mittel mir gestatteten.

Es war also bestimmt, daß ich mit Halef allein ritt. Ich sollte Assil Ben Rih bekommen, welcher jetzt ganz dasselbe Geheimnis wie mein Rih, sein Vater, hatte, und Halef wollte die Stute Mohammed Emins nehmen. Ich redete ihm dies aus, weil ein Schimmel durch seine auffallende Farbe leicht gefährlich werden kann. Ein weißes Pferd ist aus sehr großer Entfernung zu erkennen, und ich wußte aus Erfahrung, wie vorteilhaft es ist, wenn man einen Feind eher entdeckt, als man von ihm gesehen wird. Als ich auch das Alter dieses Pferdes in Erwähnung brachte, sagte Halef:

»Oh, die Stute ist noch ganz dieselbe, die sie war, als wir sie zum erstenmal sahen; aber du hast recht, Sihdi, wir können kein helles Pferd brauchen. Ich weiß von früher her, wie gut es oft für uns war, wenn wir verborgen blieben. Ich muß auch einen Rappen haben, und – — – ich habe einen!«

Er legte auf die letzten drei Worte eine so schwere Betonung, daß ich fragte:

»Und wohl was für einen, lieber Halef?«

»Ja. Du hast ihn noch gar nicht gesehen; ich wollte dich überraschen. Es ist ein echter Nedjedhengst, dessen Stammbaum ich aber leider nicht besitze.«

»Unmöglich! Ein so kostbares Pferd – — – ohne den Stammbaum – — —?!«

»Es ist so! Als die Abu Hammed sich zum letztenmal gegen uns erhoben, mußten sie den Frieden mit Pferden und Kamelen bezahlen, unter denen ich selbst die Auswahl traf. Das beste ihrer Pferde war der Rapphengst, den ich meine; ich nahm ihn für mich; das war die schwerste Strafe, weiche sie treffen konnte, und ich weiß, daß sie diesen Verlust selbst heut noch nicht verwunden haben. Der Hengst ist nicht bei ihnen geboren; sie haben ihn von einem Raubzuge mitgebracht, und es war von keinem von ihnen zu erfahren, wer der frühere Besitzer des Tieres gewesen ist. So kommt es, daß ich einen echten Nedjedhengst, aber nicht auch seinen Stammbaum habe.«

»Aber einen Namen hat er doch?«

»Natürlich. Wie er früher geheißen hat, das weiß man nicht. Bei den Abu Hammed wurde er El Atim[55] genannt, seiner Farbe wegen. Das war mir nicht genug, denn er verdient einen bessern, edlern Namen. Da fiel mir der Rapphengst ein, welchen, wie du mir erzähltest, dir dein Freund und Bruder Winnetou, der rote Krieger, geschenkt hat. Sag, wie war der Name dieses Pferdes?«

»Hatahtitlah.«

»Bedeutet das nicht so viel wie Barkh[56] in meiner Sprache?«

»Ja.«

»Das wußte ich noch; du hast es mir gesagt, und darum habe ich das Nedjedpferd El Barkh genannt, weil dir der Hengst deines roten Freundes stets so teuer gewesen ist. Komm, und sieh dir seinen Namensbruder an!«

Er führte mich ein ziemlich großes Stück in die Steppe hinein, bis dahin, wo die Kamelhirten ihre Tiere beaufsichtigten. Es befand sich nur ein einziges Pferd dort, der Nedjedi, den ich sehen sollte. Als er uns bemerkte, kam er auf uns zu und ließ sich von Halef liebkosen.

»Nun, Sihdi, wie gefällt er dir?« fragte dieser.

Der Rappe hatte eine kleine, schmale Blässe unter der Stirn, welche sehr breit war. Der schön gebogene, feine Hals trug einen kleinen Kopf mit spitzen, gradstehenden Ohren. Die Nase war sanft zugespitzt, das Auge hervorstehend und feurig, die Brust breit, der Widerrist scharf, der Rumpf kurz, das Bein sehnig und der Huf klein, rund und hart. Lobenswert war der schöne Schweifansatz, weniger aber das sehr lange und sehr dichte Mähnenhaar.

