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Der Secretair der Marquise Du-Deffand

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Zehntes Kapitel

Am Morgen des Festes war ich kaum erwacht, als man mir Frau von Parabère ankündigte. Sie öffnete ohne Umstände meine Thür und überraschte mich in dem kleinen Zimmer, das ich bewohnte, und, weil ich mich dessen bereits schämte, schnell mit einem anständigen Hause vertauschen wollte. Der Tag, den ich bei Frau von Feriol zugebracht, hatte meinen Entschluß festgestellt, und ich dachte nicht mehr daran, Paris zu verlassen; ich fühlte, daß ich anderswo künftig nicht leben könne, und daß mein Platz in Paris sei.



Unsere Verwandte, eine gute und fromme Frau, die keinen Besuch empfing, floh in den tiefsten Theil ihres Gartens, als sie vernahm, daß die Maitresse des Regenten unter ihrem Dache sei. Mein Mann ließ sie hart an und nannte sie eine übertrieben sittsame Person; sie aber antwortete ihm, daß alles Weihwasser des Kirchspiels den Platz nicht rein waschen könne, den diese Unreine betreten habe.



Während dieser Zeit empfing ich die Marquise, die, ungeachtet der frühen Morgenstunde und einer ganzen im Palais-Royal bei einer jener Orgien verbrachten Nacht, welche die Herzogin von Berry hundert Jahre in fünfundzwanzig verleben ließen, völlig schön und frisch war.



Frau von Parabère war aus Stahl und Eisen gemacht.



Obgleich sie klein, zart und dem Anscheine nach delicat war, so besaß sie in Wirklichkeit die Gesundheit eines Musketärs. In ihren schönen schwarzen Augen lag noch mehr, als in ihren Versprechungen, die ohnehin schon sehr herausfordernd waren. Wegen ihres bräunlichen Teint und ihrer wie Ebenholz schwarzen Haare hatte der königliche Geliebte ihr den Beinamen »der kleine Rabe« gegeben. Sie lachte über diesen Spottnamen, den sie oft unter ihre Morgenbillets setzte.



– Ah, meine Schöne, sagte sie beim Eintreten, ohne auf meine Entschuldigungen zu hören, ich weiß Alles, was Sie mir über Ihr Zimmer und über Ihre Toilette sagen wollen; dies hat unter uns nichts zu bedeuten. Sie gefallen mir unendlich, ich bin seit gestern rein närrisch über Sie, und habe die ganze Nacht dem Regenten und der Herzogin von Berry von Ihnen erzählt. Es ist beschlossen, daß ich Sie zu ihnen führe.



– Aber Madame…



– Wollen Sie nicht?



– Nicht ich, wohl aber…



– Herr Du-Deffand! unterbrach sie mich. Kann Herr Du-Deffand etwas wollen? Ich habe ihn nur eine Viertelstunde lang gesprochen, aber es genügt mir, um zu wissen, was man von ihm erwarten kann. Denken Sie weiter nicht darüber nach, Ihre königlichen Hoheiten erwarten Sie, und ich werde Sie an einem der nächsten Tage vorstellen. Aber es handelt sich in diesem Augenblicke nicht darum allein – ich komme, um Sie zu entführen.



– Mich, Madame?



– Sie, ja! Und zwar ohne Ihren Mann. Sie werden mit mir zu Mittag essen.



– Das ist unmöglich!



– Unmöglich! Ah, dieses Wort aus der Provinz kennt man hier nicht! Wie kann eine so geistreiche Person als Sie sind es nur gebrauchen? Unmöglich! Kleiden Sie sich schnell an und gehen Sie mit mir. Dieses Haus riecht nach Klosterluft, die mir Vapeurs verursacht. Wann werden Sie es gänzlich verlassen?



Auf diese Fluth von Worten fand ich keine Antwort. Aber wie konnte ich Herrn Du-Deffand in der Wohnung zurücklassen und allein zu dem Abenteuer gehen? Ich vertheidigte mich, soviel ich konnte, aber Frau von Parabère lachte und zuckte die Achseln bei meinen Gründen. Sie öffnete meine Koffer und Schiebladen, holte meine Kleider und Schmucksachen hervor, legte die, die ich gebrauchen sollte, auf die eine, und die, welche ich nicht gebrauchen sollte, auf die andere Seite. Und alles dies führte sie lachend und singend aus, sie drehete sich im Zimmer herum, verspottete mich, küßte mich auf beide Wangen, machte sich über meine Cousine lustig, über ihr Haus, ihre Möbel, ihre Livree, mit einem Worte über Alles, was mich umgab, selbst ohne meinen Mann davon auszunehmen.



