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Im Reiche des silbernen Löwen I

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»Emir, sag, könnte mein Vater nicht längst schon hier sein?«

»Er wird Leute am Brunnen bemerkt haben und warten wollen, bis sie fort sind,« versuchte ich, ihn zu beruhigen.

»Das würde nicht klug von ihm sein, denn in diesem Falle müßte er umkehren, um uns zu warnen.«

»Sorge dich nicht, sondern verlaß dich auf ihn; du hast ja vorhin von ihm gehört, daß er ein guter Kundschafter ist!«

Er schwieg; als aber wieder eine halbe Stunde verfloß, ohne daß Halef sich sehen ließ, gestand er mir:

»Emir, ich beginne, Sorge zu tragen. Allah möge meinen Vater beschützen! Es ist ihm ein Unglück widerfahren. Laß uns eilen, ihm Hilfe zu bringen!«

»Nicht eilen, sondern langsam und vorsichtig reiten, und zwar du ganz genau hinter mir.«

»Warum hinter dir?«

»Aus Vorsicht. Die Luft ist nicht rein am Brunnen, das ist gewiß. Es sind Leute dort.«

»Allah, Allah! Haben sie meinen Vater ergriffen?«

»Das weiß ich nicht, aber ich vermute es, wie ich dir jetzt aufrichtig gestehen will.«

»So müssen wir eben rasch machen, um ihm zu helfen!«

»Im Gegenteile, wir müssen zögern. Durch die Eile würden wir alles verderben. Wenn dein Vater diesen Männern in die Hände gefallen ist, so werden sie die Gegend, aus welcher er kam, beobachten; denn sie können sich denken, daß er sich nicht allein in der weiten Wüste befunden hat. Reiten wir schnell auf den Brunnen zu, so werden sie uns eher sehen, als wir sie bemerken, und ihre Vorkehrungen danach treffen. Sie sind abgestiegen, also von weitem klein, während wir auf unsern Kamelen große, weithin sichtbare Figuren bilden. Hältst du dich hinter mir, so scheinen wir nur ein Reiter zu sein, und indem ich mein Fernrohr herausnehme, habe ich Hoffnung, sie eher zu sehen als sie uns, und dann werden wir uns nach den Umständen richten.«

Wir ritten also in der von mir angegebenen Weise langsam vorwärts. Die Gegend war bisher vollständig eben gewesen; nun aber schien sich der Horizont vor uns in mehreren unregelmäßigen Linien zu erheben. Mein Fernrohr zeigte mir, daß es dort einige nackte Felsenzüge gab, welche von Osten nach Westen, also quer über unsere Richtung strichen. Zwischen oder hinter ihnen mußte der Brunnen liegen, und das brachte mich zu der Ueberzeugung, daß Halef gefangen war, denn sonst hätten wir ihn jetzt sehen müssen. Er war in seinem gewöhnlichen Uebereifer auf die Felsen zugeritten, von dort aus bemerkt und dann aus dem Hinterhalte überfallen worden.

Mein gutes Fernrohr trug sehr weit. Ich suchte jede, auch die kleinste Linie der Felsen auf das genaueste, aber vergeblich ab, was mich zu noch größerer Vorsicht veranlaßte. Hätte ein Mensch vor ihnen gestanden, er wäre sicher von mir entdeckt worden; wenn aber einer hinter ihnen lag, so mußte er mir verborgen bleiben, bis ich mich bei ihm befand, und dann war es zu spät. Ich durfte mich also dem Höhenzuge nicht so weit nähern, daß wir von dort aus mit bloßem Auge gesehen werden konnten, und bog daher grad nach Osten ab, indem ich zugleich mein Kamel zur Eile trieb.

»Maschallah!« rief Kara Ben Halef aus. »Willst du dem Brunnen ausweichen? Dann bleibt mein Vater ja ohne Hilfe!«

»Komm nur, und vertraue mir!« antwortete ich. »Wenn die Lage am Bir Nufah so ist, wie ich sie mir denke, so richtet sich die Aufmerksamkeit der dortigen Späher nur nach Norden, woher sie uns erwarten. Wir reiten einen Bogen, bis wir den östlichen Punkt der Höhenzüge erreicht haben, und biegen dann in ihrem Schutze wieder nach dem Brunnen ein. Man erwartet nicht, daß wir von dorther kommen, und so vermute ich, daß wir uns unbemerkt anschleichen können. Was dann zu geschehen hat, kann ich noch nicht sagen; du kannst dir aber denken, daß ich deinen Vater auf keinen Fall im Stiche lassen werde.«

