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Im Reiche des silbernen Löwen I

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Tief gerührt von diesem demütigen, wenn auch fast unbeabsichtigten Geständnisse antwortete ich ihm:

»Du sprichst da von der Rechenschaft, welche wir dereinst alle von unserem Thun und Lassen abzulegen haben. Oh, wenn ich könnte, ich würde gern, sehr gern für jeden einzelnen Menschen den Tod erleiden, wenn er dadurch zu der Einsicht käme, daß jedes gesprochene und unter Umständen auch jedes nicht gesprochene Wort dort vor dem Richter mit Centnerschwere in die Wagschale fallen wird. Und wenn dies mit den Worten geschieht, mit denen wir hier wie mit leichten, schnell zerrinnenden Schneeflocken um uns werfen, von welcher Schwere müssen da erst die Thaten und Unterlassungen sein, wenn sie auf ihren Wert und ihre Wirkung hin gewogen werden! Ich sage dir: Wenn wir Menschen alle uns dieser furchtbaren Verantwortlichkeit bewußt wären und uns mit Ernst bestrebten, sie in unserem Verhalten keinen Augenblick außer acht zu lassen, so würde zwar nicht die Sünde ganz verschwinden und die Erde ganz zum Himmel werden, aber der Ocean der Schmerzensthränen, dessen Wasser heut noch immer höher und höher steigen, würde vertrocknen, es gäbe weder Haß noch Rache, weder Kampf noch Streit, weder Ueberhebung noch Neid oder Unzufriedenheit, sondern die Liebe, die vom Himmel herniederstrahlende, unendliche Liebe würde ihre Schwingen breiten von einem Pole bis zum andern, vom Aufgange bis zum Niedergange über unsere ganze Erdenwelt und über ein Gott wohlgefälliges Menschengeschlecht, dem alle Millionen Thore und alle Seligkeiten des ewigen Zions offen stehen. Schau in die heilige Schrift, und lies: »Was kein Menschenauge jemals sah und kein Menschenohr jemals hörte, das hat Gott denen bereitet, die ihn lieben!« Hier steht es wieder, das einzige, große Gebot, welches stets ohne Unterlaß erklingt, das einzige, große Wort, um welches sich Sonnen und Welten drehen, die von ihm und nur allein von ihm gehalten werden, nämlich die Liebe. Gott verlangt nichts, nichts von uns als nur Liebe, Liebe und immer wieder Liebe, denn sie ist es, außer welcher es keine Macht oder Kraft in der ganzen Schöpfung, weder im Himmel noch auf Erden giebt, wenn wir auch zu schwach sind, dieses herrliche, für uns unfaßbare Gotteswunder zu begreifen. Wir besitzen wohl das Wort, aber wir haben keine Ahnung von dem Wesen und dem Inhalte dessen, was es bezeichnen soll. Wir sind wie Blinde diesem Glanze gegenüber und erst der Tod, der ja kein Sterben ist, wird uns sehend machen. Auch du bist von dieser Liebe, von dieser unendlichen Fülle der Barmherzigkeit getragen worden, ohne daß du es wußtest. Du hast die unsichtbare Hand nicht geschaut, welche von Stunde zu Stunde offen war, die deine zu ergreifen, wenn du sie ihr nur entgegenstrecken wolltest. Sie schwebt auch jetzt noch über dir; greif zu; ich bitte dich! Es steigen immerwährend Engel auf und ab, dem Schlage deines Herzens zu lauschen, ob nicht doch endlich das Verlangen darin entstehen will: Herr halte mich, denn sonst versinke ich!« Greif zu, und laß den Regen vorüber sein, welcher die Pflanze entblättert hat! Sie ist noch jung und stark genug, um neu zu grünen, zu blühen und auch Frucht zu bringen. Du glaubst nicht, wie wichtig, wie heilig mir die jetzigen Augenblicke um deinetwillen sind. Wie müssen sie erst dir, der du aus der Tiefe des Grames und des Kummers – — —«

Ich konnte nicht weitersprechen, denn er sprang auf, warf dem Onbaschi den längst ausgegangenen Tschibuk hin und rief aus:

»Halt auf, halt auf, Effendi! Ich muß fort, ich muß fort; ich halte es nicht länger aus!«

Er eilte nach der Luke, welche vom Dache in das Innere des Hauses führte. Als er bis zum Kopfe in derselben verschwunden war, drehte er sich noch um und fügte hinzu:

»Bleibt aber hier oben, denn ich komme wieder!«

Als er fort war, hörten wir lange nichts als wieder nur das leise Flüstern der Palmen. In meiner jetzigen, frommen Stimmung erklang es mir wie das Flüstern der Cypressen auf der Höhe des Horeb, wohin sich der Prophet Elias einst vor den Nachstellungen Achabs und Jezebels flüchtete. Dort[191] hörte er einen starken Sturm, der die Berge zerriß, aber der Herr war nicht darin; dann kam ein Erdbeben, aber der Herr war nicht darin; nach dem Erdbeben kam ein Feuer, aber der Herr war nicht im Feuer; und nach dem Feuer kam ein leises, sanftes, liebliches Säuseln; in diesem Säuseln war der Herr. So offenbarte sich auch dort der Herr der Heerscharen nicht im Sturme, im Erdbeben, im Feuer, sondern im stillen Säuseln, nicht in seiner strengen Gewalt und Macht, sondern in seiner Liebe und schonenden Barmherzigkeit. Vielleicht nahm diese Barmherzigkeit sich jetzt der Seele an, welche von dem Widerstreite der Gedanken und Empfindungen unten im Garten hin und her getrieben wurde! Ich hörte nämlich nun die Schritte des Bimbaschi, welcher das Haus verlassen hatte und unter den Bäumen sich bewegte.

Unser Gespräch schien auch auf Halef und den Onbaschi eine tiefe Wirkung gemacht zu haben, denn sie sagten kein Wort. Wenn der kleine, sonst so gesprächige Hadschi in dieser Weise schwieg, mußte er sehr mit sich selbst beschäftigt sein. Nach einer Weile aber sagte er leise, als ob er sich scheue, die tiefe Stille zu unterbrechen:

»Sihdi, horch! Er weint!«

Er hätte gar nicht nötig gehabt, mich darauf aufmerksam zu machen, denn ich hatte das von unten heraufklingende Schluchzen auch gehört. Das starre Herz war gebrochen. Ein Auge, welches noch Thränen finden kann, wird auch seinen Herrgott finden, wenn es ihn ernstlich sucht.

Es verging eine lange Zeit. Der Onbaschi schien sich nur mit dem Tschibuk zu beschäftigen; er qualmte wie ein Schornstein und stopfte, wenn er ihn ausgeraucht hatte, immer von neuem. Aber sein Inneres mußte auch in Bewegung sein, denn aus der dichten Rauchwolke, welche ihn umhüllte, klang zuweilen ein glucksender Ton, welchen man zu hören pflegt, wenn jemand mit seiner Rührung oder gar mit Thränen kämpft. Und da teilte sich die Wolke; der Dicke schob sich zu mir her und rief, in ein plötzliches Weinen ausbrechend, wobei er mir den ganzen Qualminhalt seines Mundes ins Gesicht blies:

»Emir, mein Effendi weint! Das hat er noch nie gethan, seit ich ihn kenne. Das kann ich nicht mit anhören; das halte ich nicht aus! Sag mir, ob es ihm schaden wird!«

»Sorge dich nicht um ihn!« antwortete ich. »Thränen mildern jedes Leid; sie werden ihm eine Wohlthat sein.«

»Aber mir nicht! Du mußt doch einsehen, daß seine Thränen mein Leid nicht mildern, sondern vergrößern! Mir laufen ganze Wasserbäche über die Wangen und fließen in mein inneres, so daß mein Herz auf ihnen schwimmt. Du hast mit deinen Worten nicht nur ihn, sondern auch mich zu Thränen gerührt. Kann es denn wirklich eine Liebe geben, welche so groß ist, wie du sie beschriebst?«

