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Im Reiche des silbernen Löwen I

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»Ich habe in Zeitungen darüber gelesen.«

»Bei dieser seiner Anwesenheit in der Hauptstadt Englands erinnerte er sich meiner, und ich bekam den Befehl, vor seinem Angesichte zu erscheinen. Die Folge dieser Audienz war, daß ich die Weisung erhielt, auch die Vereinigten Staaten kennen zu lernen. Als ich herüberkam, ahnte ich nicht, daß ich das Glück haben würde, hier den mutigen Kara Ben Nemsi kennen zu lernen, von dem mir Hadschi Halef Omar so viel berichtet hat. Und noch weniger hätte ich geträumt, daß ich dir meine Freiheit und mein Leben zu verdanken haben würde. Ich sehe, daß es sehr gefährlich ist, hier zu reisen; ich wollte es erst nicht glauben. Wird die Gefahr aufhören, wenn wir den Bereich der Prairie hinter uns haben?«

»Nein; sie wird sich im Gegenteile in den Felsenbergen jenseits derselben eher steigern als verringern.«

Da er nun dieses Thema festhielt, erfuhr ich über ihn nichts weiter als das Wenige, was er mir jetzt gesagt hatte. Ich mußte ihm Auskunft über den Westen geben; sich selbst erwähnte er nicht mehr.

Warum diese Verschwiegenheit? Sie war mir gegenüber auffällig, denn er kannte mich schon längst, wenn auch nur vom Hörensagen, und war mir, wie er ja soeben auch zugegeben hatte, zu Dank verbunden. Hatte er irgend eine Mission zu erfüllen, von welcher er nichts sagen durfte? Das war nicht wahrscheinlich, denn welche Mission konnte einen Perser quer durch Amerika führen? Oder befand er sich nur auf einer Art von Studienreise? Sollte er vielleicht hier sein Wissen bereichern, um es dann in seinem Vaterlande in irgend einer Anstellung zu verwerten? Dann hatte er es nicht nötig, so heimlich zu thun. Oder war er so zurückhaltend, um sich ein Relief zu geben, sich wichtig zu machen? Das wäre mir gegenüber wenn nicht lächerlich, doch auch nicht verständig gewesen. Wenn ein Orientale fünfundzwanzighundert geographische Meilen von seiner Heimat entfernt einen Mann trifft, mit dem er sich in seiner Muttersprache unterhalten kann, so ist es wohl thöricht von ihm, sich gegen diesen Mann zuzuknöpfen. Ich nahm mir vor, ihn ja nicht wieder zur Sprache auf sich selbst zu bringen.

Unser Ritt nahm einen raschen Verlauf. Die Fährte der Comantschen war stets deutlich und hielt uns also gar nicht auf. Die Indsmen waren wenigstens ebenso rasch geritten, wie wir ihnen folgten, und schienen, da sie nicht auf ihren Häuptling gewartet hatten, für die Sicherheit desselben gar keine Besorgnis zu hegen. Wir hatten noch zwei Stunden bis zum Abende, als ich den beiden Gefährten mitteilte, daß wir in der Nähe des »gelben Berges« angekommen seien. Da fragte mich Perkins:

»Werden wir direkt hinreiten?«

»Nein. Das hieße ja unser Spiel verloren geben!«

»Wieso?«

»Weil der Häuptling bei uns ist. Den dürfen die Roten nicht eher zu sehen bekommen, als bis sie ihre Gefangenen freigegeben haben, vielleicht auch dann noch nicht einmal, denn ich habe ihm die Freiheit nicht versprochen.«

»Sie müssen aber doch erfahren, daß er unser Gefangener ist!«

»Natürlich!«

»Wer soll es ihnen sagen?«

»Ihr, Mr. Perkins,« antwortete ich in ernstem Tone, obgleich ich es scherzhaft meinte.

»Ich?« rief er erschrocken aus. »Ich soll etwa das Totem hinschaffen?«

»Ja.«

»Warum ich? Kann das nicht Mr. Dschafar thun?«

»Nein, denn er kennt den Westen und die Indianer nicht, während Ihr nicht leugnen könnt, in dieser Beziehung Erfahrung zu besitzen.«

»Was das betrifft, so giebt es einen, der viel mehr Erfahrung hat als ich!«

»So?«

»Ja. Wißt Ihr, wen ich meine, Mr. Shatterhand?«

»Nun?«

»Euch selbst. Wenn es darauf ankommt, so seid Ihr der richtige Mann, die Comantschen aufzusuchen.«

»Nein, der bin ich nicht.«

»Möchte wissen, warum!«

»Weil ich bei dem Häuptling bleiben muß. Der ist mir so wichtig, daß ich ihn keinem andern anvertrauen darf.«

