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Die Juweleninsel

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Drittes Kapitel: Im Zuchthaus

Die Maschine stieß einige gellende Pfiffe aus, die Räder kreischten unter dem Drucke der angezogenen Bremsen, und der Personenzug fuhr in den Bahnhof ein. Die Wagen kamen zum Halten, und einige Coupees wurden geöffnet.

»Station Hochberg. Fünf Minuten Aufenthalt!« ertönte der Ruf der Schaffner.

»Ihr Aufenthalt wird wohl etwas länger dauern,« meinte ein Passagier, der nebst noch einem andern in einem Einzelcoupee dritter Klasse gesessen hatte, in strengem Tone.

Er trug die Uniform eines Amtswachtmeisters und hielt den linken Arm in einer Binde.

»Geht Niemanden etwas an,« antwortete grob der Andere. »Es hat sich hier schon mancher, der erst gar aufgeblasen that, für längere Zeit vor Anker gelegt. Ich glaube gar, es sind auch schon Wachtmeisters hier geblieben, Wachtmeisters; merken Sie sich das!«

Der Sprecher war eine rohe untersetzte Gestalt, in ein sehr abgetragenes Gewand gekleidet. Er trug unter demselben ein rauhmaschenes Hemde; sein Gesicht war gewaschen und sein Haar gekämmt, aber diese Reinlichkeit wollte zu dem Manne nicht recht passen; es hatte ganz den Anschein, als ob sie ihm ungewohnt oder gar aufgedrungen worden sei. Was aber am meisten auffiel, war, daß er »geschlossen« war. Seine Hände waren in einer eisernen »Bretzel« vereinigt, welche man zu noch größerer Sicherheit an einen starken, um den Leib geschlungenen Riemen befestigt hatte. Der Mann war ganz sicher ein Gefangener.

»Schon gut. jetzt aussteigen!« antwortete der Transporteur.

»Na, na; nur sachte. Ich steige aus, wenn es mir beliebt!« klang es noch zurück.

»Meinetwegen. Aber nur schnell!«

Der Wachtmeister schob ihn aus dem Wagen. Der Gefangene blickte sich schnell um, sah das ihn umwogende Gedränge und glaubte, Rettung in demselben zu finden. Mit einem schnellen Sprunge war er mitten zwischen die ausgestiegenen Passagiere hinein und versuchte, sich durch sie hindurchzudrängen.

»Haltet ihn auf!« rief der Wachtmeister.

Dieser Ruf war eigentlich überflüssig. Man hatte in dem Manne sofort einen flüchtigen Gefangenen erkannt und ihn umringt und festgehalten.

»Hier ist er. Nehmen Sie ihn.«

»Danke, meine Herren! Das war ein geradezu unbegreiflich alberner Versuch mir zu entkommen.«

Ein auf dem Bahnhofe stationirter Gensdarm trat herbei.

»Soll ich Ihnen bei dem Transporte helfen, Herr Amtswachtmeister?« frug er.

»Danke bestens! Er ist mir sicher genug, werde ihn nun aber noch fester nehmen.«

Er zog eine Leine aus der Tasche, band sie dem Gefangenen um den Arm und führte ihn in dieser Weise neben sich fort. Sein Weg ging nach dem äußersten und höchsten Theile der Stadt, wo hinter ungewöhnlich hohen Mauern die Thürme und Gebäude eines schloßähnlichen Baues hervorragten. Das war Schloß Hochberg, welches seit langer Zeit viele Hunderte derjenigen Unglücklichen in seinen Mauern barg, welche sich gegen die Gesetze vergangen hatten und nun gezwungen waren, dies durch die Entziehung ihrer Freiheit zu büßen. Hochberg war das Zuchthaus für Norland.

Die Straße endete vor einem breiten, finsteren, massiv mit Eisen beschlagenem Thore, an welchem ein mächtiger Klopfer befestigt war. Der Transporteur ergriff denselben und ließ ihn erschallen. Wie mußte dieser Klang jeden nicht gefühllosen Menschen berühren, der hier gezwungen war, mit dem bisher zurückgelegten Theile seines Lebens abzuschließen!

Ein kleiner Schieber öffnete sich, an welchem ein bärtiges Gesicht erschien.

»Wer da!«

»Transporteur mit Zuwachs.«

»Herein.«

Das Thor öffnete sich. Die beiden Ankönimlinge traten in eine finstere tunnelförmige Mauerflur. Der militärische Posten, welcher geöffnet hatte, schloß wieder und öffnete dann eine andere Thür, welche in einen kleinen Hof führte.

