SOKO Mord-Netz

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„Haben Sie dieses Paar mal gesehen?“

Die Befragte schüttelte jetzt energisch den Kopf. „Ich hatte am Wochenende frei. Diese Woche bin ich für die Zimmer ab 510 zuständig!“

„Gut. Danke. Sie können wieder an Ihre Arbeit gehen. Melden Sie es, bitte, wenn Sie jemanden aus diesen beiden Zimmern sehen! Schönen Tag!“

„Ihnen auch, Herr Stalder!“, antwortete Frau Zittwitz und verließ den Raum erleichtert. Sie hatte befürchtet, eine Nachlässigkeit der Kollegin als Zeugin in Augenschein nehmen zu sollen. Die erst seit rund drei Monaten in ihrem Team arbeitende Cynthia Lacher war ein fröhliches und gutwilliges Mädel, aber halt jung und nahm es nicht immer so genau. Wenn ihr die Zeit knapp wurde, dann wischte sie eben in manchen Zimmern erst wieder am nächsten Tag Staub - wenn es mal unentdeckt blieb. Die gestrenge und erfahrene Hausdame, die die Endkontrolle durchführte, wenn ein Flur als fertig gemeldet war, wusste genau, wo sie nach Mängeln suchen musste, die sie ihren Untergebenen nicht durchgehen ließ bei dem hohen Anspruch, der an ein exklusiveres Hotel gestellt wird. Cynthia musste dann antanzen und unter den scharfen Augen von Frau Dietzel nachbessern. Das Mädchen hatte noch viel zu lernen, bis ihr die diversen Aufgaben auch so flott von der Hand gingen wie den langjährig im Reinigungsteam tätigen Kolleginnen. Allein das Bettenmachen kostete Cynthia ein Vielfaches an Zeit und der Erfolg konnte sich auch noch nicht wirklich sehen lassen. Doch da drückte die Vorgesetzte ein Auge zu, steckte hier ein Laken ordentlicher am Eck gefaltet fest und glättete dort eine Bettdecke. „Es ist noch keine Meisterin vom Himmel gefallen!“, kommentierte sie trocken. An Tagen, an denen sie besonders gut drauf war, zitierte sie den Songtext: „You can get it if you really want, you must try, try and try!“ Centa Zittwitz half der Jüngeren gelegentlich, weil sie das Mädel mochte. Sie hatte sich immer eine Tochter gewünscht und nun waren es drei Buben, die auch schon aus dem Haus waren. Zufrieden, dass der Herr Direktor nichts an Cynthia auszusetzen hatte, kehrte sie an ihre Aufgaben in den noch vor ihr liegenden sieben Gästezimmern zurück.

2

Daniel Stalder fuhr ins erste Untergeschoss und klopfte an die Tür vom Überwachungsraum. Ein junger Kerl, den er noch nie gesehen hatte, öffnete ihm, blieb aber in der Öffnung stehen und verwehrte dem Hoteleigentümer den Zutritt mit den Worten: „Tut mir leid! Zutritt nur für Befugte!“

Der Manager war verärgert, dass hier jemand in einem sensiblen Bereich arbeitete, den er nicht kannte und der ganz offensichtlich ihn auch nicht kannte. Harsch entgegnete er: „Ich bin befugt! Wer sind Sie eigentlich?“

Dieter Posch erschien eiligst an der Tür. Im Gegensatz zu dem jungen Mann, der mit blauer Jeans und grauem Sweater bekleidet war, trug jener die grau-blaue Uniform eines Sicherheitsbeamten mit dem Hotelwappen auf der linken Brusttasche. „Herr Direktor! Tut mir leid. Das ist mein Sohn!“

„Dietmar Posch“, stellte sich fast zeitgleich der Fremde vor. Zu dritt betraten sie den circa zwanzig Quadratmeter großen Raum, in dem in der Mitte quer verlaufend lange Tische sich in zwei Reihen gegenüberstanden, sodass die sechzehn Monitore zu je acht auf jeder Tischseite Rücken an Rücken standen. Jetzt erhob sich ein weiterer Sicherheitsmann von seinem Platz und grüßte knapp. Stalder entschied sich, erst mal zu klären, weshalb ein Jüngling ohne sein Wissen hier unten saß - saß, denn im Gegensatz zu den beiden Uniformierten, die respektvoll vor ihrem Chef standen und sich fragten, warum er ausgerechnet heute hier unten auftauchte, hatte Poschs Halbwüchsiger wieder vor einem Bildschirm Platz genommen und ließ seine Finger in beeindruckender Geschwindigkeit über die Tastatur wuseln.

