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Der Secretair der Marquise Du-Deffand

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Zwölftes Kapitel

Ich war seit langer Zeit des Lebens, wie ich es führte, überdrüssig. Meine Sommer in Sceaux, um die man mich beneidete, schienen mir schwer zu ertragen, so viel kann ich Ihnen versichern, und mein Haus in der Rue de Beaune, welches sich jeden Tag füllte, wo man zu Mittag und zu Abend speiste, war wirklich zu schwer für meine Börse.

Ich stand zwischen Herrn von Formont und dem Präsidenten Henault, Ich habe meine erste Zusammenkunft mit Formont im Walde erzählt. Seitdem kam er oft, ja immer, und seine Besuche waren mir nicht unangenehm. Der Präsident liebte mich bis zur Anbetung, so sagte er wenigstens am Ende eines Portraits, welches er von mir entworfen und welches ich aus Bescheidenheit nicht wiederholen will:

»Durch sie bin ich der Glücklichste geworden und habe auch am meisten gelitten, denn sie ist die, welche ich auf Erden am meisten geliebt habe.«

Formont liebte mich vielleicht weniger, aber er liebte mich besser. Ich war also nicht wenig in Verlegenheit um so mehr, die die Langeweile immer bei dem Einen wie bei dem Anderen zugegen war. Ich wollte mich zwingen, sie anzuhören, sie zu ertragen, indem ich mir wiederholte, daß sie gute Freunde wären, daß Freunde sich nicht immer finden und daß man sie zart behandeln müsse.

Unglücklicherweise wollten sie mehr als meine Freunde sein!

Der Tod der Frau von Vintimille und die Erschütterung der Frau von Mailly hatten den Gedanken der Frömmigkeit in mir angeregt. Ich begann zu denken, daß der gute Gott besser sei, als seine Geschöpfe, und ich dachte, wenn ich die Ekstasen einiger Frommen sähe, würde ich mich nicht mehr langweilen.

Ich ging also zu der Frau von Luynes, welcher ich mein Vorhaben mittheilte, indem ich eine so zerknirschte und fromme Miene, wie nur möglich, annahm. Sie gab mir ihren Beifall zu erkennen und empfahl mich an ihren Schützling, den Pater Lenfant, einen der aufgeklärtesten Männer der Kirche. Er besaß viel Geist und Welt. Ich wurde von ihm gut empfangen, als ich mich ihm darstellte, zeigte er sich sehr geschmeichelt von meinem Vertrauen, und unterwarf sogleich einen Plan meiner Aufführung, indem er mich fragte, ob ich ihn befolgen wolle.

– Ich bin aufrichtig, Herr Abbé, antwortete ich; ich werde ihn befolgen, wenn er mir nicht zu viele Mühe macht, und wenn ich den Muth dazu habe.

– Madame, man muß Gott bitten, Ihnen diesen Muth zu senden, und er wird es Ihnen nicht verweigern.

– Mein Gott, mein Vater, es scheint, als sei ich wenig beredt, und als benehme ich mich schlecht. Gott hat mir noch nie etwas bewilligt, um was ich ihn gebeten habe.

– Er hat seine Pläne, Madame.

– Möchte er sie für mich anwenden.

Da waren also viele Dinge, worauf ich verzichten mußte. Ich hatte ein langes Verzeichnis davon, welches ich der Frau von Boufflers zeigte, welche ihrerseits durchaus nicht geneigt war, darauf zu verzichten.

– Was das Roth und den Präsidenten betrifft, fügte ich hinzu, so werde ich ihnen nicht die Ehre anthun, sie aufzugeben.

Der Präsident erfuhr es und war in Verzweiflung darüber.

Er erzählte es überall und beklagte sich laut darüber. Man berichtete es mir von verschiedenen Seiten, Ich antwortete, es wäre mir leid, aber ich könne dem Präsidenten nicht mehr Wichtigkeit beilegen, als er habe.

Ich versuchte es mit der Frömmigkeit.

Ach! mein Gott! verzeihe es mir! Ich fand diesen Zustand noch langweiliger, als die anderen, und ich fand mich zu der Betrachtung nicht geeignet. Die Vespern besonders! die Vespern! davon wurde ich ganz betäubt.

Ich fragte den Pater Lenfant, ob dies die erste Notwendigkeit wäre, und ob er glaube, daß es dem ewigen Vater besonders angenehm sei, drei Stunden lang zu seinem größeren Ruhm Latein herauswürgen zu hören.

