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Der Secretair der Marquise Du-Deffand

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Achtes Kapitel

Ich hatte also Paris, Larnage, Frau von Luynes und Frau von Creance verlassen, und lebte in meinem väterlichen Hause. Ich hatte tiefe Trauer angelegt und weinte um meine Mutter, mehr weil die Andern sie beweinten, als aus eigenem Schmerze, denn ich erinnerte mich ihrer kaum noch, ich war ja seit so vielen Jahren von ihr getrennt gewesen. Ich wußte, daß sie gut war, daß sie mich liebte, daß sie mich selbst verzog, und daß die Andern mich nicht verzogen, aber bei mir war der Geist stets die vorherrschende Eigenschaft gewesen; meine Mutter sprach weniger zu meinem Geiste als meine Tante, und ich zog ihr aus diesem Grunde meine Tante vor. So lebte ich eingezogen und sehr traurig in Chamrond. Ich dachte oft an Larnage, der mir ganze Bände schrieb, bedauerte Paris, hegte den Wunsch, mich zu verheirathen, um dieser physischen und moralischen Unbeweglichkeit zu entgehen, und entdeckte nirgends einen Heirathscandidaten, der Luft zu mir, oder zu dem ich Lust gehabt hätte. Es ist eine alberne Idee, das Glück in die Führung und in den Willen eines Andern zu setzen, aber dennoch ist das Leben der Frauen kein anderes Ding. Verdammt zu einer steten Abhängigkeit, unterwerfen sie sich unwillkürlich dem Schicksale, das man ihnen auferlegt, sie tragen die Folgen desselben, und wenn diese Folgen sie erdrücken, so schreibt man ihnen noch die Schuld zu. Die Gerechtigkeit der Welt ist nun einmal so, alle mögliche Philosophie wird sie nicht besser machen; ich selbst habe viel gelitten, um mich zu fügen.

Dieses Landleben, bei dem mein Geist so wenig Nahrung fand, ward mir täglich unerträglicher. Ich würde den Teufel geheirathet haben, wenn er als Edelmann verkleidet gekommen wäre, und mir ein leidliches Leben zugesichert hätte. Leider stellten sich nur Teufel ohne einen Heller Geld ein, und das Elend ist mir stets schrecklich gewesen. Auf die Erinnerung an Larnage gab ich viel, ich sah ihn schon als den vom Souverain anerkannten Enkel, vom Souverain in der Thai, wenn auch nicht nach dem Rechte – denn nach meiner Politik konnte es nicht fehlen, daß der Herzog von Maine den Herzog von Orleans überwog, und ihn unter die Regentschaft stellte. Der arme Sire schrieb mir jede Woche seine Hoffnungen, er bauete prächtige Schlösser, deren Zweck natürlich ich war. Seine Liebe zu mir war so heiß, daß ich mich an ihrem Wiederscheine erwärmte, und daß es mir mitunter vorkam, als liebe ich ihn. Dann schwärmte ich in köstlichen Entzückungen unter den großen Bäumen des Parks, und ich sah meinen Geliebten in seiner Glorie. Ich vergötterte ihn, wie es junge Mädchen von achtzehn Jahren zu thun pflegen, ehe sie aus eigener Erfahrung wissen, daß es keinen andern Gott als den dort oben giert, und daß alle andern Contrebande sind.

So verflossen die Wochen, dann die Monate, dann die Jahre. Mein Muth begann zu sinken, und die Zeit kam mir sehr lang vor. Zwanzigmal sah ich täglich in den Spiegel, um mich zu überzeugen, daß ich noch nicht alterte, und daß ich immer noch schon sei. Ich gab mich endlosen Lectüren hin, und ging sehr oft zur Beichte, aber leider nicht aus Frömmigkeit, sondern um dem Beichtvater meine Gedankensünden zu erzählen, da ich ihm keine anderen erzählen konnte, obgleich ich große Lust dazu hatte. Ich wandte alle nur erdenklichen Mittel an, die Langweile ward immer größer. Meine Tante selbst war zu ohnmächtig, sie zu beschwören, ihre Zärtlichkeit scheiterte an dieser Klippe.