»Gerade aus!«

Der Transporteur nickte. Er war nicht zum ersten Male hier und mit den Räumlichkeiten dieses Hauses bereits vertraut, wenigstens so weit es ihm gestattet war sie zu betreten. Er führte seinen Gefangenen über den Hof hinüber in ein kleines Stübchen, dessen einziges Fenster mit starken eisernen Kreuzstäben versehen war. Hier saß der Aufseher von der Thorwache, welcher das Höfchen überblicken und den kleinsten Verkehr ganz genau kontroliren konnte. Er hatte jede einoder ausgehende Person in das Passirbuch zu verzeichnen.

»»Guten Morgen, Herr Aufseher!«

»Guten Morgen, Herr Amtswachtmeister. Wieder Einen?«

»Wie Sie sehen.«

»Bitte, tragen Sie sich hier ein!«

Der Transporteur vermerkte seinen Namen in das Buch und frug dann:

»Der Herr Regierungsrath selbst da?«

»Ja. Werde klingeln.«

Er bewegte einen Glockenzug. Eine Klingel ertönte in der Ferne, worauf ein zweiter Aufseher erschien.

»Zuwachs!« meldete der Thorhabende.

»Kommen Sie!« forderte der Andere den Wachtmeister auf. Er führte ihn aus dem Zimmer durch einen langen Gang in [sic!] einer Thür, hinter welcher er verschwand um ihn anzumelden. Nach einigen Augenblicken kam er wieder zum Vorschein.

»Herein!«

Der Transporteur trat ein, zog die Thür hinter sich zu und stand an derselben in strammer militärischer Haltung ohne zu grüßen. Er wußte, daß er erst auf die Anrede des Direktors zu sprechen hatte. Dieser, welcher, wie bereits bemerkt, den Charakter eines Regierungsrathes hatte, war ein hoch und stark gebauter Mann. Er trug die Uniform höherer Anstaltsbeamten mit Brillons [sic!] und einen langen Stoßdegen. Der dichte Schnurrbart stand ihm à la maggiar zu beiden Seiten weit ab, und sein ganzes Aeußere zeigte, daß mit ihm nicht wohl zu scherzen sei. Er blickte den Eingetretenen gar nicht an, bis er nach einiger Zeit die Feder weglegte und, noch immer mit den vor ihm liegenden Papieren beschäftigt, in kurzem Tone frug.

»Wer?«

»Amtswachtmeister Haller aus Fallum, Herr Regierungsrath.«

»Was bringen Sie?«

»Männlichen Zuwachs, einen.«

»Namen?«

»Heinrich Hartig aus Fallum.«

»Stand?«

»Fischer oder Schiffer.«

»»Einlieferungsakten!«

Der Transporteur überreichte ihm das Aktenheft, welches er bereits parat gehalten hatte.

»Schön, haben Sie persönliche Bemerkungen?«

»Zu Befehl, Herr Regierungsrath.«

»Welche? Aber kurz!«

»Hartig war angeklagt, seine Frau und seinen Stiefsohn lebensgefährlich und kontinuirlich maltraitirt zu haben. Er kam unter meine Bewachung, machte einen Fluchtversuch und versetzte mir dabei drei Messerstiche hier in Hand und Arm. Er ist ein Trinker, ein bösartiger, gefühlloser und auch frecher Gesell, der sich sogar noch während des heutigen Transportes renitent erwiesen hat. Er meinte unter anderem, daß auch bereits schon Amtswachtmeister auf dem Zuchthause gewesen seien, und versuchte noch auf dem Bahnhofe zu entspringen, wurde aber vom Publikum sofort ergriffen.«

»Fertig!«

»Zu Befehl!«

»Werden ihn zu fassen wissen. Erhält dritte Disziplinarklasse und zwanzig Tage Kostentziehung gleich als Anfang und Willkommen. Hier, Ihre Empfangsbescheinigung, Herr Wachtmeister. Adieu.«

Während der Direktor nun Einblick in die Einlieferungsakten des neuen Züchtlings nahm, kehrte der Transporteur in das Stübchen des Thorhabenden zurück, um die dort abgelegte Kopfbedeckung zu holen.

»Leben Sie wohl, Hartig,« meinte er, sich zum Gehen anschickend. »Haben Sie vielleicht etwas an Ihre Frau und Ihre Kinder auszurichten? Es ist zum letzten Male, daß dies auf solche Weise geschehen kann.«

»Packen Sie sich fort!« lautete die dankbare Antwort.

»Gut! Adieu, Herr Aufseher!«

»Adieu, Herr Wachtmeister!«

Er ging. Der Gefangene war von diesem Augenblicke an von der Außenwelt abgeschlossen, war keine Person, sondern nur ein Gegenstand, auf den sich die physiologischen Bestrebungen seiner Vorgesetzten richteten, und besaß keine Selbstbestimmung, keinen freien Willen mehr. Nach einiger Zeit öffnete sich die Thür wieder, und abermals trat ein Aufseher ein.