„So geht das nicht, Herr Posch! Wie ihr Sprössling mir so richtig erläuterte, haben hier nur Befugte Zutritt!“ Auffordernd sah er den Vater an, dem das Ganze sichtbar unangenehm war.

„Dietmar ist ein IT-Crack. Gestern wurde ein automatisches Update auf der Hälfte der Rechner über Nacht durchgeführt. Der Kollege von der Nachtschicht hat uns heute Morgen bei der Übergabe informiert, dass er nicht mehr auf die gespeicherten Aufnahmen zugreifen kann. Wir haben es ebenfalls vergeblich versucht, dann rumtelefoniert mit der Wartungsfirma und mehreren Spezialisten, frühestens morgen Mittag könnte einer kommen und sich das Problem hier vor Ort ansehen. Sie hatten sich wegen Sicherheitsbedenken ja gegen die Fernwartungsoption beim Wartungsvertrag entschieden, dann wäre es jetzt einfacher!“ Jetzt klang Herr Posch vorwurfsvoll.

„Und wie kommt da Ihr Sohn ins Spiel?“

„Ich dachte, es sind doch Ferien und da habe ich ihn gebeten herzukommen und zu schauen, ob er da was retten kann.“

„K&K haben angedeutet, der Fehler läge nicht an ihrem Update, wir hätten uns wahrscheinlich irgendwo einen Virus gefangen“, ergänzte nun Michael Wiese mit empörter Stimme. „Die schieben uns den Schwarzen Peter zu, dabei hat unser System keine externen Kontakte, kein Internet, keine USB-Zugänge, nichts von außen bis auf die Zugriffe von K&K zwecks Aktualisierungen!“

„Wenn es Spyware wäre, könnten wir nicht tatenlos bis morgen Mittag zusehen, wie vielleicht ein Virus uns alles zerstört, darum sollte Dietmar nach Viren, Würmern, Trojanern oder was auch immer suchen…“

Stalder war noch immer auf 180, fühlte sich hintergangen. Ein eventuell größeres Problem mit der Video-Überwachung gehörte unbedingt zu den Dingen, über die er sofort informiert werden wollte. „Und da halten Sie es nicht für nötig, sich mit mir in Verbindung zu setzen! Ich spreche Ihnen hiermit eine Abmahnung aus und sehe mein Vertrauen in Sie erschüttert. Bei der nächsten Kleinigkeit fliegen Sie beide – und der Nachtkollege gleich mit!“, polterte der Chef. Dass der junge Mann sich von alldem nicht stören ließ, als ob ihn nichts anginge, empfand der Leiter des Hotels als bodenlose Respektlosigkeit. „Und Sie verlassen jetzt sofort mein Hotel! Wenn Sie nicht zahlender Gast sind, will ich Sie hier nicht mehr im Gebäude antreffen! Sie haben Hausverbot! Bei Verstoß ruf ich beim Polizeiposten an und lasse Sie entfernen!“ Daniel Stalder merkte selbst, dass er völlig unangemessen rumbrüllte.

Dietmar Posch ließ sich nicht beirren. Er gab weiterhin Befehle ein und scrollte am Flatscreen in flottem Tempo die langen Buchstabenreihen runter.

Herr Wiese entschloss sich zu einem Ablenkungsversuch: „Was hat Sie denn persönlich zu uns geführt?“

Stalder stutzte kurz. „Richtig! - Gab es in den letzten zwei Tagen irgendwelche besonderen Vorkommnisse?“ Die beiden Sicherheitsmänner schüttelten den Kopf. „Vier Gäste aus 504 und 506 sind anscheinend seit Samstag nicht mehr in ihren Zimmern gewesen. Der Inspektor sieht keinen Handlungsbedarf, aber ich hätte gerne weitere Informationen über die vier Deutschen. Können Sie sich bitte darum kümmern: Woher? Mit Auto? Ausflugspläne bekannt? Verwandte oder Bekannte in der Gegend? ...“

Dietmar stand auf. Sofort wandten die drei Männer sich ihm zu. „Ich habe keinen Anhalt für einen Virus oder Hackerangriff gefunden. Die müssen einen Fehler im Update haben. Ich würde die anderen heute Nacht noch nicht aktualisieren! - Tschüss, bin um 12 mit Teddy zum Snowboarden verabredet!“ Der Crack verschwand, ohne auf eine Entgegnung zu warten.

„Dann machen Sie K&K Druck!“ Der Hoteldirektor verließ ebenfalls den Überwachungsraum.