Sie nahm mich mit zu Herrn von Toulongeon, bei dem eine Zusammenkunft des Adels stattfand. Wir sollten dort einen Monat bleiben. Sie hoffte mich zu zerstreuen, meine Ideen zu ändern, und vielleicht auch auf den Festen jenen bis jetzt unauffindbaren Mann zu finden. Ich reiste ab, ohne Vergnügen zu empfinden, ich dachte nicht einmal an meinen Putz, der, ich bekenne es, sehr einfach war, und wäre meine Tante nicht gewesen, so hätte ich die Reise in der Nachtmütze und mit leerem Koffer angetreten. Glücklicherweise hatte die gute Fee Vorsorge getragen; sie hatte mir von Dijon zwei vollständige Anzüge kommen lassen, einen für den Morgen, einen für den Ball, die, mit einigen aufgeputzten Schmucksachen meiner Mutter, eine anständige Garderobe bildeten. Ich verlangte nicht einmal so viel.

Am ersten Tage sah ich nichts in dieser mir fast unbekannten Menge, ich zeichnete nichts aus, und hörte nur die gewöhnlichen Complimente, ohne mich darum zu kümmern. Unter der Zahl der Gäste befand sich der Abbé de Saint Croix, ein römischer Prälat, Kammerherr des Papstes, ein geistreicher, feiner und unendlich liebenswürdiger Mann. Er lebte in Italien und war nur auf einige Monate nach Burgund gekommen, wo er Verwandte hatte. Der Zufall brachte uns einander näher, er griff mich mit Worten an, und nahm sich vor, mich zum Reden zu bringen. Ich hielt ihn würdig mich zu vernehmen, und erzählte ihm meine Chimären, fast ohne mich dessen zu versehen, und einzig und allein, weil er mich dazu trieb. Durch seine Fragen ermuthigt, ging ich in meiner Vertraulichkeit sehr weit: ich gestand ihm mein Verhältniß zu Larnage, denn ich hatte nur dies zu gestehen; ich gestand unsere Hoffnungen, unsere thörichten Träume, er lächelte, sah mich an, und nach einer Pause sagte er:

– Ich will Sie verheirathen!

– Sie wollen mich verheirathen?

– Ja, mein Fräulein, und wenn Sie vernünftig sind, so nehmen Sie den Mann an, den ich Ihnen bestimme. Sie erreichen bald das zwanzigste Jahr, das schönste Alter! Später steigt man auf der schlechten Seite des Berges hinab, dies ist der Augenblick, wo man still stehen muß – denken Sie es nicht?

– Mein Herr, ich habe Ihnen meine Gedanken vielleicht nur zu deutlich zu erkennen gegeben.

– Welche Thorheit! Halten Sie mich für einen Abbé vom Hofe? Hören Sie meinen Vorschlag: Was würden Sie zu einem Edelmanne aus sehr altem Geschlechte sagen, dessen Ahnen in den Jahrbüchern von Burgund verzeichnet stehen, selbst unter den Herzögen, der Colonel eines Dragoner-Regiments und Marquis ist, und mir die Ehre erweist, mich seinen Cousin zu nennen?

– Der letzte Grund ist ohne Zweifel der beste. Sie haben mir die guten Eigenschaften genannt, kommen wir auch zu den Fehlern.

– Er besitzt ohne Zweifel Fehler, denn keiner von uns ist frei davon; aber er besitzt deren nur wenig. So wird er zum Beispiel Lieutenant-General der Orleanisten sein, eine Charge, die seine Familie seit 1666 besitzt.

– Ach, mein Herr, Sie jagen mir eine erschreckliche Furcht ein! Ihr Bräutigam muß ja eine Art von Ungeheuer sein, daß Sie so lange zögern, es mir zu sagen.

– Ich muß bekennen, daß er nicht schön ist, aber er hat…

– Eine edele Gestalt und Verdienste. Gehen wir weiter – ich kenne diese Ausflüchte.

– Er besitzt die Anmaßung nicht, je in die Academie-Francaise aufgenommen zu werden.

– Ich noch weniger, das schwöre ich Ihnen!

– Man behauptet, daß er langweilig ist.

– Ah, das ist schon wichtiger!

– Daß er einen schwachen Charakter hat, und leicht zu leiten ist.

– Um so schlimmer! So mögen wir Beide thun und lassen, was wir wollen, wir werden den Dummköpfen zu reden geben.

– Wenn man ihnen kein Futter giebt, so nehmen sie es sich. Es ist besser, wenn man freiwillig und mit Anstand giebt.