»Hinter die Felsen reiten und von der andern Seite kommen? O, Emir, das ist klug, sehr klug von dir. Mein Vater ist auch klug; er ist der klügste von allen Beni Arab, die ich kenne, du aber bist doch noch viel, viel klüger als er. Wäre er doch auch so pfiffig gewesen!«

Nach einer Viertelstunde hatten wir den Höhenzug erreicht. Hinter ihm strich ein zweiter parallel, so daß zwischen beiden ein Thal lag, welches zahlreiche Krümmungen zu beschreiben schien. Wir folgten dieser Senkung höchst vorsichtig aufwärts und vermieden jedes Geräusch, indem wir unsere Kamele so lenkten, daß ihre Füße an keine Steine stießen. Nach und nach wurden die Felsen höher, und indem sie enger zusammentraten, verminderten sie die Breite des Thales, was mir sehr lieb war, weil dadurch zwar unser Gesichtskreis, aber auch derjenige etwaiger Späher bedeutend verkleinert wurde. Vor jeder Krümmung des Wadi[28] hielten wir an, um vorsichtig um die Ecke zu spähen, ob dort ein feindliches Wesen zu entdecken sei. Auf diese Weise gewannen wir nur sehr, sehr langsam an Terrain, und es dauerte wohl volle zwei Stunden, ehe wir den Weg einer Gehstunde zurückgelegt hatten. Es war kein Wunder, daß Kara Ben Halef während dieser Zeit immer besorgter und unruhiger wurde.

Endlich, endlich bemerkten wir sichere Zeichen, daß wir uns in der Nähe des Brunnens befanden: wir sahen seitwärts einige dürre Sträucher stehen, und in der Mitte der Thalsohle gab es Gras, wenn auch außerordentlich spärlich. Nun galt es, unsere bisher doppelte Vorsicht zu verzehnfachen.

Wieder gelangten wir an eine Krümmung. Während wir bis jetzt an solchen Punkten auf unsern Kamelen sitzen geblieben waren, ließ ich dieses Mal das meinige halten und stieg ab. Mich eng an die Felsenecke drückend und nur die Hälfte meines Gesichtes vorstreckend, erblickte ich vor mir eine beträchtliche Erweiterung des Thales, in welcher wohl an die zweihundert gut bewaffnete Kamelreiter lagerten, in denen ich zu meiner nicht eben freudigen Ueberraschung Scherarat erkannte. Seitwärts vom großen Haufen saßen einige, welche die Befehlenden zu sein schienen; sie hatten den kleinen Hadschi zwischen sich; er war, wie ich geahnt hatte, ihr Gefangener.

Wie war es möglich, ihn zu befreien? Durch List, jetzt am hellen Tage? Unmöglich! Oder mit Gewalt? Auch nicht! Mein Henrystutzen hatte fünfundzwanzig Schüsse, mein Bärentöter zwei und jeder meiner beiden Revolver sechs. Das waren in Summa neununddreißig Kugeln. Und wenn eine jede ihren Mann zu Tode traf, was aber dann? Ein vergebliches Blutbad, weiter nichts als nachher mein sicherer Tod! Nein, auch das ging nicht!

Da stand einer von den Abgesonderten auf, hob das Gesicht nach der Felsenhöhe empor, rief einen Namen und fragte dann:

»Siehst du noch nichts?«

Indem ich auch hinaufblickte, sah ich einen Beduinen, welcher hinter einem großen Steine auf der Lauer gelegen hatte. Er antwortete herab.

»Keinen Menschen.«

»So haben wir uns geirrt, und der Gefangene ist allein gewesen. Komm herunter, wir haben keine Zeit, länger zu warten; wir müssen fort, sonst kommen wir nicht bis zum Abend nach dem Bir Nadahfa.«

»Was ist‘s? Was siehst du, Emir?« fragte mein junger Begleiter leise. »Ich höre rufen.«

»Steig ab, und kriech zu mir her; dann wirst du deinen Vater sehen,« antwortete ich ebenso mit unterdrückter Stimme.