»Da muß ich Euch widersprechen. Ihn gut zu bewachen ist zehnmal leichter als seine Krieger aufzusuchen, um mit ihnen zu verhandeln. Ich fürchte sehr, daß ich da Dummheiten machen würde, durch die ich Euch in Gefahr brächte.«

»Hm, das befürchte ich freilich auch!«

»Nicht wahr? Ich halte es also für das Beste, daß Ihr es selbst übernehmt, die Roten zu benachrichtigen. Wir werden inzwischen irgendwo auf Eure Rückkehr warten.«

»Well! Wollte nur sehen, wieviel Mut Ihr habt.«

»O, Mut habe ich! Hierzu aber gehört außer dem Mute auch eine Klugheit, eine Verschlagenheit, welche – — welche – — welche – — – «

»Welche Ihr nicht besitzt? So! Das ist einmal so ehrlich aufrichtig gesprochen, wie ich es gern habe. Aber wenn Ihr so wenig klug seid, wie kann ich Euch da den Häuptling anvertrauen? Ich muß gewärtig sein, daß er nicht mehr bei Euch ist, wenn ich zurückkehre.«

»Nein, das habt Ihr doch nicht zu befürchten, Sir! Wir werden doch nicht so dumm sein, ihn loszubinden und laufen zu lassen!«

»Das wäre freilich nicht nur unklug, sondern geradezu verrückt. Aber es kann noch anderes passieren. Ich denke zwar, daß die Roten, wenn sie einmal bei den Gräbern ihrer Häuptlinge angekommen sind, sich heut nicht mehr von dort entfernen werden; aber es können doch einige von ihnen aus irgend einem Grunde die Gegend durchschwärmen und Euch entdecken.«

»Die schießen wir nieder!«

»Und wenn sie Euch überraschen?«

»Wir lassen uns nicht überraschen. Wir passen auf! Wir werden uns doch wohl eine Stelle aussuchen, wo es unmöglich ist, uns zu beschleichen.«

»Well! Aber wenn so viele kommen, daß sie Euch überlegen sind?«

»So brauchen wir uns dennoch nicht zu fürchten, denn wir thun das, was wir von Euch gelernt haben.«

»Was?«

»Wir drohen ihnen, den Häuptling sofort zu erschießen, wenn sie uns angreifen.«

»Das würde allerdings das Richtige sein. Ich weiß freilich recht gut, daß ich keinen von Euch beiden zu den Comantschen schicken kann; ich muß selbst zu ihnen und will hoffen, daß ich mich unterdes auf Euch verlassen kann.«

»Das könnt Ihr, Sir!« beteuerte er erleichtert. »Wir werden Euch den Häuptling bei Eurer Rückkehr genau so übergeben, wie Ihr ihn bei uns gelassen habt.«

»Ja, das werden wir,« bestätigte Dschafar. »Ich bin kein Feigling und auch nicht das, was man hier einen Dummkopf nennt. Sollten da einige Rote kommen, so stehe ich dafür, daß sie uns ihren Häuptling weder durch List noch durch Gewalt entreißen.«

Ja, er war wohl weder dumm noch feig; zu ihm hatte ich mehr Vertrauen als zu Perkins. Und was hätte ich auch machen wollen? Einer von uns mußte zu den Indianern, und das war keine Kleinigkeit, sondern ein Wagnis, zu dem ein ganzer Mann gehörte. Dazu paßte weder der Perser, dem es vollständig an Kenntnis der Verhältnisse mangelte, noch Perkins, welcher keinen Mut besaß. Ich war also gezwungen, ihnen den Häuptling anzuvertrauen.

Ich kannte die Stelle, an welcher sich die Häuptlingsgräber befanden. Der Makik-Natun hat an seiner Südseite eine Einbuchtung, deren Wände ziemlich steil ansteigen. Die Gräber, vier an der Zahl, lagen nebeneinander an der Westseite der Bucht, in welcher es keine Bäume, sondern nur Büsche gab. Im Hintergrunde der Bucht rieselte ein Quell aus dem gelben Gestein; dort hatten sich die Indsmen wahrscheinlich gelagert. Der Platz war in der Nähe der Gräber frei; die einst dortstehenden Sträucher waren infolge der öfters da stattfindenden Totenfeierlichkeiten verschwunden. Dagegen lief das Gebüsch noch außerhalb der Bucht nach rechts und links, also nach Osten und nach Westen am Fuße des Berges weiter, ein Umstand, welcher, wie man sehen wird, mir großen Vorteil bot. Diese Eintiefung oder Einbuchtung des Makik-Natun also war es, wo das Schicksal der Gefangenen heut entschieden werden sollte. Natürlich hing dabei mein Leben auch nur an einem einzigen Haare, denn selbst wenn der Indianer an jedem anderen Orte zum Frieden geneigt wäre, an den Gräbern seiner im Kampfe gefallenen Anführer regiert ihn nur der Haß, erfüllt ihn nur das Gefühl der Rache, und darum war dieser Ort eigentlich für unser Vorhaben schlecht gewählt. Freilich gab es keine andere Wahl, denn wir konnten nicht bis später warten, weil vorauszusehen war, daß die Gefangenen morgen hingerichtet würden.