Als sie damit fertig war, rief sie meine Kammerfrau.



– Was wollen Sie von ihr? fragte ich.



– Warten Sie nur, Sie werden es sehen, antwortete sie.



Die Kammerfrau trat ein.



– Wie heißen Sie? fragte Frau von Parabère.



– Paulat, Madame! antwortete die Kammerfrau mit einer tiefen Verbeugung.



– Gut. Mademoiselle Paulat. Dort liegen Kleidungsstücke und andere Dinge, die Ihnen die Frau Markise schenkt. Danken Sie ihr dafür, und halten Sie sie gut. Nun gehen Sie. meine Freundin; man wird Sie rufen, um ihre Herrin anzukleiden.



Mein Erstaunen läßt sich denken. So verfügte sie über meine Garderobe, über meine in Dijon gekauften Hochzeitsgeschenke, auf die ich so stolz war! Und dabei fragte sie nicht, ob ich auch die Mittel habe, mir andere anzuschaffen.



Ich stand auf dem Punkte, ärgerlich zu werden.



Frau von Parabère bemerkte es. Sie ließ mich nicht zu Worte kommen.



– Meine liebe Kleine, sagte sie. Sie müssen sich bilden und kleiden wie alle Welt. Sie müssen die Provinz vergessen und sich umgestalten. Eine Frau von Ihrem Alter und von Ihrer Schönheit kann solchen Flitter nicht tragen als der ist, von dem ich Sie so eben befreit habe. Bedauern Sie die Dinge nicht, kaufen Sie sich andere. Und wenn Sie das Geld beunruhigt, so ertheile ich Ihnen die Versicherung, daß es Ihnen nicht fehlen wird.



Sie umarmte mich, und liebkoste mich auf eine Weise, daß meine schlechte Laune sofort verschwand.



Nun mußte ich ihr versprechen, daß ich mit ihr zu Tische gehen und den Tag in ihrer Gesellschaft verbringen wollte.



– Wir werden Voltaire sehen, sagte sie.



– Voltaire?



– Ja. Ich freue mich, ihn zu mir kommen zu lassen und ihn zu zwingen, mir die Aufwartung zu machen – ihn, der so viel gegen den Regenten geschrieben und gesprochen hat. Ich liebe solche Contraste und suche sie auf. Ich liebe überhaupt Alles, was seltsam ist. So finde ich das Leben sehr angenehm. O, die strengen Moralisten mögen immerhin reden, ich werde nie glauben, daß wir auf der Erde sind, um unglücklich zu sein!



Leicht und lebendig wie ein Vogel ging sie über diese Sentenz hinweg.



Ich war halb entzückt, halb verwirrt, denn ich wußte nun, wie ich es anzufangen hatte, um mir ein hofmäßiges Ansehen zu geben, und nicht einer Person zu gleichen, welche die Provinz vergessen machen will.



Ich setzte in mich selbst Mißtrauen, überredete mich, daß ich lächerlich sei, und bekam Furcht vor Reflexionen und Epigrammen.



Für ein Nichts wäre ich nach Burgund zurückgekehrt; glücklicherweise rettete mich mein Spiegel.



Während ich mit meiner Toilette beschäftigt war, kündigte man mir einen Besuch anderer Art, aber nichts destoweniger eben so angenehmen an. Ich konnte ihn nicht mehr abweisen, und wenn es geschehen, würde ich mich darüber geärgert haben.



Frau von Staal erschien, das heißt Mademoiselle Delaunay, denn sie war damals noch nicht verheiratet.



Das Zusammentreffen war ein sonderbares.



Der Herzog von Orleans und der Herzog von Maine waren geschworene Feinde, sie waren es gewesen, so lange sie lebten. Seit der Regentschaft war ihre Feindschaft in einen unauslöschlichen Haß ausgeartet. So befand ich mich nun zwischen den beiden feindlichen Lagern, und dies war eine schwierige Situation, ich kann es versichern.



Mademoiselle Delaunay wiederholte mir genau dasselbe, was ich so eben von Frau von Parabère vernommen hatte.



– Sie müssen nach Sceaux kommen. Ich habe seit gestern an Sie gedacht, Sie sind ganz vortrefflich geschaffen, um der Frau Herzogin zu gefallen und ihre Favoriten zu werden. Die Herzogin wird Sie leidenschaftlich lieben, und Sie werden Alle entthronen.