»Ja, lieber Kepek, es giebt eine solche.«

»Lieber Kepek, hast du gesagt? Emir, so hat mich noch niemand genannt als nur mein Effendi, und auch dieser bloß ein einziges Mal! Lieber Kepek! Ich habe viele Christen, die ich kannte, hassen müssen, denn sie besaßen keine Spur von Liebe; aber in der Weise, in welcher du von ihr sprichst, kann doch nur ein Christ von ihr reden. Nicht?«

»Ja. Die Christen, welche keine Liebe besaßen, nannten sich nur so, waren aber keine.«

»Sie stellten sich aber außerordentlich fromm, diese Armenier mit Habichtsnasen und diese Griechen und Levantiener mit den listigen Augen, welche auf nichts als nur auf ihren Geldbeutel sahen. Allah setze ihnen einen Hut auf den Kopf! Doch da kommt mein Effendi wieder!«

Er schob sich auf seinen Platz zurück. Die soeben gehörte Redensart vom Hute ist eine im Oriente sehr gebräuchliche; sie wird, da die Muhammedaner nie Hüte tragen, nur gegen Christen gerichtet und hat eine sehr verächtliche Bedeutung.

Der Bimbaschi kehrte zu uns zurück. Als er sich wieder niedergesetzt hatte, bat er:

»Erlaube, Effendi, daß wir unser Gespräch jetzt nicht fortsetzen! Und fordere auch nicht von mir, dir zu sagen, warum ich diesen Wunsch hege! Willst du?«

Ich verstand ihn nur zu wohl. Es war etwas in ihm erstanden, was unberührbare Heiligkeit für ihn besaß. Es begann in seinem Innern ein Altar emporzuwachsen, vor welchem nur seine eigene Seele anbetend knieen durfte, Weitere Einwirkung meinerseits hätte als Entweihung wirken können. Darum antwortete ich:

»Du kommst meinem Wunsche mit dem deinigen zuvor. Auch ist der Abend fortgeschritten. Laß uns schlafen gehen!«

»Nein, das noch nicht, noch lange, lange nicht! Wenn es auf mich ankommt, so erwarten wir hier den Morgen. Bedenke, daß ich hier in tiefster Einsamkeit lebe und deine Anwesenheit also soviel wie möglich ausnützen und genießen muß! Du warst am Nachmittag noch nicht entschlossen; aber jetzt kannst du mir vielleicht sagen, wie lange ihr in Bagdad bleiben werdet.«

»Wir reiten morgen fort – — – «

»Allah! So bald schon?« unterbrach er mich.

»Ja.«

»Effendi, ich bitte dich, mir dies nicht anzuthun!«

»Du hast mich nicht aussprechen lassen. Ich wollte sagen, daß wir morgen fortreiten, aber dann bald wiederkommen.«

»Das klingt schon besser. Aber warum schon morgen wieder fort? Ihr müßt doch von der Reise ausruhen?«

»Im Gegenteile: wir müssen uns Bewegung machen. Wir haben während der ganzen Fahrt auf dem kleinen Kellek sitzen müssen, und wenn wir auch nicht sagen wollen, daß uns das ermüdet hat, so müssen wir doch Rücksicht auf unsere Pferde nehmen. Diese feurigen Tiere sind zu immerwährendem Stillstehen gezwungen gewesen, und du als Kenner wirst wissen, daß wir sie nun nicht auch hier bei dir noch länger stehen lassen dürfen.«

 

»Das gebe ich zu; aber ihr könnt ihnen doch einen tüchtigen Spazierritt bieten!«

»Wir haben Gründe, dies nicht zu thun. Ich sagte dir schon, daß wir uns vor Feinden hüten müssen. Zwar fürchten wir uns keineswegs, aber es ist stets besser, ein Uebel zu vermeiden, als es herbeizurufen.«

»Wer sind diese Feinde, und wohin wollt ihr reiten?«

»Nach dem Birs Nimrud. Wir haben, nachdem wir dich damals verlassen hatten, dort eine so schlimme, schwere Zeit verlebt, daß uns die betreffenden Oertlichkeiten für das ganze Leben unvergeßlich geworden sind. Wir wollen also, da wir in Bagdad sind, wieder hin, um sie zu besuchen.«

»Eine schlimme, schwere Zeit sagst du. Welche Erlebnisse sind das gewesen? Darf ich es erfahren? Willst du es mir erzählen?«