Er folgte meinem Geheiße. Als er Halef erblickte, wäre er am liebsten vorgesprungen, um zu ihm hinzueilen. Ich faßte ihn am Arme und raunte ihm warnend zu:

»Still! Keine Uebereilung! Du gehst nur selbst in das Verderben, ohne deinen Vater dadurch retten zu können!«

»Aber du siehst ja, daß sie aufbrechen, daß sie fort wollen!«

»Laß sie! Jetzt ist nichts zu thun. Wir müssen bis heut abend warten.«

»Bis heut abend? Ist es da nicht zu spät?«

»Nein. Mit Gewalt läßt sich gegen so viele Menschen nichts erreichen; nur List kann zum Ziele führen, und dazu ist die Nacht die einzige Zeit.«

»Aber wenn sie meinen Vater bis dahin umbringen!«

»Das fällt ihnen nicht ein. Ueber das Schicksal des Gefangenen kann nur die Dschemma[29] bestimmen, und die dazu gehörigen alten Leute sind nicht mit hier. Du siehst, daß es lauter junge Krieger sind.«

»Was mögen sie vorhaben? Ein Wanderzug ist es nicht, weil sie keine Frauen, Greise und Kinder mit haben. Sollte es ein Kriegsritt sein?«

»Nein. Du wirst dort links die Kamele bemerken, welche mit Stricken und Palmenfasermatten hoch bepackt sind.

Diese Stricke und Matten sollen zum Transport der Tiere und zur Verpackung der andern Beute dienen; es handelt sich also um einen Raubzug.«

»Gegen wen?«

»Das weiß ich nicht, hoffe es aber heut abend zu erfahren.«

»Von wem?«

»Von den Scherarat selbst. Wir werden sie belauschen.«

»Ihnen also bis zu ihrem Nachtlager folgen? O, Emir, ich erfahre da, daß mein Vater recht gehabt hat, da er stets sagte, wenn man sonst nichts erlebe, so brauche man nur mit dir zu gehen, da seien ganz gewiß alle möglichen Thaten und Abenteuer zu erwarten. Doch schau, wir müssen fort, schleunigst fort! Sie stehen im Begriffe, ihre Tiere zu besteigen. Wenn sie hierher kommen, entdecken sie uns.«

»Sie werden nicht hierher kommen, sondern das Wadi dort links durch die Seitenöffnung verlassen, weil sie nach dem Bir Nadahfa wollen.«

»Woher weißt du das?«

»Der Anführer sagte es vorhin, als er den Späher herunterrief. Dieser Brunnen liegt genau südwärts von hier, und die Oeffnung zeigt nach dieser Richtung. Glücklicherweise kenne ich ihn genau.«

 

»Warst du schon einmal dort?«

»Nein; aber ich habe eine sehr eingehende Beschreibung von ihm und seiner Umgebung gelesen. Hamdani, ein alter arabischer Schriftsteller war dort und hat über ihn berichtet. Das ist zwar schon lange, lange her, aber in diesem Lande verändern sich dergleichen Oertlichkeiten selbst im Verlaufe von Jahrhunderten so wenig, daß seine Schilderung höchst wahrscheinlich noch heut zutreffen wird. Sieh, daß ich recht hatte! Sie ziehen fort, dort links hinein. Dein Vater ist auf sein Kamel gebunden worden. Er blickt hinter sich, denn er ahnt, daß wir uns hier versteckt befinden und die Scherarat beobachten. Wenn es ohne Gefahr geschehen kann, werde ich mich ihm zeigen, um ihn zu beruhigen.«

Die Beduinen verließen das Wadi in der Reihenfolge, daß die Anführer, welche Halef zwischen sich hatten, die letzten waren. Noch kurz vor seinem Verschwinden hinter dem Felsen wandte er das Gesicht noch einmal zurück. Als ich sah, daß seine Begleiter dies nicht beachteten, sprang ich drei Schritte vor und hob die Arme; sein Auge fiel auf mich, und ich wich schnell wieder zurück. Er wußte nun, daß ich seine Lage kannte und alles, selbst das Leben daransetzen würde, ihn aus derselben zu befreien.

Hierauf kletterte ich an der südlichen Thalseite empor, um mich von dem Abzuge der Scherarat und daß keiner von ihnen zurückkehrte, zu überzeugen. Als ich sie nicht mehr sehen konnte und wieder herabgestiegen war, führten wir unsere Kamele *nach dem Brunnen, welchen die Feinde leider so ausgeleert hatten, daß wir zwei Stunden warten mußten, um unsern Durst stillen, die zwei Schläuche füllen und dann auch die Tiere wenigstens für einen oder zwei Tage befriedigen zu können. Hierauf beeilten wir uns, der Fährte der Scherarat zu folgen.

Ich hatte gesagt, daß ich die Feinde belauschen wolle. Auf ebener Sandwüste wäre das mit großer Gefahr verbunden gewesen. Glücklicherweise liegen die Brunnen der Badijeh, auch der Bir Nadahfa, in felsigen Gegenden, ein Umstand, der wohl keiner Erklärung bedarf, und besonders ist der genannte von einem wahren Warr[30] umgeben, welches uns für das beabsichtigte Anschleichen ausgezeichnete Deckung bot.