Ohne die Frage des Hadschi gleich zu beantworten, unterwarf ich das Pferd einer genauen Prüfung, mit der Besichtigung und Palpation der Augen beginnend und mit der Untersuchung der Hufe aufhörend. Dann mußte Halef es mir in allen Gangarten vorreiten. Als dies geschehen war und er abstieg, wiederholte er seine Frage:

»Nun, wie gefällt er dir? Hast du Fehler gefunden?«

»Sag vorher, ob auch du ihn schon auf Fehler untersucht hast!«

»Ja.«

»Und gefunden?«

»Keine. Er ist fehlerfrei.«

»Lieber Halef, glaubst du, daß es überhaupt ein fehlerfreies Pferd geben kann?«

»Das verstehst du besser als ich.«

»Eigentlich solltest du als Bedawi[57] es besser verstehen als ich, dessen Beruf es ist, möglichst viel Federn und Tinte zu verbrauchen.«

»Inaj‘Allah! Sag aufrichtig- Hat dieser Hengst Fehler?«

»Ja.«

»Wenn das wahr ist, muß ich blind gewesen sein!«

»O nein! Es handelt sich nur um Kleinigkeiten, welche den Wert des Pferdes nicht vermindern, wenigstens in meinen Augen nicht. Zunächst sind die Hinterhufe ungleich groß; aber der Unterschied ist so unbedeutend, daß du ihn noch gar nicht bemerkt hast; sodann sollte das Vorderteil etwas tiefer sein, und endlich ist die Stirn zwar breit, aber zwischen den Augen zu flach; sie sollte da gewölbter sein.«

»Allah kerihm!« seufzte er. »Eine solche Menge Fehler sind vorhanden? Aber du giebst doch sicher zu, daß es dennoch hörr« zu nennen ist?«

Hörr bedeutet hochedel und wird bei solchen Pferden gebraucht, deren Eltern beide fehlerfrei waren.

»Nein, es ist nicht hörr«, sondern nur mekueref«, lieber Halef.«

Mekueref bezeichnet ein Pferd, dessen Mutter edel, der Vater aber unedel war.

»Beweise es!« forderte mich der Hadschi auf.

»Die Ohren stehen zu gerade; bei einem hochedlen Pferde müßten sich die Spitzen derselben fast berühren. Und sodann ist eine so dichte Mähne stets ein Zeichen gemischten Blutes. Ich kann dir dieses Urteil nicht ersparen, doch hast du gar keinen Grund, dich darüber zu betrüben. Assil Ben Rih ist edler als dieser Nedjedi; der Gebrauchswert beider aber ist jedenfalls ganz derselbe. Hat Barkh auch ein Geheimnis?«

»Ob sein erster Besitzer ihm eins gegeben hat, das kann ich natürlich nicht wissen; kein Mensch wird dem Diebe seines Pferdes das Geheimnis desselben nachsenden; aber ich habe dem Rappen ein heimliches Zeichen eingeübt. Ich bin selbstverständlich der einzige, der es kennt; selbst mein Sohn Kara Ben Halef und mein Weib Hanneh, der ich das Glück meines Daseins und das Dasein meines Glückes verdanke, wissen nichts davon; dir aber, Sihdi, will ich es sagen, denn ich bin überzeugt, daß du es nie verraten wirst. Wenn wir miteinander reiten, kann leicht der Fall eintreten, daß du zu unserer Rettung das Geheimnis wissen mußt. Es besteht nämlich darin, daß ich mich in den Bügel hebe und dreimal hintereinander sehr stark niese. Kannst du dir das merken, Sihdi?«

»Das ist doch leicht zu merken.« lachte ich. »Lieber Halef, du bleibst doch stets derselbe!«

»Warum? Wiefern? Wie meinst du das? Worüber lachst du so?«

»Darüber, daß du selbst dem ernstesten Dinge eine lustige Seite abzugewinnen weißt.«

»Ernst? Lustig?«

»Ja. Das Geheimnis eines Pferdes ist doch eine sehr ernste Sache, denn man wendet es nur dann an, wenn man sich in großer Gefahr oder gar in Todesnot befindet; dann strengt das Tier alle seine Kräfte an und fliegt in größter Schnelligkeit dahin, bis es zusammenbricht. Nun sehe ich dich jetzt im Geiste von Feinden umgeben oder von ihnen verfolgt; die Kugeln pfeifen; die Speere sausen; die Messer blinken und alle Hände strecken sich nach dir aus. Da fängst du an, zu niesen, und – — – «

»Schweig, Effendi!« unterbrach er mich. »Es ist ganz gleich, was man in einer solchen Gefahr zu seiner Rettung thut, wenn es nur Hilfe bringt. Wenn ich durch dreimaliges Niesen dem Tode entgehe, so ist das wohl besser für mich, als wenn ich durch zehnmaliges Husten das Leben verliere! Wie du darüber lachen kannst, das ist mir unbegreiflich!«

