Читать книгу: «Hilfskreuzer „Chamäleon“ auf Kaperfahrt in ferne Meere», страница 9
„Klopf an, tritt ein und dann wirst Du schon sehen“, erwiderte sein Freund Bodo und fügte in Gedanken hinzu: und ich auch. Unwillkürlich straffte sich Waldau, hob nochmals die Hand und klopfte mit den Knöcheln vom Zeige- und Mittelfinger dreimal gegen die aus massivem Tropenholz gefertigte Tür der luxuriösen ehemaligen Reederkabine.
„Come in“, ertönte Suzannes Stimme von drinnen. Die beiden Offiziere sahen sich an, erfreut darüber, dass trotz der überstandenen Aufregung zumindest Suzanne ihre Rolle gekonnt weiterspielte und auf englisch antwortete. Entschlossen öffnete Waldau die Tür und trat schnell ein. Bei dem sich ihm bietenden Anblick stoppte er abrupt, als sei er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. Der ihm auf dem Fuße folgende Graf von Terra konnte so schnell nicht bremsen und prallte unsanft gegen Waldaus Rücken, mit dem Erfolg, dass dieser, so unsanft angeschoben, wieder in Fahrt geriet, seine Beine aber nicht mehr rechtzeitig unter Kontrolle bringen konnte. Bei dem Versuch, der mitten im Raum stehenden, in der linken Hand eine Flasche Rotwein und in der rechten ein halb geleertes Glas haltenden Suzanne Maigret auszuweichen, kollidierte er mit dieser. Die kleine schwarzhaarige Suzanne erwies sich dem Ansturm des großen, stämmigen, über 30 kg schwereren, Mannes nicht gewachsen und ging zu Boden. Um nicht auf die zierliche junge Frau zu treten, hob Didi Waldau, halb einen Ausfallschritt machend, halb zum Sprung ansetzend ab, mit dem Erfolg, dass sich sein rechter Fuß im Rocksaum der am Boden liegenden Südfranzösin verfing und er lang über sie schlug. Indes war ihm allerdings eine weiche Landung vergönnt. Auf dem hinter Suzanne an der Kabinenwand stehenden massiven, breiten Ledersofa lag nämlich, lang ausgestreckt auf dem Rücken, offenbar schlafend, das linke Bein leicht angewinkelt, Judith Silbermann. Didi Waldau machte sozusagen eine „Punktlandung.“ In dem Versuch sich abzustützen, kamen die ausgestreckten Hände genau auf den unübersehbaren oberen Rundungen der wohlgeformten Dita auf, das Gesicht in Bauchhöhe und der Rest des Körpers zwischen den kräftigen Oberschenkeln.
Die so unsanft Geweckte stieß einen schrillen Schrei aus, wobei ihrem Mund eine beachtliche Rotweinfahne entwich. Mit Verzögerung nahmen ihre schreckgeweiteten Augen wahr, dass ein kräftiger Mann auf ihr lag; beide Hände auf ihren Brüsten. Vom Kopf sah sie zunächst nur das dunkelblonde, kurzgeschnittene Haar. Unvermittelt und umnebelt von dem ungewohnt reichlichen Alkoholgenuss war es ihr zunächst nicht möglich, die sich ihr darbietende Situation auch nur annähernd einzuordnen. Schreckgeweitet irrten ihre Augen durch den Raum. Da vernahm sie das herzliche, ihr so wohlbekannte, kehlige Jauchzen ihrer Freundin Suzanne, in das sich männlich prustendes Gelächter mischte. Der Schreck ließ nach und ungläubiges Staunen überzog ihr Gesicht, als sie ihre Freundin zusammen mit dem Grafen Terra auf dem Boden hocken sah, die sich beide vor Lachen kaum halten konnten. Langsam wieder zu sich findend nahm sie allerdings irritierend auf, dass der Rock von Suzanne weit eingerissen war, so dass der ganze gebräunte Oberschenkel hervorlugte, was dieser aber nicht das Geringste auszumachen schien. Zwischenzeitlich hatte sich auch der auf ihr liegende kräftige Mann erhoben, indem sie nun den Kommandanten des deutschen Kriegsschiffs erkannte, den sie doch eigentlich bei den Guten eingeordnet hatte. Wieso lag der auf ihr und warum lag ihre Freundin mit zerrissenem Rock neben dem Sofa und lachte lauthals mit dem 1. Offizier? Träumte sie etwa? Nachdem die sie niederdrückende Last von ihr gewichen war, setzte Dita sich auf und schaute – immer noch mit leicht verschleiertem und entrücktem Blick – um sich, sichtlich bemüht, die Situation richtig zu verstehen. Ihr Blick huschte von einem zum anderen und blieb schließlich zunächst an dem großen deutschen Offizier hängen, dessen Hände sie so deutlich auf sich gespürt hatte. Dieser stand jetzt am Fußende der breiten Ledercouch und auch sie musste unwillkürlich lachen, als sie sah, dass dessen Gesicht flammend rot angelaufen war.