Wir ließen unsere beiden Hedschan[31] tüchtig ausgreifen, bis mir die Beschaffenheit der Fährte verriet, daß wir unsere Eile mäßigen müßten, wenn wir den Scherarat nicht zu nahe kommen wollten. Der Nachmittag verging ohne ein erwähnenswertes Ereignis, und eben als die Sonne »in das Sandmeer« tauchte, wie der Wüstenbewohner sich auszudrücken pflegt, zeigte mir das Fernrohr südwärts von uns das ziemlich weit sich ausdehnende Durcheinander von Steinblöcken, in dessen Mitte der Brunnen lag. Die Scherarat waren dort angekommen, und wir mußten da, wo wir uns befanden, halten bleiben. Erst als die kurze Dämmerung vorüber und es vollständig dunkel geworden war, ritten wir noch eine Strecke weiter, bis wir uns ungefähr noch einen Kilometer von dem Warr befanden. Da mußten unsere Kamele sich niederlegen, und wir banden ihnen die Vorderbeine so zusammen, daß sie nicht aufstehen und sich entfernen konnten.

Nun war die Zeit zum Anschleichen an die Feinde da. Kara Ben Halef brannte darauf, sich daran zu beteiligen; er mußte aber bei den Kamelen bleiben. Ich übergab ihm meine beiden Gewehre, die mich gehindert hätten, und näherte mich dem Warr. Als ich es erreichte, fand ich beim Sternenschein bald eine Stelle, wo die Felsenbrocken so weit auseinander traten, daß es einen ziemlich breiten Durchgang nach dem Brunnen gab. Jedenfalls hatten die Scherarat ihn auch benutzt. Kaum war ich in denselben eingedrungen, so hörte ich vor mir laute Stimmen rufen, und mich weiter vorwärts schleichend, verstand ich auch die Worte:

»Allahu akbar! Aschahdu anna, la ilaha ill‘ Allah, wa Mohammedu rasuhl Allah. Haygah alas salah!«

Die Scherarat sprachen das Escheh, das Abendgebet, vorgeschrieben für die Zeit nach Sonnenuntergang, wenn es Nacht geworden ist. Dieser Stimmenchor erlaubte mir, ganz ungehört so weit an sie heranzukommen, daß ich mich nur wenige Schritte von ihrem Lagerkreise hinter einen Stein verstecken konnte. Die Sterne leuchteten nicht sehr hell, dennoch konnte ich den freien Brunnenplatz fast ganz überblicken. Die Beduinen knieten, ihre Gesichter gen Mekka gerichtet, auf ihren Gebetsteppichen und wiederholten unter den anbefohlenen Bewegungen die Worte des Ausrufers, welcher sich ganz in meiner Nähe befand. Ich erkannte in ihm denjenigen Scherari[32], welcher am Bir Nufah heut mittag den Späher von der Höhe herunterbefohlen hatte und also wohl der oberste Anführer der Truppe war. Mir kam das höchst erwünscht! Er trug einen Haik wie ich und hatte so ziemlich meine Gestalt. Die drei oder vier Personen, welche schon am Brunnen Nufah bei ihm gesessen hatten, knieten, auch jetzt abgesondert von den andern, nicht hinter, sondern vor ihm, wie ich ausdrücklich bemerke; sie kehrten ihm also ihre Rücken zu. Und hinter ihm lag, an Händen und Füßen gebunden, Halef im Sande, nur drei Meter von mir entfernt. Seine Befreiung war also für mich eine Leichtigkeit, zumal er sich so gelegt hatte, daß er mir das Gesicht zukehrte. Das hatte er gethan, weil er wußte, daß ihm aus dieser Richtung unsere Hilfe kommen werde. Aber es galt nicht bloß, ihn zu retten, sondern wir mußten auch sein Kamel wieder haben, und dies konnte unter den gegenwärtigen Verhältnissen nur durch Eintausch erreicht werden; der Tauschartikel sollte, das fuhr mir sogleich durch den Kopf, der – — – Anführer sein.

Während alle ihre ganze Aufmerksamkeit auf das Gebet richteten und dabei keinen Blick von Südwest verwenden durften, während ich im Nordost von ihnen lag, zog ich mein Messer und schob mich zu Halef hin. Er sah mich kommen und hielt mir die gefesselten Arme hin; ein Schnitt, und sie waren frei; die Fußfessel zertrennte ich mit einem zweiten raschen Schnitte; hierauf raunte ich ihm in das Ohr:

»Kriech nach dem Wege hin, und dann schnell gerade aus, wo du Kara finden wirst, wenn du ihn rufst!«

»Und du, Sihdi?« fragte er, um mich besorgt.