– Sie wissen auf Alles zu antworten. Aber werden Sie auch auf mein Unglück zu antworten wissen, wenn ich darüber Rechenschaft von Ihnen fordere?

– Sie werden nicht unglücklich sein.

– Warum denn?

– Weil Sie zu viel Geist besitzen. Mit einem Geiste, wie der Ihrige ist, nimmt man das Leben stets von der guten Seite, das Uebrige laßt man den Dummen.

– Die es nicht aufheben, mein Herr, Verleumden Sie die Dummen in Bezug auf das Glück nicht, sie kennen es besser, als irgend Jemand.

– Wollen Sie meine Cousine werden?

– Hängt es von mir ab?

– Durchaus nur von Ihnen. Ihre Familie wird keine Schwierigkeiten machen. Ihr Herr Vater ist sehr willfährig, sagt man; und Ihre Vormünder von mütterlicher Seite – wer sind sie?

– Meine Großmutter und Herr Boutillier von Chavigny, mein Onkel.

– Ich werde mit ihnen reden; aber ich verhehle es nicht, daß Sie mir mehr Besorgniß einflößen, als alle Uebrigen zusammen.

– Ich bin wirklich sehr schwer zu verführen. Aber ich werde ja sehen.

– Bald?

– Bevor ich dieses Haus verlasse, das verspreche ich Ihnen, mein Herr!

– Das ist zu lange. Ich kann Ihnen nicht mehr als drei Tage bewilligen. Ich muß nach Rom zurückkehren, und zuvor möchte ich die Angelegenheit beendet haben. Denn ich bin es, der Sie verheirathet.

– So weit sind wir noch nicht!

– Wir werden dahin kommen!

– Kann ich den Namen Ihres Auserkorenen wissen?

– Nur dann erst, wenn Sie mir Ihre Antwort ertheilt haben werden.

Ich mußte mich fügen. Wir verplauderten den Nest des Abends, aber von der Heirath war nicht mehr die Rede. Nichtsdestoweniger dachte ich immer daran, ich schwieg gegen meinen Willen, und der gleichgültigen Dinge kamen nur wenig über meine Lippen, da sie meinem Herzen so fern lagen. Meine Blicke schweiften durch das Zimmer, und zufällig richteten sie sich nach einem sehr dunkelen Winkel, in dem sich drei Männer befanden, die ich nicht kannte. Zwei von ihnen waren mir gleichgültig; der dritte war zwar nicht bemerkenswerther, aber er erregte dennoch meine ganze Aufmerksamkeit. Er war erst am Morgen angekommen, und ich hatte ihn noch nicht gesehen.

Dieser Mann schien ungefähr dreißig Jahre alt zu sein, hatte eine gewöhnliche Leibesgestalt, ein gewöhnliches Gesicht, ein gewöhnliches Benehmen, mit einem Worte, in jeder Beziehung ein gewöhnliches Aussehen, das mich wie ein Blitzstrahl berührte.

– Der dort ist Dein künftiger Mann! flüsterte mir eine unerklärliche Ahnung zu. Ganz gewiß, er ist es.

Ich zeigte ihn dem Abbé von Sainte-Croix; er lächelte über meinen Scharfsinn.

– Nun, sagte er, da Sie es errathen haben, will ich es Ihnen nicht verbergen – er ist wirklich mein Cousin. Wie finden Sie ihn?

 

– Noch finde ich ihn gar nicht, mein Herr, es wird mir unmöglich sein, mir eine Meinung von ihm zu bilden, und ich wollte, daß er überhaupt Niemandem eine Meinung einflößt.

– Das ist eine vortreffliche Eigenschaft. Wenn das Ansehen nichts verspricht, hat man nichts zu halten, und Alles, was man giebt, wird höher angeschlagen, als es werth ist.

– Wie nennt sich dieser Bewerber? Sagen Sie es mir nicht, so werde ich es in fünf Minuten wissen, wenn ich will.

– Er ist der Marquis Du-Deffand.

Ich begnügte mich damit, und gab dem Gespräche eine andere Wendung. Man trennte sich. Ich dachte die ganze Nacht darüber nach und erwog den Vorschlag nach allen Seiten. Ich dachte mir diesen Mann schon als meinen Gatten, diesen Mann, der nichts zu sein schien, der so wenig geschaffen war, um etwas zu werden, weder als Mensch, noch als Gatte.