Wir folgten der Fährte der Comantschen soweit, bis wir den »gelben Berg« genau nördlich vor uns liegen und vielleicht noch eine halbe Stunde zu reiten hatten, um ihn zu erreichen. Da wichen wir von ihr westlich ab, ritten zunächst parallel mit dem Berge und lenkten dann auf ihn zu, hielten aber an, ehe wir ihn erreichten.

»Sollen wir etwa hier schon absteigen?« fragte Perkins.

»Ja,« antwortete ich.

»Und hier auf Euch warten?«

»Ja.«

»Aber, Sir, nehmt es mir nicht übel, das ist ja der größte Fehler, den wir machen können!«

»Warum?«

»Wir sind in der Nähe der Feinde, und da so auf offenem Felde kampieren, ist doch wohl eine Unvorsichtigkeit?«

»Es ist im Gegenteile eine Klugheit, welche mir als sehr geboten erscheint. Wenn wir bis hinüber zum Berge reiten, wo es Büsche und Bäume giebt, könnt Ihr während meiner Abwesenheit beschlichen und ganz unversehens überfallen werden. Es genügt da ein einziger Roter, um Euch beide aus dem Hinterhalte zu erschießen und den Häuptling zu befreien.«

»Hm, das ist vielleicht richtig!«

»Nicht nur vielleicht! Wir haben uns ja schon vorgenommen, jeden Ort zu vermeiden, an dem Ihr überrumpelt werden könnt. Hier ist die Gegend frei, und Ihr könnt jeden Menschen, der sich Euch nähert, schon von weitem sehen; von einem plötzlichen Ueberfalle kann also keine Rede sein. Und sollten mehrere Rote kommen, was gar nicht zu erwarten steht, so könnt ihr Eure Gewehre nach allen Seiten richten und sie in Schach halten. Selbst den schlimmsten Fall gesetzt, daß Ihr Euch ihrer großen Ueberzahl wegen ihrer nicht erwehren könntet, so genügt die Drohung, ihren Häuptling zu töten, sie von Euch abzuhalten. Ihr selbst habt das vorhin zugegeben.«

 

»Well! Ich sehe ein, daß Ihr recht habt, Sir. Bleiben wir also hier an diesem Orte! Wann sucht Ihr die Roten auf?«

»Sobald ich den Häuptling sicher weiß.«

»Werdet Ihr gehen oder reiten?«

»Reiten.«

»Euch also nicht anschleichen?«

»Nein. Es ist am hellen Tage, und die Oertlichkeit eignet sich nicht dazu. Uebrigens komme ich als Parlamentär, als Abgesandter ihres Häuptlings und mit dem Totem desselben zu ihnen; das kann Old Shatterhand nur zu Pferde thun.«

»Und Eure Gewehre nehmt Ihr mit?«

»Ja.«

»Das ist viel gewagt. Es ist möglich, daß sie sie Euch abnehmen.«

»Pshaw! Ohne die Gewehre würde ich wahrscheinlich nichts, gar nichts ausrichten; jedenfalls sind sie in meinen Händen sicherer als anderswo. Jetzt herunter von den Pferden!«

Wir stiegen ab und nahmen To-kei-chun aus dem Sattel. Dann fesselte ich selbst ihn so, daß ich mich unbesorgt um ihn entfernen konnte. Als Dschafar und Perkins ihre Pferde angepflockt und sich zu dem Comantschen gesetzt hatten, ermahnte ich sie, eigentlich wohl ganz überflüssigerweise:

»Also haltet gut Wache! Hört auf keine Reden, Bitten und Versprechungen des Gefangenen, und laßt keinen Menschen zu Euch heran.«

»Macht Euch keine unnützen Gedanken, Sir!« antwortete Perkins. »Ich wollte, wir brauchten um Euch so wenig Sorge zu haben, wie Ihr um uns!«

»Umgekehrt, Mr. Perkins! Mir sollen die Roten nichts anhaben. Also Ihr wißt, wie Ihr Euch in jedem Falle zu verhalten habt?«