„Dita, Schätzchen“, ließ sich Suzanne vernehmen, „es ist wirklich nicht …“, sie brach von einem erneuten Lachkrampf geschüttelt ab, um dann nach kurzem Durchatmen fortzufahren: „Zumindest nicht wirklich das, was Du denkst.“ Auch der Kommandant fühlte sich bemüßigt eine Erklärung abzugeben, stellte dann aber fest, dass sein Freund Bodo offenbar gleich nach ihrer beider Eintreten die Kabinentür wieder geschlossen hatte, so dass der Zwischenfall zumindest außerhalb der Kabine von niemandem mitbekommen worden sein konnte und beschloss dann zunächst einmal zu schweigen und abzuwarten. Suzanne erklärte dann Dita die Situation, immer wieder von kleineren Lachattacken unterbrochen, in die Graf von Terra– sehr zum Missfallen seines Kommandanten – immer wieder nur zu gerne einstimmte.
„Siehst Du, Dummchen“, schloss sie ihre Ausführungen, „es wollte Dich also kein böser Hunne vernaschen, alles nur ein kleiner Unfall. Hätten wir das im Theater gesehen, wir hätten Tränen gelacht.“
„Na ja“, fand es der unverwüstliche Graf von Terra an der Zeit, sich mit einem langen, wohlwollenden Seitenblick auf Suzanne zu Wort zu melden, „das haben wir hier ja wohl auch leidlich getan.“
„Also“, ließ sich Didi Waldau nunmehr ebenfalls vernehmen, „ich für meinen Teil finde das nicht unbedingt nur lustig.“ Er schoss einen bösen Blick auf seinen Freund Bodo ab, den das allerdings nicht im Geringsten hinderte, sein fröhliches Grinsen beizubehalten.
„Ich kann mich bei Ihnen nur sehr entschuldigen, Fräulein Silbermann, aber dass was hier passiert ist, war wirklich völlig unabsichtlich. Ich frage mich allerdings, wie Sie auf den Gedanken gekommen sind, sich während des Gefechtes hier zu betrinken. Wo kommt der Wein überhaupt her?“
„Den habe ich gestiftet“, beantwortete Terra die Frage, „unsereiner weiß ja zumindest, was er seinen Gästen schuldig ist.“
Waldau wollte aufbrausen, wurde aber von Suzanne daran gehindert, die das Gespräch wieder an sich riss.
„Ja, Herr Graf und das war auch sehr gut so. Als Sie, Herr Kapitän, uns den Posten vor die Tür gestellt haben, habe ich die erste Flasche geöffnet und als diese Riesenexplosion erfolgte, war Dita schon sanft eingeschlummert.“
„Äh, und Sie“, wandte sich der Kommandant nunmehr an Suzanne und zeigte, dass auch er das abgesprochene Rollenspiel einstudiert hatte, „Miss Susan, haben Sie alles mitbekommen?“
„Ja“, antwortete Suzanne, die für alle an Bord Doktor Susan Mager hieß, um bei einem etwaigen Versprecher weniger aufzufallen, „ich habe wohl schon das Meiste gesehen.“ Hierbei wies sie auf die großen, runden Panzerglasscheiben der Reederkabine, Bullaugen genannt.