3

An der Rezeption verlangte er von der Azubi, sie solle ihm jemanden vom Stammpersonal holen. Dem herbeieilenden Rezeptionisten gab er knapp Anweisung: „Setzen Sie in unser Intranet: „Wer hat die Gäste von 504 und 506 seit Samstagmorgen gesehen oder weiß etwas über Ausflugspläne?“ Danke!“

Zurück in seinem Büro fiel Daniel Stalder in seinen Bürosessel. Er fühlte sich alt. Wie konnte er so die Contenance verlieren ohne adäquaten Anlass?! Noch konnte es zig harmlose Erklärungen geben, warum seine Gäste inzwischen fünfzig Stunden verschwunden waren. Kein Grund seine Mitarbeiter so anzupflaumen! Normalerweise bemühte er sich, nicht nur mit den Hotelbesuchern, sondern auch mit seinem Personal freundlich und respektvoll umzugehen. Nach einer Erholungspause von zehn Minuten mit geschlossenen Augen und einigen Atemübungen fühlte er sich entspannter. Er hätte zum Telefonhörer greifen können, aber das macht man dann doch auch direkt von Mensch zu Mensch! Also zog er aus einer Schublade einen Wellness-Gutschein, zögerte kurz, trug dann als Dauer „4 Stunden“ ein, unterschrieb und machte sich erneut auf den Weg zum Überwachungsraum.

Als Dieter Posch ihm öffnete, begann der Chef gleich mit seiner Entschuldigung: „Es tut mir leid, dass ich Sie vorhin abgemahnt habe, ich nehme alles zurück, auch wenn ich in Zukunft über derlei Probleme unverzüglich informiert werden möchte!“ Sie waren in den Raum getreten. Michael Wiese hatte sich erhoben. „Es war nett von Ihrem Sohn, dass er seinen freien Morgen geopfert hat, geben Sie ihm bitte den Gutschein mit bestem Dank von mir! Hoffen wir, dass er recht behält und K&K nachbessert!“

Er wandte sich direkt zum Gehen, doch Herrn Poschs Bemerkung stoppte ihn: „Dann sag ich in Dietmars Namen schon mal Danke! – Wir wissen inzwischen, dass die vier zusammen mit einem roten Golf GTI mit dem Kennzeichen „FR EI 66“ am Freitag angereist sind. Der Wagen steht aktuell nicht bei uns auf dem Parkplatz. Damit können Sie überall sein!“

„OK. Danke sehr!“ Stalder überlegte, ob er mit den neuen Informationen nochmals bei der Polizeiinspektion anrufen sollte.

4

Direktor Stalder sah überrascht auf, als es an seiner Bürotür klopfte, da das selten der Fall war. In der Regel wurde er telefonisch kontaktiert. „Herein!"

 

Herr Posch erschien um 10 vor 5 kurz vor seinem Schichtende. „Entschuldigen Sie die Störung, ich wollte nur rasch Meldung machen, dass uns bisher von den Hotelangestellten keiner was Interessantes zu den vier Deutschen mitgeteilt hat."

„Bedauerlich! Danke. Schönen Feierabend!"

Der Sicherheitsbeauftragte dankte und verließ den Raum. Daniel Stalder lehnte sich in seinem Stuhl zurück und überlegte erneut, ob er sich beim Polizeiposten den Vorgesetzten für eine Vermisstenmeldung geben lassen sollte oder zuwarten konnte, ob die verschwundenen Gäste heute Abend wiederauftauchten. Da es inzwischen dunkel war und man eh nicht nach ihnen suchen konnte, beschloss der Hotelbesitzer, der auf keinen Fall irgendeinen Presserummel im Zusammenhang mit dem Kitzbüheler Hof auslösen wollte, morgen in der Früh nachzuprüfen, ob das Quartett wieder zurück war, sonst würde er eine Vermisstenanzeige aufgeben.

5

Elmar Preußler, Kriminalrevierinspektor in Kitzbühel, fand sich wie so oft nach Dienstende in der Palatschinken Stub'n zum Abendessen ein. Da er mit dem Inhaber Peter Melcher befreundet war, genoss er auf alle Speisen 50% Rabatt. Als Single erwartete ihn sowieso niemand zu Hause, da sparte er sich gerne den Aufwand mit Einkaufen, Kochen, Aufräumen und Spülen. In der Stub'n aßen oft Kollegen und Einheimische. Er betrachtete einen runden Vierertisch am Ende des Gastraumes, gleich neben dem Durchgang zur Küche, quasi als sein externes Wohnzimmer, wo man sich traf, palaverte und den Tag mit einem Glas Heurigen oder einer Stange Pils ausklingen ließ.

„Griaß di, Elmar, magst was Bestimmts oder Reste?" Der Betreiber des Gasthauses war gleichzeitig Chefkoch, Oberkellner und Alleinunterhalter. Da Peter mit jedem Besucher einen Plausch machte, egal, ob Tourist oder Kitzbüheler, konnte man von ihm immer die neuesten Nachrichten erfahren. Peter hörte alles, sah alles, wusste alles - und tratschte vieles weiter.