Er antwortete mir, Gott wolle gepriesen sein, und der Weihrauch der Herzen wäre ihm der kostbarste.

Ich hätte ihm viel antworten können; aber ich enthielt mich dessen, denn ich habe immer die religiösen Streitigkeiten vermieden. Die Ueberzeugung ist die Grundlage jeder Verhandlung, wie es mir scheint, und in dieser Sache ist man niemals überzeugt, weil man keinen positiven Grund anzugeben hat. Man kann dm Glauben haben, aber der Glaube ist keine Ueberzeugung; über den Glauben läßt sich nicht streiten, er wird uns auferlegt. Man glaubt, weil man glaubt, der Glaube ist eine Tugend, eine von den theologischen Tugenden sogar, es ist ein Verdienst, eine Verpflichtung in der katholischen Religion, und darum kann man nicht darüber streiten.

So lebte ich beinahe sechs Monate, erfüllte meine Pflichten und langweilte mich köstlich. Die Gelegenheiten, in meine Irrthümer zurückzufallen, waren zu häufig, es kam mir der Einfall, in die Provinz zu gehen, ein anderes Leben zu versuchen und mich in der Familie ein wenig zu erholen. Ich schrieb an meinen Bruder und bat ihn, mich auf einige Zeit in Chamrond aufzunehmen. Ich fügte hinzu, wenn ich mich wohl bei ihm befinde, könnte ich ganz dort bleiben, und meine Neffen würden es schmerzlich empfinden.

Mein Bruder antwortete mir in einem langen Briefe, in welchem er mir sein Haus mit Erkenntlichkeit – dies was das Wort – anbot. Er hoffe, daß ich mich bei ihnen zu Hause fühlen werde, und daß ich sie nicht mehr verlassen werde.

Ich hatte Freunde in Genf, die Familie Saladin, die mich dringend bat, dorthin zu gehen; ich hatte Freunde in England, die mich verlangten; ich hatte sogar welche in Dänemark; aber diese begnügten sich damit,. an mich zu schreiben, da sie wohl wußten, daß ich sie in so weiter Ferne nicht aufsuchen werde. Ich hatte überall Freunde, die mir in Menge zuströmten. Man hatte mich als Muster der Mode aufgestellt und man stritt sich um das Vergnügen, ja um die Ehre, mich zu sehen. Ich fühlte mich Anfangs geschmeichelt, dann gelangweilt, und hatte große Lust, sie zu fliehen.

Ich hatte auch Voltaire und Madame du Châtelet versprochen, sie zu besuchen, und es ist eine Reise, worüber ich ein wenig später berichten werde, da sie nicht zu den am wenigsten interessanten meines Lebens gehörte. Man erfährt immer gern etwas von diesem großen Manne, von dem dieses Jahrhundert voll gewesen ist, und den ich so unberühmt habe anfangen sehen.

Indessen wollen wir nach Chamrond gehen. Ich sagte allen meinen Freunden Lebewohl, ich vermiethete mein Haus und stellte meine Möbeln auf einen Boden bei dem Präsidenten. Man hat behauptet, daß er jeden Morgen hinaufgestiegen und vor dem Sopha, auf dem wir neben einander gesessen, Betrachtungen angestellt. Ich konnte mir einen ernsten Mann bei einer so seltsamen Beschäftigung, die dem gesunden Menschenverstande so fern lag, nicht vorstellen. Es ist aber wahr, daß er mich auf einfältige Weise liebte.

Als ich Paris verließ, ging ich nach Cirey. Es war nicht der Weg, aber ich entfernte mich von der Richtung, um diese seltsamen Eremiten zu sehen. Ich möchte heute davon reden. Viard hat meine Aufzeichnungen verlegt, und ich werde sie nicht suchen. Er stirbt fast aus Furcht, daß Herr Walpole sie aus Versehen mitgenommen hat, denn er hatte sie ihm bei seiner letzten Reise anvertraut. Herr Walpole hatte versprochen, sie wiederzugeben, und er wird es ohne Zweifel vergessen haben. Ich kann nicht glauben, daß er es absichtlich gethan, da alle Papiere, die ich besitze, ihm zufallen, und er es weiß.