„Auch die schreckliche Explosion mit der riesigen Stichflamme habe ich deutlich gesehen. Wie schrecklich muss das für die Leute dort an Bord gewesen sein. Aber es wurden doch hoffentlich noch einige gerettet?“
„Ja“, versetze Graf von Terra anstelle des Kommandanten, „aber leider nur wenige.“
Dita schaute während dieses Gespräches erschreckt von einem zum anderen und Kommandant und IO waren froh, dass sie es Suzanne bzw. Doktor Susan Mager überlassen konnten, ihrer Freundin, die an Bord übrigens Miss Judy Silver hieß, mit den Geschehnissen vertraut zu machen.
Kommandant und IO schauten dann noch kurz bei Dr. Willi Weißer vorbei, der an Bord des Hilfskreuzers seinen Namen nicht ändern brauchte. Dieser hatte sich aber bereits, nach Abzug des Postens vor seiner Tür, ins Schiffslazarett begeben, um seinen deutschen Kollegen bei der Versorgung der Verwundeten behilflich zu sein.
16. Leergefegte See
Während „Chamäleon“ sich mit hohen Fahrstufen Richtung Süden davon machte erläuterte der Kommandant über Bordlautsprecher nochmals der gesamten Besatzung das so glücklich überstandene Gefecht und die traurige Tatsache des Totalverlustes von U131. Es versteht sich von selbst, dass die Ansprache des Kommandanten im Lazarett, wo ja auch die verwundeten Gegner behandelt wurden, als auch in den Räumen der Gefangenen, der Amerikanerinnen sowie des Dr. Weißer nicht zu hören war. Zum Abschluss seiner Durchsage sprach Dietrich Waldau nochmals Offizieren und Besatzung seine Anerkennung für die hervorragende Leistung aus und schloss mit den Worten: „Es erfüllt mich mit Stolz Kommandant dieser Einheit aus Schiff und Besatzung zu sein. Auf unseren Hilfskreuzer, das tapfere „Chamäleon“ ein dreifaches hipp, hipp!“ „ Hurrah! .“ „Hipp, hipp!“ „ Hurrah! “ „Hipp, hipp!“ „ Hurrah!“, ertönte mehrhundertfach aus den Kehlen von Offizieren und Besatzung das Hurrah. Der Kommandant, der auf dem Achterdeck hinter der Brücke auf der extra gefertigten 2 Meter hohen „Palaverkiste“ stand und den Blick über seine junge Besatzung schweifen ließ, gab dann noch bekannt: „Im Übrigen werde ich, sowie wir uns aus diesem Seegebiet weit genug entfernt haben, die SKL per Kurzsignal über das Gefecht mit der „Bramble“ und leider auch den Totalverlust von U131 informieren und bin sicher, dass dem Schiff weitere Auszeichnungen für diesen schönen Erfolg zugesprochen werden. In Absprache mit dem IO werde ich alsdann die Auszeichnungen bekannt geben. Leider, Kameraden, dürfte aber unser derzeitiges Aussehen von der „Bramble“ noch nach London und auch an die sicherlich noch in unmittelbarer Nähe stehenden weiteren Gegner, bekannt gegeben worden sein. Es heißt also, trotz Höchstfahrt, sich sofort ans Umtarnen zu machen. Wir werden uns jetzt in einen Japaner, nämlich die „Kagi Maru“ verwandeln. IO, veranlassen Sie alles weitere!“