»Komm!« meinte dieser, nachdem er ihn mit einem kurzen Blicke überflogen hatte.

»Oho! Hier geht es wohl per Du?«

Der Thorhabende, welcher bisher schweigsam dagesessen hatte, wandte sich jetzt zu seinem Kollegen.

Ein ganz und gar frecher und unverschämter Bengel. Muß scharf gehalten werden.«

»Wird es schon spüren. Vorwärts!«

Er faßte ihn und schob ihn zur Thür hinaus. Es ging denselben Korridor hinunter, welchen vorhin der Transporteur durchschritten hatte, dann rechts ab bis an eine vollständig eiserne Thür. Als zwei große Vorlegeschlösser von derselben entfernt und drei starke Riegel zurückgeschoben waren, zeigte sich hinter dieser Thür ein schmaler kurzer Gang, welcher keine Fenster besaß und deshalb von einer Lampe beleuchtet wurde. Zu beiden Seiten desselben befanden sich je acht ähnlich verschlossene eiserne Thüren, deren jede einen sieben Fuß hohen, vier Fuß breiten und fünf Fuß tiefen Raum verschloß, in welchem nichts zu sehen war, als ein Heizungsrohr für den Winter, ein Wasserkrug, ein niedriger Schemel zum Sitzen und eine eiserne, tief in die Mauer eingefügte Kette. Die nur anderthalb Fuß im Quadrat haltenden Fensterchen waren innen mit einer durchlöcherten Eisenplatte und von außen mit einem starken Doppelgitter versehen. Von hier hätte ein Löwe sich keinen Austritt verschaffen können.

Dies waren die Zu- und Abgangszellen des Zuchthauses von Hochberg, die schlimmsten Zellen der ganzen Anstalt. Es ist nothwendig, dem eingelieferten Verbrecher seine Lage sofort in ihrer häßlichsten Gestalt zu zeigen und denjenigen, welcher seine Strafzeit überstanden hat, noch vor dem Rückfalle abzuschrecken. jeder Züchtling verlebt den ersten und den letzten Tag seiner Detentionszeit in einer dieser fürchterlichen Zellen.

Der Aufseher öffnete eine derselben.

»Hier herein!«

»Was, hier? Gibt es keine bessere?«

 

»Nein.«

»Da waren sie doch in Fallum hübscher!«

»Im Hotel de Saxe sind sie noch hübscher, kosten aber auch zehn bis zwanzig Mark per Tag. Zeig Deine Taschen!«

»Donnerwetter, ich lasse mich nicht Du heißen!«

»Wirst es schon leiden. Zeige Deine Taschen!« klang es jetzt barscher als vorher.

»Ich habe ja nichts darin!«

»Davon will ich mich ja eben überzeugen. Na, oder soll ich nachhelfen?«

Die Fesseln hatte der Transporteur wieder mit sich genommen. Der Gefangene konnte also die Arme wieder bewegen. Von dem strengen Tone des Aufsehers doch eingeschüchtert, wandte er alle seine Taschen um. Dann durchsuchte ihn der Beamte noch außerdem sehr sorgfältig von Kopf bis zu Fuß.

»Wie hast Du geheißen?«

»Hartig.«

»Was warst Du?«

»Schiffer.«

»Was hast Du begangen?«

»Müssen Sie das wissen?«

»Das lese ich schon später, Du brauchst mir es also nicht zu sagen. Doch will ich Dich im Guten darauf aufmerksam machen, daß es besser für Dich ist, wenn Du hier gegen Deine Vorgesetzten höflich und zuvorkommend bist. Du bist noch keine halbe Stunde da und hast doch bereits schon eine Strafe von zwanzig Tagen Kostentziehung erhalten.«

»Ich? Möchte wissen wofür!«

»Weil Du gegen den Amtswachtmeister grob gewesen bist und hast entfliehen wollen. Hier in der Anstalt wird der allergeringste Fehler sehr streng bestraft. Ihr seid hier, zur Strafe und zur Besserung. Wer willig und arbeitsam ist, kann nicht klagen, wer aber widerstrebt, dem geht es nicht gut. Merke Dir das! Also wie lange Strafzeit hast Du?«

»Vier Jahre.«

»Weshalb?«

Weil ich meine Frau und meinen Stiefjungen geschlagen und den Wachtmeister gestochen haben soll.«

»Haben soll? Sage doch gleich: geschlagen und gestochen habe, denn Du hast es doch gethan! Kannst Du lesen?«

»Ein Bischen, wenn es groß gedruckt ist.«

»Hier an der Thür klebt ein Zettel, darauf steht wie Ihr Euch im Allgemeinen zu verhalten habt. Licht kommt wohl genug zum Fenster herein. Lies ihn genau durch bis ich wieder komme, und beherzige es!«

