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Boses Schlussfolgerungen aus dem Jahr 1927 waren eindrucksvoll und prophetisch. „Das Wahrnehmungsvermögen von Pflanzen“, schrieb er, „ist unvorstellbar größer als unser eigenes; sie nehmen nicht nur wahr, sondern reagieren auch auf die verschiedenen Strahlen des riesigen Ätherspektrums. Vielleicht ist es auch gut so, dass unsere Sinne in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit beschränkt sind. Denn das Leben wäre sonst unter dem ständigen Angriff dieser unaufhörlichen Wellen von Weltraumsignalen unerträglich – zumal die Backsteinmauern unserer Häuser ziemlich durchlässig sind. Unser einziger Schutz wären dann hermetisch versiegelte Metallkammern.“13
KAPITEL 7
Akute Krankheiten der Elektrizität
Am 10. März 1876 lösten sieben berühmte Wörter eine noch größere Lawine von Drähten aus – in einer elektrifizierten Welt, die sich bereits in ein ganzes Kabelgewirr verheddert hatte. Sie lauteten: „Herr Watson, kommen Sie, ich brauche Sie.“ Es waren die ersten Worte, die je über ein Telefon, wie wir es heute kennen, gesprochen wurden.
Im übertragenen Sinne hörten und beherzigten diesen Ruf bei der Weltpremiere des Telefons in Boston Millionen von Menschen – ganz so, als ob sie in einer Wüste leben würden, die nur darauf wartete, bepflanzt und bewässert zu werden. Im Jahr 1879 besaßen nur 250 Menschen in ganz New York City ein Telefon. Eine Vision keimte, setzte sich durch, und nur zehn Jahre später sprossen aus demselben Boden dichte Wälder von 24 bis 28 Meter hohen Telefonmasten mit bis zu jeweils 30 Abzweigungen. An jedem Baum in diesen elektrischen Hainen hingen bis zu 300 Drähte, die die Sonne verdeckten und die darunterliegenden Alleen verdunkelten.

Calvert und German Streets, Baltimore, Maryland, ca. 1889
In E. B. Meyer, Underground Transmission and Distribution (Unterirdische Übertragung und Verteilung), McGraw-Hill, N. Y., 1916
Etwa zur gleichen Zeit macht man sich daran, die elektrische Lichtindustrie zu konzipieren. 126 Jahre, nachdem einige niederländische Pioniere ihren eifrigen Schülern beigebracht hatten, wie man eine kleine Menge elektrischen Fluidums in einer Flasche aufbewahrt, zeigte Zénobe Gramme aus Belgien nun den Nachkommen dieser Pioniere, wie man den Deckel dieser Flasche entfernt. Seine Erfindung des modernen Dynamos ermöglichte hiermit die Erzeugung praktisch unbegrenzter Mengen an Elektrizität. 1875 beleuchteten grelle Kohlebogenlampen die öffentlichen Bereiche im Freien in Paris und Berlin. Bis 1883 hatte man Zweitausend-Volt-Drähte über die Dächer von Wohngebieten im West End von London gespannt. In der Zwischenzeit hatte Thomas Edison eine kleinere und schonendere Lampe erfunden, die moderne Glühlampe, die besser für Schlafzimmer und Küchen geeignet war. Im Jahr 1881 wurde dann in der Pearl Street in New York City die erste von Hunderten von Zentralstationen gebaut, die Gleichstrom (DC) an Kunden in Randgebieten lieferten. Die dicken Kabel dieser Stationen schlossen sich bald ihren dünneren Kameraden an. Sie wurden zwischen den hohen Ästen der sich für immer ausweitenden Kabelwälder in Städten in ganz Amerika gespannt.
Und daraufhin gab es eine ganz neue Erfindung, die sich an diese Entwicklung unmittelbar anschloss: den Wechselstrom (AC). Viele, einschließlich Edison, wollten diesen Störenfried vernichten und sofort im Keim ersticken. In ihren Augen war er richtig gefährlich; aber ihre Warnungen stießen auf taube Ohren. Bis 1885 hatte das ungarische Trio Károly Zipernowsky, Otis Bláthy und Max Déri ein komplettes System zur Erzeugung und Verteilung des Wechselstroms entwickelt und damit begonnen, dieses in Europa zu installieren.