»So will ich mich jetzt des Ernstes befleißigen und dich fragen: Hast du dem Nedjedi eine Sure angewöhnt, die du ihm abends in das Ohr flüsterst?«

 

»Nein.«

»Warum nicht?«

»Oh, Sihdi, verlange nicht zu viel von mir! Wer einen ganzen Beduinenstamm zu regieren hat, der findet keine Zeit, sich Wort für Wort eine ganze Sure des Kuran einzuprägen. Und als aufrichtiger Mann will ich dir sagen, daß in Beziehung auf das Auswendiglernen mein Kopf einem Topfe gleicht, der keinen Boden hat: Schütte noch so viel Wasser hinein, es läuft doch unten alles wieder hinaus. Das sind doch nur die Folgen davon, daß ich einen offenen Kopf besitze!«

»Wie schade! Mein Rih war gewöhnt, daß ich bei ihm schlief. Sein Hals war mein Kopfkissen, und ehe ich einschlief, sagte ich ihm seine Sure leise in das Ohr. Er war gewohnt, nur dem, der dieses that, zu gehorchen. Nun hat wohl auch Assil Ben Rih keine Sure?«

»Sihdi, wie kannst du fragen! Der Nachkomme deines herrlichen Rih mußte unbedingt eine haben. Kennst du die Sure Abu Laheb?«

»Ja. Es ist die Hundertundelfte.«

»Sage sie!«

»Sie lautet: Untergehen sollen die Hände des Abu Laheb; untergehen soll er selbst. Sein Vermögen und alles, was er sich erworben hat, soll ihm nichts helfen. Zum Verbrennen wird er in das flammende Feuer kommen und mit ihm sein Weib, welche Holz herbeischleppen muß, und an ihrem Halse soll ein Seil hängen, welches aus den Fasern eines Palmbaumes geflochten ist!«

»Ja, das ist die Sure Abu Laheb, welche du deinem Pferde des Abends in das Ohr zu flüstern hast.«

»Warum grad diese?«

»Weil sie so kurz ist. Ich habe sie auswendig lernen müssen, um sie dem Rappen vorzusagen. Eine längere wäre wieder unten aus dem Topfe herausgelaufen. Dein Kopf ist nicht so fein und offen wie der meinige; darum bleibt bei dir alles stecken. Doch tröste dich, Sihdi; es kann nicht jedermann die Vorzüge besitzen, mit denen Allah mich ausgerüstet hat! Du wirst von heut an bei Assil Ben Rih schlafen, wie du bei seinem Vater geschlafen hast. Soll ich dir auch noch sein Geheimnis des Herunterwerfens sagen?«

»Hat er eins? Das wäre mir sehr willkommen!«

»Assil und Barkh, beide haben eins. Ich habe es ihnen so heimlich andressiert, daß außer mir kein Mensch davon etwas weiß.«

»So teil‘ es mir mit!«

»Es ist für beide Pferde gleich, weil die Dressur dadurch vereinfacht wurde. Wenn du zweimal das Wort Litaht«[58] rufst und dazwischen einen scharfen Pfiff hören lässest, wird sofort jeder Reiter abgeworfen, dem du nicht erlauben willst, im Sattel sitzen zu bleiben. Merke dir das, Sihdi, denn es ist leicht möglich, daß du dadurch einmal Vorteile über einen Feind gewinnst!«

Es verstand sich ganz von selbst, daß ich diese Vorteile für sehr wahrscheinlich hielt, denn nicht bloß Rih, sondern auch die beiden Hengste Winnetous waren dressiert gewesen, jeden fremden Reiter auf ein bestimmtes Zeichen abzuwerfen, und ich hatte den Nutzen dieser Abrichtung wiederholt erlebt. Während der Tage bis zu unserer Abreise ritt ich Assil so fleißig, daß er sich an mich gewöhnte und mich lieb gewann. Ich war überzeugt, mich auf ihn ebenso wie früher auf Rih verlassen zu dürfen.