Ich war mit einem frommen Entschlusse aus Paris abgereist, aber mein Besuch in Cirey störte mich ein wenig. Von dort ging ich nach Lunéville, wo ich den guten König Stanislaus nebst Frau von Boufflers traf. Ich hatte die Ehre, diesem vortrefflichen Fürsten vorgestellt zu werden, der viel von Voltaire mit mir sprach und mich wie eine Freundin seiner Freunde behandelte.

Dieser Hof in Lunéville glich dem in Sceaux an Geist, aber man fühlte sich dort viel mehr zu Hause, wegen der Güte des Königs, die sich um ihn verbreitete und sich nie erschöpfte. Frau von Boufflers befand sich dort besser, als die Königin, sie commandirte und hatte keine Verlegenheit. Sie betrog den armen König und zog ihm seinen Kanzler de la Galissonnière vor. Der König wußte es und zeigte es nur einmal durch jene hübsche Bemerkung, die man so oft wiederholt hat.

Eines Abends saß er wie ein Bürger an seinem Kamin, zwischen seiner Maitresse und seinem glücklichen Nebenbuhler. Davor ist man nicht durch die Macht gesichert. Vor dem Tode und vor dem Betruge sind wir alle gleich. Molière würde ein anderes Wort sagen.

Nachdem er so ruhig wie gewöhnlich mit ihnen geplaudert und gelacht hatte, stand er auf, küßte Frau von Boufflers auf die Stirn, ging auf sein Zimmer zu, wendete sich noch einmal in der Thür um und sagte mit seinem bezaubernden Lachen, mit sanfter flötenartiger Stimme:

– Mein Kanzler wird Ihnen das Uebrige sagen.

Ich blieb acht Tage in Lunéville. Man hat so viel von Stanislaus gesprochen, daß ich nichts Neues hinzuzufügen haben werde, Viard meint, daß diese Aufzeichnungen sich bei denen von der Reise nach Cirey befinden. Ich will an Herrn von Walpole schreiben, sie mir zurückzugeben, und wir werden später darauf zurückkommen.

Ich kam in Chamrond an, ziemlich ermüdet von meinen verschiedenen Abwegen, und vor allen Dingen wünschend, mich auszuruhen. Man empfing mich im Triumph, man bereitete mir einen feierlichen Empfang, und die ganze Nachbarschaft machte sich auf, um mich zu sehen. Ich bat meinen Bruder und meine Schwägerin, mich mit dieser Ehre zu verschonen und mich eine Zeitlang in Ruhe zu lassen.

– Ich bin nicht hierhergekommen, um Huldigungen anzunehmen und die Dame zu spielen, mein Bruder. Bewillige mir jetzt eine kurze Frist, nachher wollen wir weiter sehen.

Mit dieser Antwort mußten sie sich begnügen und die Nachbaren ihr gewohntes Leben führen, was nicht ohne Murren geschah und ohne die schöne Dame aus Paris zu beschuldigen, die sich weigerte, sie zu empfangen, und die unverschämt genug war, die Einsamkeit mehr zu lieben, als ihre Gesellschaft.

 

Ich fand Chamrond sehr verschönert. Ich ging mit Entzücken in den väterlichen Alleen spazieren, wo die Erinnerung an meine Tante mir wie ein guter Gedanke kam. Ich glaubte sie noch immer neben mir zu sehen. Sie beging in ihrem Leben nur eine Thorheit, und das war meine Verheiratung, und ich vergalt es ihr.

Als ich bei meinem Bruder ankam, fand ich eine Person dort, die eine große Rolle in meinem Leben gespielt hat, und von welcher ich mich bemühen werde mit Unparteilichkeit zu sprechen, was mir sehr schwer sein wird. Sie hat mir sehr viel Leid zugefügt, ich habe sie sehr geliebt, und sie ist grausam undankbar gewesen, ich glaube es wenigstens und will die Thatsachen unparteiisch erzählen, dann kann der Leser selber urtheilen.

Man sieht leicht, daß von Fräulein von Lespinasse die Rede ist, Sie war seit vier Jahren in Chamrond, wo sie die Stelle der Gouvernante der Kinder meines Bruders bekleidete.. Sie fühlte sich sehr unglücklich dort und war es in der That auch, denn meine Schwägerin ließ sie ihre prekäre und abhängige Stellung theuer zahlen

Vor allen Dingen will ich hier ein Portrait dieses Fräuleins mittheilen, welches der Präsident Henault gemacht, damit man mich nicht der Parteilichkeit beschuldige, wenn ich es selber machte. Später will ich die Geschichte ihrer Geburt und die ihrer ersten Jahre bis zu ihrem Eintritt in das Haus meines Bruders erzählen, wo ich sie zu meinem Unglück fand. Folgendes ist das Portrait, welches der Präsident Henault in einem Briefe an mich entworfen, und worin er sich an sie wendet.