– Glauben Sie, Mademoiselle, daß Ihre Hoheit geruhen werden, mich zu empfangen?



– Mit offenen Armen, mit der größten Freude, ich verbürge es! Man amüsirt sich in Sceaux vortrefflich: man spielt Komödie, man giebt reizende Feste. Ueberdies liebt die Prinzessin geistreiche Feste, und Sie besitzen so viel Geist, daß Sie sich ihrer Gunst versichert halten dürfen.



– Ach, Mademoiselle, ich bin eine dumme Person, seit gestern habe ich mich doppelt davon überzeugt.



– Wie?



– Glauben Sie mir, ich werde meinen Platz in dem Palaste nicht behaupten können, wo unaufhörlich so viel Schöngeister glänzen.



– O nein! ich glaube vielmehr, daß Sie unter den ersten glänzen werden. Ich kehre sogleich zurück und melde Sie an.



– Mademoiselle!



– Sie werden ohne Zweifel bald eine Einladung erhalten.



– Nein, nein!



– Madame wird sich eine so seltene Gelegenheit nicht entgehen lassen, Geist und Schönheit vereint zu finden.



Nach Sceaux und nach dem Palais-Royal!



Die Soupers des Herzogs von Orleans, und die Komödien der Herzogin von Maine!



Das war viel für eine Debütantin, so viel, daß mir der Kopf ein wenig schwindelte. Ich war einen Augenblick verblendet, und ging gerade zu meinem Manne, um ihm seine Ausschließung anzudeuten und die Freiheit, die ich ihm gewahrte. Er sah mich, mit großen, runden Augen an, die reden wollten, und doch nichts sagten. Der Wille fehlte Herrn Du-Deffand nie, aber die Ausführung fiel ihm schwer.



– Ich werde im Vorbeigehen bei Frau von Luynes vorsprechen, mein Herr, und es wird mich freuen, wenn Sie dorthin kommen wollen. Dann lasse ich Sie bei Ihrer Frau Cousine, der ohne Zweifel die Ehre Ihrer Gesellschaft sehr angenehm sein wird. Sie hat mehrere fromme Personen zu Tische, deren ich nicht würdig bin, und die sich gewiß an Ihrer Unterhaltung erbauen werden.



Herr Du-Deffand blieb einige Augenblicke unbeweglich an seinem Platze. Ich weiß nicht, was er dachte, und ob er überhaupt dachte. Dann verbeugte er sich, und ging.



Um die bestimmte Stunde fand ich ihn wartend in meinem Salon.



Er versuchte den Oedipus zu lesen, von dem er nicht viel verstand. Er ist niemals über die Sphynx und den Minotaur in's Klare gekommen, diese beiden Worte sind in seinem Kopfe unerklärbar geblieben, und Nichts war sonderbarer als die Verhandlungen, die zwischen ihm und einem Pedanten, einem fleißigen Tischgenossen seiner Verwandten, über diesen Punkt stattfanden. Sie kamen nie zu einer Verständigung, und endigten damit, daß sie sich auf die höflichste Weise von der Welt schimpften.

 



Dies war in der That ein köstlicher Spaß, Ich blieb dabei neutral, weil ich fürchtete ihn zu unterbrechen.



Als wir bei Frau von Luynes eintraten, wo sich immer und zu jeder Stunde eine große Gesellschaft befand, ward ich ein wenig bewegt: Larnage konnte sich ja in irgend einem Winkel befinden.



Und so war es wirklich.



Nachdem der erste Andrang vorüber war, näherte er sich mir. Ich empfing ihn erröthend, und nahm neben ihm Platz. Wie ein einfältiges Geschöpf fragte ich ihn mit zitternder Stimme um Nachrichten von seiner Mutter.



Er verneigte sich, um mir zu danken, dann sagte er rasch:



– Sind Sie glücklich, Madame?



– Ohne Zweifel, mein Herr. Warum soll man es nicht sein?



– Ach, Madame, Sie haben wenig Vertrauen zu mir gehabt, und eben so wenig Geduld mit mir,



– Mein Herr!



– Ich würde für Sie das Glück erreicht haben, wenn Sie es gewollt hätten.



– Das Glück, mein Herr, läuft leider sehr schnell, und Sie gehen, wie mir scheint, sehr langsam, denn ich finde Sie an demselben Platze wieder.



– Madame, Sie sind sehr grausam…



– Ich rede die Wahrheit.