»Ich komme nach. Nehmt den Kamelen die Stricke von den Beinen! Rasch, rasch!«

Er kroch fort, und ich blieb an der Stelle liegen, wo er gelegen hatte, um mein Vorhaben in dem Augenblicke auszuführen, an welchem die Feinde mit dem Zusammenlegen ihrer Gebetsteppiche zu thun haben würden.

Das war alles freilich viel schneller geschehen, als ich es erzählen kann, und eben hatte ich Halef im Wege verschwinden sehen, als der Schluß kam:

»Allah ist sehr groß! Allah ist sehr groß in Größe, und Preis sei Allah in Fülle!«

Grad als der Vorbeter das Wort Fülle ausgesprochen hatte und die andern begannen, ihm den Satz nachzusprechen, richtete ich mich hinter dem Anführer halb auf, bog mich vor, faßte ihn mit der Linken an der Schulter, riß ihn zurück und schlug ihm die rechte Faust an die Schläfe, daß er zusammensank. Er bekam zu meiner Sicherheit sofort noch einen zweiten Hieb; dann sprang ich auf, raffte ihn zu mir empor, schwang ihn mir auf die Schulter und eilte Halef nach. Die zweihundert Menschen hinter mir waren mir in diesem Augenblicke gleichgültig; ich hatte ihren Anführer und brauchte sie infolgedessen nicht zu fürchten.

Mit weiten Schritten, die schon mehr Sprünge waren, legte ich den Gang zurück und hastete dann weiter. Da erklangen hinter mir laute Stimmen, und vor mir hörte ich Halef nach seinem Sohne rufen; ich vermehrte meine Eile, denn die Verfolger hinter mir konnten schneller laufen als ich, der ich eine solche Last zu tragen hatte. Es gelang mir, ohne von ihnen eingeholt zu werden, unsere Kamele zu erreichen, welche zum bequemen, sofortigen Aufsteigen noch am Boden lagen. Halef war auch da.

»Schnell in den Sattel, Halef!« gebot ich ihm. »Und nimm hier diesen Gefangenen mit hinauf. Macht euch rasch davon, gerade ostwärts, und haltet nach ungefähr zweitausend Schritten an!«

»Und du, Sihdi?« fragte er.

»Ich muß noch einen Scherari fangen, den wir später als Boten brauchen werden.«

»Aber das ist zu gefährlich! Du hast schon genug gethan und mußt – — – «

»Fort, fort!« unterbrach ich ihn. »Es wird sonst zu spät. Sorgt dafür, daß dieser Mensch nicht schreit, wenn er erwacht. Und nun fort mit euch!«

Vater und Sohn gehorchten, und ich legte mich platt in den Sand, um von den Verfolgern nicht zu zeitig gesehen zu werden. Dann hörte ich eilige Schritte und sah einen einzelnen Scherari gerannt kommen, welcher seinen Kameraden weit voran war. Nichts konnte mir lieber sein als das. Er blieb sechs oder acht Schritte vor mir stehen und lauschte.

Als er nichts hörte, ging er zögernd weiter, immer näher zu mir heran. Hinter ihm ertönten die Rufe seiner Gefährten. Er drehte sich um und antwortete ihnen, indem er mir den Rücken zukehrte. Ich sprang auf, faßte ihn beim Halse und versetzte ihm den schon oft erwähnten Jagdhieb an den Kopf. Er sank mir mit einem schnell verhauchenden Gurgeln in die Arme; ich nahm ihn auf und trug ihn fort, ohne mich dabei übermäßig zu beeilen, weil ich von den andern Scherarat noch nicht gesehen wurde und mich nach einer Richtung entfernte, in welcher sie mich gewiß nicht suchten. Ich erreichte Halef und Kara, als mein zweiter Gefangener eben aus seiner Betäubung erwachte. Sie waren wieder abgestiegen und hatten den ersten Gefangenen mit zusammengebundenen Händen zwischen sich sitzen, indem sie ihn mit ihren gezückten Messern bedrohten, ja keinen Laut von sich zu geben.