»In einem noch nicht.«

»Welchen meint Ihr?«

»Den, daß sie Euch festnehmen und Ihr nicht wiederkommt.«

»Dieser Fall tritt nicht ein, denn ich werde sagen, daß der Häuptling getötet wird, wenn ich nicht in einer bestimmten Zeit zurück bin. Ich wiederhole noch einmal: Laßt keinen Menschen zu Euch heran, ganz gleich, ob er es mit Gewalt oder mit List versucht! Der Häuptling darf nur durch mich selbst losgebunden und freigegeben werden!«

»Schon gut! Wir wissen nun alles. Wir wünschen Euch für Euer Vorhaben genau so großes Glück, wie groß hier unsere Wachsamkeit sein wird.«

Solche Reden hätten mich zwar beruhigen sollen, aber als ich mich nun wieder auf das Pferd setzte und weiterritt, geschah es doch nicht ohne alle Sorge.

Die Frist bis zum Anbruche der Dunkelheit betrug nun nur noch anderthalbe Stunde. In dieser Zeit mußte ich die Weißen frei haben; da ich aber wußte, wie langsam und bedächtig die Indianer bei solchen Verhandlungen zu sein pflegen, mußte ich mich jetzt sputen. Ich hielt also im Trabe auf die Häuptlingsgräber zu und untersuchte dabei vorsichtigerweise meine Gewehre und Revolver; ich mußte mich auf sie verlassen können, falls es zu Feindseligkeiten kommen sollte, was ich aber keineswegs erwartete.

Ich erwähnte vorhin, daß sich das Gebüsch auch westwärts an dem Berge hinzog. Um so spät wie möglich bemerkt zu werden, hielt ich mich zwischen den Ausläufern desselben, wo jeder einzelne Strauch mir Deckung bieten mußte. So kam ich an die Einbuchtung und bog um die Ecke derselben. Den Platz rasch überblickend, sah ich die Roten im Hintergrunde am Wasser lagern, also so, wie ich es vermutet hatte. Nur einige von ihnen befanden sich links bei den vier Gräbern; sie waren beschäftigt, diese für die morgende Feier dadurch zu schmücken, daß sie an da eingesteckten Lanzen ihre Medizinen aufhingen. Ihre Pferde weideten im Vordergrunde.

Natürlich wurde ich gesehen, sobald ich um die Ecke gebogen war. Ein Weißer hier an dieser ihnen so heiligen Stelle! Jetzt, wo sie das Kriegsbeil ausgegraben hatten! Das war geradezu unerhört, so unerhört, daß zunächst ein tiefe, tiefe Stille eintrat; dann aber brach die Rotte in ein um so wilderes, wahrhaft markerschütterndes Gebrüll aus. Die Kerle sprangen auf, ergriffen ihre Waffen und kamen auf mich zugesprungen. Sie zückten ihre Messer, schwangen ihre Flinten und Lanzen und umringten mich in allen möglichen drohenden Stellungen.

»Still, seid still!« überschrie ich ihr Geheul. »Hört, was ich euch zu sagen habe!«

Dabei wirbelte ich den schweren Bärentöter nach rechts und links, nach hinten und vorn, um einige Bursche, welche sich zu nahe an mich machten, von mir abzuhalten. Dadurch kam der eine und der andere mit dem Kolben in unangenehme Berührung; sie verstärkten ihr Geschrei und machten Miene, im Ernst auf mich einzudringen; da überbrüllte ein alter Kerl alle die andern:

»Uff, uff, uff! Schweigt, ihr Krieger der Comantschen! Der gute Manitou hat uns einen großen Fang gesandt. Dieser Mann ist das berühmteste unter allen Bleichgesichtern; er wird morgen mit denen, die dort hinten liegen, am Marterpfahle sterben.«

Ich sah über die Roten hinweg nach dem Hintergrunde; dort lagen die sechs weißen Gefangenen.

Als die Roten dem Alten gehorchten und schwiegen, fuhr er in triumphierendem Tone fort:

»Ich habe diesen weißen Mann nicht sogleich erkannt, weil er nicht den Anzug eines Jägers trägt. Hört seinen Namen, ihr Krieger der Comantschen! Es ist Old Shatterhand!«

»Old Shatterhand – — Old Shatterhand!« ertönte es rundum in erstauntem, aber auch drohendem Tone, aber die mir zunächst standen, wichen unwillkürlich zurück.