Während sich „Chamäleon“ weiter mit Höchstfahrt und stetigem Südkurs in die Weite der See schlug, wurden die Funksignale der anderen Schiffe, der gegnerischen U-Jagdgruppe, schwächer. Am 3. Tag nach dem siegreichen Gefecht wurden gegnerische Funksprüche nicht mehr aufgefangen. Trotzdem wartete Waldau in Absprache mit dem IO noch drei weitere Tage bis er die immer dringenderen FT-Anfragen der Seekriegsleitung in Berlin (SKL) schließlich durch Kurzsignal befriedigte. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten und einen Tag später konnte Fregattenkapitän Waldau der erfreuten Besatzung mitteilen, dass ihm selbst für den Angriff auf den britischen Zerstörer das „Deutsche Kreuz in Gold“ – im Wehrmachtsjargon Spiegelei genannt – verliehen worden war, sowie der Besatzung der „Chamäleon“ 3 weitere „Eiserne Kreuze erster Klasse“ und 30 EK2. Bei der Verleihung vergaß der Kommandant auch – wie sonst leider häufig auf größeren Einheiten geschehen – das Maschinenpersonal nicht und das erste bekam selbstverständlich der so zielsichere Torpedooffizier (TO) Oberleutnant z. S. Curt Carstens. Auch die „Gäste“ überwanden die Nachwirkungen relativ gut. Auch Dita, worüber Waldau sich innerlich am meisten freute, verfiel nicht in frühere Ängste und Apathie. Offenbar hatte hier der Seelentröster Alkohol auch als Schutzmechanismus beste Wirkung entfaltet. Unter Aufsicht des LI und seiner Ingenieure sowie mit Hilfe aller Besatzungsmitglieder waren die zum Glück nur leichten Gefechtsschäden ebenfalls schnell ausgebessert und auch die Brücke erstrahlte im neuen Glanz. Bordwände und Heck zierte der neue Name „Kagi Maru“ und am Heck prangte unter dem Schiffsnamen der des Heimathafens Kobe. Das „Chamäleon“ hatte wieder einmal sein Gewand gewechselt und war zu neuen Taten bereit. Diese ließen aber auf sich warten.
Seit nunmehr drei Wochen war die See wie leergefegt. Mehrfach wurde das Bordflugzeug zu Aufklärungsflügen eingesetzt. Wenn dieses dann, nach manchmal zweistündiger Abwesenheit zurückkehrte, sahen Kommandant, Offiziere und Besatzung ihm erwartungsvoll entgegen.
„Dammich“, ließ sich der Geschützführer des achteren 15-Zentimeter Geschützes, Obermaat Lucht, vernehmen: „Sie hat wieder nicht gewackelt.“ Die um ihn stehenden Kameraden nickten traurig.
„Nee, nee, wir karren hier durch den Ozean und der Tommy lässt seine Schiffe ganz woanders fahren.“
So und ähnlich lauteten die Kommentare an Bord, was auch Offizieren und Kommandant nicht verborgen blieb. Um Hein Seemann nicht auf trübe Gedanken kommen zu lassen, wurden also wieder fleißig alle möglichen Übungen angesetzt. Zum Ausgleich dafür zauberten der Smutje und seine Kombüsengang was Kühlräume und Vorratskammern zu bieten hatten und das war bekanntlich, vor allem auch Dank der „Yvonne La Porte“, nicht wenig. Da zudem das eine oder andere geistige Getränk zu den Mahlzeiten, zumindest der Freiwache, und selbstredend in der Offiziersmesse, vom Kommandanten bewilligt wurde, hielt sich das Murren der Besatzung in Grenzen. Die Liebe von Hein Seemann geht bekanntlich durch den Magen und auch die Zunge möchte mal befeuchtet werden.