»Da kommt er,« sagte Halef zu ihm. »Das ist er, von dem ich dir gesagt habe, der starke und unüberwindliche Emir Hadschi Kara Ben Nemsi Effendi. Er ist der berühmte Besitzer dieser beiden Gewehre, von denen das eine zehntausendmal schießt, ohne daß man es zu laden braucht, und wird dich sofort in die Dschehenna[33] senden, wenn du einen Laut von dir giebst oder eine unerlaubte Bewegung machst.«

»Das werde ich allerdings thun,« bestätigte ich seine Drohung. »Es soll diesen beiden Scherarat nichts, gar nichts geschehen, und sie werden noch in dieser Nacht zu den Ihrigen zurückkehren dürfen, wenn sie sich jetzt schweigsam verhalten und uns gehorchen; thun sie das aber nicht, so werden unsere Messer ihre Herzen finden. Jetzt entfernen wir uns noch ein Stück von hier; dann sollen sie erfahren, was ich von ihnen wünsche.«

Wir banden sie an den Armen zusammen, worauf ich sie vor mir herschreiten ließ, während Halef und Kara uns mit den Kamelen folgten; der letztere gab mir natürlich meine Gewehre zurück. Diese abermalige Ortsveränderung nahm ich vor, um den Verfolgern zu entgehen; sie suchten uns nördlich vom Warr, und wir umgingen es jetzt in der Absicht, südlich von demselben anzuhalten.

Als ich glaubte, annehmen zu dürfen, daß wir weit genug gekommen seien, mußten sich die Kamele niederlegen, und ich befahl den Scherarat, sich niederzusetzen. Dann nahm ich Halef bei Seite, um mir die notwendigen Fragen von ihm beantworten zu lassen. Ich enthielt mich dabei aller Vorwürfe, was ihm das Herz außerordentlich zu erleichtern schien. Er war in seinem gewöhnlichen Selbstvertrauen ganz unbesorgt in das Thal des Bir Nufah hinabgeritten und da von den Scherarat umzingelt und entwaffnet worden; sie hatten ihn kommen sehen und sich versteckt. Zu stolz, um sich zu verleugnen, hatte er seinen Namen genannt und damit große Freude angerichtet, denn der Scheik der Haddedihn, mit denen sie in Blutfehde standen, war für sie ein kostbarer Fang. Ueber den Zweck ihres gegenwärtigen Raubzuges hatten sie natürlich geschwiegen, doch war Halef klug genug, aus einigen unbedachten Aeußerungen zu erraten, daß er den Lazafah-Schammar gelte. Auf ihre Fragen hatte er angegeben, ganz allein und ohne Begleitung zu sein, was ihm aber nicht geglaubt worden war; als jedoch Stunden vergingen, ohne daß ihm jemand folgte, hatten sie angenommen, daß er die Wahrheit gesagt habe, und waren mit ihm fortgeritten. Als ich hinter dem Felsen vorsprang, sah er mich und war von diesem Augenblicke an überzeugt, daß wir ihn befreien würden, hatte aber vorsichtigerweise gegen die Scherarat mit keinem Worte merken lassen, daß er diese Hoffnung hege. Erst dann, als ihm mit meiner Hilfe die Flucht geglückt war und er am letzten Haltepunkte mit Kara und dem Scherari auf mich wartete, hatte er, als dem Gefangenen die Besinnung zurückgekehrt war, diesem mit seiner gewohnten orientalischen Uebertreibung von mir und meinen Thaten erzählt und dabei erfahren, daß der Gefesselte schon öfters von uns gehört hatte und viele von unseren früheren Erlebnissen kannte. Als er mir dies alles jetzt erzählt hatte, fuhr er fort:

 

»Und weißt du, Sihdi, wer dieser Scherari ist?«

»Nein,« antwortete ich.

»So höre und staune! Er ist der Sohn von Gadub es Sahhar, dem alten Zauberer der Scherarat, unserm ärgsten und blutdürstigen Feinde, den Allah verbrennen möge. Die Blutrache gebietet mir eigentlich, ihn ohne Gnade niederzuschießen, zumal er den Beinamen Abu el Ghadab[34] führt, womit er doch sagen will, daß er keinen seiner Feinde schonen würde.«

»Das geht mich nichts an. Er ist nicht dein, sondern mein Gefangener, und meine Religion und die Klugheit verbieten mir, sein Blut zu vergießen.«

»So thue, was du willst; ich weiß, es wird das Richtige sein, denn ich kenne dich!«

Halef widersprach mir nicht, weil er noch immer die wohlverdienten Vorwürfe fürchtete. ich wendete mich von ihm zu den andern zurück, band den zweiten Gefangenen los und unterrichtete ihn folgendermaßen:

»Höre, was ich dir jetzt sagen werde! Ich bin Hadschi Kara Ben Nemsi, ein Christ und Freund der Haddedihn. Ich kann mit meinem Zaubergewehre alle eure Krieger niederschießen, ehe uns eine von euern Kugeln erreicht. Ihr habt meinen Freund und Bruder Hadschi Halef Omar gefangen genommen, um ihn zu töten; ich aber habe ihn wieder befreit, ich ganz allein, und dadurch bewiesen, daß ich mich vor euch nicht fürchte. Ich habe außerdem euch beide ergriffen und sollte euch eigentlich töten; aber weil ich ein Christ bin, will ich das nicht thun, sondern euch freigeben, doch unter der Bedingung, welche du jetzt vernehmen wirst. Ich verlange das Kamel meines Freundes zurück und dazu alle Sachen, die ihr diesem Scheik der Haddedihn abgenommen habt. Du wirst jetzt nach dem Lager gehen, um das Tier, die Waffen und alle diese Gegenstände zu holen. Wenn du das ehrlich thust, geben wir Abu el Ghadab sofort frei und reiten weiter. Planst du aber eine Hinterlist dabei, so wird er augenblicklich erschossen. Ich gebe dir von jetzt an bis zu deiner Rückkehr eine halbe Stunde Zeit. Bist du dann noch nicht da, so muß er auch sterben. Jetzt geh!«

Er wollte zögern; da gebot ihm Abu el Ghadab:

»Beeile dich und thue, wie dir gesagt worden ist! Mein Leben ist mehr wert als der Besitz eines armseligen Kamels der Haddedihn.«

Der Mann entfernte sich. Um einer etwaigen Falle, die man uns vielleicht stellen könnte, zu entgehen, verlegte ich unsern Lagerplatz um eine bedeutende Strecke seitwärts und schlich mich dann mit Halef, der einstweilen das Gewehr seines Sohnes nahm, dem Wart entgegen, und zwar bis zu einer Stelle, an welcher der Bote vorüber mußte. Kara Ben Halef hatte den Befehl, den Gefangenen scharf zu bewachen und ihn im Falle eines Fluchtversuches zu erstechen.

Die halbe Stunde war noch nicht vergangen, so hörten wir Schritte vor uns. Ein Stück auf die Seite kriechend, sahen wir den Boten kommen. Er führte das Kamel und ging an uns vorüber, ohne uns zu bemerken; es war kein zweiter Scherari bei ihm, und meine Drohung hatte also den beabsichtigten Erfolg gehabt. Wir standen auf und holten ihn ein.

»Ein Glück für dich, daß du ehrlich bist!« sagte ich zu ihm. »Du wärst natürlich auch mit erschossen worden. Gieb her, was du hast!«

Halef erhielt alles wieder, was man ihm abgenommen hatte; dann schickte ich den Scherari mit der Versicherung fort, daß sein Anführer in einigen Minuten auch frei sein werde.

»Wirst du aber auch Wort halten, Effendi?« fragte er mich.

»Mach dich schleunigst von dannen!« fuhr ich ihn an. »Kara Ben Nemsi hat noch nie eine Lüge gesagt. Oder soll ich deinen Beinen mit einem Schrotschusse Bewegung machen?«

Er verschwand so schnell wie möglich. Als wir bei unserm Gefangenen und seinem jungen Wächter ankamen, band ich dem ersteren die Hände los und sagte:

»Wir haben bekommen, was ich verlangte. Du kannst gehen.«

Er blieb dennoch stehen, musterte mich von oben bis unten und fragte dann:

»Du giebst mich wirklich frei?«

»Ja. Und weil ich so ehrlich an dir handle, so erwarte ich, daß ihr uns unbelästigt weiterziehen laßt. Wir werden uns nach dem Bir el Halawijat[35] wenden und wünschen nicht, daß ihr uns folgt.«

»Wir reiten nach dem Bir esch Schukr[36], der weit im Osten liegt, denn wir wollen nach Akabet. Du brauchst dich also nicht zu fürchten!«

»Fürchten? Ich habe niemals Furcht gekannt.«

Da stieß er ein lautes Gelächter aus und antwortete in höhnischem Tone:

»Die Furcht nicht gekannt? Was ist es denn anders als Furcht und Angst, daß ihr mich freilaßt? Ein Christenhund hat immer Angst vor jedem rechtgläubigen Krieger. Ich habe viel von dir gehört; aber was man sich von dir erzählt, ist alles Lüge und Unwahrheit. All deine Tapferkeit würde nur ein Gestank sein gegen die Tapferkeit der Scherarat. Du bist uns heute entgangen; aber ich schwöre dir zu, daß dich der Scheba et Thar[37] in kurzer Zeit verschlingen wird; dafür werde ich sorgen! Du bist ein Anhänger des falschen Gottes und ein Bekenner seines Sohnes, der als Lügner und Empörer den ehrlosen Tod am Kreuze starb; er war ein Giaur, wie du einer bist und – «

»Halt!« fiel ihm da der kleine Halef zornig in die Rede. »Sage dieses Wort ja nicht noch einmal, denn ich habe nicht so viel Geduld mit dir, wie – «