»Ja, ich bin Old Shatterhand, der Freund und Bruder aller roten Männer, welche das Gute lieben und das Böse hassen,« ließ ich mich nun wieder hören. »Hier bei euch am Marterpfahle sterben, das werde ich nicht, denn To-kei-chun, euer Häuptling, hat mich zu euch gesandt. Ich komme als sein Bote, und wer es wagen sollte, sich an mir zu vergreifen, den brauche ich nicht zu töten, denn To-kei-chun wird ihn bestrafen.«

Das klang so wahr und so zuversichtlich, daß es den beabsichtigten Eindruck nicht verfehlte. Sie wichen noch weiter zurück und flüsterten sich leise Bemerkungen zu. Die Augen waren zwar feindselig auf mich gerichtet, aber wie auf einen Feind, den man nicht anzugreifen wagt. Nur der Alte trat einen Schritt näher und rief mir zu:

»To-kei-chun hat dich gesendet? Das ist eine Lüge!«

»Wer kann sagen, daß Old Shatterhand jemals gelogen habe?« fragte ich.

»Ich!« antwortete er.

»Wann und wo?«

»Damals als du unser Gefangener warst und uns doch entkamst.«

»Das lügest du selbst! Sprich, welche Lüge soll ich damals gesagt haben?«

»Nicht mit Worten, sondern durch die That hast du damals gelogen. Du gebärdetest dich als unser Freund und handeltest doch als unser Feind!«

»Dein Mund ist voller Unwahrheit. Hatte ich nicht den Sohn To-kei-chuns in meiner Gewalt? Sollte er nicht sterben? Habe ich ihm nicht das Leben geschenkt und ihn sicher zu euch geführt? Aber welchen Lohn bekam ich dafür? Ihr behandeltet mich als Gefangenen! Wessen Thun war da verwerflich? Das meinige oder das eurige?«

»Du durftest fort und befreitest auch die andern Gefangenen!« antwortete er, schon weniger zuversichtlich.

»Sie waren meine Gefährten, und die Versammlung eurer weisen Männer gab sie frei.«

»Weil du sie durch deine Faust und mit deinen Gewehren dazu zwangst. Du bist nicht unser Freund und Bruder, und To-kei-chun hat dich nicht zu uns gesandt!«

»Es ist genau so, wie ich sage: er schickt mich her!«

»Kannst du es beweisen?«

»Ja.«

»Uff! Wie will die Klapperschlange beweisen, daß sie nicht giftig ist! Oeffne deinen Mund, und erfahre dann, ob wir dir Glauben schenken!«

»Ihr werdet mir glauben, denn ich habe euch ein Totem zu übergeben.«

»Ein Totem? Von To-kei-chun? Er ist zurückgeblieben. Warum sendet er einen Boten? Warum kommt er nicht selbst?«

»Weil er nicht kann.«

»Warum kann er nicht? Gieb das Totem her!«

»Wer ist in seiner Abwesenheit der Anführer? Der soll es erhalten.«

»Ich bin es.«

»Kannst du ein Totem lesen?«

»Ja. Mehrere von uns können das.«

»Da hast du es.«

Ich zog die Blätter aus der Tasche und gab sie ihm. Er nahm sie und gebot seinen Leuten:

»Umringt dieses Bleichgesicht, und laßt es nicht von der Stelle! Es will uns betrügen. Ein Totem wird auf Leder gemacht, aber nicht auf so ein Ding, was die Weißen Papier nennen. So ein Papier kann nie als Totem gelten.«

Ah! Nie als Totem gelten! Also darum der befriedigte Blick des Häuptlings, als ich ihm sagte, er solle auf Papier schreiben! Diese Zeichnung galt nicht als Totem; sie schützte mich nicht! Nun, ich hatte trotzdem des Schutzes genug. Infolge der Aufforderung drängten sich seine Leute wieder näher an mich. Da nahm ich den Stutzen zur Hand und rief:

»Zurück von mir! Habt ihr nicht von diesem Zaubergewehre gehört, mit welchem ich ohne Aufhören schießen kann, ohne zu laden? Wer seine Hand nach einer Waffe oder gar nach mir selbst ausstreckt, der bekommt eine Kugel! Macht Platz! Ich will nicht fort, aber ich gehe dahin, wohin es mir gefällt!«

Ich spannte den Hahn des Stutzens, nahm das Repetiergewehr par pistolet in die rechte Hand, ließ meinen Schwarzschimmel, um mir Raum zu machen, mit ausschlagenden Hufen im Kreise springen und lenkte ihn dann nach dem Hintergrunde, wo die Gefangenen lagen.