Kaum hatte er das Wort »erzählen« ausgesprochen, so fiel Halef schnell ein:

»Richte diese Bitte, o Bimbaschi, nicht an meinen Effendi, sondern an mich! Er liebt es nicht, ein unendlich langes Kamelseil der Erzählung aus seinem Munde laufen zu lassen, und wenn er doch dazu gezwungen wird, so beißt er es ab, ehe es alle ist und schluckt das Ende wieder hinunter, wo es seiner Gesundheit den größten Schaden bringen kann. Ich aber bin von Allah mit der Gabe eines unzerbissenen Seiles begnadet worden und pflege das, was ich einmal angefangen habe, auch stets bis an dasjenige Ende zu bringen, wo nichts mehr zu sagen ist. Darum erkläre ich mich bereit, dir mitzuteilen, was du gern wissen willst. Hoffentlich hat niemand etwas dagegen!«

Mit dem niemand war natürlich ich gemeint. Ich kannte das Vergnügen, welches ich dem kleinen Hadschi bereitete, wenn ich ihm die Erlaubnis zum Erzählen nicht versagte, und pflegte ihn nur dann desselben zu berauben, wenn es sich um einen kurzen, sachgemäßen und nüchternen Bericht handelte, den ich stets selbst übernahm. Er hingegen liebte die Ausschmückungen, und wenn diese Liebe dem Orientalen im allgemeinen eigen ist, so besaß sie der Hadschi in so hervorragender Weise, daß ich oft gezwungen war, seinen übertriebenen Lobeserhebungen Einhalt zu thun. Offen gestanden aber hörte ich ihm selbst gern zu, denn er war ein wirklich guter Erzähler und bearbeitete die beigefügten Verzierungen nach einem so humorvollen Stile, daß er mich dadurch stets köstlich amüsierte, obgleich ich ihm dies nur selten merken ließ. Da ich jetzt seine Frage nicht sofort beantwortete, nahm er mein Schweigen als Zustimmung und begann seine Erzählung, welche eine ganze Stunde in Anspruch nahm und mir einen neuen Beweis seines Talentes lieferte, selbst traurige Ereignisse, wie die Ermordung unserer Reisegenossen und unsere Erkrankung an der Pest doch waren, in einer Weise darzustellen, durch welche die Aufmerksamkeit der Zuhörer bis zum letzten Worte gespannt und gefesselt wurde.

Als er geendet hatte, fügte er in seiner eigenartigen Weise noch hinzu:

»Ihr seht, daß wir weder von den Feinden gefressen noch von dem Rachen der Pest verschlungen worden sind. Allah bewahrte uns zu ferneren großen Thaten auf, von denen ich euch vielleicht ein anderes Mal erzählen werde, wenn es meiner Huld gefällt, euch davon zu berichten.

Jetzt will ich euch nur sagen, daß wir beabsichtigen, nach Persien zu reiten, um den Ruhm zu vergrößern, den unsere Namen dort schon längst besitzen. Wenn es uns beliebt, sind wir bereit, mit dem ganzen Heere des dortigen Herrschers zu kämpfen und ihn, falls er uns auch nur mit einem einzigen scheelen Auge betrachten sollte, samt seinem ganzen Harem von der Erde auszurotten. Was dann geschieht, nämlich ob wir von dort nach Amiriki[192] oder nach Asterali[193] reiten werden, das muß jetzt noch unser Geheimnis bleiben, welches wir auf keinen Fall verraten dürfen. Jedenfalls aber wird die Kunde von unsern Thaten rückwärts zu euch dringen, noch ehe wir nach vorwärts, weil die Erde rund ist, zu den Zelten der Haddedihn zurückgekehrt sind. Allah erhalte euch bis dahin bei Kraft und Verstand des Leibes und der Seele, damit ihr dann meine Erzählung mit derselben Bewunderung vernehmen könnt, mit welcher ihr die jetzige vernommen habt!«