Neben diesem häßlichen Phantome erschien mir Larnage, der so schöne, reizende, feurige, zärtliche Larnage. Aber Larnage war der vergessene Sohn eines Prinzen, der ewige Secretair des Herzogs von Luynes, ohne Aussicht auf eine bessere Anstellung. Konnte dieser Larnage, der weder Vermögen besaß, noch hoffen durfte, je eins zu erwerben, konnte er ein Fräulein von Chamrond heirathen? War jener dort ein Ehemann? Ohne Zweifel nein! Da Herr Du-Deffand jedes nothwendige Verdienst besaß, so fehlte ihm nichts dazu.

Die drei Tage verflossen unter Beobachtungen, es ward kein Wort gesprochen. Der Abbé zog Herrn Du-Deffand zwei oder dreimal in unser Gespräch. Ich muß ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen und hinzufügen, daß er uns wenig lästig war, weil er nicht viel sprach. Zu der Gewißheit war ich wenigstens gelangt, daß er mir durch seine Reden nie Ungelegenheiten bereiten würde, und dies war schon eine Beruhigung,

Was soll ich Ihnen noch mehr sagen? Die drei Tage Verflossen. Es war mir langweilig, Mädchen zu sein, es war mir langweilig, ewig den Namen meines Vaters zu tragen. Diese Langweile war meine tödlichste Feindin, und ich glaubte, daß ich mich mit einem Ehemanne weniger langweilen würde. So gab ich denn meine Zustimmung, und erlaubte dem Abbé von Sainte-Croix, Herrn Du-Deffand in der Eigenschaft als Bewerber um meine Hand mir vorzustellen.

Ich erzählte meiner Tante diese Geschichte. Man schrieb an meinen Vater, an meine Vormünder, und nach kaum einem Monate war Alles fertig, Alles entschieden.

Diejenigen, die mich kennen, wissen recht gut, daß ich nie von meinem Manne spreche, und daß ich ihn betreffende Unterhaltungen nie geduldet habe; es wird ihnen nicht ungewöhnlich erscheinen, wenn ich mich bei den Einzelheiten meiner Verheirathung aufhalte. Gewisse Handlungen, gewisse Gedanken müssen sich vor den Augen Aller verbergen. Was auch immerhin ein Ehemann Unrechtes gethan hat, wozu wäre es gut, es zu veröffentlichen? Und mag er sich immerhin gut betragen haben, es geht Niemanden an. Die Geheimnisse des Innern müssen nach meiner Ansicht, fromm bewahrt werden. Man darf sich daher nicht wundern, wenn in diesen Memoiren von Herrn Du-Deffand selten die Rede ist. Ich kündige es Ihnen, mein lieber Leser, im Voraus an, daß wir uns nur wenig mit ihm beschäftigen werden, zumal da er so schnell aus meinem Leben entschwunden ist, in dem er einen höchst unbedeutenden Platz einnahm.

Meine Heirath fand am 2. August 1718 auf Chamrond statt, im dritten Jahre der Regentschaft, also in der günstigsten Zeit, um die Welt, wie sie damals war, zu sehen und zu beurtheilen. Es war ausgemacht, daß wir sofort nach Paris abreisen sollten, und dieser Plan ward auch ausgeführt, als die Hochzeitsfestlichkeiten zu Ende waren. Ein großer Seufzer der Erleichterung entquoll meiner Brust, als ich Burgund verließ. Ich glaubte den Himmel auf dieser glücklichen Reise geöffnet zu sehen. Dieser Himmel sollte sich aber nur zu bald wieder schließen. Ich hatte nicht Zeit, ihn zu betreten.

Neuntes Kapitel

Herr Du-Deffand wollte während der Reise den Liebhaber spielen, und Gott weiß, wie er sich dabei benommen hat. Ungeduldig über hundert ungeschickte Streiche, die er am Tage begangen hatte, fragte ich ihn eines Abends in einem ziemlich hochmüthigen Tone, wie er seine Demonstrationen und seine Schwüre nenne, und was uns Beiden damit genützt sei?

– Es geschieht aus Liebe, und die Liebe führt uns zum Glücke, wenn Sie wollen.

– Ah, also aus Liebe! Ich bin sehr erfreut, dies zu vernehmen. Es ist unnütz, mir Vorsicht anzuempfehlen, denn ich bin zu gut darin bewandert, um mich täuschen zu lassen.