In den Vereinigten Staaten übernahm George Westinghouse im Frühjahr 1887 das Wechselstromsystem und der „Kampf um die Stromarten“ eskalierte. Westinghouse wetteiferte mit Edison um nichts weniger als die Zukunft unserer Welt. In einer der letzten Salven in diesem kurzen Krieg veröffentlichte der Scientific American auf Seite 16 der Ausgabe vom 12. Januar 1889 die folgende Idee für eine Challenge:
Die Gleich- und Wechselstromadvokaten greifen sich intensiv aufgrund der relativen Schädlichkeit der beiden Systeme an. Ein Ingenieur hat eine Art elektrisches Duell vorgeschlagen, um die Angelegenheit ein für alle Mal zu klären. Er schlägt vor, dass er, Westinghouse, den Gleichstrom und sein Gegner den Wechselstrom erhält. Beide sollen dem Strom mit der gleichen Spannung ausgesetzt werden, die schrittweise erhöht wird, bis einer der Rivalen nachgibt und den Wettbewerb freiwillig aufgibt.
Der Staat New York regelte die Angelegenheit unerwartet, indem er den elektrischen Stuhl als neues Mittel zur Hinrichtung von Mördern einführte und dafür Wechselstrom verwendete. Obwohl sich mit dieser Entscheidung zeigte, dass Wechselstrom an sich viel gefährlicher war, gewann Westinghouse das Duell. Schon damals ging es hier nicht um einen Kampf zwischen einzelnen Kontrahenten, sondern um einen Kampf um kommerzielle Interessen. Fernstromversorger standen vor der Aufgabe, wirtschaftlich vertretbare Wege zu finden, um zehntausendmal mehr Strom über einen durchschnittlichen Draht zu liefern, als es bisher erforderlich war. Doch Gleichstromsysteme konnten seinerzeit mit der damals verfügbaren Technologie nicht mithalten.
Die Elektrotechnik, die seit diesen anfänglichen Schritten mit Bedacht gesät, gedüngt, bewässert und gehegt worden war, schoss gen Himmel und breitete sich in alle Richtungen und über jeden bis dahin bekannten Horizont aus. Nikola Teslas Erfindung des 1888 patentierten Mehrphasen-Wechselstrommotors war das letzte Glied in der Kette, das es der Industrie ermöglichte, Wechselstrom nicht nur für die Beleuchtung, sondern auch für die Stromversorgung zu verwenden. Als Dr. George Beard 1889 zum ersten Mal eine Krankheit namens Neurasthenie beschrieb, wurde die Welt schlagartig in einem Ausmaß elektrifiziert, das kaum vorstellbar war. Viele hatten damals gesagt, dass der Telegraf „Raum und Zeit vernichtet“ hatte. Aber 20 Jahre später waren Telegrafen im Vergleich zum Elektromotor nur ein Kinderspielzeug. Die elektrische Lokomotive war jetzt im Begriff, die Landschaft mit explosionsartiger Kraft zu verändern.
Anfang 1888 waren in den Vereinigten Staaten nur 13 elektrische Eisenbahnen auf insgesamt 77 Kilometer Gleis und eine ähnliche Anzahl in ganz Europa in Betrieb. Das Wachstum dieses Industriezweiges war so spektakulär, dass bis Ende 1889 allein in den USA rund 1.600 Kilometer Gleis elektrifiziert wurden. In einem weiteren Jahr verdreifachte sich diese Zahl erneut.
1889 ist das Jahr, in dem vom Menschen verursachte elektrische Störungen der Erdatmosphäre nicht mehr nur einen lokalen, sondern auch einen globalen Charakter annahmen. In diesem Jahr wurde die Edison General Electric Company gegründet und die Westinghouse Electric Company wurde in die Westinghouse Electric and Manufacturing Company umstrukturiert. In diesem Jahr erwarb Westinghouse die Wechselstrompatente von Tesla und setzte sie in seinen Kraftwerken ein, deren Zahl sich von 150 im Jahr 1889 auf 301 im Jahr 1890 praktisch verdoppelte. Im Vereinigten Königreich wurden durch die Änderung des Gesetzes über elektrische Beleuchtung im Jahr 1888 die Vorschriften für die Elektrizitätswirtschaft gelockert. Hierdurch wurde die Entwicklung eines Zentralkraftwerks auf kommerzieller Ebene erstmals ermöglicht. Und 1889 änderte der Verein der Telegrafeningenieure und Elektriker seinen Namen in den jetzt angemesseneren Verband der Elektroingenieure um. 1889 stellten 61 Hersteller in zehn Ländern Glühlampen her, und amerikanische und europäische Unternehmen richteten Produktionsstätten in Mittel- und Südamerika ein. In dem Jahr berichtete der Scientific American wie folgt: „… soweit wir wissen, ist jede Stadt in den Vereinigte Staaten mit Lichtbogen- und Glühlampen ausgestattet. Mit der elektrischen Beleuchtung in den kleineren Städten wird es zügig vorangehen.“1 In demselben Jahr schrieb Charles Dana im Medical Record über eine neue Kategorie von Verletzungen, die zuvor nur durch Blitzschlag verursacht wurden. Sie seien darauf zurückzuführen, so Dana, dass „der praktische Einsatz von Elektrizität so enorm zugenommen hat und bereits fast 1 Milliarde US-Dollar allein in Licht und Strom investiert wurde“. Die meisten Historiker sind sich einig, dass das moderne Elektrozeitalter 1889 begann.