Er verließ die Zelle. Die Schlösser klirrten, und die Riegel rasselten, dann war es still. Die fürchterliche Umgebung verfehlte doch ihren Eindruck nicht auf den Gefangenen. Es war ihm, als hätte ihn jemand vor den Kopf geschlagen. Er ließ sich auf dem alten hölzernen Schemel nieder und legte das Gesicht in die beiden hohlen Hände. Aber sein Auge blieb trocken, und keine Thräne der Erleichterung oder der Reue drang zwischen seinen Fingern hervor. So saß er lange, lange Zeit bis die Schlösser wieder klirrten und die Riegel abermals rasselten. Der Aufseher öffnete zum zweiten Male.

»Komm!«

Er folgte willig aus der Zelle hinaus und durch mehrere Gänge bis in einen größeren von Wasserdunst erfüllten Raum, welcher durch niedrige bretterne Scheidewände in mehrere Abtheilungen geschieden war. In jeder derselben stand eine Badewanne und ein Schemel dabei. Auf einem dieser Schemel lagen einige Kleidungsstücke, und dabei stand ein Mann, der Scheere und Kamm in der Hand hielt. Er trug eine Jacke und Hose von starkem, grobem, braunem Tuche und harte rindslederne Schuhe an den Füßen. Die Haare waren ihm kurz verschoren, dennoch aber sah man es ihm an, daß er früher wohl gute Tage gesehen und feinere Kleider getragen habe.

»Nummer Zwei, ein Zuwachs!« meinte der Aufseher. »Kleide ihn ein. Ich habe jetzt Weiteres zu thun. Aber macht mir ja keine Dummheiten! In einer halben Stunde bin ich wieder hier.«

Er ging und schloß hinter sich ab. Die Beiden befanden sich ganz allein in dem Raume.

»Vierundsiebenzig, setze Dich!« gebot der Mann.

»Wer?«

»Du! Du hast jetzt keinen Namen mehr, sondern die Nummer Vierundsiebenzig; nur bei dieser wirst Du genannt.«

»Donnerwetter, das ist hübsch!«

»Fluche nicht!« flüsterte der Mann. Dann fügte er lauter hinzu: »Setzen sollst Du Dich, habe ich gesagt. Oder hörst Du schwer?«

Hartig ließ sich auf den Schemel nieder. Der Andere griff zu Kamm und Scheere.

»Was soll denn das werden, he?« frug der erstere.

»Die Haare müssen herunter. Dann badest Du Dich und ziehst die Anstaltskleidung an. Die Deinige kommt in diesen Sack, der Deine Nummer hat, und wird aufgehoben, bis Du wieder entlassen wirst.«

»Na, dann zu, wenn es nicht anders möglich ist!«

Das Schneiden des Haares begann. Dabei flüsterte der Nummer zwei Genannte:

»Bewege die Lippen nicht wenn Du sprichst. Wir werden scharf beobachtet!«

»Wo?«

»Durch die kleinen Löcher über den Badewannen. Was bist Du?«

»Schiffer.«

»Woher?«

»Aus Fallum.«

»Ah, das Seebad Fallum?«

»Ja. Kennst Du es?«

»War öfters dort. Weißt Du nicht, ob Prinz Hugo von Süderland in der gegenwärtigen Saison das Bad besucht?«

»Vor sechs Wochen war er noch da. Seit dieser Zeit bin ich gefangen. Kennst Du ihn?«

»Sehr gut.«

»Wer bist Du denn?«

»Das ist Nebensache!« Dennoch aber siegte die den meisten Menschen innewohnende und sogar sich in der tiefsten Erniedrigung regende Eitelkeit so, daß er hinzusetzte: »Ich war nichts Gewöhnliches; der Prinz war mein Freund.«

»Ah!« machte Hartig verwundert.

»Leise! Ist seine Schwester, Prinzeß Asta, verheirathet?«

»Freilich. Mit dem Kronprinzen Max, der früher ein Schmied gewesen sein soll. Ich bin wegen dem tollen Prinzen hier.«

»Nicht möglich! Wie so?«

»Er fuhr auf dem Boote und stürzte die Tochter des Generals Helbig in das Wasser. Mein Junge warf ihn wieder hinein, und ich züchtigte den Buben ein wenig zu derb. Darüber wurde ich angezeigt und eingesteckt. Ich wollte ausreißen und stieß dem Wachtmeister dabei das Messer in den Arm. Dafür habe ich vier Jahre bekommen.«

»Und der Junge?«

»Nichts. Der Prinz hat noch die Kosten bezahlt.«

»Ja, das sind die jetzigen Zustände; früher unter der alten Regierung war es besser!«

»Du meinst, als die Raumburgs noch am Ruder waren? Ja, da wurde nicht so kurzer Prozeß mit einem gemacht; da ging es fein hübsch langsam. Wenn das noch wäre, so säße ich nicht hier. Nun aber ist der alte Herzog todt, elend umgekommen, und sein Sohn, der Prinz von Raumburg, soll gar im Zuchthause stecken!«

Der Sprecher ahnte nicht, daß er gerade diesen Prinzen vor sich habe.