Ich wußte wohl, was ich that, was ich riskieren durfte. Es gab wohl keinen unter den Comantschen, der nicht von diesem meinem »Zaubergewehre« gehört hatte. Ihr Aberglaube ließ ihnen den Stutzen als eine Waffe erscheinen, welcher gegenüber es keinen Widerstand gab. Sie sahen ihn schußfertig in meiner Hand und wichen zurück. Erst als ich durch ihren Haufen war, kamen sie hinter mir her, doch in für mich genügender Entfernung. Nur der Alte wagte sich näher und rief mir zu:

»Wo willst du hin? Zu den gefangenen Bleichgesichtern?«

»Ja.«

»Das darfst du nicht!«

»Wer will es mir untersagen?«

»Ich.«

»Pshaw!«

Ich antwortete nur dieses eine Wort und ritt weiter. Da kam er noch näher, streckte die Hand nach meinem Zügel aus und schrie:

»Nicht weiter, sonst nehme ich dich gefangen!«

»Versuche es! Wer wagt es noch von euch, Old Shatterhand etwas zu verbieten, was ihm zu thun gefällt?«

Ich hielt mein Pferd an und richtete den Lauf des Stutzens auf den Alten.

»Uff, uff!« erscholl da sein Angstruf, mit welchem er im Haufen der Seinen verschwand. Ein anderer an meiner Stelle wäre von den Comantschen vom Pferde gerissen und sofort getötet oder wenigstens gefesselt worden; mir geschah dies nicht. Warum? Das hatte mehrere Gründe. Erstens wußten sie nun doch, daß ich von ihrem Häuptling gesandt worden war. Zweitens wirkte die Furcht vor meinem Gewehre. Drittens stand ich überhaupt bei ihnen in einem Rufe, der mir ein solches Wagnis ermöglichte. Was bei einem andern Tollkühnkeit hätte genannt werden müssen, war bei mir nur einfache Berechnung und Ausnützung dieser Umstände. Und endlich viertens wußte ich, daß mein Auftreten geradezu verblüffend wirken mußte. Ich zeigte, um den richtigen Ausdruck zu gebrauchen, eine Frechheit, die ihnen aber als etwas ganz anderes erschien. Das, was ich that, war in ihren Augen nicht das Verhalten eines verwegenen Menschen, sondern die Handlung einer mit einer »höhern Medizin« ausgestatteten und vom »großen Manitou« bevorzugten Persönlichkeit.

Ich lenkte mein Pferd wieder nach dem Hintergrunde, von woher mir der laute Ruf entgegenscholl:

»Old Shatterhand! Gott sei Dank! Euch hier zu sehen, ist das höchste der Gefühle!«

Ich hatte für diese Worte Jim Snuffles keine Erwiderung, weil ich die Roten nicht noch mehr aufregen wollte, hielt in der Nähe der Weißen an der Felswand an, stieg vom Pferde und setzte mich so nieder, daß ich an der Wand lehnte und den Rücken also frei hatte. Die Indianer bildeten einen Halbkreis um mich, doch in respektvoller Entfernung, weil ich den Stutzen noch immer schußfertig hielt. Ich befand mich, wenigstens einstweilen, in vollständiger Sicherheit.

Der vorhin eingeschüchterte Alte ließ sich jetzt wieder sehen; ich winkte ihm zu und forderte ihn auf:

»Mein roter Bruder mag nun das Totem lesen! Er wird aus demselben ersehen, daß ich gekommen bin, To-kei-chun, den Häuptling der Comantschen, vom Tode zu erretten.«

»Vorn Tode?« fragte er schnell und erschrocken. »Befindet er sich in Gefahr?«

»In einer sehr großen. Wenn ich nicht von jetzt an in der Zeit, welche wir Weißen eine halbe Stunde nennen, zu ihm zurückgekehrt bin, muß er sterben.«

»Uff – uff – uff – — uff!« ertönte es erschrocken im Halbkreise.

Der Alte setzte sich mir grad gegenüber nieder und nahm die Blätter vor, um sie zu entziffern. Ich betrachtete dabei sein Gesicht aufmerksamer, als ich es bisher gethan hatte; er wohl ein kluger, vielleicht gar ein pfiffiger Kerl. Schon nach kurzer Zeit hob er schnell den Kopf empor und warf einen langen, stechenden Blick auf mich. Er hatte die erste Figurengruppe enträtselt und wußte nun, daß sein Häuptling sich in meiner Gefangenschaft befand. Dann setzte er das mühsame Studium des Totems fort.

 

Von jetzt an verzog er keine Miene mehr; er verstand es, den Eindruck, den das, was er erfuhr, auf ihn machte, vollständig zu verbergen. Als er das letzte Blatt weglegte, blickte er lange und nachdenklich zur Erde nieder; er überlegte; ich hielt es nicht für gut, ihn dabei zu stören. Dann sah er mich wieder an, und zwar in einer Weise, welche, wenn ich meiner Sache nicht so sicher gewesen wäre, mich wohl um mich besorgt gemacht hätte.