„Ich nehm was übrig ist", entschied sich der Angesprochene.

„Guad, ich hätt zum Beispiel noch Griesnockerln-Supp‘n, dann Palatschinken Hawaii und zum Dessert Crème brûlée, wenn's recht is?"

„Passt! Dank dir! Dazu ein Wasser bitte!“

Der Wirt verschwand in der Küche. Elmar sah sich um. In den frühen Abendstunden, wenn die Fremden vom Berg kamen und die Einheimischen nach der Arbeit reinschauten, war oftmals kein freier Platz zu finden, aber der Chef der Kitzbüheler Polizeiinspektion war heute länger im Büro geblieben, um Abschlussberichte zu den zwei letzten Fällen zu bearbeiten. Die Kollegin war seit heute für drei Wochen im Urlaub, da hatte er ohne Ablenkung arbeiten können. Inzwischen zeigte die Wanduhr in dem Gastraum 20 Uhr 37. Zu dieser Uhrzeit hatten die meisten Gäste schon gegessen, da zauberte der Küchenchef aus Resten, die die Küche nicht vorher verlassen hatten, oft ungewohnte Kreationen. Seine Kollegin Birte Schäfer war Veganerin und trieb den Koch mit ihren Sonderwünschen in den Wahnsinn, aber Elmar Preußler aß so ziemlich alles, was man ihm vorsetzte, und genoss Peters kulinarische Überraschungen. Die Suppe war auch heute wieder wunderbar mit Kräutern und Gewürzen abgeschmeckt, jedoch Pfannkuchen mit Schinken, Käse und Ananas gefüllt, war nicht so ganz sein Fall. Eigentlich hätte er es sich ja denken können, dass es eine süßliche Hauptspeise war – „Palatschinken Hawaii", aber Peter hätte wissen müssen, dass Elmar lieber deftig aß! Bisher hatte Kellnerin Vroni ihm serviert, aber jetzt erschien der Chef selber mit der Nachspeise und setzte sich zu seinem Freund.

Alarmiert sah Elmar Peter an. „Gibt's was?" Normalerweise käme der Gastronom erst nach dem Menü an den Tisch, zumal jetzt noch fast alle Tische mit vorwiegend Fremden besetzt waren. Die beiden Kellnerinnen eilten hin und her, da half Peter sonst am Ausschank, wenn die Essen raus waren.

„Habt ihr schon nach den Vermissten gesucht?", kam Peter Melcher gleich zum Grund seines Abweichens von der Routine.

Elmar leerte den Mund, bevor er nachfragte: „Welche Vermisste?"

„Vier Deutsche, die im Kitzbüheler Hof abgestiegen sind, sind seit zweieinhalb Tag nicht mehr im Hotel aufgetaucht."

„Na und?"

„Sie könnten Probleme haben!" Melchers Gesicht zeigte eine besorgte Miene und er nickte leicht mit dem Kopf.

„Und warum hängst du dich da rein?"

Der Wirt lehnte sich auf dem Stuhl zurück und zuckte mit den Schultern. „Der Stalder vom Hof hat sie heute Morgen als abgängig melden wollen, aber der Pichler hat die Vermisstenmeldung abgeschmettert, weil das erwachsene Leut sind, die wissen was sie tun."

„Recht hat er!" Elmar hatte das Nachtischschüsselchen geleert und schleckte genüsslich den Dessertlöffel ab. „Peter, deine Crème brulée ist ein Gedicht!"

Der Koch ignorierte das Kompliment und fuhr fort: „Willst du vielleicht schuld sein, wenn sie sterben?!"

„Warum sollten die denn sterben?"

„Weil sie eine Schneeschuhtour am Sonntag machen wollten und da hat es in den Bergen ordentlich gestürmt."

Elmars Interesse war geweckt: „Und woher weißt du von der Schneeschuhwanderung?"

„Heute Nachmittag waren der Dietmar Posch und der Teddy, weißt schon, der Sohn vom Sport-Huber, nach dem Snowboarden zum Après-Ski hier. Posch Junior und Huber Junior sprachen über vier Deutsche, die seit Tagen nicht mehr im Hotel waren, aber all ihre Sachen sind noch da. Teddys Vater hat ihnen Schneeschuhe für einen Tag vermietet und sich geärgert, dass sie sie nicht fristgerecht zurückgebracht haben, weil er für Montag eine Vorbuchung hatte und denen absagen musste. „Aber jeden Folgetag zieht Vater von der VISA ab – mit Verspätungszuschlag!", tönte der junge Huber.“

„Hört sich nicht gut an. Wohin sie wollten, wusste Teddy nicht?"