»Waren die drei Schwestern des Generals von Helbig im Seebade?« frug dieser.

»Ja.«

»Dachte es. Die kommen alle Jahre hin. Aber jetzt bin ich fertig. Nun ziehe Dich aus und steige in die Wanne. Deine Kleider habe ich wegzunehmen!«

»Was bist Du hier denn eigentlich?«

»Badewärter.«

»Und was bekommst Du dafür?«

»Sechs Pfennige täglich.«

»Alle Wetter, ist das viel!«

»Ja, das ist auch viel. Du bekommst volle drei Monate nichts, dann aber täglich drei Pfennige, aber auch nur dann, wenn Du Dein Pensum vollständig fertig bringst.«

»Was ist Pensum?«

»Die Zahl, wie viel Du täglich zu arbeiten hast. Bringst Du das nicht, so wirst Du bestraft, mit Arrest, mit Kostentziehung oder gar mit Prügeln. Und weil Du dritte Disziplinarklasse hast, so wird Dir von Deinen drei Pfennigen zur Strafe täglich einer abgezogen. Du bekommst dann also blos zwei.«

»Was ist das mit der Klasse?«

»Wer schlecht eingeliefert oder hier bestraft wird, bekommt dritte, wer gut eingeliefert wird, zweite, und wer sich sehr lange Zeit ausgezeichnet beträgt, erste Klasse. Die erste Klasse trägt blanke, die zweite trägt gelbe und die dritte trägt schwarze Knöpfe.«

»So hast Du also erste Klasse?«

»Ja; aber nicht, weil ich mich lange Zeit gut geführt habe, denn ich bin noch nicht sehr lange hier, sondern der Direktor berücksichtigt mich, weil ich draußen etwas Vornehmes gewesen bin. Das Amt eines Badewärters ist auch ein Vorzug. Es ist ein Vertrauensposten, weil ich da mit jedem Gefangenen zu sprechen komme. Ich kann also den Gefangenen sehr viel nützen. Willst Du mir einen Gefallen thun?«

»Ja. Welchen?«

»Du sollst mir einem andern Gefangenen ein paar Zeilen geben.«

»Die schreibst Du erst?«

»Nein; dazu wäre jetzt keine Zeit. Ich habe sie bereits fertig, für den Fall, daß ich Einen finde, der bereit ist, sie mir zu besorgen.«

»Komme ich denn mit ihm zusammen?«

»Ja. Du kommst gleich von hier weg zum Anstaltsarzte, der Dich zu untersuchen hat. Bei ihm sitzt ein Gefangener, der seinen Schreiber macht. An ihn hast Du das Billet zu geben.«

»Wird es Niemand sehen?«

»Nein. Er kennt mein Zeichen und sieht jeden aufmerksam an. Wenn Du die Jacke ausziehest, so niesest Du und wischest Dir dann mit der linken Hand das rechte und mit der rechten das linke Auge zu. Er wird sofort hinkommen und Dich mit entkleiden helfen. Dabei nimmt er das Papier an sich, welches ich Dir nachher unter das Halstuch binden werde. Es wird Dir nützlich sein. Wer Kaffee oder sonst etwas Außergewöhnliches haben will, muß den Arzt bitten, dieser gibt dem Schreiber seine Entscheidung, und was dieser schreibt, das gilt und wird nicht mehr kontrolirt. Da kann es vorkommen, daß er viel mehr schreibt, als er eigentlich sollte, oder sogar daß er einem etwas notirt, der um gar nichts gebeten hat. Bekommst Du also einmal etwas, so sage nur zum Aufseher, Du hättest den Arzt darum gebeten!«

»Werde es merken! Welche Arbeit werde ich bekommen?«

»Das weiß ich noch nicht, denn das bestimmt im Laufe des Tages der Arbeitsinspektor.«

Unterdessen war das Bad beendet, und das Einkleiden begann. Der Badewärter war ihm dabei behilflich und legte ihm auch das Halstuch um.

»Du hast doch den Brief vergessen!« flüsterte Hartig.