»Mein Fräulein, ich will Ihnen sagen, wie ich Sie finde; die, welche glauben, daß Sie eine Schmarotzerin sind, werden Sie nicht wieder erkennen. Sie sind Weltbürgerin und fügen sich in alle Lagen. Die Welt gefällt Ihnen, Sie lieben die Einsamkeit; die Annehmlichkeiten unterhalten Sie, doch verleiten sie Sie nicht. Ihr Herz wird nicht wohlfeil weggegeben. Es bedarf der starken Leidenschaften, und es ist um so besser, denn sie kommen nicht oft wieder! Indem die Natur Sie in einen gewöhnlichen Stand versetzte, gab sie Ihnen die Mittel, ihn auszufüllen. Ihre Seele ist edel und erhaben und Sie werden niemals unter der Menge bleiben. Ebenso ist es mit Ihrer Person; sie ist ausgezeichnet und Sie werden Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ohne schön zu sein. Es ist etwas Pikantes in Ihnen; man müßte Beharrlichkeit anwenden, um Ihnen den Kopf zu verdrehen, aber man würde es auf seine eigenen Kosten thun. Man muß Sie erwarten, denn man würde Sie nicht bewegen, zu kommen. Ihre Coquetterie ist gebieterisch. Sie geben sich der Träumerei hin, wie unsere Geliebte; Sie verstehen nicht mehr davon, als von der Musik, und darin sind Sie verschieden; aber Sie haben zwei Dinge an sich, die nicht zusammenpassen. Sie sind sanft und stark; Ihre Heiterkeit verschönt Sie und gewährt Ihren Nerven, die zu sehr angespannt sind, eine Erleichterung, Sie haben Ihre eigene Meinung und lassen den Andern die ihrige; Sie sehen Alles aus der Vogelperspective; Sie sind außerordentlich abgeschliffen. Sie haben die Welt errathen; wenn man Sie anderswohin verpflanzte, würden Sie überall Wurzel fassen; Sie würden zu Madrid durch einen Jalousieladen sehen; Sie würden in London Ihr Halstuch schräg umhängen; in Constantinopel würden Sie dem Sultan sagen, daß Sie keine staubigen Füße haben; nach Italien zu gehen, rathe ich Ihnen nicht so sehr, es sei denn um irgend einen Kirchenvater zu erhaschen. Im Ganzen sind Sie keine Person wie eine andere, und um wie Hurlekin mit einem Schlage zu enden, gefallen Sie mir sehr.«

Es lag etwas Wahres in dem Allen, das muß ich gestehen, und besonders, wenn man die Vorliebe eines Mannes abrechnet, der dem Fräulein von Lespinasse den Vorschlag machte, sie zu heirathen, als, sie mich verließ.

Nun will ich die Geschichte dieses Fräuleins und ihrer Eltern mittheilen. Es verlohnt sich wohl der Mühe, sich ein wenig auszuruhen.

Dreizehntes Kapitel

Das Fräulein von Lespinasse war die natürliche Tochter der Marquise von Albon, deren rechtmäßige Tochter mein Bruder geheirathet hatte. Sie war folglich die natürliche Schwester meiner Schwägerin.

Die Marquise von Albon wohnte in Lyon; sie war damals sehr jung und schön und eine der am besten gestellten und angenehmsten Frauen aus der Provinz. Sie liebte ihren Mann nicht und hatte einen gewissen Widerwillen gegen ihn, den sie nur mit Mühe überwand, als sie es aus Erkenntlichkeit thun mußte, nach dem, was seit der Geburt ihrer Tochter geschah.

Frau von Vichy, meine Schwägerin, war schon geboren, als ihre Mutter eine Reise nach Paris machte, um dort mit einigen Personen ihrer Familie zusammenzutreffen, die sich an den Hof begaben. Sie war dort in sehr guter Gesellschaft, amüsirte sich sehr gut und fehlte nirgends, wo etwas Interessantes zu sehen war.