„Chamäleon“ war wieder auf langsame Fahrt gegangen und hatte weitausholend von der Küste Südamerikas, Uruguay und die La-Plata-Mündung passiert, nicht ohne Gedenken an die Besatzung des Panzerschiffes „Graf Spee“, dass jetzt vor der Hafeneinfahrt von Montevideo im Rio de la Plata auf Grund lag und ihren durch Selbstmord aus dem Leben geschiedenen Kommandanten, Kapitän zur See Graf Langsdorff. Anfang April trat die „Chamäleon“ in die sogenannten Roaring Forty’s ein, die brüllenden Vierziger und durfte auch gleich einen der in diesem Seegebieten häufig anzutreffenden Orkane „abreiten.“ Peitschend schlug die See über den Aufbauten zusammen, wenn sich der lange Steven des Schiffes tief in die See bohrte und sich dann nach unendlich langer Zeit wieder aufrichtete, Tonnen von Seewasser über die Brücke und das ganze Schiff werfend. Alles was nicht niet- und nagelfest gezurrt war, ging zu Bruch. In dickes Ölzeug gewandet mit Pullover und doppelter langer Unterwäsche, es war wieder wesentlich kälter geworden, stemmten sich die Männer an den gespannten Strecktauen über Deck, wenn dieses erforderlich wurde, um einen losgerissenen Lukendeckel zu verschalen, oder sonstige Seeschäden zu beseitigen, bevor diese größeres Unheil anrichten konnten. Tief im Bauch des Schiffes, in den Torpedoräumen sorgte beispielsweise der TO mit seinen Leuten dafür, dass die mehrere Meter langen Torpedos, mit ihren 350 kg TNT enthaltenen Sprengköpfen, nicht durch die See losgerissen werden konnten. Auch wenn diese ohne eingesetzte Zündpistolen an und für sich ungefährlich sind, kann allein der tonnenschwere Torpedo erhebliche Schäden anrichten, wenn dieser unkontrolliert im Sturm durch den Raum schleudern würde. Der als Sperrwaffenoffizier fungierende 2. AO, Leutnant zur See Bernd Fischer, der auch als solcher für die Sicherheit der Minen zuständig war, hatte alle Hände voll zu tun, um dafür zu sorgen, dass keines dieser Teufelseier seinen Befestigungen entkommen konnte. Schwer arbeitete auch das Maschinenpersonal tief unten im Schiff unter Leitung des LI und seiner Ingenieure und Maschinisten. Die größte Herausforderung allerdings hatte der Smutje, Kochobermaat Sven Pagelsdorf mit seinem Küchenpersonal zu meistern. In der relativ kleinen Kombüse für einige hundert Leute jeweils drei Hauptmahlzeiten zu bereiten und dafür zu sorgen, dass zumindest immer heißer Kaffee, Tee oder auch Kakao – ein in der Marine in kalten und stürmischen Zeiten überaus beliebtes Getränk – hinreichend zur Verfügung stand, forderte schon den ganzen Mann und hierbei kam es dann auch zu einigen kleinen Unfällen durch Verbrühungen oder Stürze beim Küchenpersonal und den Backschaftern, die die Mahlzeiten und auch die vornehmlich ausgegebene Kaltverpflegung und die Heißgetränke vor Ort zu bringen hatten. Aber auch der schlimmste Sturm geht einmal zu Ende.
Am 09. April 1940 – kein weiteres Schiff ließ sich sehen- saß der Kommandant mit seinem IO, den beiden Artillerieoffizieren, Flugzeugführer und Beobachter, Torpedooffizier und Navigationsoffizier zur Offiziersbesprechung in der Offiziersmesse.
Nachdem der Kommandant Raucherlaubnis erteilt hatte, zündeten sich die meist jüngeren Offiziere und auch der Kommandant, die ja alle jetzt mit Beutezigaretten gut versorgt waren, ihre Stäbchen an. Graf von Terra indessen hatte – sehr zum Verdruss der beiden Nichtraucher, seine alte Liebe zur Pfeife wieder entdeckt und entlockte dieser gewaltige Rauchwolken, während zwei der Sonderführer bei ihren Zigarren blieben. Als sich auch alle aus der großen Kaffeekanne, die Backschafter Kalle Kerst auf den Tisch gestellt hatte, bedient hatten, kam der Kommandant zur Sache.