Uebrigens wußte ich wohl, daß die Liebe Larnage's dieser nicht ähnlich war, und daß Herr Du-Deffand auf seine, nur ihm eigene Weise liebte. Die Frauen haben in ihrem Herzen stets einen geheimen Winkel, in dem sie das vergraben, was sie nur sich selbst gestehen, und noch kein Philosoph hat die Nase in diesen Winkel gesteckt, so ehr sie sich dessen auch rühmen. Wessen rühmen sich die Philosophen nicht!

Wir kamen in Paris an. Wir wohnten so lange bei einem Verwandten meines Mannes, bis über unsere Lage entschieden sein würde. Wir wußten noch nicht genau, wo wir uns fest niederlassen sollten. Ich hatte große Vorliebe für Paris; aber wir mußten wissen, ob wir hier standesgemaß leben konnten. Unser erster Besuch war der bei der Herzogin von Luynes, und die erste Person, die uns begegnete, als wir den Fuß in das Hotel setzten, war Larnage, der, ein Portefeuille in der Hand, ausgehen wollte. Er grüßte achtungsvoll, aber er ward bleich wie ein Leinentuch. Ich ward noch bleicher und bewegter als er. Herr Du-Deffand fragte mich nach dem Grunde meiner Verwirrung. Ich antwortete ihm, daß mir die Hitze lästig sei, und beeilte mich, zu meiner Tante hinaufzugehen. Sie empfing mich sehr zuvorkommend, erfreute Herrn Du-Deffand durch tausend Artigkeiten und behielt uns, trotz meiner Weigerung, zum Souper.

Eben dies hatte ich gefürchtet. Ich sollte mit jenem Unglücklichen zusammentreffen, dem ich bei meiner Verheiratung einen sehr aufrichtigen Brief geschrieben, und ihm untersagt hatte, mir zu antworten. Er hatte sich streng darnach gerichtet, ich wußte nicht, womit ich mich rechtfertigen sollte. Der arme Junge war gehorsam gewesen und hatte dabei viel gelitten, mir war dies nicht unbekannt geblieben. An jenem Tage erschien er wie ein Gekreuzigter bei Tische, er wagte kaum, die Augen aufzuschlagen. Herr und Frau von Luynes, die keine Ahnung von unserm Verhältnisse hatten, scherzten über seine Schülerin und über die Zurückhaltung, die er gegen sie beobachtete. Er setzte sich durch eine thörichte Antwort in Verlegenheit, die man nicht begriff – ich aber begriff sie nur zu gut.

Mir war, als ob dieses Souper nie zu Ende kommen würde. Bei dieser Gelegenheit aber hatte ich ein unvermuthetes Zusammentreffen, das einen großen Einfluß auf mein Leben ausübte: das nämlich mit Herrn von Feriol, dem alten Gesandten des Königs in Konstantinopel, und mit seiner Schwägerin, Fräulein Guerin von Tencin, Schwester des Cardinals und der berühmten Stiftsdame, die wir noch oft wiederfinden werden. Frau von Feriol gewann mich sogleich lieb, sie lud mich zum Besuche ein, und ließ mich nicht eher, bis ich ihr versprochen hatte, zu kommen.

Frau von Feriol hatte einen General-Einnehmer der Finanzen zum Manne, der später Rath und Parlamentspräsident zu Metz ward. Seine Frau kümmerte sich wenig um ihn, sie unterhielt ganz öffentlich ein Verhältniß mit dem Marschall von Uxelles, der sie liebte, so lange sie jung war, und sie später ihre Reize beweinen ließ. In jener Zeit blieb sie sich noch immer gleich; ich fand sie alt, weil ich erst zwanzig Jahre zählte, aber sie war wirklich schön, und konnte einem Podagristen sehr wohl gefallen. Sie lud mich auf den folgenden Tag zu einer Art von Fest ein, welche Einladung anzunehmen ich nicht unterließ, da es für mich gegeben wurde.

Frau von Feriol hatte einen wunderlichen, phantastischen, capriciösen Charakter. Sie konnte sich darüber nicht zufrieden geben, daß sie alter wurde, und Alles, was sie umgab, bereitete ihr deshalb Kummer. Jedes harte Wort, jeder launige Augenblick des Marschalls fiel auf Unglückliche zurück, die sie mit ihren Thränen bestrafte.