Es war gerade zu der Zeit der Wunder des Diaconus Paris auf dem Kirchhofe Saint-Medard, und sie hatte den Plan, sich mit zwei oder drei Freundinnen und einigen Cavalieren dorthin zu begeben. Ohne diese Begleitung konnte man nicht dorthin gehen, nur mußte man vor allen Dingen seinen Ernst behaupten, denn wenn man über die Krampffanatiker spottete, konnte man fast gewiß sein, getödtet zu werden.

Sie machten sich freudig und heiter auf den Weg und versprachen sich großes Vergnügen von diesem Besuche, nachdem sie sich als Grisetten und Commis wohl verkleidet hatten. Frau von Albon war reizend in diesem Kostüm. Sie hatte eine ausgezeichnete Grazie, um Allen, die sie so sahen, den Kopf zu verdrehen.

Auf dem Grabe des heiligen Diaconus angekommen, erblickten sie die Versammlung andächtig kniend um eine alte Frau, welche mit bewundernswürdiger Gelenkigkeit Karpfensprünge ausführte. Es war wirklich ein Wunder; sie berührte die Erde nur, um sich wieder in die Höhe zu schnellen, wie auf einem Seiltänzerbrett.

Der Kirchhof Saint-Medard war der Ort, wo in ganz Paris am meisten Intriguen angeknüpft wurden, da diese seligen Personen eine sehr lebhafte Phantasie und ein sehr zartes Fleisch hatten. Auch verkleideten sich die jungen Herren beständig und gingen dorthin, um ihr Glück zu suchen.

Gerade an diesem Tage waren einige von ihnen auf einen Streifzug ausgegangen und verfehlten nicht, die schöne Albon zu bemerken, die wie die Uebrigen kniete und eine sehr ernste Miene annahm, um nicht in Lachen auszubrechen.

Sie zeigten sie einander und beschlossen einen Angriff auf sie zu machen. Der Herzog von Richelieu, der Anführer dieser tollen Schaar, behauptete, sie habe zu weiße Hände für eine der Töchter des heiligen Paris, der sie sich nie gewaschen.

– Ich spreche aus Erfahrung zu Ihnen. Ich habe ihn oftmals bei meiner Stiefmuter gesehen, die er zu bekehren unternommen hatte, und die ihn nicht eher zu sich einließ, als bis er den Waschtrog passirt hatte.

– Es ist vielleicht eine verkleidete Dame; es sind deren viele hier. Es ist wie ein Maskenball.

– Sehen Sie sich vor, was Sie thun, meine Herren, sagte ein Anderer.

– Bah! diese Damen haben es gern, wenn man es an Respect gegen sie fehlen läßt.

Nach und nach näherten sie sich der Marquise, die sie kommen sah und nicht begriff, was sie von ihr wollten. Sie dachte nicht an die Verkleidung, während es ihr vorkam, als wenn diese jungen Ladendiener ein sehr ausgezeichnetes Ansehen hätten und in sehr feine Stoffe gekleidet wären.

Einer von ihnen, der jung und schön war, hatte eine ganz aufrichtige und ehrliche Miene, auch konnte sie nicht umhin, seinen guten Anstand zu bemerken. Er kniete neben ihr nieder und begann die Unterhaltung mit einer großen Lobrede auf den heiligen Paris.

Die Marquise antwortete ihm zur Unterhaltung. Dann setzte er die Litanei und die Unterredung fort.

– Sie sind —

– Näherin, mein Herr, versetzte sie. Und Sie mein Herr?

– Conditor, mein Fräulein.

– O! das ist ein hübsches Geschäft; da ißt man den ganzen Tag Confect.

– Lieben Sie das Confect, mein Fräulein?

– Ob ich es liebe, mein Herr!

– Wenn ich es wagen dürfte, Ihnen davon anzubieten, mein Fräulein —

– Sie sind also der Herr Ihrer Waare, Sie haben keinen Patron?

– Nein, mein Fräulein, ich bin der Herr.

– Wo ist Ihr Laden? Ich werde Ihnen Zuckernüsse abkaufen.

– Ah! mein Fräulein, er ist nicht hier, er ist in Verdun.

– Sie verkaufen also auch Anisbrödchen?

– Ich verkaufe Alles, was Sie mir abkaufen wollen, mein Fräulein, oder vielmehr Alles, was Sie mir erlauben wollen, Ihnen anzubieten. Wo wohnen Sie?