„Ich wollt mich nicht ins Gespräch mischen."

Elmar grinste. „Klar, Peter, das machst du ja nie!"

„Wenn ihr was wissen wollt, ist's recht, dass ich die Leut aushorch und sonst muss ich mir eure Lästereien anhören. Ich red halt mit den Menschen!“

„Schon gut, Peter. Ich kümmer mich drum. Jetzt ist's eh zu spät, aber gleich morgen früh, versprochen. Und jetzt bringst mir noch 'n Glas Wein, bitte!"

6

Der diensttuende Rezeptionist des Kitzbüheler Hofs hatte die beiden Polizisten zum Büro des Hotelchefs geleitet und war sofort zurück an seinen Platz geeilt, so klopfte Elmar Preußler an die Bürotür und übernahm die Vorstellung der beiden Beamten. Kommissar Preußler, Revierinspektor Dimpfelmoser. Dürfen wir Sie kurz stören, Herr Direktor Stalder?“

Der Hotelbesitzer erhob sich und reichte den Beamten die Hand. „Guten Morgen. Geht es um die verschwundenen Deutschen?“

„Genau. Sie hatten sich ja gestern beim Posten gemeldet. Ich nehme an, Ihre Gäste sind nicht wieder aufgetaucht?“

„Sie haben sich nicht an der Rezeption zurückgemeldet, allerdings auch ihre Schlüssel nicht beim Verlassen abgegeben, so könnten sie theoretisch auch direkt auf ihre Zimmer gegangen sein. Die Zimmermädchen fangen ab 10 Uhr, wenn die Gäste in der Regel ausgeschlafen haben oder schon aus dem Haus sind, in den Hotelzimmern mit dem Reinigen an.“

„Könnten wir zu den Zimmern gehen und uns selbst vergewissern, statt jetzt noch anderthalben Stunden zu warten?“

„Ja, sicher. Kommen Sie!“ Der Hotelier holte erneut den Generalschlüssel hervor und begleitete den Uniformierten Dimpfelmoser und Kommissar Preußler, der wie immer Zivilkleidung trug, hinauf in den 5. Stock. Gestern hatte er sich um die Gäste gesorgt, aber nachts sagte er sich, dass sie ja zu viert unterwegs waren, was sollte da schon passiert sein, lieber kein weiteres Aufsehen erregen. Doch nun hatte er sichtbar die Polizei im Haus, das war nicht gut! Das gab sicher neugierige Fragen und Getuschel unter Hotelgästen und auch Personal. Wie gestern klopfte Direktor Stalder erst normal, dann nochmals kräftiger zuerst an die Zimmertür von 506. Die drei Männer im Gang lauschten. Nichts geschah.

Elmar übernahm: „Hier spricht die Polizei. Öffnen Sie bitte die Tür!“ Kurzes Warten. Nichts. Er nickte dem Hotelmanager zu, welcher daraufhin den Schlüssel ins Schloss steckte, umdrehte und zwei Schritte zur Seite trat, um den Polizisten den Vortritt zu lassen. Das Hotelzimmer war leer und sah gegenüber gestern unverändert aus, soweit Stalder das mit einem kurzen Blick beurteilen konnte.

„Sehen wir drüben nach!“, forderte Elmar den Hotelchef auf, während er den Raum bereits wieder verließ. Bei Zimmer 504 wiederholte sich das Ganze ohne anderes Resultat. „Versiegel die beiden Zimmer und ruf die SpuSi! Dann befragst du bitte Personal und die Gäste!“

„Bitte, muss das sein?! Das Quartett ist hier offensichtlich freiwillig zu einem Ausflug mit dem eigenen Auto aufgebrochen, was sollen da die anderen Gäste schon zu sagen können. Mir wäre es wirklich lieber, wir müssten sie nicht behelligen!“, wandte Direktor Stalder ein.

Elmar überlegte kurz, dann gab er nach: „OK, zum jetzigen Zeitpunkt behandeln wir den Fall diskret und gehen von einem Unfall oder Ähnlichem aus. Wenn nötig werden wir Ihre Gäste aber doch noch als potentielle Zeugen befragen.“

Stalder nickte. „Viele, die jetzt hier sind, haben die vier Deutschen ja gar nicht gesehen, weil sie erst nach ihnen angereist sind!“

„Dann bräuchten wir die Namen und Adressen derer, die bereits abgereist sind, aber gleichzeitig mit den Abgängigen da war'n!“, fasste Dimpfelmoser die Situation zusammen. „Wenn es nötig wird, bekommen Sie die natürlich“, stimmte Stalder zu. „Was machen Sie jetzt?“, konnte er sich nicht verkneifen, den Beamten zu fragen.