»Sorge Dich nicht! Er ist an seiner Stelle; aber ich wäre sehr ungeschickt, wenn Du es bemerkt hättest, denn dann hätte es der Aufseher draußen auch gesehen.«

»Er belauscht uns also wirklich?«

»Ja. Du wirst sehen, daß er hereinkommt, sobald wir fertig sind. Diese Leute halten sich allein für sehr klug und weise und sind noch dreimal dummer als dumm.«

Wirklich hatte Hartig kaum die Arme in die Aermel seiner Jacke gesteckt, so trat der Aufseher herein.

»Fertig?«

»Gleich, Herr Aufseher!«

»Wieder einmal fleißig geschwatzt?«

»Kein Wort! Oder glauben Sie, daß Unsereiner das Bedürfniß hat, sich solchen Leuten mitzutheilen?«

»Hoffe es auch nicht. Also vorwärts wieder!«

Hartig wurde in ein anderes Gebäude geführt, wo ihn der Aufseher in ein Zimmer schob, in welchem ein Herr in Civil an einem Schreibtische saß. An der andern Seite saß ein dicker Mann in der Sträflingskleidung und schrieb, ohne von dem Papiere aufzublicken. Dieser erstere war der Anstaltsoberarzt. Er fixirte den Angekommenen einen Augenblick; dann frug er in dem kurzen Ton dieser Beamten:

»Wer bist Du?«

»Schiffer.«

»Wie alt?«

»Fünfzig.«

»Einmal krank gewesen?«

»Nein.«

»Fehlt Dir jetzt etwas?«

»Nein, aber Hunger habe ich immer.«

»Ach so!« lachte der Arzt. »Die Herren Gefangenen haben während der Untersuchungshaft auf schmaler Kost gesessen und wollen sich nun hier herausfüttern lassen. Bleibt draußen, und macht keine Dummheiten, wenn Ihr nicht leiden wollt! Ziehe Dich aus!«

Er bog sich auf seine Schreiberei zurück. Hartig fuhr langsam aus der Jacke und nieste; dann wischte er sich die Augen in der angegebenen Weise. Sofort erhob sich der dicke Schreiber und trat zu ihm.

»Na, das hat ja noch gar keine Spur von Geschicke! Wie lange soll da der Herr Oberarzt warten, he? Herunter damit!«

Er band ihm das Halstuch ab und warf es zur Erde, half ihm auch beim Ablegen der übrigen Kleidungsstücke. Als dies geschehen war, erhob sich der Arzt und untersuchte Hartig sehr genau. Er hatte heute Zeit dazu, denn es war kein zweiter Gefangener eingeliefert worden. Während dieser Prozedur bemerkte Hartig, daß der Schreiber hinter dem Tische einen kleinen Zettel las und schnell einen zweiten schrieb. Als die ärztliche Untersuchung beendet war, trat er wieder zu Hartig heran und half ihm beim Anlegen der Kleider. Dabei steckte er ihm den zweiten Zettel abermals, aber jetzt hinten und von oben unter das Halstuch und flüsterte:

»Beim Arbeitsinspektor wieder niesen!«

Die Prozedur war beendet, und Hartig wurde entlassen. Draußen vor der Thür empfing ihn der Aufseher wieder, welcher ihn in seine Zelle zurückbrachte und dann verließ. Während dieser Pause wagte der Gefangene es, den Zettel herauszunehmen und zu öffnen, obgleich es möglich war, daß man ihn beobachtete. Er war in einer fremden Sprache geschrieben. Sein Verfasser und derjenige, an den er gerichtet war, konnten keine ganz gewöhnlichen Leute sein.

Jetzt dauerte es einige Stunden, ehe die Riegel wieder zurückgezogen wurden und der Aufseher wieder öffnete. Er brachte Wasser und Brod.

 

»Hast Du beim Arzte um doppelte Ration Brod gebeten?«

»Ja.«

»Bist Du denn ein so starker Esser?«

»Ein Seemann hat stets Hunger.«

»Hier aber hört die See auf. Ein Zugänger erhält gewöhnlich täglich ein halbes Pfund Brod und erst später, wenn er wiederholt darum bittet, ein ganzes und auch anderthalb Pfund. Dir aber sind gleich zwei Pfund zugeschrieben worden. Da heißt es nun auch fleißig sein, damit Du diese Vergünstigung nicht etwa wieder verlierst. Der Herr Oberarzt muß heut bei sehr guter Laune gewesen sein. jetzt komm!«

Das Versprechen des Badewärters war also doch bereits in Erfüllung gegangen. Der dicke Krankenschreiber hatte aus eigener Machtvollkommenheit zwei Pfund Brod notirt. Und diese Anstaltsbeamten sagen, daß der Gefangene keinen Willen habe, sie wollen ihn als Gegenstand irgend einer Besserungsmethode behandeln!