Frau von Albon gerieth in Verlegenheit und warf ihm die Adresse ihrer Kammerjungfer zu. Man rief sie, ihre Begleiter wollten fortgehen; der junge Mann folgte ihnen aus der Ferne und die Marquise war unruhig darüber. Man scherzte mit ihr über die Eroberung; sie antwortete lachend, und man dachte nicht weiter daran.

Am folgenden Tage erhielt Fräulein Augustine, Kammerjungfer der Marquise, einen Korb voll Confitüren, eingemachter Früchte und Süßigkeiten aller Art, den ein hübscher Bursche, der die Antwort darauf abholen wollte, bei dem Portier abgegeben.

Fräulein Augustine war eben so jung und fast ebenso schön wie ihre Herrin: sie nahm das Geschenk unter ihrer Adresse an und sprach nicht davon, sagte aber doch, wenn der hübsche junge Mann wiederkomme, möge man sie in Kenntniß setzen.

Er kam in der That am folgenden Tage wieder. Man holte die Schöne herbei; sie kam herunter und sah einen reizenden jungen Unbekannten vor sich, dem sie ihr angenehmstes Gesicht zuwendete.

– Dies ist Fräulein Augustine, mein Herr, sagte die gefällige Thürhüterin.

– Fräulein Augustine! Fräulein Augustine! Näherin?

– Fräulein Augustine, Kammerjungfer der Frau Marquise von Albon, wenns gefällig ist, mein Herr, versetzte die Andere in empfindlichem Tone; wer spricht denn von einer Näherin?

– Ach! verzeihen Sie, mein Fräulein, Sie sind es also nicht.

Er ging sehr bestürzt und verlegen fort, als sie ihn zurückrief.

– Einen Augenblick, mein Herr, einen Augenblick, verständigen wir uns.

Mit einem so hübschen Burschen, der solche Geschenke gab, durfte man sich wohl einige Mühe geben.

– Sie kennen also ein Fräulein Augustine, die Näherin ist?'

– Ach ja!

– Und Sie glauben, daß sie hier wohnt?

– Sie hat mir ihre Adresse gegeben.

– Wo haben Sie sie denn gesehen, wenn ich fragen darf?

– Auf dem Kirchhofe Saint-Medard.

– Wann denn?

– Vorgestern!

– Vorgestern! wie, vorgestern? Hatte sie nicht eine Schmetterlingsmütze auf und trug eine himmelblaue Schürze und ein Zitzkleid mit weißem Grund?

– Ja, mein Fräulein, Sie kennen sie?

– Ob ich sie kenne! Aber es ist hier nicht der Ort zu plaudern. Kommen Sie diesen Abend wieder, steigen Sie die Treppe hinauf, da werden Sie eine Thür vor sich sehen. Wenn ich nicht da bin, erwarten Sie mich und Sie sollen mehr erfahren.

Der junge Mann entfernte sich mit vielen Danksagungen und versprach zu der angedeuteten Stunde wiederzukommen. Er fand Fräulein Augustine seiner wartend. Sie begann damit, ihm tausend Fragen vorzulegen, ohne eine von den seinigen zu beantworten, während der Zeit prüfte sie ihn mit einem Kennerblicke, und als sie sich von dem überzeugt hatte, was sie vermuthete, sah sie ihm gerade ins Gesicht und sagte zu ihm:

– Nun, mein Herr, nach der Auskunft, die Sie mir geben, will ich Ihnen einen freundschaftlichen Rath ertheilen: Geben Sie ihre Verfolgung auf!

– Ich! und warum?

– Weil die, welche Sie für Ihresgleichen halten, eine große Dame ist, die Sie von ihren Bedienten zur Thür hinaus werfen lassen würde.

– Meinen Sie?

Dieses: »Meinen Sie?« war sehr unverschämt oder anmaßend: die feine Kammerzofe täuschte sich nicht darin.

– Sie müßten denn auch ein großer Herr sein, in welchem Falle —

– Und was kann Dich auf einen so widersinnigen Gedanken bringen, mein schönes Kind?

– Diese Antwort, fürs Erste, dieses Dutzen, womit Sie mich beehren und welches Ihnen eine derbe Ohrfeige eintragen würde, wenn Sie wirklich der Conditor aus Verdun wären – Ihre feinen Hände und Ihre holländische Leinwand und dann der Korb mit den Confitüren, der mit rothen Schleifen und den schönen Dutzen von Atlaß verziert war. Ein Conditorbursche hat keine solche Ideen; es war mir schon verdächtig, ehe ich Sie nur sah.