Hierauf winkte er einen Roten herbei, einen starken, gewandt aussehenden Kerl, der sich zu ihm setzen mußte. Sie sprachen leise, sehr leise miteinander, wobei weder der eine noch der andere zu mir herübersah. Das dauerte eine ziemliche Weile, bis der zweite aufstand und wieder in den Halbkreis zurücktrat.

Diese sonderbare Wirkung des Totems wollte mir gar nicht gefallen. Ich hatte große Aufregung mit wütender Bedrohung meiner Person erwartet, und nun diese Ruhe! Sie wurde mir nachgerade unheimlich, zumal sie solange anhielt; denn der Alte sagte noch immer nichts, sondern blickte wieder wortlos und still vor sich nieder, und die Roten standen um uns her und hingen mit verlangenden Blicken an ihm, ohne daß er ihrer gespannten Wißbegierde ein Ende machte. Da mußte ich ihn denn doch nun fragen:

»Hat mein roter Bruder das Totem des Häuptlings verstanden?«

»Ja,« antwortete er.

Und nun stand er langsam auf und richtete an die Seinen die mir wieder sonderbare Aufforderung:

»Es ist etwas geschehen, was man für unmöglich halten sollte. Meine Brüder werden es sogleich hören; sie mögen aber nichts sagen, sondern sich ganz ruhig dabei verhalten; dies ist mein Befehl und geschieht um unsers Häuptlings willen!«

Hierauf wendete er sich mir wieder zu und fragte:

»Old Shatterhand hat To-kei-chun gefangen genommen?«

»Ja,« antwortete ich.

»Ist der Häuptling dabei verletzt worden?«

»Nein.«

»Es ist kein Blut geflossen?«

»Nein.«

»Es waren zwei Weiße dabei, darunter derjenige, der uns gestern am Flusse so heimlich entkommen ist?«

»Ja.«

»Was wird mit To-kei-chun geschehen?«

»Er muß sterben, wenn ich nicht in einer Viertelstunde bei ihm bin. Also bedenke wohl die Befehle, welche er dir auf seinem Totem giebt.«

»Er sagt mir, daß du ihn freilassen willst. Wofür?«

»Für die sechs Gefangenen hier. Doch ist es eigentlich anders. Um seine Medizin zu retten, will er mir diese sechs Weißen geben. Wann auch er die Freiheit erhält, das soll auf meine Güte ankommen.«

»So ist es; es steht auf dem Totem. Aber wir brauchen diesem Totem nicht zu gehorchen, weil es nicht von Leder ist; das weiß er gar wohl.«

»Dann verliert er das Leben!«

»Er wird nicht sterben. Old Shatterhand ist sonst ein kluges Bleichgesicht; diesmal aber hat er sich verrechnet.«

»Meine Rechnung ist richtig; darauf kannst du dich verlassen!«

Ich sagte das, um ihn zu einer unvorsichtigen Aeußerung zu verleiten. Sein Verhalten ließ auf irgend eine Hinterlist schließen, die ich entdecken wollte. Es glückte mir, meine Absicht zu erreichen, denn er antwortete:

»Sie ist falsch; das wirst du in kurzer Zeit einsehen. Warte nur, bis ich mich mit den ältesten dieser Krieger beraten habe!«

»So beeilt euch, denn wenn die angegebene Frist verstrichen ist, kann der Häuptling nicht mehr gerettet werden.«

Er suchte trotz dieser Aufforderung zur Schnelligkeit nur sehr langsam einige Rote aus, mit denen er sich niedersetzte, um leise mit ihnen zu verhandeln. Die übrigen verhielten sich nach seinem Befehle ruhig, aber die funkelnden Blicke, die sie einander zu- und auf mich warfen, zeugten von der Erregung, in der sie sich befanden.

»Sie ist falsch; das wirst du in kurzer Zeit einsehen,« lautete also seine Antwort, die mir von großer Wichtigkeit war. Er hatte etwas vor, was ich nicht wissen sollte. Vielleicht war es schon im Gange! Aber was? Es konnte nur die Befreiung des Häuptlings sein.

Wenn diese gelang, gerieten Dschafar und Perkins in Gefangenschaft, und ich wurde hier überwältigt.