Der zögerte kurz, hin und her gerissen zwischen einem knappen: „Das Übliche!“ und einer etwas freundlicheren Antwort. „Wir behandeln die Abwesenheit Ihrer deutschen Gäste jetzt als offizielle Suche mit landesweiter Meldung an alle Polizeiinspektionen, Aktivierung der Polizeiposten im Umkreis, Ausschau zu halten, Aufruf übers Radio und im Netz, wer die Personen oder ihren Wagen seit Samstagmittag gesehen hat… Die könne sich jo ned in Luft aufg'löst ham!“, verfiel der Revierinspektor wieder in Dialekt, nachdem er sich vorher bemüht hatte, Hochdeutsch zu sprechen.

„Können wir irgendetwas tun?“

„I müsst halt mit dem Personal rede.“

„Ich habe rumfragen lassen, keiner weiß etwas.“ Nach kurzem Zögern fuhr der Hotelier fort: „Aber ich kann Ihnen das zuständige Zimmerfräulein schicken, das mich ja auch informiert hat.“

Dimpfelmoser nickte: „I meld mi!“ Er zog sein Diensthandy, in das er sprach, während er sich entfernte.

7

Erst am Nachmittag kam Bewegung in die Suche, nachdem sich ein älterer Mann gemeldet hatte, dass er den im Radio halbstündlich nach den Kurznachrichten gebrachten Suchaufruf gehört hätte. Am Sonntag war er oberhalb von Aschau zu einer Schneewanderung mit seinem Hund vom Wander-Parkplatz „Halde“ aus unterwegs. Morgens sei ihm der Wagen nicht aufgefallen, aber als er so gegen halb zehn startete, war die Parkfläche weitgehend belegt gewesen. Als er um 16.20 bei einbrechender Dunkelheit zu seinem Wagen ging, stand nur noch der rote Golf aus Deutschland dort. Er hatte noch gedacht: „Jetzt wird’s aber Zeit für die Fremden!“

Laurentius Dimpfelmoser hatte das Gespräch auf der Sonderleitung entgegengenommen. „Danke, dass Sie sich gemeldet haben! Ich verbind Sie mit dem Einsatzleiter, Kriminalinspektor Preußler, bleiben Sie bitte dran!“

Er drückte den Knopf, mit dem er das Gespräch weiterleiten wollte, als sich hinter ihm die Türe öffnete und Elmar mit der Frage: „Gibt's was Neues?“ eintrat.

Beim Umdrehen zu seinem Vorgesetzten rutschte sein Finger vom Knopf. „Wir haben einen Zeugen, der den Wagen oben bei Aschau gesehen hat, allerdings schon am Sonntagabend. I wollt di grad… Der Inspektor wär jetzt da… Hallo… sind Sie noch dran?“ Laurentius sah Elmar an und zog die Schultern hoch: „Weg!“

„Dann ruf ihn an!“

Dimpfelmoser drehte sich langsam um zu seinem Schreibtisch, damit er dem Kommissar nicht ins Gesicht schauen musste. In der Aufregung, dass der Wagen gefunden worden war, hatte er sich zwar gemerkt, dass ein Herr Bichler angerufen hatte, aber er wusste weder den Vornamen, was bei so einem häufigen Nachnamen eine große Hilfe wäre, noch ob der Mann in der Gegend lebte oder ein österreichischer Tourist war. Was hatte der über sich erzählt? Er versuchte sich das Gespräch ins Gedächtnis zu rufen.

Elmar kam zu Dimpfelmosers Schreibtisch rüber, wunderte sich, dass der noch immer nicht zum Hörer griff. „Was is jetz?“

 

„Ja, weißt, das ging alles so schnell…I wollt ihn ja zu dir verbinden, aber…“

„Das ist nicht dein Ernst, Dimpfi!“ Die Stimme des Vorgesetzten klang harscher als beabsichtigt, so ergänzte er rasch: „Was machen wir jetzt?“

Der Untergebene schaute verlegen auf seine wenigen Notizen. „Wir wissen ja, wo er den Wagen gesehen hat, am Wanderparkplatz „Halde“ bei Aschau. Wir schicken jemand vom nächstgelegenen Posten hin, die können sich dort mal umschauen!“, schlug er zaghaft vor.

„Mach das!“ Elmar verschwand.

Laurentius schaute im Inspektionsverzeichnis nach, bevor er im Aschauer Revier anrief. Inzwischen war es 16.22. Hoffentlich erreichte er auf der kleinen Zwei-Mann-Wache noch jemanden!