Unser Weg sollte über Bagdad gehen, und wir beschlossen, ihn, um die Pferde nicht gleich im Anfange anzustrengen, bis zu dieser Stadt nicht auf dem Lande, sondern auf dem Wasser, nämlich dem Tigris, zurückzulegen. Es mußte, um uns und die Pferde tragen zu können, ein ziemlich großes Kellek zusammengesetzt werden, eines jener Flöße aus aufgeblasenen Ziegenfellen, welche auf dem erwähnten Flusse gebräuchlich sind. Man wollte uns einreden, daß wir zum Lenken des Kellek und zum Schutze gegen die etwa am Flusse sich aufhaltenden feindlichen Beduinen eine Anzahl Haddedihn mitzunehmen hätten, ich ließ mich aber nicht dazu bereden. Die betreffende Strecke des Tigris war uns von früherher bekannt; je mehr Leute wir mitnahmen, um so größer mußte das Floß sein, und da ein kleines Fahrzeug weniger Aufmerksamkeit erregt als ein großes, waren wir beide jedenfalls allein sicherer als unter dem fraglichen Schutze von Leuten, deren Anwesenheit nur den Erfolg haben konnte, die Gefahren, denen wir entgehen wollten, erst recht herbeizuführen.

Daß wir nach unserer Ankunft in Bagdad die Ruinen von Babylon besuchen wollten, habe ich bereits erwähnt. Es sollte das eine ernste Gedenkfeier sein, eine Wallfahrt nach dem Orte, an welchem wir schon mit beiden Füßen im Grabe gestanden hatten und nur wie durch ein Wunder dem Tode entgangen waren.

Am Abende vor unserm Aufbruche hatten wir sehr lange in der Dschemma, dem Rate der Alten, beisammengesessen, um für die Dauer von Halefs Abwesenheit eine Vertretung für ihn zu wählen. Es war weit nach Mitternacht, als ich nach meinem Zelte ging, um mich niederzulegen. Ich stand dann eben im Begriff, die Sesamöllampe auszulöschen, als der Thürvorhang zurückgeschlagen wurde, und der Hadschi seinen Kopf hereinsteckte, um mich zu fragen:

»Sihdi, schläfst du schon?«

»Nein, wie du siehst, lieber Halef.«

»Darf ich herein?«

»Natürlich, ja!«

Da trat er vollends in das Zelt, kam ganz nahe zu mir heran, machte ein höchst geheimnisvolles Gesicht und sagte mit leiser Stimme:

»Oh Sihdi, ich habe dir etwas zu sagen, worüber du vor Erstaunen den Kopf bis übermorgen schütteln wirst!«

»Ich werde dieses Schütteln wahrscheinlich in viel kürzerer Zeit besorgen. Was ist es, was du mir zu sagen hast?«

»Ich bringe es kaum über meine Lippen, denn es ist etwas so außerordentlich Ungewöhnliches, daß du mich höchst wahrscheinlich, sobald du es vernommen hast, sofort hinauswerfen wirst!«

»Das denke nicht! Meinen Halef werfe ich nicht hinaus!«

»Aber es geht gegen den Kuran, gegen alle Auslegungen des Kuran, oh – — oh, es geht überhaupt gegen alle Gewohnheiten und Sitten, gegen alle Regeln und Gesetze! Ich war erschrocken, als ich es hörte; ich war ganz starr! Aber sag selbst, durfte ich es meiner Hanneh abschlagen, welche die Seele meines Lebens und das Leben meiner Seele ist!«

»Nein, du durftest es ihr nicht abschlagen,« antwortete ich, höchst gespannt auf den Grund seiner ungewöhnlichen Verlegenheit.

»Ich danke dir, Sihdi! Deine Worte geben mir den Mut, dir zu sagen, daß sie den Wunsch hat, jetzt noch mit dir zu sprechen.«

»Wer? Hanneh?«

»Ja, Hanneh, der Abglanz aller Lieblichkeit von tausend Frauenangesichtern.«

»Und das bringt dich so in Verwirrung? Ich habe während dieser Woche so oft mit ihr gesprochen, ohne daß deine Seele dabei das Gleichgewicht verlor. Bei den Beduinen ist die Frau nicht eine solche Sklavin wie in den Harems der Städtebewohner.«

»Das ist richtig; aber du kennst noch gar nicht die ganze Fülle ihres Wunsches, welche den Umfang und den Inhalt deines Geistes tief erschüttern wird. Du hast nämlich bisher nur am Tage und in Gegenwart anderer mit ihr gesprochen; jetzt aber will sie dich allein haben – — ohne mich – — fast zwei Stunden nach Mitternacht – — —!!!«

Er brachte, als ob es sich um mein oder sein Todesurteil handle, die Worte nur stoßweise und in einem Tone heraus, der gar nicht trübseliger klingen konnte.