Wenn er diesen Plan wirklich hegte, so war derselbe gar nicht schwer auszuführen. Aus dem Totem wußte er, daß nur zwei Wachen bei dem Häuptling sein konnten. Die Frist, welche ich ihm gestellt hatte, sagte ihm die ungefähre Entfernung des Ortes, an welchem To-kei-chun zurückgehalten wurde. Und dieser Ort war leicht zu finden; man brauchte ja nur meine Spur von hier aus rückwärts zu verfolgen. Wenn meine Vermutung richtig war, so kam es nur darauf an, wie Dschafar und Perkins sich verhielten, ob sie so handelten, wie ich ihnen befohlen hatte.

Er sprach leise auf die andern Berater ein, die sich nicht enthalten konnten, mir triumphierende Blicke zuzuwerfen. Dies und sein pfiffiges Gesicht bestärkten mich in der Ueberzeugung, daß ich richtig dachte. Dabei spielte er mit den Papierblättern, nahm sie auseinander und legte sie wieder zusammen. Gewohnt, auf alles zu achten, bemerkte ich, daß jetzt ein Blatt fehlte.

Ah, sollte er es dem Roten gegeben haben, mit dem er zuerst gesprochen hatte? Es war das leicht möglich gewesen, ohne daß ich es sehen konnte. Durch dieses Papier konnten meine beiden Gefährten leicht zu einer Unvorsichtigkeit verleitet werden. Es brauchte nur ein Roter sich ihnen zu nähern, das Blatt emporzuhalten und dabei zu sagen, daß es von mir komme und eine Weisung enthalte. Mir wurde bange. Ich mußte wissen, woran ich war. Ich wußte, wieviel Rote sich hier befanden; ich mußte sie zählen. Weil ich an der Erde saß, konnte ich sie nicht überblicken; ich stand also auf. Um diese Bewegung möglichst harmlos erscheinen zu lassen, griff ich in die Satteltasche und nahm ein Stück Hasenfleisch heraus, welches ich mir aufgehoben und da hineingethan hatte. Ich aß es, indem ich stehen blieb und mein Auge über die Indianer gleiten ließ.

Diese waren durch mein Aufstehen aufmerksam geworden; als sie mich aber essen sahen, legten sie dieser Veränderung meiner Stellung keine Bedeutung bei. Ein Weißer, welcher ruhig ißt, obwohl er sich in einem feindlichen Indianerlager befindet, hat sicherlich nichts Besorgniserweckendes vor. Also ich zählte; es fehlten fünf Mann, darunter der Rote, mit welchem der Alte zuerst gesprochen hatte. Waren sie fortgegangen oder fortgeritten? Wahrscheinlich das letztere, um keine Zeit zu verlieren. Daß sie zu den Pferden gegangen waren, hatte ich nicht sehen können, weil ich umringt war. Durfte ich ruhig abwarten, was geschehen würde? Nein! War der Häuptling frei, und fand er Zeit, das Lager zu erreichen, so hatten wir das Spiel verloren. Gelang es mir aber, ihm unterwegs zu begegnen, konnte ich den Fehler vielleicht noch ausgleichen. Da mußte ich mich aber beeilen!

Ich hatte, obgleich ich vorhin saß, den Bärentöter quer auf dem Rücken und den Stutzen in der Hand behalten; ich war also nicht durch das Ergreifen der Gewehre gezwungen, die Aufmerksamkeit vorzeitig auf mich zu ziehen. Daß der Alte nur fünf Krieger fortgeschickt hatte, war jedenfalls in der Erwägung begründet, daß ich das Fehlen einer größeren Anzahl hätte bemerken müssen. Fünf nur, das beruhigte mich einigermaßen; aber desto mehr standen hier, deren Kugeln sehr wahrscheinlich hinter mir herpfeifen würden!

Da winkte der Alte noch einigen Roten, die sich auch zu ihm setzen sollten; das lenkte die Blicke nach der betreffenden Stelle hin, während auf mich niemand sah.

Diesen günstigen Augenblick benutzte ich sofort, schwang mich in den Sattel, gab dem Pferde die Sporen und flog davon, mitten unter die Indianer hinein. Ich lenkte den Schimmel absichtlich nach dem Punkte, wo sie am dichtesten standen, denn je größer die Verwirrung war, welche ich anrichtete, desto später besannen sie sich darauf, mir zu folgen.

Ich überritt fünf oder sechs, riß ebensoviele um und lenkte dann nach der Ecke, um welche ich gekommen war. Im ersten Augenblicke vor Ueberraschung still, erhoben sie dann ein Geheul, welches wie von wilden Tieren klang. Wahrscheinlich sprangen sie hierauf zu ihren Pferden; aber schon flog ich um die Ecke und auf meiner Fährte weiter; ein einziger Blick auf sie sagte mir, daß die fünf Comantschen ihr wirklich gefolgt waren.

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