Und im selben Jahr, 1889, wurden Ärzte in Amerika, Europa, Asien, Afrika und Australien – als hätten sich die Schleusen des Himmels plötzlich geöffnet – von einer Flut kritisch kranker Patienten überschwemmt, die an einer seltsamen Krankheit litten. Sie erschien völlig unerwartet aus dem Nichts und viele dieser Ärzte hatten sie noch nie zuvor gesehen. Bei jener Krankheit handelte es sich um Influenza. Eine Pandemie, die vier aufeinanderfolgende Jahre dauerte und mindestens eine Million Menschen das Leben kostete.
Influenza ist eine Krankheit, die durch die Elektrizität verursacht wird
Im Jahr 1889 änderte die Influenza, deren Beschreibungen seit Tausenden von Jahren konsistent waren, plötzlich und unerklärlich ihren Charakter. Zuletzt hatte die Grippe im November 1847 – mehr als ein halbes Jahrhundert zuvor – den größten Teil Englands erfasst. In den Vereinigten Staaten wütete die letzte Grippeepidemie im Winter 1874–1875. Influenza war von jeher als launische, unberechenbare Krankheit bekannt, ein wildes Tier, das aus dem Nirgendwo kam, ganze Populationen ohne Vorwarnung und ohne erkennbaren Zeitplan auf einmal terrorisierte, um dann so plötzlich und mysteriös, wie es erschienen war, wieder zu verschwinden. Danach war von der Krankheit jahre- oder jahrzehntelang nichts mehr zu sehen. Sie verhielt sich wie kein anderes Leiden, galt als nicht ansteckend und erhielt ihren Namen, weil ihr Kommen und Gehen angeblich vom Einfluss (lateinisch: „influens“) der Sterne bestimmt war.
Aber 1889 wurde die Influenza gezügelt. Ab diesem Jahr würde sie immer präsent sein – überall auf der Welt. Sie würde zwar wie zuvor wieder auf mysteriöse Weise verschwinden, aber man konnte damit rechnen, dass sie im folgenden Jahr mehr oder weniger zur gleichen Zeit zurückkehrte. Und seitdem ist sie nie völlig abwesend.
Wie die „Angststörung“ ist die Influenza so häufig und mittlerweile so vertraut, dass eine gründliche Überprüfung ihrer Geschichte erforderlich ist. So können wir diesem Eindringling in unserem Leben die Maske vom Gesicht reißen und die enormen Folgen dieser Katastrophe für die öffentliche Gesundheit, die sich vor 130 Jahren abspielte, verdeutlichen. Wir wissen viel – mehr als genug – über das Influenzavirus. Das mit dieser Krankheit verbundene mikroskopische Virus wurde so ausführlich untersucht, dass Wissenschaftler mehr über seinen winzigen Lebenszyklus wissen als über jeden anderen Mikroorganismus. Aber das war auch genau der Grund, warum viele Besonderheiten dieser Krankheit ignoriert wurden, einschließlich der Tatsache, dass sie nicht ansteckend ist.

Influenza-Todesfälle pro Million in England und Wales, 1850–19402
Der kanadische Astronom Ken Tapping war im Jahr 2001 zusammen mit zwei Ärzten aus British Columbia der letzte Wissenschaftler, der erneut bestätigte, dass Influenzapandemien seit mindestens drei Jahrhunderten am wahrscheinlichsten zu Zeiten der stärksten magnetischen Sonnenaktivität sind, d. h. zum Höhepunkt jedes elfjährigen Sonnenzyklus.