„Wie wir alle feststellen mussten, meine Herren, hat der Gegner offenbar seine Dampferrouten verlegt. Es stellt sich also die Frage, wo verlaufen diese jetzt? Doch dazu später. Zunächst einmal“, hier unterbrach sich Fregattenkapitän Waldau und musterte seine Untergebenen nachdenklich, „glaube ich auch in Ihrem Sinne zu handeln, wenn wir endlich einmal zusehen, dass wir unsere Minen von Bord bekommen.“
Alle in der Runde nickten, besonders eifrig der IIAO, dem als an Bord verantwortlichen Speerwaffenoffizier ja ein guter Teil der Arbeit und Verantwortung bei den zu legenden Minensperren zukam. Insgeheim sah er schon ein riesiges britisches Schlachtschiff auf die von ihm kunstvoll gelegte Minensperre laufen, wofür der Führer ihn höchstpersönlich mit dem Ritterkreuz auszeichnen würde. Zumindest hatte er vor einiger Zeit schon mal hiervon geträumt. Bei dem Gedanken daran, ließ ein versonnenes Lächeln die ohnehin noch sehr jungenhaft wirkenden Gesichtszüge des gerade einmal 21jährigen noch weicher, ja fast kindlich erscheinen.
„Na, schau sich einer unseren wackeren Leutnant Fischer an“, drang die Stimme Graf Terras aus der ihn umgebenden Nebelwand aus Tabakschwaden, „vor seinem geistigen Auge läuft wohl schon die halbe britische Flotte auf unsere Minensperre.“
Leutnant zur See Fischer, der nunmehr alle Blicke seiner, ja meist rangmäßig über ihm angesiedelten, Offizierskameraden auf sich gerichtet sah, errötete.
„Keineswegs, äh, Herr Kaptän, ich ähm, ich dachte nur gerade …“
„Nun“, mischte sich der Kommandant ein, „Herr Fischer, lassen Sie uns an Ihren Gedanken teilhaben.“ Waldau sah seinen jüngsten, von ihm aber sehr geschätzten, Offizier aufmunternd an. „Wir wissen ja alle, das der IO eine ziemliche Spottdrossel ist, also was meinen Sie?“
Leutnant Fischer, der zwischenzeitlich seine Antwort gedanklich sortiert hatte, erwiderte, nunmehr ausschließlich seinen Kommandanten anschauend: „Jawohl, Herr Kaptän, hier unten im Südatlantik gibt es ja kaum Häfen, die zu verminen sich lohnen würden, mit Ausnahme … vielleicht …“, jetzt schaute er dann doch wieder etwas unsicher geworden in die Runde der Älteren. Nach einem weiteren, zustimmenden und aufmunternden Blick seines Kommandanten und auch des mit ihm befreundeten, wenn auch einige Jähre älteren, TO, Oberleutnant zur See Curt Carstens, fuhr Leutnant Fischer fort: „Die Falklands, Herr Kaptän.“
Froh darüber, dieses jetzt herausgebracht zu haben, blickte der junge, aber bestens beurteilte und darum vom Kommandanten auch ausgewählte, Offizier in die Runde. Zu seinem Erschrecken war den Anwesenden anzusehen, dass sein Gedanke wenig Anklang fand. Lediglich der TO, Oberleutnant Carstens, als auch der Navigationsoffizier, Oberleutnant zur See (S) Kleinhausen, nickten ihm zu und – zu seiner großen Freude – auch der Kommandant. Dieser ergriff nunmehr wieder das Wort: „Tja, meine Herren, unser Benjamin liegt gar nicht so falsch.“ Abwehrend hob Dietrich Waldau die Hände, als er die weitgehend überraschten Gesichter, auch seines IO, sah. Bewusst hatte der Kommandant seinen ersten Offizier über seine eigenen Ideen vor der Besprechung noch nicht informiert, sondern beschlossen den Freund auch einmal „leicht auflaufen zu lassen“, als kleine Rache für dessen hemmungsloses Gelächter bei seiner, des Kommandanten, vor einiger Zeit fabrizierten Sofalandung.