„Revierinspektor Lanz, Polizei Aschau.“

„Revierinspektor Dimpfelmoser, Polizeiposten Kitzbühel. Ein Zeuge hat das gesuchte Fahrzeug FR-EI 66 der Vermissten bei euch in der Nähe am „Halde“-Parkplatz geseh'n. Könntet ihr mal hinfahr'n und euch ein Bild machen?“

„Welches gesuchte Fahrzeug?“, kam die Gegenfrage.

Laurentius Dimpfelmoser setzte sich unwillkürlich aufrecht hin und stauchte den Polizisten Lanz am anderen Ende der Leitung mit seiner ganzen Autorität zusammen: „Lest ihr die Rundmeldungen auf eurem Posten nicht?! Wenn…“ Der ältere Polizist kam gerade in Fahrt, als das Telefon der Sonderleitung erneut klingelte und er abgelenkt war. „Schickt's eu!“, dann griff er nach dem anderen Hörer: „Polizeiinspektion Kitzbühel, Revierinspektor Dimpfelmo…“

„Bichler! Wollten Sie mich nicht mit dem Kommissar verbinden? I wart und wart!“

„Gut, dass Sie sich wieder melden! Wir haben schon den dortigen Polizeiposten informiert. Die Kollegen machen sich auf den Weg, wir wollten keine Zeit verlieren, 's wird ja glei dunkel, aber jetzt verbind ich Sie mit dem Kommissar Preußler. Herr „Bichler“, richtig? Und der Vorname?“

„Franz. Franz Bichler“

„Geb'n s mir bitte noch Ihre Nummer, unter der wir Sie für eventuelle Nachfragen erreichen können!“

Der Anrufer ratterte eine elfstellige Mobilfunknummer runter, dass der Polizist sie kaum so schnell notieren konnte.

„Ich wiederhole: 0164919973.“

„Nein, 99573, da fehlt die 5!“

Laurentius korrigierte, sagte sie nochmals an und als sie so für korrekt befunden war, drückte er den Knopf und ließ das Telefon in Elmars Büro sechsmal klingeln, bevor der Kommissar endlich abnahm. „I hätt den Herrn Bichler für di!“ Erleichtert legte Dimpfelmoser auf. Jetzt brauchte er diese kleine Panne gar nicht in seinem Bericht zu erwähnen.

Die Wanduhr in der Wachstube zeigte 16:31. Der Beamte versuchte abzuschätzen, wie der Abend für ihn jetzt weiterginge. Im Dunkeln konnten die Kollegen vor Ort ja eigentlich nichts mehr unternehmen, also könnte er pünktlich Feierabend machen und den Abend mit einem guten Essen und einem Bier in der Stub'n ausklingen lassen. Andererseits hatten sie endlich einen Hinweis, wo man mit der Suche nach den verschwundenen deutschen Hotelgästen beginnen konnte. Die ganze Maschinerie könnte anlaufen mit den üblichen Optionen: Polizeistaffeln zur Suche raus, Spürhunde einsetzen, Suche aus der Luft mittels Helikopter oder Drohne… Dann wäre sein Feierabend - und wahrscheinlich die Nachtruhe ebenfalls – gestrichen. Laurentius ging zur großen Wandkarte von Österreich. Er war altmodisch, er sah sich Karten lieber groß ausgespannt an der Wand an als mit all dem modernen Schnickschnack am Handy wie Elmar und die neue, junge Kollegin es bevorzugten.

Er hatte sich noch gar nicht orientiert, wo genau auf der Karte er eine Markierungsnadel anbringen könnte, als der Kommissar reinkam. „Dimpfi, geh heim! Schlaf dich aus!“

„Warum?“

„Jetzt ist es zu spät, um eine geordnete Suche zu starten. Die Gäste sind jetzt über drei Tage weg. Sie sind entweder in Sicherheit oder schon tot, da besteht keine Notwendigkeit, in Eile bei schwarzer Nacht ziellos rumzusuchen. Wir brechen hier morgen um Viertel ab Viere mit dem Jeep auf. Um 5 ist eine Einsatzbesprechung in der Gemeindehalle von Aschau. Danach startet eine koordinierte Suchaktion von Boden und Luft aus. Schlaf gut!“

„Du a!“ Der Uniformierte zog seinen Anorak über und verließ das Revier, während Elmar in sein Büro zurückkehrte. Ärgerlich, dass die Kollegin Birte Schäfer ausgerechnet jetzt Urlaub hatte und vor dem kalten Winter nach Indien geflüchtet war. Er griff nach dem Mitarbeiterverzeichnis und rief die zwei übrigen hiesigen Gendarmerie-Kollegen persönlich an. Den jungen Sebastian Pichler bestellte er auf 5 nach 4 in Winterausrüstung für die Suche im Schnee morgens zur Garage des Polizei-Jeeps, sicherheitshalber zehn Minuten vor der geplanten Abfahrt, da die Jungen es ja mit der Pünktlichkeit nicht so genau nahmen. Der zwei Jahre ältere Polizist Ferdinand Scherer sollte seinen Dienst morgen statt erst zur Spätschicht um 12 schon um 8 antreten und hier die Stellung halten, während die drei Kollegen fort sein würden.