Ein solcher Trend ist nicht der einzige Aspekt dieser Krankheit, der Virologen lange vor ein Rätsel stellte. Im Jahr 1992 veröffentlichte ein weltweiter Experte für die Epidemiologie der Influenza, R. Edgar Hope-Simpson, ein wichtiges Buch. Er überprüfte die wesentlichen bekannten Fakten und wies darauf hin, dass sie keine Rückschlüsse auf eine Übertragung durch direkten persönlichen Kontakt unterstützten. Hope-Simpson grübelte sehr lange über die Influenza, und zwar seit er ihre Opfer während der Epidemie von 1932 bis 1933 als junger Allgemeinarzt im englischen Dorset behandelt hatte. Hierbei handelt es sich um die Epidemie, bei der das Virus, das mit der Erkrankung beim Menschen in Verbindung gebracht wird, zum ersten Mal isoliert wurde. Während seiner 71-jährigen Karriere wurden die Fragen von Hope-Simpson jedoch nie beantwortet. „Die plötzliche Explosion von Informationen über die Natur des Virus und seine antigenen Reaktionen im menschlichen Wirt“, schrieb er 1992, trug lediglich dazu bei, dass „sich die Anzahl der erklärungsbedürftigen Besonderheiten noch vergrößerte.“3
Warum ist die Influenza saisonal? fragte er sich immer noch. Warum ist die Influenza sonst so gut wie nie vorhanden, außer in den wenigen Wochen oder Monaten einer Epidemie? Warum enden Grippeepidemien? Warum verbreiten sich nicht-saisonale Epidemien nicht? Wie explodieren Epidemien in ganzen Ländern auf einmal und verschwinden auf genauso wundersame Weise, als seien sie plötzlich untersagt? Es war ihm unerklärlich, warum sich ein Virus möglicherweise so verhalten könnte. Warum griff die Grippe so oft junge Erwachsene an und verschonte Kleinkinder und ältere Menschen? Wie ist es möglich, dass sich Grippeepidemien in den vergangenen Jahrhunderten mit der gleichen rasanten Geschwindigkeit wie heute verbreitet haben? Wie kann das Virus plötzlich „spurlos verschwinden“? Dies bezieht sich auf die Tatsache, dass bei Auftreten eines neuen Virusstammes der alte Stamm von einer Jahreszeit zur nächsten auf einmal weltweit vollständig verschwunden ist. Hope-Simpson listete 21 verschiedene Fakten über Influenza auf, die ihn stutzig machten und die sich jeder Erklärung entzogen, wenn man davon ausging, dass sie durch direkten Kontakt verbreitet wurde.
Schließlich ließ er wieder eine Theorie aufleben, die zuerst von dem Forscher Richard Shope aufgestellt wurde, der 1931 das erste Grippevirus in Schweinen isolierte. Er war auch der Meinung, dass viele explosiv auftretende Ausbrüche nicht durch Ansteckung erklärt werden konnten. Shope und später Hope-Simpson schlugen vor, dass die Grippe tatsächlich nicht auf die übliche Weise von Mensch zu Mensch oder von Schwein zu Schwein übertragen wird, sondern dass sie sowohl bei den menschlichen als auch den tierischen Trägern latent bleibt. Diese Träger, die sehr zahlreich sind, leben inmitten ihrer Gemeinschaften, bis das Virus durch einen Umweltauslöser reaktiviert wird. Hope-Simpson vertrat ferner die Meinung, dass der Auslöser mit den jahreszeitlich bedingten Schwankungen der Sonnenstrahlung verbunden und möglicherweise sogar elektromagnetischer Natur ist, was bereits viele seiner Vorgänger in den letzten zwei Jahrhunderten vorgeschlagen hatten.
Als ein junger Hope-Simpson mit seiner Praxis in Dorset begann, hatte ein dänischer Arzt namens Johannes Mygge am Ende einer langen und angesehenen Karriere gerade eine Monografie veröffentlicht, in der auch er bewies, dass Influenzapandemien in der Regel in Jahren mit maximaler Sonnenaktivität auftraten. Außerdem stieg und fiel die jährliche Zahl der Grippefälle in Dänemark mit der Anzahl der Sonnenflecken. In einer Zeit, in der die Epidemiologie im Begriff war, nur noch eine Suche nach Mikroben zu werden, gab Mygge zu und wusste bereits aus lebenspraktischer Erfahrung, dass, „wer aus der Reihe tanzt, riskiert, dass ihm auf die Füße getreten wird“.4 Aber er war sich sicher, dass Influenza etwas mit Elektrizität zu tun hatte, und er kam zu dieser Überzeugung genauso wie ich: aus persönlicher Erfahrung.