»Maschallah!« wunderte ich mich nun allerdings. »Sie will mich allein sprechen? Du sollst nicht dabei sein?«

»Ach – — ja – — allein, Sihdi!«

»Und du hast es ihr erlaubt?«

»Gewiß! Warum sollte ich es ihr nicht erlauben? Mir ist es nicht um sie, sondern nur um dich!«

»Warum um mich?«

»Du wirst dich schwer beleidigt fühlen, daß ein Weib es wagt, eine solche Unterredung mit dir zu verlangen. Aber ich bitte dich, Sihdi, nimm einmal mir zuliebe alle deine Milde und Güte zusammen, und sei überzeugt, daß es meiner Hanneh nicht einfällt, eines deiner Gefühle oder einen deiner Gedanken zu erobern, welche du für deinen einstigen Harem aufzubewahren hast. Ich schwöre es dir beim Propheten und seinem Barte zu, daß du getrost und furchtlos zu ihr gehen kannst. Du bist ein Held, ein kühner Mann, und hast dein Leben oft gewagt; willst du jetzt weniger mutig sein?«

Ich mußte mir die größte Mühe geben, ernst zu bleiben. Der liebe Hadschi stellte die allerdings sehr ungewöhnliche Angelegenheit geradezu auf den Kopf, indem er mir Mut machen wollte zu einer Unterredung unter vier Augen mit Hanneh, der heimlichen Beherrscherin der Haddedihn.

»Gieb dir keine unnötige Mühe,« antwortete ich. »Ich bin auch ohne sie bereit, deinen und Hannehs Wunsch zu erfüllen.«

»Wirklich? Hamdulillah! Du wirfst mich nicht hinaus?«

»Nein. Wo ist Hanneh? In ihrem Zelte?«

»Nein. Man könnte dich auf dem Wege nach demselben bemerken oder gar dort eintreten sehen, und das darf nicht sein. Hanneh, die Morgenröte am täglichen Osten meiner Behaglichkeit, hat das Duar nach rechts hin verlassen, und du sollst nach links gehen. Ihr wendet euch draußen vor dem Lager einander zu und werdet bald zusammentreffen, ohne daß einer der Wächter euch bemerkt. ich werde dafür sorgen, daß sie nicht dorthin kommen, wo ihr euch befindet.«

War das nicht mehr als seltsam? Hier, im tiefsten Oriente, bat mich ein Moslem um eine heimliche Unterredung mit seiner Frau und versprach sogar, uns vor Störungen zu bewahren!

Ich blies, ohne weiter ein Wort zu sagen, die Lampe aus, verließ mit Halef das Zelt und ging dann allein weiter, nach links, zwischen den Zelten hinab, bis ich das Lager hinter mir hatte. Dann wendete ich mich nach rechts. Es war zur Zeit des Neumondes, doch leuchteten die Sterne fast so hell wie Mondenschein. Es dauerte nicht lange, so sah ich Hanneh auf mich zukommen. Es befand sich kein Mensch hier, der uns beobachtete. Als wir zusammentrafen und bei einander stehen blieben, blickte sie mich aus der Umhüllung heraus mit großen, ernsten Augen an, reichte mir ihre Hand und sagte:

»Ich wußte, daß du kommen würdest, Effendi, und ich danke dir!«

Ich berührte ihre Hand mit leisem Drucke und antwortete:

»Dein Wunsch macht mich dir unterthan; ich bin ihm gern gefolgt.«

»Du bist ein Christ und achtest auch das Weib. Ich würde lieber tot als jetzt und hier mit einem Moslem sein, welcher nicht Hadschi Halef heißt. Unter deinem Schutze bin ich sicherer als an dem Mimbar[59] einer Moschee. Ahnst du, worüber ich mit dir zu sprechen wünsche?«

»Ich vermute es.«

»Und warum Halef nicht dabei sein soll?«

»Auch das errate ich.«

»Das wußte ich, und darum wagte ich, zu thun, was sonst kein Weib je unternehmen darf. Ich stehe hier vor Allah und vor dir. Allah sieht und hört mich, doch es fehlt mir seine Stimme; antworte du an seiner Stelle! Es wogt ein weites, tiefes Meer in meiner Seele; seine Wellen sind Gedanken, welche bald mich töten, bald mich an das feste Ufer tragen wollen. Es giebt in meinem Herzen einen Himmel, von welchem tausend Sterne strahlen und den bald wieder finstre Wolken decken; die Sterne wollen mir zu Allah leuchten; die Wolken sind die Zweifel, welche mich den rechten Weg nicht finden lassen. In meinem Innern lebt eine Stimme heißer Angst, die nie zur Ruhe kommt; ich höre sie bei Tag und Nacht, im Wachen und im Traume. Sie schreit nach der Erlösung von dem fürchterlichen Gedanken, daß das Weib nur Fleisch vom Fleische, Staub vom Staube, eine wandelnde Gestalt ohne Geist und ohne Seele sei.«