„Schauen Sie, meine Herren, verständlich ist, dass jeder von Ihnen denkt, wir hätten bereits auf dem Anmarsch beispielsweise vor Cap Agulhas die Minen mit guter Aussicht auf Erfolg legen können oder eben zu einem späteren Zeitpunkt, vielleicht gar vor Kapstadt. Ich habe aber wenig Lust und kann es auch nicht verantworten, auf einem derartigen Pulverfass schwimmend, mich auf ein weiteres Artilleriegefecht einzulassen. Was wäre zum Beispiel passiert, wenn der Kommandant der „Bramble“ uns sogleich als Gegner angesprochen und seine Aufmerksamkeit und ganze Artillerie sofort gegen uns eingesetzt hätte? In Verbindung mit seiner modernen Feuerleittechnik und der weit überlegenden Geschwindigkeit hätten wir wohl kaum eine Chance gehabt. Von einem schneidig vorgetragenen Torpedoangriff will ich einmal gar nicht reden. Diesen hätte ich als Zerstörerkommandant nämlich gefahren. Und bei einem Torpedotreffer in unsere Minenräume wäre unser Dampfer wohl wie eine Silvesterrakete zerplatzt.“
Bei diesen Worten ihres Kommandanten, der als ehemaliger Zerstörerkommandant, wie alle am Tisch wussten, die Situation wohl bestens einschätzen konnte, lief es dem einen oder anderen schon etwas kalt über den Rücken, wie den betretenen Mienen anzusehen war. Auch das ewige Grinsen auf dem Gesicht des Grafen wirkte wie eingefroren. Der NO, Oberleutnant zur See (S) Wilhelm Kleinhausen, der bereits im Weltkrieg in der Skagerak-Schlacht als junger Offizier auf dem Schlachtkreuzer „Von der Tann“ schwer verwundet worden war, hob die Hand um sich zu Wort zu melden. Der Kommandant winkte ihm zu, „Bitte, Herr Kleinhausen, Ihre Meinung als erfahrener Kapitän unserer Handelsmarine und Teilnehmer an der Skagerak-Schlacht, ist uns immer wertvoll.“
„Danke, Herr Kaptän“, nickte der Navigationsoffizier seinem Kapitän und den Offizierskameraden zu. „Meine Herren, ich kann unserem Kommandanten nur voll beipflichten und auch Herrn Leutnant Fischer. Wir sollten wirklich sehen, dass wir die Minen von Bord bekommen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Tommy seine Handelsschiffe nach und nach, spätestens wenn diese wieder in England ankommen, auch zumindest mit einer Kanone auf dem Heck zur U-Bootabwehr bewaffnen wird. Das haben wir ja schon im Weltkrieg erlebt. Und eine einzige Granate kann – wie Herr Fregattenkapitän Waldau meines Erachtens nur zu richtig ausführte – für uns alle das Ende bedeuten. Hinzu kommt, dass auch ich die Falklands durchaus nicht nur für ein möglicherweise sehr lohnendes Ziel erachte.“ Der kräftige Kleinhausen atmete erst einmal tief durch, nahm einen ordentlichen Zug aus seiner Zigarre und fuhr, nach zustimmendem Blick des Kommandanten, fort: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Engländer auf den Falklands entweder wieder eine Kampfgruppe stationieren oder zumindest die Falklands häufig von einer solchen anlaufen lassen werden. Insbesondere dann, wenn auch in diesem Gebiet Versenkungserfolge erzielt werden können. Und dann“, fuhr er mit einem langen und aufmunternden Seitenblick auf Leutnant Fischer fort „werden unsere Erwartungen vielleicht sogar übertroffen.“
Der Kommandant erhob sich. „Danke, Herr Kleinhausen, bitte setzen Sie den Kurs auf die Falklands ab.“
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