1904 und 1905 führte Mygge neun Monate lang ein sorgfältiges Gesundheitstagebuch. Später verglich er es mit Aufzeichnungen über das elektrische Potenzial der Atmosphäre, die er im Rahmen eines anderen Projekts zehn Jahre lang dreimal täglich angefertigt hatte. Es stellte sich heraus, dass die migräneähnlichen Kopfschmerzen – die ihn buchstäblich außer Gefecht setzten und von denen er immer schon gewusst hatte, dass sie mit Wetteränderungen verbunden waren – fast immer auf den Tag oder einen Tag vor einem plötzlich starken Anstieg oder Abfall in der atmosphärischen Spannung fielen.
Kopfschmerzen waren jedoch nicht nur die einzigen Auswirkungen. An Tagen mit solchen elektrischen Turbulenzen war sein Schlaf fast ausnahmslos unterbrochen und unruhig. Er litt außerdem unter Schwindel, gereizter Stimmung, einem Gefühl der Verwirrung, summenden Empfindungen im Kopf, Druck auf der Brust und einem unregelmäßigen Herzschlag. Manchmal, so schrieb er, „hatte mein Zustand den Charakter eines drohenden Influenza-Anfalls, der sich jedes Mal nicht wesentlich vom Beginn eines tatsächlichen Anfalls dieser Krankheit unterschied“.5
Andere, die Influenza mit Sonnenflecken oder atmosphärischer Elektrizität in Verbindung gebracht haben, sind John Yeung (2006), Fred Hoyle (1990), J. H. Douglas Webster (1940), Aleksandr Chizhevskiy (1936), C. Conyers Morrell (1936), W. M. Hewetson (1936), Sir William Hamer (1936), Gunnar Edström (1935), Clifford Gill (1928), C. M. Richter (1921), Willy Hellpach (1911), Weir Mitchell (1893), Charles Dana (1890), Louise Fiske Bryson (1890), Ludwig Buzorini (1841), Johann Schönlein (1841) und Noah Webster (1799). Heinrich Schweich beobachtete 1836, dass alle physiologischen Prozesse Elektrizität erzeugen und nahm an, dass eine elektrische Störung der Atmosphäre den Körper daran hindern könnte, diese zu entladen. Er wiederholte die damals verbreitete Überzeugung, dass die Symptome der Influenza durch eine Ansammlung von Elektrizität im Körper verursacht werden. Niemand hat dies bisher widerlegt.
Zwischen 1645 und 1715, ein Zeitraum, den Astronomen als das Maunder-Minimum bezeichnen, war die Sonnenaktivität so minimal, dass praktisch keine Sonnenflecken zu sehen waren. Keine Auroren zierten die polaren Nächte, in denen nach einheimischer kanadischer Tradition „die Menschen von den Lichtern des Himmels verlassen waren“.6 Das Interessante dabei ist, dass es auch keine weltweiten Grippepandemien gab. 1715 tauchten nach einer jahrzehntelangen Abwesenheit plötzlich wieder Sonnenflecken auf. 1716 veröffentlichte der berühmte englische Astronom Sir Edmund Halley im Alter von 60 Jahren eine dramatische Beschreibung des Nordlichts. Es war das erste Mal, dass er es gesehen hatte. Aber die Sonne war immer noch nicht voll aktiv. Als wäre sie nach einem langen Schlaf aufgewacht, streckte sie sich, gähnte und legte sich wieder hin. Denn sie zeigte uns nur die Hälfte der Sonnenflecken, die sie uns heute auf dem Höhepunkt jedes elfjährigen Sonnenzyklus zur Schau stellt. Erst 1727 betrug die Anzahl der Sonnenflecken zum ersten Mal seit über einem Jahrhundert wieder mehr als 100. Und 1728 brach die Influenza wellenartig auf der Erde aus, die erste Grippepandemie seit fast 150 Jahren. Diese Epidemie war universeller und dauerhafter als jede andere in der bisher aufgezeichneten Geschichte. Sie trat auf allen Kontinenten auf, wurde 1732 noch brutaler und hielt nach einigen Berichten bis 1738 an, dem Höhepunkt des nächsten Sonnenzyklus.7 John Huxham, der im englischen Plymouth Medizin praktizierte, schrieb 1733, dass „kaum jemand entkommen ist“. Er fügte hinzu, „dass einige Hunde tollwütig wurden; Pferde litten bereits vor den Menschen an Katarrh und ein Gentleman sagte mir, dass einige Vögel, insbesondere die Spatzen, den Ort verlassen haben, an dem er sich während der Krankheit befand.“8 Ein Beobachter in Edinburgh berichtete, dass einige Menschen 60 Tage lang Fieber hatten und andere, die nicht krank waren, „plötzlich starben“.9 Nach einer Schätzung kamen weltweit rund zwei Millionen Menschen bei dieser Pandemie ums Leben.10