Sie hatte zwei Söhne: Pont-de-Veyle und d'Argental, zwei Gefährten meines ganzen Lebens, die am Morgen desselben erschienen und sich nur im Tode erst von mir trennen wollten – der Tod scheint uns alle drei vergessen zu haben. Pont-de-Veyle steht mit mir in gleichem Alter, d'Argental ist um drei Jahre jünger, und wir leben noch. Mein Gott, das ist erschrecklich!

Das Haus der Feriols war um jene Zeit das angenehmste von Paris. Die Feriols besaßen Geist, und empfingen große und gute Gesellschaft. Wir gingen zum Mittagsessen dorthin, und waren Gäste für den ganzen Tag. Unter anderen Gästen fanden wir auch den Lord Bolingbroke vor, den in Ungnade gefallenen Minister von England, und die Marquise von Villette, mit der, er bereits seit einem Jahre lebte, und in die er sichtlich verliebt war.

Wir fanden dort auch Fräulein von Delaunay, die vertraute Kammerfrau der Frau Herzogin von Maine, mit der ich sofort ein Freundschaftsbündniß schloß. Außerdem fanden wir auch die Frau Marquise von Parabère, die damals in der höchsten Gunst bei dem Herrn Regenten stand; sie kam mir eifrig entgegen, und ich stieß sie nicht zurück. Frau von Parabère war die Verführung in Person; sie war eine von jenen Zauberinnen, Venen man nicht widerstehen kann, so gern man es auch möchte, und die sich wider Willen jedes Herzens bemächtigen.

Endlich fanden wir auch noch ein außergewöhnliches und anbetungswürdiges Geschöpf, eine Türkin, die Herr von Feriol mit nach Frankreich gebracht hatte. Sie gefiel, mir bei dem ersten Begegnen, und ward später meine Freundin. Man nannte sie Fräulein Aissé. Der Gesandte hatte sie als ein ganz kleines Mädchen gekauft, um sie erziehen zu lassen; er hatte ihr die Ehre zugedacht, seine Maitresse zu werden, sobald sie das Alter dazu erlangt hätte. Für das Land, dem er sie entnommen, war dies ganz einfach. Aissé entschlüpfte ihm mit vielem Glücke und großer Geschicklichkeit. Sie blieb nur seine Tochter, und was die Welt auch für Thorheiten reden mochte – Herr von Feriol küßte ihr nicht einmal die Fingerspitzen.

Alle diese Personen, die ich soeben genannt, waren meine intimen Freunde, und alle haben ein eigenthümliches Leben gehabt. Ich will es Ihnen erzählen, nämlich im Laufe dieser Memoiren. Ich gedenke eine Gallerie aufzustellen, in der man die Geschichte meines Jahrhunderts und der Gesellschaft, die ich besuchte, finden kann. Ich bin nicht Willens, mich dabei streng an Regeln zu halten, ich will im Gegentheil meine Portraits nach der Phantasie zeichnen, ich will jene Gestalten wieder aus der Erde holen, die seit langer Zeit verschwunden sind, je nachdem sie sich in meiner Einbildung oder in meinem Gedächtnisse zeigen. Wahr und genau zu sein ist die einzige Art und Weise, sie zu beleben, und ich werde auf das Eine wie auch auf das Andere halten.

Frau von Feriol hatte ihre Besitzung von Pont-de-Veyle in Burgund, aber sie besuchte es selten. Sie gebrauchte die Nachbarschaft, wenn es eine Nachbarschaft gab, als Vorwand, um mich zu feiern und mich so zu empfangen. Erfreut, daß ich mich in einer solchen Umgebung befand, daß ich sprechen und geistreiche Leute sprechen hören und das Gehörte meinem Gedächtnisse einprägen konnte, ließ ich es geschehen. Da ich sehr unwissend, sehr neugierig und begierig war, Alles zu wissen und zu erlernen, konnte ich keine bessere Schule haben ich fühlte mich in der Sphäre, die ich geträumt hatte, die meinem Geschmacke entsprach, und es schien mir selbst während einiger Stunden, daß ich Herrn Du-Deffand liebte, um ihm dafür zu danken, daß er mich hierher geführt hatte.

An jenem Abende sah ich Voltaire zum ersten Male, der kam, um seinen Oedipus zu geben. Er hatte sein Jahr in der Bastille wegen seiner »j' ai vu« bereits überstanden, und war noch in Zorn und Wuth. Dieses Katzengesicht frappirte mich anfangs, Frau von Parabère gerieth darüber in Lachen bis zu Thränen, und als er ein Epigramm wagte, hob sie ihren kleinen Finger (den ich noch sehe) um ihm zu drohen.