– Und wenn ich in der That ein großer Herr wäre, würde es da weniger wahrscheinlich fein, daß ich aus der Thür geworfen würde?

– Zum Henker, mein Herr, das müssen Sie selber beurtheilen. Dies ist die Karte des Landes: Wir sind aus der Provinz, fünfundzwanzig Jahre alt, wir sind von Stande, wir verabscheuen unsern Gemahl, wir lieben das Lachen, wir lieben die Romane, wir sind coquett und wir verabscheuen die hübschen jungen Herren nicht, wenn sie liebenswürdig sind.

 

– Ei! und was sagst Du selber dazu, Augustine? Hast Du Lust, Dich zu verheirathen?

– Ich habe fünf oder sechs Liebhaber?

– Willst Du eine Mitgift?

– Dergleichen schlägt man nicht aus.

– So hilf mir denn und ich verspreche Dir die Mitgift und den Mann.

– Würde es Ihnen nicht gleich sein, mir die eine ohne den andern zu geben?

– Du willst keinen Mann?

– Nein.

– Das Beispiel Deiner Herrin ermuthigt Dich nicht?

– O nein,

– Nun gut! so lassen wir den Mann laufen und sprechen nur von der Mitgift.

– Ihr Name, mein Herr?

– Wozu?

– Man muß sicher gehen.

– Ah! ja, das hatte ich nicht vorhergesehen. Ei! das ist ein schlaues Mädchen!

– Nun, wer sind Sie?

– Der Chevalier de Pontcarré, mein Kind. Ich habe einiges Vermögen, ich bin frei und sehr großmüthig.

– Sehr gut. Wo wohnen Sie?

– In der Rue de Richelieu,

– Vortrefflich.

– Und Deine Herrin?

– Wahrhaftig! ich kann es nicht verbergen, denn es wird Ihnen sehr leicht sein, es zu erfahren. Es ist die Marquise von Albon.

– Sie geht nicht zu Hofe?

– Nein. Sie hält sich nur vorübergehend hier auf, und der erwähnte Ehemann hat die Ausgabe nicht machen wollen.

– Wo kann man sie sehen?

– Ueberall, wo eine hübsche Frau sich zeigt.

Nach dieser Unterredung, in welcher der Chevalier vielleicht auf mehr als eine Weise das Handgeld gab, wurde ein Plan zwischen ihnen verabredet, und noch an demselben Abend begann die Ausführung mit der Uebersendung eines zweiten Korbes mit Konfitüren, noch reicher und eleganter, als der erstere.

Als Augustine ihre Herrin auskleidete, sagte sie mit einem beobachtenden Blicke zu ihr:

– In Wahrheit, Madame, da fällt mir etwas seht Seltsames ein.

– Was denn?

– Man hat mir einen Korb voll prächtiger Confitüren unter der Adresse Fräulein Augustine, Näherin, von Louis Giraud, Conditor in Verdun, gebracht.

– Ah! Du Hast es angenommen?

– Ja, Madame; und warum nicht?

– Weil – Du kennst diesen Louis Giraud?

– Nein, Madame, durchaus nicht.

– Und da —

– Und da?

– Wie Hast Du denn sein Geschenk annehmen können? Es ist nicht für Dich.

– Ei, Madame, dies ist gut zu nehmen —

– Und gut zurückzugeben, Mademoiselle.

– Indessen werde ich es nicht zurückgeben.

– Wirklich?

– Wirklich.

– Du wirst mir indessen doch etwas davon abgeben?

– So viel Sie wollen, Madame.

– Ich habe einiges Recht daran, ich will es Dir nicht verbergen.

– Sie, Madame?

– Ja, ich. Ich bin Fräulein Augustine, Näherin. Sie erzählte ihr, wie eine Tolle lachend, ihr Abenteuer und lobte dabei doch Louis Giraud, der ihr als ein sehr schöner Bursche von viel Geist und sehr guten Manieren erschienen war.

Augustine hörte zu, lachte mit ihrer Herrin, schmeichelte sich so gut sie konnte bei ihr ein und brachte ihr die Confitüren, und für diesen Tag wurde nicht weiter davon gesprochen.

Die Intrigue begann und wurde vortrefflich eingefädelt. Die Kammerzofe sprach beständig von diesem armen Louis Giraud, der vor Liebe sterbe, der den Rang der Marquise entdeckt habe, und der, ohne die geringste Hoffnung hegen zu können, dennoch fortfahre, sie anzubeten.