Wenn Influenza in erster Linie eine durch Elektrizität verursachte Krankheit ist, eine Reaktion auf eine elektrische Störung der Atmosphäre, dann ist sie im üblichen Sinne nicht ansteckend. Die Muster der Epidemien sollten dies beweisen – und das tun sie auch. Zum Beispiel begann die tödliche Pandemie von 1889 in weit verstreuten Teilen der Welt. Im Mai jenes Jahres wurde gleichzeitig im usbekistanischen Buchara, in Grönland und in Nord-Alberta von schweren Ausbrüchen berichtet.11 Die Grippe wurde im Juli in Philadelphia12 und in Hillston, einer abgelegenen Stadt in Australien13 und im August auf dem Balkan gemeldet.14 Da dieses Muster im Widerspruch zu den vorherrschenden Theorien stand, haben viele Historiker so getan, als ob die Pandemie von 1889 erst „wirklich“ begann, als sie Ende September in den westlichen Steppen Sibiriens Fuß fasste und sich dann von dort aus, in zu erwartender Weise, in den Rest der Welt von Mensch zu Mensch durch Ansteckung ausbreitete. Das Problem dabei ist jedoch, dass diese Krankheit sehr viel schneller Destinationen erreichte als die Züge und Schiffe der Zeit. Sie erreichte Moskau und St. Petersburg in der dritten oder vierten Oktoberwoche, aber zu diesem Zeitpunkt hörte man bereits von Ausbrüchen der Influenza in Durban, Südafrika15 und Edinburgh, Schottland.16 New Brunswick, Kanada,17 Kairo,18 Paris,19 Berlin,20 und Jamaika21 meldeten im November Epidemien; London, Ontario am 4. Dezember;22 Stockholm am 9. Dezember;23 New York am 11. Dezember;24 Rom am 12. Dezember;25 Madrid am 13. Dezember26 und Belgrad am 15. Dezember.27 Die Influenza schlug explosiv und unvorhersehbar zu, und zwar immer wieder in Wellen bis Anfang 1894. Es war, als hätte sich etwas Grundlegendes in der Atmosphäre geändert, als würden Wildbrände willkürlich überall auf der Welt von einem anonymen Feuerteufel entzündet.
Ein Beobachter in Ost- und Zentralafrika, der im September 1890 erkrankte, behauptete, dass Influenza in diesem Teil Afrikas noch nie zuvor aufgetreten sei, jedenfalls nicht in der Erinnerung der ältesten lebenden Einwohner.28
„Influenza“, sagte Dr. Benjamin Lee von der Landesgesundheitsbehörde in Pennsylvania, „breitet sich aus wie Hochwasser und überschwemmt ganze Gebiete innerhalb einer Stunde … Es ist kaum vorstellbar, dass eine Krankheit, die sich mit solch erstaunlicher Geschwindigkeit ausbreitet, erst eine Inkubationszeit bei jeder infizierten Person durchläuft und nur durch den Kontakt von Mensch zu Mensch oder durch infizierte Gegenstände übertragen wird.“29
Der willkürliche Charakter der Influenza zeigt sich nicht nur an Land, sondern auch auf See. Mit der heutigen Reisegeschwindigkeit ist dies nicht mehr offensichtlich, aber in früheren Jahrhunderten, als Seeleute Wochen oder sogar Monate nach ihrer letzten Anlegestelle an Influenza erkrankten, war dies bemerkenswert. Im Jahr 1894 beschrieb Charles Creighton 15 verschiedene historische Fälle, in denen ganze Schiffe oder sogar viele Schiffe einer Flotte der Krankheit, weit entfernt von Land, unterlagen – geradeso, als wären sie in einen Influenza-Nebel