Nach diesem schwungvollen Schlusse stopfte er seine Pfeife und rauchte sie mit unendlicher Genugthuung darüber, daß ich seine Ruhmredigkeit durch keine Zwischenrede um den beabsichtigten Effekt gebracht hatte. Der Onbaschi gab seiner Begeisterung durch einige tiefe, grunzende Atemzüge Ausdruck; Worte schienen ihm zu fehlen. Sein Herr nahm die Sache nüchterner und sagte:

»Ihr habt da freilich Schweres, sehr Schweres durchgemacht, und darum kann ich nicht begreifen, was euch verlocken kann, diese Orte wieder zu besuchen. Ich zum Beispiel möchte, wenn ich nicht durch einen Zwang hingetrieben würde, den Birs Nimrud nicht wiedersehen.«

»Das bist du,« antwortete Halef. »Wir aber sind von anderer Art. Wenn wir das dort erlebt hätten, was dir und deinem Onbaschi dort begegnet ist, so wären wir gleich in den nächsten Tagen wieder hin, um das Nest auszunehmen und der Erde gleichzumachen!«

»Den gewaltigen Birs Nimrud der Erde gleich?«

»Warum nicht? Traust du uns das etwa nicht zu? Uebrigens hätten wir das gar nicht nötig gehabt, denn wir an eurer Stelle hätten uns nicht einsperren lassen, keinen Eid abgelegt und auch keine Anweisung unterschrieben.«

»Das kannst du gut behaupten, weil ihr eben nicht an unserer Stelle gewesen seid!«

»Du irrst, weil du weder mich noch meinen Effendi kennst. Wer oder was wäre dieser Säfir, von welchem du erzählt hast, gegen ihn gewesen? Und wenn er noch so kräftig und noch so listig und noch so mutig gewesen wäre, so hätte ihn das alles doch gegen die Stärke, die Klugheit und Kühnheit meines Sihdi, geschweige der meinigen, gar nichts genützt. Wir haben noch ganz andere Leute bezwungen, als dieser Perser war. Ich wollte, wir würden einmal von ihm in den Birs gesperrt! Du würdest bald erfahren, wie schnell wir wieder heraus wären, um ihn mit unserm Hohngelächter niederzuschmettern!«

Der Hadschi überlegte nicht, daß diese Worte geeignet waren, den Bimbaschi zu beleidigen; er ahnte auch ebensowenig wie ich, wie bald seine Prahlerei zur Wahrheit werden sollte. Zu meiner Beruhigung klang die Antwort des Wirtes ohne Groll:

»Allah verhüte, daß ihr jemals in eine solche Lage kommt! Der stärkste und klügste Mann kann, wenn er gefesselt ist, nichts gegen seine Feinde thun, und eure Feinde – — – ah, ich sollte doch erfahren, wer sie sind?«

»Ja, du sollst es wissen und wirst erstaunen, wenn du erfährst, mit welcher List und Leichtigkeit wir uns ihrer entledigt haben. Willst du es vielleicht erzählen, Sihdi?«

»Nein,« antwortete ich.

»Das ist sehr recht von dir,« nickte er selbstbewußt. »Wer eine solche Sache erzählen will, der muß die Offenheit des Mundes, die Beweglichkeit der Zunge, die Eindringlichkeit der Vernunft in die Tiefen des Verstandes und zugleich die große Kunst besitzen, grad da anzufangen und grad da aufzuhören, wo angefangen und aufgehört werden muß. Diese Kenntnisse und dieses Geschick aber besitzen nur wenig Menschen, und wenn nichts davon vorhanden ist, darf man sich nicht darüber wundern, daß aus dem schönsten Erzählungsstoff ein alter, zerrissener und zerbrochener Sattel wird, auf den sich niemand setzen kann. Nun werde ich beginnen, und ihr habt mir mit Andacht zuzuhören!«

Es versteht sich ganz von selbst, daß er unserer Begegnung mit dem Pädär-i-Baharat einige abenteuerliche Seiten, die gar nicht vorhanden gewesen waren, hinzufügte, und ebenso unvermeidlich war es, daß er mich zwar außerordentlich lobte, sich selbst aber noch viel weniger vergaß. Er pflegte dies bekanntlich in der Weise zu thun, daß er sich als meinen Berater und Beschützer bezeichnete. Es fehlte auch nicht an drolligen Wendungen, welche mir so viel Vergnügen machten, daß ich ihn aus Dankbarkeit dafür ohne Unterbrechung sprechen ließ, bis er fertig war. Als Nutzanwendung ließ er dann noch die an den Bimbaschi gerichtete Bemerkung folgen:

»Du hast also gehört, daß wir es mit drei Mördern und einem Verräter samt seiner Frau zu thun gehabt haben. Uns war der Tod bestimmt; aus deiner Erzählung aber geht hervor, daß deine Feinde nur beabsichtigten, dein Geld zu bekommen und dich durch einen Eid unschädlich zu machen. Wir haben uns also in einer weit größern Gefahr befunden, als ihr. Ihr seid ahnungslos in die Falle gegangen; wir aber haben die Falle auf derjenigen Seite, wo sie für uns offen war, zugemacht und sie dann auf der andern Seite geöffnet, wo unsere Widersacher hineingekrochen sind. War das nicht klug von uns? Und wie haben sie die Peitsche gefühlt! Ich sage dir, so eine Kurbadsch ist der Inbegriff aller siegreichen Unwiderstehlichkeit! Ich würde niemals ohne Peitsche in den Birs Nimrud steigen. Hättet ihr eine mitgehabt, so würde die Gunst des Schicksales euch hineinbegleitet und als freie Männer wieder herausgelassen haben.«

Der Bimbaschi ließ diese Ermahnung unerwidert über sich ergehen und richtete an mich die Frage:

»Und nun denkst du, Effendi, daß diese Perser hier in Bagdad nach dir suchen werden?«

»Falls sie überhaupt hierher kommen, werden sie das sicher thun,« antwortete ich.

»Und darum willst du schon morgen fort?«

»Nicht darum allein, denn ich habe dir schon gesagt, daß ich ihnen zwar ausweiche, sie aber nicht fürchte. Ich habe keinen Grund, hier liegen zu bleiben.«

»Ist meine Bitte kein Grund für dich?«

»Nein, denn wir kommen wieder. Dann werden wir Ursache zum Bleiben haben, denn es liegt ein mehrtägiger Ritt hinter uns, von dem wir ausruhen müssen.«

»So will ich nicht länger in dich dringen, bitte dich aber, bei eurer Rückkehr nirgends abzusteigen als hier bei mir. Auch wiederhole ich meine schon einmal ausgesprochene Bitte.«

»Welche?«

»Beim Birs Nimrud ja nichts vorzunehmen, was mir schaden könnte. Vermeidet ja, den Verdacht auf mich zu lenken, als hättet ihr von mir erfahren, was uns damals dort geschehen ist!«

»Ich habe dir die Erfüllung dieses Wunsches bereits zugesagt, und du kannst dich darauf verlassen, daß ich Wort halten werde.«

Ich hatte ursprünglich nur die Absicht gehabt, die erwähnten Erinnerungsstätten zu besuchen, gestehe aber aufrichtig, daß die Erzählung des Bimbaschi den Entschluß in mir rege gemacht hatte, dem Birs Nimrud eine größere Aufmerksamkeit zu schenken, als sie ihm ohne diese Erzählung von uns gewidmet worden wäre. Ich wußte längst, daß er Gänge enthält, in welche man schon oft versucht hat, einzudringen; diese Versuche wurden aber später aufgegeben, weil sie in vielen Fällen unglücklich verlaufen sind. Die unterirdischen Räume, in denen der Pole gesteckt hatte, interessierten mich um so mehr, als sich die Zeichnung in meinem Taschenbuch auf sie bezog. Ich wollte nach ihnen forschen, sagte ihm aber natürlich nichts davon und war ganz selbstverständlich entschlossen, mochte dabei vorkommen, was da wollte, nichts zu thun und nichts zu sagen, was geeignet war, ihm Schaden zu bringen.

Davon, daß wir die Nacht durchwachen wollten, war nicht mehr die Rede. Wir sahen kurz nach Mitternacht nach unsern Pferden und legten uns dann schlafen.

191Siehe I. Buch der Könige 19.
192Amerika.
193Australien.
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