Wieder ging es über mehrere Höfe bis vor eine Thür.

»Den Herrn da drinnen hast Du »Herr Arbeitsinspektor« zu tituliren!« bedeutete der Aufseher und schob dann den Gefangenen in das Zimmer.

Der Beamte war noch jung und hatte ein wohlwollendes Gesicht. Die stramme Uniform stand ihm recht gut, und es sah ganz so aus, als ob er sich dessen auch bewußt sei. Auch hier blieb der Aufseher vor der Thür, um seinen Pflegling draußen zu erwarten.

»Was bist Du?« frug der Inspektor gerade so wie vorher der Arzt.

»Schiffer.«

»Schiffer, also kräftig.« Er blätterte dabei in einigen Papieren herum. »Hier finde ich, daß Du vom Arzte zwei Pfund Brod erhalten hast; da mußt Du auch arbeiten können. Gesund bist Du?«

»Ja.«

»Hast Du vielleicht außer Deinem Berufe nebenbei ein Handwerk betrieben?«

»Nein,« antwortete er niesend und sich dann die Augen wischend.

»Aber im Winter, wo der Fischfang und die Schifffahrt feiert, was hast Du da gethan?«

»Hm,« räusperte sich der Gefangene verlegen, während der Schreiber, welcher an einem Seitentische beschäftigt war, der Scene mit Spannung folgte.

»Ach so, ich verstehe! Nichts hast Du gemacht. Gespielt, was?«

»Blos Abends,« entschuldigte sich Hartig.

»Und am Tage?«

»Geschlafen.«

»Schön! Das heißt also, Du hast vom Abend bis an den Morgen gespielt und dann den Tag verschlafen. Hast Du Weib und Kinder?«

»Ja.«

»Also Familie, und ein so lüderliches Leben! Scheinst mir ein sauberer Kerl zu sein! Ich werde Dir eine Arbeit geben, bei der Du mir nicht so leicht einschlafen sollst. Das sage ich Dir: das Pensum ist sehr schwer, bringst Du es aber nicht, so hilft Dir Deine doppelte Brodration nichts; ich gebe Dir Kostentziehung, und zwar genug!«

Der gute Inspektor war wirklich in Rage gekommen, auch mit dem Schreiber schien dies der Fall zu sein. Er erhob sich und trat näher.

»Und auch unordentlich ist er,« meinte er, der seinen Vorgesetzten sehr gut kennen mußte, um diese Theilnahme am Gespräche zu wagen. »Dieser Knopf ist auf, und das Halstuch guckt hinten über den Kragen in die Höhe. Die Herren Aufseher sehen nicht darauf. Ich habe nur immer nachzubessern, damit die Leute anständig vor dem Herrn Inspektor erscheinen!«

Dabei knöpfte er ihm die aufgesprungene Jacke zu und nestelte emsig an dem Halstuche herum. Dann trat er wieder zurück und setzte sich mit zufriedener Miene nieder.

»Richtig ist es,« meinte der Inspektor. »Wenn ein Zuwachs kommt, muß ihn mein Schreiber immer in das Geschicke richten. Ich werde mich beschweren. Also, was geben wir Dir für Arbeit?« Er sann eine Weile nach und meinte dann zu seinem Schreiber:

»Notiren Sie ihn unter die Schmiede, und besorgen Sie das Uebrige. Ich habe mich zu beeilen, daß ich den Zug nicht versäume. Du aber kannst jetzt gehen!«

Hartig verließ das Gemach und wurde von seinem Aufseher in seine Zelle zurückgeführt. Er blieb dort nicht lange allein, denn bald wurde wieder geöffnet und der Aufseher trat in Begleitung des Anstaltskoches herein.

»Also dies ist der Mann?« frug der letztere, den Gefangenen musternd.

»Ja, er hat ungeheures Glück,« antwortete der Aufseher. »Wird mit zwanzig Tagen Kostentziehung eingeliefert und bekommt doppeltes Brod und Beschäftigung in der Küche, während andere sich Jahre lang zu einem solchen Posten melden und immer wieder abgewiesen werden. Ich bin neugierig, wie der Herr Direktor die Kostentziehung mit der Küchenarbeit und der Brodration zusammenreimen wird.«

»Das ist nicht unsere Sache,« meinte der Koch. »Es liegt hier jedenfalls ein Versehen vor, ich aber habe mich nach der Notiz des Herrn Arbeitsinspektors zu richten und diesem hier zu sagen, daß er morgen früh in der Küche antreten wird. Besorgen Sie ihm eine weiße Schürze und eine Küchenmütze.«