gesegelt. In einigen Fällen entdecken sie bei ihrer Ankunft in ihrem nächsten Hafen, dass die Influenza gleichzeitig an Land ausgebrochen war. Creighton fügte einen Bericht über die zeitgenössische Pandemie hinzu: Die Handelsgesellschaft „Wellington“ war am 19. Dezember 1891 mit ihrer kleinen Besatzung von London nach Lyttelton, Neuseeland, gesegelt. Am 26. März, nach über drei Monaten auf See, wurde der Kapitän plötzlich von einer schweren fieberhaften Krankheit ergriffen. Als er am 2. April in Lyttelton ankam, „fand der an Bord kommende Lotse den Kapitän krank in seiner Schlafkoje und als ihm die Symptome mitgeteilt wurden, sagte er sofort: ‚Es ist die Influenza: Ich habe sie gerade selbst gehabt.‘“30
Ein Bericht von 1857 war so überzeugend, dass William Beveridge ihn 1975 in sein Lehrbuch über Influenza aufnahm: „Das englische Kriegsschiff Arachne kreuzte vor der Küste Kubas‚ ohne jeglichen Kontakt mit dem Land.“ Wenigstens 114 aus einer Besatzung von 149 Mann erkrankten an Influenza, und erst später erfuhr man, dass es gleichzeitig Ausbrüche in Kuba gegeben hatte.“31
Die Geschwindigkeit, mit der sich die Influenza ausbreitet, und ihr willkürliches und gleichzeitiges Verbreitungsmuster verblüffen Wissenschaftler schon seit Jahrhunderten. Dies war für einige der überzeugendste Grund, weiterhin zu vermuten, dass die atmosphärische Elektrizität die Ursache von Influenza sei, trotz der bekannten Anwesenheit eines ausführlich untersuchten Virus. Hier eine Auswahl alter und zeitgenössischer Beurteilungen:
Wahrscheinlich wurde noch nie eine Krankheit beobachtet, der in kürzester Zeit so viele Menschen unterlagen wie bei der Influenza. Nahezu eine ganze Stadt oder zumindest ein Stadtviertel waren in wenigen Tagen betroffen. In der Tat, viel schneller als man im Fall einer Ansteckung annehmen würde.
Mercatus berichtet, dass bei der Grippewelle in 1557 in Spanien der größte Teil des Volkes an einem einzigen Tag davon erfasst wurde.
Dr. Glass sagt, als sie 1729 in Exeter weit verbreitet war, erkrankten 2.000 daran in einer Nacht.
Dr. Shadrach Ricketson (1808),
A Brief History of the Influenza32
Die schlichte Tatsache ist, dass diese Epidemie innerhalb einer Woche eine ganze Region trifft; nein, innerhalb weniger Wochen sogar einen ganzen Kontinent so groß wie Nordamerika einschließlich aller Westindischen Inseln. Dabei war es unmöglich, dass die Einwohner eines so großen Gebiets innerhalb dieser kurzen Zeit miteinander Kontakt oder Umgang gehabt hätten. Diese Tatsache allein reicht aus, um jede Vorstellung einer Verbreitung durch Ansteckung von einem Individuum auf ein anderes außer Frage zu stellen.
Dr. Alexander Jones (1827),
Philadelphia Journal of the Medical and Physical Sciences33
Im Gegensatz zur Cholera übertrifft sie in ihrem Verlauf die Geschwindigkeit, mit der Menschen miteinander Umgang haben können.
Dr. Theophilus Thompson (1852),
Annals of Influenza or Epidemic Catarrhal Fever in Great Britain from 1510 to 183734
Eine Ansteckung allein reicht nicht aus, um den plötzlichen und gleichzeitigen Ausbruch der Krankheit in weit entfernten Ländern zu erklären. Hinzu kommt noch die merkwürdige Art und Weise, in der bekanntermaßen die Besatzungen von Schiffen auf See an ihr erkrankten, bei denen der Kontakt mit infizierten Orten oder Personen absolut ausgeschlossen werden kann.
Sir Dr. Morell Mackenzie (1893),
Fortnightly Review35
Normalerweise bewegt sich die Influenza mit der gleichen Geschwindigkeit wie der Mensch, aber manchmal bricht sie anscheinend gleichzeitig in weit voneinander entfernten Teilen der Welt aus.