Sie holte tief Atem, faltete die Hände und fuhr fort:

»O Allah, sei mir gnädig; laß mich wissen, daß in dieser wandelnden Figur auch etwas lebt, was ein Recht auf deine Liebe und auf deine Gnade hat! Warum darf der Mann allein durch Ewigkeiten leben? Was hat das Weib gethan, daß sie der Tod so ganz vernichten darf? Das hab ich oft, so oft gefragt und doch kein tröstend Wort darauf gehört. Antworte du, Effendi, sag die Wahrheit! Nicht ich allein frag dich; im Namen aller Frauen, deren Geist der Islam stiehlt, will ich wissen, ob wir wirklich keine, keine Seelen haben!«

Ich war mehr als überrascht, denn ich hatte zwar Fragen dieser Art, aber keine solche seelische Eruption erwartet. Ich glich einem Menschen, vor welchem plötzlich und ganz unerwartet in ebener Gegend von unterirdischen Gewalten ein Geiser emporgetrieben wird. Was mußte diese Frau im tiefsten Innern durchgefühlt und durchgebangt, durchgehofft und durchgefürchtet haben, daß die Schreie, von denen sie sprach, aus dieser Tiefe nun auch zu meinen Ohren drangen! Ich wollte anders, ganz anders antworten, aber es floß mir die Frage über die Zunge:

 

»Warum wendest du dich an mich, an keinen andern?«

»Weil du ein Christ und nicht ein Moslem bist.«

»So brauche ich eigentlich gar nichts zu sagen, denn du hast dir die Antwort selbst gegeben. Du fragst den Christ, weil du meinst, daß nicht der Islam, sondern das Christentum die Wahrheit lehre. Damit hast du euern Muhammed verworfen und dich zu Isa Ben Marryam[60] gewendet.«

»Hab ich das? Hab ich das wirklich, Sihdi?«

»Ja.«

»So sage mir: Hat die Christin eine Seele?«

»Nicht nur die Christin, sondern auch die Muhammedanerin, die Jüdin, die Heidin, jedes Weib hat eine Seele.«

»Also ich auch?«

»Ja, natürlich, ja!«

»Hamdulillah! Sprich weiter!«

»Unser heiliges Buch sagt: Gott schuf den Menschen zu seinem Ebenbilde, und er schuf sie, einen Mann und ein Weib. Gott ist allmächtig, allwissend, allweise; er ist auch gnädig, barmherzig und von ewiger Güte. Der Mann soll ein Bild der göttlichen Allmacht, das Weib ein Bild der göttlichen Güte und Liebe sein. Sind beide das, dann sind sie Mensch im wahren Sinne, sonst nicht! Kann ein Wesen, welches ein Ebenbild der göttlichen Liebe ist, ohne Seele sein?«

»Nein, denn grad die Liebe erfordert mehr Seele als alles andere auf der Erde.«

»Hat also das Weib eine Seele oder nicht?«

Sie blickte mir eine Zeit lang stumm in das Gesicht, dann sank sie langsam auf die Kniee nieder, schlug die Hände zusammen, holte lange, tief und laut Atem und sagte dann im innigsten Tone:

»Sie hat eine! Oh Allah, ich habe eine Seele, eine Seele! Und davon hat dieser Effendi mich durch so wenige Worte überzeugt. Ich habe gezweifelt und gekämpft so viele Jahre hindurch, und nun kommt dieses Glück so plötzlich und so strahlend über mich! Ich bin kein hohles Gefäß, welches keinen Inhalt hat. Ich wurde nicht bloß für den Mann geboren, um dann wieder nichts zu sein. Ich habe eine Seele, welche lebt, solange es einen Gott und einen Himmel giebt! Nicht wahr, so ist es, Sihdi?«

Sie weinte vor Wonne, indem sie diese Frage an mich richtete.