Elmar saß danach noch einige Minuten an seinem Schreibtisch und grübelte, was er vielleicht zu regeln vergessen haben könnte, aber ihm fiel nichts ein. Der Fundort des Wagens gehörte zum Einzugsgebiet von Aschau, darum lag es in deren Verantwortung, quasi über Nacht die Kollegen für die Suchmannschaft und die technischen Hilfsmittel zu organisieren. Elmar stand energisch auf. Er sollte schauen, dass er ins Bett kam, wenn er nachts um 3 schon wieder aufstehen musste. Als Letzter verließ er den Posten und schloss die Türen zum Büro, zur Wachstube und die Außentür der Polizeistation routiniert ab, da er häufig länger an seinem Schreibtisch saß, seit er der Gesamtverantwortliche für Kriminalfälle im weiten Umkreis um Kitzbühel war.

8

Als Preußler am Mittwochmorgen 10 nach 4 zur Dienstgarage für die beiden Polizeiwagen kam, hatte Dimpfelmoser den Jeep schon herausgefahren und das breite Tor via Fernbedienung geschlossen. „Auf geht's!“

Laurentius stieg ohne zu fragen, wer von ihnen fährt, auf der Fahrerseite ein und startete bereits den Motor erneut. „Herrje, wo bleibt der denn?“

„Wer?“

„Na, der Pichler! Der sollt vor zehn Minuten hier sein!“

„Wir kommen eh bei Pichlers Werkstatt vorbei, vielleicht begegnen wir ihm ja!“

„Wohnt der noch bei seinen Eltern?“, erkundigte sich Elmar.

„Beim Vater. Die Mutter ist an Krebs gestorben wie der Bub acht war. Der Vater hat Sebastian und den drei Jahr älteren Michael allein großgezogen. Die… Ah, da kommt er!“

Der junge Polizist kam in dicken Winterstiefeln die Straße hinaufgelaufen, so gut das eben in Stiefeln ging.

„Sorry! Ich bin nochmal eingeschlafen! Das war keine Absicht!“

„Rein jetzt!“, trieb Elmar.

Wastl setzte sich hinter den Kommissar und Laurentius beschleunigte wieder.

Um die Uhrzeit herrschte wenig Verkehr. Es hatte seit zwei Tagen nicht mehr neu geschneit, aber durch die Schneeverwehungen waren die Straßen teilweise nur mit 30 Stundenkilometern zu befahren. So erreichte das Kitzbüheler Team 20 vor 5 den Ort Aschau, der nicht weit vom Fundort des abgestellten Wagens lag.

9

Die große Halle, eine Mehrzweckhalle für alle möglichen Aktivitäten, war bereits hell erleuchtet. Auf dem weitläufigen Parkplatz davor stand eine bunte Mischung aus Privatwagen, während die diversen Dienstfahrzeuge hintereinander aufgereiht in der Zufahrt zum großen Lieferantentor parkten. Laurentius nutzte dort den Wendeplatz, um ihren Jeep zu drehen und gleich abfahrbereit hinter einen VW-Kombi zu stellen, wobei er sich fragte, ob der tatsächlich mit auf den Berg fahren würde, so tief wie der lag.

Als sie zu dritt durch den ebenfalls geöffneten Hintereingang die provisorische Einsatzzentrale betraten, empfing sie der verführerische Duft eines starken Kaffees. Zielstrebig diesem folgend, gelangten sie zu zwei Tischen auf denen man sich aus großen Thermoskannen den dampfenden Muntermacher einschenken konnte und Brötchen aus den Plastikkisten vom Bäcker bereit lagen. Die Mitglieder des Kitzbüheler Teams sahen sich mit dem für alle sehr erfreulichen Frühstückssnack in beiden Händen um, ob sie jemanden Bekanntes entdeckten. Elmar hielt Ausschau nach der Einsatzleitung. Als er sechs uniformierte Männer etwas abseits in einem engen Kreis stehend wahrnahm, marschierte er zielstrebig auf sie zu. „Preußler, Kitzbühel mit zwei Inspektoren. Servus!“

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