Unterdessen stand der Schreiber des Arbeitsinspektors an seinem Fenster und blickte hinaus auf den Hof. Er war allein, denn sein Vorgesetzter hatte die Anstalt verlassen, um seiner vorhin gethanen Aeußerung nach eine Reise zu unternehmen. Der Schreiber schien von einer peinigenden Unruhe erfüllt zu sein, und immer wieder zog er den Zettel hervor, welchen er unter dem Halstuche des Zuganges herausgenommen hatte. Dieser war in französischer Sprache verfaßt und lautete zu deutsch:

»Endlich ist es Zeit, wie mich Raumburg benachrichtigt. Warte in Deiner Expedition auf uns.«

Da kam ein einzelner Züchtling ohne Begleitung eines Aufsehers über den Hof. Es war der Schreiber des Oberarztes. Er trat ein. Beide kannten einander sehr gut. Der eine war Direktor und der andere Oberarzt einer Irrenanstalt gewesen und hatten sich derartiger Vergehen schuldig gemacht, daß sie sich jetzt für lebenslang im Zuchthause befanden.

»Der Inspektor fort?« frug der dicke frühere Irrenhausdirektor.

»Ja,« antwortete sein früherer Untergebener. »Woher weißt Du, daß er verreisen will?«

»Er war am Vormittage beim Doktor und sagte es diesem. Bist Du bereit?«

»Natürlich. Ich wage das Leben, wenn es sein muß. Aber wie?«

»Weiß es selbst noch nicht. Raumburg schrieb mir heute, daß ich um die jetzige Zeit bei Dir sein solle.«

»Er kommt also auch?«

»Jedenfalls.«

»Wie gut, daß die zur ersten Disziplinarklasse Gehörigen die Erlaubniß haben, ohne Beaufsichtigung ihrer Arbeit nachgehen zu können. Wenn man mich hier bei Dir sieht, können wir sagen, daß wir uns über irgend eine Schreiberei zu besprechen haben. Hast Du den Ueberbringer der Zeilen belohnt?«

»Ja. Ich habe ihm doppeltes Brod geschrieben.«

»Dachte mir, daß dies nur von Dir käme.«

»Und Du?«

»Ich habe mir den Spaß gemacht, ihn unter die Küchenarbeiter zu schreiben. Wir gehen fort, und ich habe keine Unannehmlichkeit davon. Doch schau, da kommt Raumburg!«

Der Züchtling Nummer Zwei kam über den Hof herüber und in das Zimmer.

»Gut, daß Sie schon beisammen sind! Sie haben meine Bemerkung erhalten?«

»Ja.«

»Sie gehen mit?«

»Versteht sich! Aber welche Vorbereitungen haben Sie getroffen?«

»Ich noch gar keine, aber wir werden draußen erwartet.«

»Von wem?«

»Das möchte ich jetzt noch verschweigen. Im Gasthofe des nächsten Dorfes hat sich ein Kutscher einquartirt, der seine Pferde stets angeschirrt bereit hält. Eine Minute nach unserem Eintreffen dort kann es fortgehen.«

»Das wäre ganz gut. Aber wie kommen wir aus der Anstalt?«

»Sehr einfach: als Aufseher verkleidet. Da hält uns der Posten nicht an.«

»Alle Teufel, das ist verwegen! Am hellen lichten Tage ganz gemüthlich hinauszuspazieren! Aber die Kleider?«

»Bekommen wir bei dem Thorhabenden.«

»Wird sich hüten!«

»Freiwillig gibt er sie natürlich nicht her. Wir nehmen sie ihm.«

»Dann gibt es einen Kampf, welcher Lärmen verursachen wird.«

»Das werde ich schon zu vermeiden wissen. jeder Aufseher, welcher von zu Hause kommt und die Anstalt betritt, hat Mütze und Kapot beim Thorhabenden abzulegen. Diese Sachen werden in die Garderobe gehängt, welche sich neben der Wachtstube befindet. Das ist genug für uns, denn wir brauchen ja jeder nur Kapot und Mütze, um ganz sicher für Aufseher gehalten zu werden.«

»Man wird uns aber dennoch erkennen.«

»Warum?«

»Wir sind rasirt, wie jeder Gefangene, und sämmtliche Aufseher tragen Bärte.«

»Ich habe mich vorgesehen. Bei meiner Arbeit kommen mir die größten Bärte, die ich abschneiden muß, in die Hände. Ich habe die Haare zu den schönsten falschen Bärten verarbeitet. Hier probiren Sie einmal!«

Er zog ein Papierpaket unter der Jacke hervor und öffnete es. Die drei Bärte, welche es enthielt, paßten ganz genau, und es gehörte ein sehr scharfes Auge dazu, um zu erkennen, daß sie falsch seien.

»Das ist vortrefflich!« meinte der einstige Direktor. »Aber wir können unsere Hosen und Schuhe nicht verbergen.«

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