»Ja, so ist es,« antwortete ich. »Wie Maria, die seligste der Frauen, im Himmel thront, so steht auch dir und allen Frauen, welche ihr nachfolgen, das Thor zu allen Seligkeiten offen. So lehrt das Christentum. Es lehrt auch, daß Christus auf die Welt gekommen ist, damit alle, die an ihn glauben, alle, Mann und Weib, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben. Also sollst auch du nicht verloren sein, sondern du bist für das ewige Leben bestimmt.«

Da stand sie wieder auf, hob wie zum Schwure die Hand empor und sagte:

»Effendi, ich glaubte, daß auch ich eine Seele habe; heut hab‘ ich sie endlich und wirklich gefunden und werde sie mir nicht wieder nehmen lassen. Wenn der Islam sie mir rauben will, so werfe ich ihn von mir und gehe zu Isa Ben Marryam, bei dem sie sicher vor Gefahren ist. Glaubst du, daß ich das thun werde?«

»Ich glaube es, denn du befindest dich bereits bei ihm.«

»Ja, ich verehre ihn, denn er hat, wie du oft schon sagtest, den Menschen die Liebe vom Himmel gebracht.

Die Wogen in mir sind ruhig geworden, und es giebt keine Wolken mehr. Es ist klar und hell in meinem Innern. Wie danke ich Allah, daß er mir den Gedanken eingegeben hat, noch heut mit dir zu sprechen! Ich mußte mit dir allein sein, denn in Gegenwart anderer konnte ich nicht sagen, was ich sagen wollte. Nun habe ich nur noch einen Wunsch an dich.«

»Welchen? Sag es mir!«

Sie zögerte ein wenig; dann aber folgte sie doch meiner Aufforderung:

»Halef, der Mann meines Herzens, wollte auch nicht glauben, daß wir Frauen Seelen haben. Kannst du wohl erraten, warum?«

»Ja.«

»Nun, warum?«

»Es scheint mir, daß er sich zuweilen ein wenig vor der deinigen gefürchtet hat.«

»Maschallah! Du hast es getroffen! Er ist der beste Mann, soweit die Erde reicht; er ist sehr klug und auch sehr tapfer, aber er bedarf zuweilen eines guten Rates und eines Kopfes, der ihn zwingt, diesen Rat zu befolgen. Gerade dadurch, daß ich seine Beraterin und Helferin wurde, begann ich zu ahnen, daß wir Frauen auch nicht ohne Geist und Seele sind, denn wenn die Frau den Geist des Mannes zu lenken und zu beherrschen vermag, so kann sie doch nicht bloß ein Körper ohne Inhalt sein. Nun bitte ich dich, ihm mit Vorsicht und Sanftmut beizubringen, daß ich meine Seele gefunden habe und daß er sich aber ja nicht vor ihr fürchten soll. So oft er versuchte, sie mir abzusprechen, mußte ich sie gegen ihn verteidigen, und da hat er sie wohl nicht in ihrer großen Freundlichkeit und Güte kennen gelernt. Er liebte mich, aber meine Seele nicht. Jetzt nun, da ich sie in Wirklichkeit und mit voller Ueberzeugung besitze, kann sie nicht mehr Gegenstand des Zweifels und des Streites sein; sie wird ihm also stets ihr lieblichstes Angesicht zeigen, denn ich wünsche, daß er sie recht lieb gewinnt. Willst du ihm das sagen?«

»Oh, sehr gern, Hanneh, du liebe Tochter der Ateïbeh!«

»Und sprich nicht viel von Muhammed mit ihm! Denn nur dieser falsche Prophet ist schuld an dem Glauben meines Halef, daß nur die Männer Seelen haben. Sprich lieber mit ihm von Isa Ben Marryam und vom heiligen Buche der Christen! Das wird sein Gedächtnis und seine Liebe stärken und ihn nicht in Gedanken fallen lassen, welche das Weib seines Herzens nur betrüben können. Willst du auch das thun?«

»Ich verspreche es dir, du allerklügste und überlegenste aller Frauen.«

»Und ferner weißt du doch, daß er zuweilen verwegener ist, als ihm die Vorsicht, es zu sein, erlaubt. Dulde das nicht; dulde es ja nicht! Beweise es ihm! Zanke ihn aus! Ich bitte dich darum. Das Weib eines furchtlosen Mannes ist stolz auf ihn; aber wenn der Mut sich in Tollkühnheit verwandelt, kann dem Stolze leicht die Trauer folgen. Ich will sein Weib, aber ja nicht seine Witwe sein! Du bist doch überzeugt, Sihdi, daß du ihn mir wiederbringst?«