– Madame, er wird darüber den Verstand verlieren, sagte sie eines Morgens.

– Das ist freilich ein Unglück!

– Er ist in Verzweiflung, Madame, fuhr sie an einem anderen Tage fort.

– Was soll ich dabei thun?

– Madame, er ist seit langer als drei Stunden auf der Straße unter dem Fenster.

– Er möge dort bleiben.

Jeden Tag geschah ein anderes Ereigniß; jeden Tag sprach man von dem Conditor und von seiner Flamme.

Frau von Albon blieb nicht dabei stehen; sie behandelte dieses Abenteuer leicht, dachte aber dennoch daran. Wenn sie nicht gesehen zu werden glaubte, sah sie durch die Vorhänge nach dem schönen jungen Manne, den sie immer ausgezeichneter und reizender fand, und sagte leise und seufzend:

– Wie Schade!

Plötzlich sah sie ihn nicht mehr. Augustine, der sie strenge verboten hatte, sie weiter mit dieser Geschichte zu belästigen, sprach kein Wort davon. Frau von Albon wollte sie nicht dazu auffordern; aber endlich wurde sie ungeduldig, lenkte das Gespräch darauf hin und erkundigte sich scherzend nach dem armen Verliebten.

– Lachen Sie nicht, Madame, es ist keine Veranlassung zum Lachen.

– Wie so?

– Der arme Junge ist jetzt vielleicht nicht mehr auf der Welt,

– Ist er krank?

– Madame, er ist vielleicht mehr als krank; ich fürchte, er ist todt.

– Todt! Und wovon sollte er gestorben sein?

– Gestorben für Sie, Madame; er hat sich ertränkt, sich in den Fluß gestürzt,

– Es ist nicht möglich! rief Frau von Albon erblassend.

– Madame, es ist möglich, weil es wahr ist. Das gute Geschöpf that, als ob sie die Augen trocknete.

– Erzähle mir das, erzähle mir das, Augustine! Was ist geschehen?

– Sie haben mir verboten, mit Ihnen von ihm zu reden; das habe ich ihm gesagt, damit er mich in Ruhe lassen möge, und als er mich verließ, hat er sich ins Wasser gestürzt.

– Mein Gott!

– Ja, es lag Ihnen so wenig daran, und er war so glücklich zu wissen, daß sein Name durch mich zu Ihren Ohren gelangte! Sie haben ihm sein Glück geraubt, und die Verzweiflung hat sich seiner bemächtigt.

– Ist er todt?

– Es wäre das Beste für ihn. Man hat ihn wieder herausgefischt, aber er ist seit vorgestern nicht wieder zum Bewußtsein gekommen.

– Augustine, man muß auf der Stelle dorthin gehen. Wo ist er?

– Im Hospital, Madame, bis man ihn in seine Wohnung bringen kann. Man hat ihn in ein erbärmliches Bett gelegt – ihn, der so delicat, so elegant war – und das Alles für Sie, Madame. Ich möchte das nicht auf meinem Gewissen haben!

Frau von Albon antwortete nicht. Sie blieb den ganzen Tag allein und wartete ungeduldig. Augustine war gegangen, sich nach dem jungen Manne zu erkundigen; als sie zurückkehrte, meldete sie, daß er noch immer in demselben Zustande sei.

– Man zweifelt an seiner Herstellung?

– Nicht ganz, Madame, aber es würde eines Wunders bedürfen, um ihn zu retten.

– Gott wird es vollbringen!

– Oder auch Sie, Madame.

– Ich! Wie?

– Ein Wort von Ihnen, ein einziges Wort, und er wird leben.

– Was! Du willst, daß ich diesen Mann besuche? Du bist wahnsinnig, meine Liebe.

– Es ist unnöthig, ihn zu besuchen; schreiben Sie, bevollmächtigen Sie mich, ihm in Ihrem Namen zu sagen, daß Sie wollen, daß er lebe.

– Du versetzest mich in eine große Verlegenheit.

– Madame, die Menschlichkeit fordert es.

– Mein Kind, es ist dennoch sehr unangenehm.

– Ach! Madame! es ist nicht meine Schuld; ich bin nicht als Näherin verkleidet auf dem Kirchhofe Saint-Medard gewesen.

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