Jorgen Birkeland (1949),
Microbiology and Man36
[Vor 1918] gibt es Aufzeichnungen über zwei weitere große Influenza-Epidemien in Nordamerika in den letzten zwei Jahrhunderten. Die erste davon ereignete sich 1789, dem Jahr, in dem George Washington zum Präsidenten ernannt wurde. Das erste Dampfschiff überquerte 1819 den Atlantik und der erste Dampfzug fuhr erst 1830. Dieser Ausbruch ereignete sich also, als ein galoppierendes Pferd die schnellste Beförderung des Menschen war. Trotz dieser Tatsache breitete sich der Influenza-Ausbruch von 1789 mit großer Geschwindigkeit aus; um ein Vielfaches schneller und weiter, als ein Pferd galoppieren könnte.
Dr. James Bordley III und
Dr. A. McGehee Harvey (1976),
Two Centuries of American Medicine, 1776–197637
Das Grippevirus kann von Mensch zu Mensch in Feuchtigkeitströpfchen aus den Atemwegen übertragen werden. Die direkte Konfrontation kann jedoch nicht für gleichzeitige Influenza-Ausbrüche an weit voneinander entfernten Orten verantwortlich sein.
Roderick E. McGrew (1985),
Encyclopedia of Medical History38
Warum haben sich die epidemischen Modelle in Großbritannien in vier Jahrhunderten nicht verändert – Jahrhunderte, in denen die Geschwindigkeit des menschlichen Transports stark zugenommen hat?
Dr. John J. Cannell (2008),
„On the Epidemiology of Influenza“ aus: Virology Journal
Die Rolle des Virus, das nur die Atemwege infiziert, hat einige Virologen verblüfft, da Influenza nicht nur oder nicht einmal hauptsächlich eine Atemwegserkrankung ist. Warum die Kopfschmerzen, die Augen- und Muskelschmerzen, die Erschöpfung, die gelegentliche Sehbehinderung, die Berichte über Enzephalitis, Myokarditis und Perikarditis? Warum Fehlgeburten, Totgeburten und Geburtsdefekte?39
In der ersten Welle der Pandemie von 1889 in England standen neurologische Symptome im Vordergrund, während die respiratorischen Symptome ausblieben.40 Die meisten der 239 Grippepatienten von Amtsarzt Röhring im bayerischen Erlangen hatten neurologische und kardiovaskuläre Symptome und keine Atemwegserkrankung. Fast ein Viertel der zum 1. Mai 1890 in Pennsylvania gemeldeten 41.500 Grippefälle wurden primär als neurologisch und nicht respiratorisch eingestuft.41 Nur wenige Patienten von David Brakenridge in Edinburgh oder von Julius Althaus in London hatten Atembeschwerden. Stattdessen litten sie an Schwindel, Schlaflosigkeit, Verdauungsstörungen, Verstopfung, Erbrechen, Durchfall, „völlige[r] Erschöpfung der geistigen und körperlichen Stärke“, Neuralgie, Delirium, Koma und Schüttelkrämpfen. Nach der Genesung verblieben viele Beschwerden wie Neurasthenie oder sogar Lähmungen oder Epilepsie. Anton Schmitz veröffentlichte einen Artikel mit dem Titel „Wahnsinn nach Influenza“ und schlussfolgerte, dass Influenza in erster Linie eine epidemische Nervenkrankheit war. C. H. Hughes nannte Influenza eine „toxische Neurose“. Morell Mackenzie stimmte zu:
Meiner Meinung nach liegt die Antwort auf das Rätsel der Influenza in vergifteten Nerven … In einigen Fällen erfasst sie den Teil (des Nervensystems), der die Atmungsmaschinerie steuert, in anderen den Teil, der die Verdauungsfunktionen kontrolliert; bei anderen scheint es gewissermaßen so, als würde an nervösen Tasten hinauf- und hinuntergespielt, um so den empfindlichen Mechanismus zu stören und Unordnung und Schmerzen in verschiedenen Körperteilen mit einer fast böswilligen Willkür aufzuwirbeln … Da die Nahrung für jedes Gewebe und jedes Organ im Körper unter der direkten Kontrolle des Nervensystems steht, folgt daraus, dass alles, was das Letztere betrifft, eine nachteilige Wirkung auf das Erstere hat. So ist es nicht verwunderlich, dass die Influenza in vielen Fällen ihre Spuren durch eine beschädigte Struktur hinterlässt. Nicht nur die Lunge, sondern auch die Nieren, das Herz und andere innere Organe sowie die Nervenmasse selbst können auf diese Weise betroffen sein.42
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