»So viel an mir liegt, soll er keine Ursache finden, sein Leben unnötig auf das Spiel zu setzen.«

»Ich danke dir! Mein Dank gehört dir auch dafür, daß du ihm seine Bitte, Kara Ben Halef, meinen Sohn, mitzunehmen, abgeschlagen hast. Mein Herz wäre vor Sehnsucht nach dem Liebling krank geworden. Halef meinte, weil euch der Knabe damals gegen die Bebbeh-

Kurden begleiten durfte und jetzt gar einen Löwen geschossen hat, würdest du ihm auch jetzt erlauben, mitzureiten.«

»Jener Ritt war ein ganz anderer, ein viel kürzerer, als derjenige, den wir jetzt vorhaben. Es giebt da höchst wahrscheinlich Anstrengungen und Entbehrungen, denen der jugendliche Körper deines Sohnes nicht gewachsen ist. Seine Begleitung würde uns wohl mehr hinderlich als förderlich sein. Meine Weigerung hatte also nur einen Klugheitsgrund; du bist mir keinen Dank schuldig.«

»Oh, Effendi, du willst überhaupt nie, daß man dir danke. Was seid ihr Christen doch für ganz andere Menschen als die Moslemin! Sag, sind auch die Frauen bei euch besser als bei uns?«

»Hm! Es giebt überall gute und nicht gute Menschen.«

»Auch Frauen?«

»Ja.«

»So werde ich darnach trachten, von dir zu den Guten gezählt zu werden. Jetzt muß ich fort, denn Halef, der Gebieter meines Herzens, könnte ungeduldig werden. Ich sage dir nochmals Dank. Du hast mir ein ganz neues, schöneres Leben gegeben; das werde ich niemals vergessen. Leïltak sa‘ide – Gute Nacht!«

»Allah behüte und bewahre dich! – Leïltak mubarake —Gute Nacht!«

Sie ging. Ich sah ihr nach, bis sie hinter den Zelten verschwand, und kann sagen, daß es mir jetzt leid that, daß ich gekommen war, ihr ihren Halef für so lange Zeit zu entführen. Welche Tiefe des Gefühles und zugleich welch kindliches Empfinden! Wie schwer hatte das verneinende Urteil des Islam auf ihr gelegen, und wie hatte sie gerungen, diese Last abzuwerfen! Wie fern lag ihr die Indolenz jener unzähligen Orientalinnen, welche den ganzen Zweck und Inhalt ihres Lebens nur darin suchen, in der geistigen Oede des Harems körperlich möglichst rund und schwer zu werden! Und was für ein kluges und energisches Frauchen war diese kleine Hanneh geworden! Ich glaube, es könnte manchem sehr intelligenten Europäer nichts schaden, wenn die Herrin seines Salons eine solche Hanneh wäre.

So oder ähnlich waren meine Betrachtungen, als ich langsamen Schrittes in das Duar zurückkehrte. Was ich erwartete, das traf ein: Halef stand bei meinem Zelte. Er zog mich beim Arme an sich und sagte leise und wichtig:

»Sihdi, die liebliche Stütze meiner Lebenstage ist zurückgekehrt. Ihre Augen leuchteten und ihre Stimme klang wie der Gesang des Bulbul[61], als sie mich »ihren guten, lieben« Halef nannte. Dieser süße Ton hat mein Herz mit Wonne erfüllt, denn ich will dir aufrichtig sagen, daß es hier im Duar auch noch andere Töne giebt; in welchem Zelt, das brauchst du nicht zu wissen. Ich glaube, du hast mit ihr von mir gesprochen. Habe ich recht?«

»Ja, du wurdest auch einmal erwähnt.«

»Nur ein einziges Mal?«

»Lieber Halef, sei damit zufrieden, daß du überhaupt genannt worden bist!«

»Aber, Effendi, wenn ihr nicht von mir gesprochen habt, von wem denn sonst?«

»Bist du der einzige Mensch, von dem man reden kann?«

»Nein, doch möchte ich nicht, daß meine Hanneh, welche die Summe von allen weiblichen Vorzügen ist, von andern Männern spricht! Ich möchte wirklich sehr gern wissen, wovon ihr euch unterhalten habt.«

»Frage sie!«

»Das habe ich gethan.«

»Was antwortete sie?«

55Der Dunkle.
56Blitz.
57Beduine.
58»Herunter!«
59Kanzel.
60Jesus, Mariens Sohn.
61Nachtigall.
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