Eine andere Person, berühmt in einem anderen Sinne, kam ebenfalls zu dem Souper: es war Frau von Tencin, die Schwester der Frau von Feriol, eine durch ihren Geist, durch ihre Intriguen und durch die Stellung berühmte Person, die sie zu Anfang dieses Jahrhunderts in der Welt einnahm. Um jene Zeit zählte sie vielleicht sechs und dreißig Jahre; sie war schön und frisch wie eine zwanzigjährige Frau; ihre Augen funkelten; ihren Mund umspielte ein zugleich sanftes und liebliches Lächeln; sie wollte gut sein, und gab sich viel Mühe es zu scheinen, ohne daß es ihr gelang. Man ließ sich nicht tauschen, sie wußte dies, und begriff es mehr als nöthig. Trotzdem ließ sie sich nicht entmuthigen, sie blieb stets im grellsten Widerspruche.

 

Mehr als einmal während jenes Abends zankte sie sich mit Voltaire herum, und nichts war sonderbarer als diese Streitereien; sie liebten sich nicht, sie fürchteten sich, oder vielmehr sie beobachteten sich, warfen sich scharfe Blicke zu und zügelten die Geschosse, damit sie später um so sicherer träfen – es war ein köstliches Schauspiel. Ich werde Ihnen auch von der Gräfin Alexandrine von Tencin erzählen, wie von den Andern; nur Geduld, es kommt ein Jeder zu seiner Zeit an die Reihe.

Ach, welche schönen Tage waren diese Tage der Jugend! Wie gern erinnere ich mich ihrer! Welche Freuden, welche Triumphe! Welche Liebschaften! Und welche Leute, welche Geister befanden sich in meiner Umgebung! Ach, wie beeilte man sich, zu leben! Jene Heuchelei, welche die letzten Jahre Ludwigs XIV. auferlegten, jene Maske, die man gewaltsam dem Gesichte aufdrang, lastete auf aller Welt. Man beeilte sich, sie abzulegen, und warf sie weit von sich. Nichts vermag einen Begriff von dem Zustande jener Gesellschaft zu geben, nichts, selbst das nicht, was wir an Ausschweifungen des Hofs und der Stadt unter dem seligen Könige gesehen haben.

Das Beispiel des Regenten drang in alle Klassen. Für eine junge Person wie ich, war dies eine gefährliche Schule. Die goldenen Grundsätze, die ich von meiner Tante und von meinen Nonnen empfangen, gingen natürlich darüber verloren. Da die Religion sie nicht unterstützen konnte, flogen sie schnell davon. Ich muß dies bekennen, denn außerdem könnte ich das Uebrige meines Lebens nicht erklären.

Ich bin nie richtig erkannt gewesen. Stets hat man meinen Schwachheiten Gründe untergeschoben, die sie nicht hatten. Es giebt keinen meiner Zeitgenossen, der mich nicht für leidenschaftlich oder kokett gehalten: ich war keins von beiden, ich langweilte mich. Ich habe geliebt, um mich zu zerstreuen, ich habe die Liebe Anderer angenommen, weil ich nichts zu thun hatte, ich habe meine Liebhaber gewechselt, weil ich mich mit ihnen langweilte, und weil ich hoffte, daß mich ein anderer weniger langweilen würde. Diese alte Feindin zu tödten, ist mir nicht gelungen, sie ist in meinem Alter noch Siegerin, nachdem sie die zertrümmert hat, die ich ihr entgegenstellte und die sie zu erdrücken versuchten. Sie wird mich zu Grabe bringen, ich weiche ihr jetzt. Sie verfolgt mich, sie begleitet mich, wohin ich gehe; sie sitzt bei Tische an meiner Seite, sie gießt selbst in mein Trinkglas den Ekel oder die Müdigkeit, um mich anzufüllen oder mich unter ihrer eisernen Ruthe zurückzuhalten. Sie ist stets zwischen mir und denen, die sich mir nahen; sie schläft auf meinem Bette während der kurzen Augenblicke meines Schlummers. Bis hierher sind ihr meine Erinnerungen entkommen, gebe der Himmel, daß sie ihr nie zum Opfer fallen.

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