»Du? Zwerg, der du bist!« unterbrach ihn der Scherari lachend. »Nun ich nicht mehr gefesselt bin, lache ich über euch und wiederhole es, daß euch der Scheba et Thar alle verschlingen wird. Das Fleisch und Blut eines Giaurs wird ihm – «

Er kam nicht weiter; ein lauter, klatschender Schlag unterbrach seine Rede, denn der kleine, jähzornige Hadschi hatte ihm die scharfe, lederne Kamelpeitsche mit aller Kraft quer über das Gesicht gezogen und rief dabei:

»Das ist für den Giaur, du Hund! Wirst du es nun noch einmal sagen?«

Der Getroffene schrie vor Schmerz laut auf, fuhr sich mit beiden Händen nach dem Gesicht und stand eine Zeit lang ganz starr und unbeweglich. Dann aber that er einen Sprung vorwärts, um Halef zu packen, wobei er vor Wut wie ein Stier brüllte. Es war aber nur ein einziger Schritt, den er thun konnte, denn ein zweiter gewaltiger Hieb des Kleinen warf ihn förmlich wieder zurück. Und da stand auch ich bei ihm, faßte ihn bei den Oberarmen, drückte ihm dieselben gegen die Brust, daß er nur pfeifend Atem holen konnte, und drohte:

»Keinen Schritt weiter vorwärts, sonst zerdrücke ich dir die Rippen, Kerl! Deinen Scheba et Thar fürchten wir nicht. Und nun mach, daß du fortkommst von hier, sonst laß ich nicht mehr den Mund, sondern das Messer zu dir reden!«

Ich gab ihm einen Stoß, daß er zur Erde fiel und sich überschlug. Er raffte sich zwar gleich wieder auf, wagte es aber nicht, wieder angreifend vorzugehen, doch überschüttete er uns, während wir die Kamele bestiegen, mit einer Flut von Schimpfworten, und als wir dann fortritten, hörten wir ihn noch immer hinter uns her brüllen und drohen:

»Der Scheba et Thar wird euch verschlingen – — – der Scheba – — et – — Thar – — Scheba – — et – — Thar – — —!«

Sein Geschrei war im Wart gehört worden. Die Scherarat glaubten ihn in Gefahr und eilten ihm zu Hilfe, wie uns ihre Stimmen verrieten, welche wir hinter uns hörten. Wir hatten sie nicht zu fürchten, trieben aber dennoch unsere Kamele an, weil wir von jetzt ab Eile hatten.

Ich ritt voran; die beiden andern folgten mir. Nach einer Weile rief mir Halef zu:

»Aber, Sihdi, du schlägst doch eine ganz falsche Richtung ein; wir müssen geradeaus, nicht so weit nach rechts!«

»Wir müssen nach rechts,« antwortete ich.

»Warum?«

»Weil dorthin der Bir el Halawijat liegt.«

»Zu ihm wollen wir ja gar nicht!«

»Allerdings nicht. Wir müssen zu den Lazafah-Schammar, um sie vor den Scherarat zu warnen, was diese aber nicht ahnen dürfen. Darum habe ich zu dem Sohne des Zauberers gesagt, daß wir uns nach dem Bir el Halawijat wenden wollen, und um nicht als Lügner zu gelten und um die Scherarat zu täuschen, thue ich dies jetzt, denn sie werden, sobald der Morgen angebrochen ist, unserer Fährte folgen.«

»Willst du etwa ganz bis dorthin? Das würde für uns ein großer Umweg sein.«

»Du kennst doch den Weg?«

»Ja, genau.«

»So weißt du, daß wir nach einem halben Tagesritte auf den großen, weiten Hadschar el mahlis[38] kommen, wo die Kamele keine Spur hinterlassen und wir also links abweichen können, ohne daß die Scherarat es bemerken werden.«

»Das ist richtig, Sihdi. Da beweisest du wieder einmal, daß du wahrscheinlich klüger bist als ich.«

»Wahrscheinlich nur?« lachte ich. »Ja, ich wäre wahrscheinlich nicht so pfiffig, wie blind mitten unter zweihundert Scherarat hineinzureiten und mich von ihnen gefangen nehmen zu lassen, lieber Halef!«

28Thal resp. Regenbette.
29Versammlung der Aeltesten.
30Wirres Steingeblöck.
31Plural von Hedschihn, Reitkamel.
32Einzahl von Scherarat.
33Hölle.
34Vater des Zornes.
35Brunnen der Süßigkeiten.
36Brunnen der Dankbarkeit.
37Löwe der Blutrache.
38Glatte, ebene Felsenfläche.
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