– Aber Sie machen mir meine Ohnmacht und mein Unglück zum Vorwurf.



– Mein Herr, ich vertheidige mich.



– Mit solchen Waffen!



– Und habe ich Ihnen etwas versprochen?



– Mein Gott!



– Ich erlaube mir, meine Frage zu wiederholen.



– Sie haben mir nichts versprochen.



– Nun?



– Aber Sie haben mich angehört…



– Was ist das?



– Sie haben mir die Hoffnung gelassen…



– Und Sie?



– Ich habe gehofft.



– Was werden Sie jetzt beginnen? fragte ich.



Larnage erröthete. Dann flüsterte er:



– Ich werde nicht mehr hoffen, aber ich werde ewig lieben.



Indem Larnage so zu mir sprach, fand ich ihn besonders schön.



Frau von Luynes, die Herrn Du-Deffand zum Reden gebracht hatte, näherte sich mir, und forderte mich auf, sie in ihr Kabinet zu begleiten, wo sie mir etwas zu sagen hätte.



Ich ward der Unterhaltung, die mir Vergnügen gewährte, entrissen. Uebel gelaunt, verließ ich meinen Platz.



Die Physiognomie meiner Tante kündigte eine Moral an, ich kannte sie schon seit langer Zeit; aber ich war weit entfernt, das zu erwarten, was mir bevorstand.



– Meine Nichte, sagte sie, ohne mir Zeit zu gönnen, mich niederzusetzen, Ihr Mann hat mir von Ihnen Dinge erzählt, die mich mit Erstaunen erfüllen.



– Was hat er Ihnen erzählt, Madame?



– Er behauptet, daß Sie im Begriffe sind, allein zu Frau von Parabère zu gehen…



– Das behauptet er?



– Zu dieser Schmach des Adels, fuhr meine Tante fort, zu dieser Frau, die Niemand mehr grüßt, wenn man ihr begegnet.



– Das ist wahr. Madame! antwortete ich, ohne mein Erstaunen zu äußern.



– Ist es möglich? fragte Frau von Luynes, als ob sie glaubte, ihren Ohren nicht trauen zu dürfen.



– Ich wiederhole es! fügte ich hinzu, indem ich mir vornahm, meinen Herrn Gemahl seine Schwatzhaftigkeit theuer bezahlen zu lassen.



Die Herzogin war über meine Kühnheit bestürzt.



– Haben sie keine Entschuldigung? fragte sie stammelnd und in einem Tone, der verrieth, daß sie selbst auf eine ersonnene Entschuldigung gezählt hatte.



– Keine!



Diese Freiheit und dieses fast unglaubliche Geständniß raubten ihr die Sprache. Sie sah mich erbleichend, an und rang nach Fassung. Als ich in meinem Schweigen verharrte, sagte sie entsetzt und trostlos:



– Sie haben es eingestanden!



Mehr vermochte sie nicht auszusprechen.



Frau von Luynes war sehr streng; ihre Verbindungen, ihre Gewohnheiten und ihre Familienbeziehungen fesselten sie an den alten Hof, und veranlaßten sie, die Scheinsittsamkeit beizubehalten, jenes Vermächtniß des großen Königs, das wir uns freudig beeilten zu beseitigen wie sein Testament.



Man begreift wohl, daß das Leben des Palais-Royal von einer so ängstlichen Frau wie meine Tante sehr streng getadelt ward, und daß sie es für Pflicht hielt, eine junge Verwandte davon zurückzuhalten.



Dieses Pflichtgefühl gab ihr die Sprache wieder.



– Madame, begann sie, Sie haben noch keine Erfahrung, und sehen den Abgrund nicht, an dessen Rande Ihr Fuß steht. Ich kann es nicht über mich gewinnen, Sie, ungeachtet Ihres Benehmens, ohne Warnung Ihre gefährliche Bahn gehen zu lassen. Es bedarf nur noch eines Schrittes, und Sie sind untergegangen.



Sie hatte Recht; heute weiß ich es, aber damals theilte ich ihre Ansicht nicht.



– Aber wo ist denn das Böse, Madame, von dem Sie sprechen? fragte ich, ohne mich aus der Fassung bringen zu lassen.



– Ich habe Ihnen Frau von Parabère bezeichnet.



– Nun?



– Hören Sie meine Warnung nicht, so wird man Sie bald in gleiche Kathegorie mit ihr stellen. Man wird von Ihnen sprechen, wie von ihr. Man wird Sie verachten, wie Frau von Parabère – man wird an Ihnen vorübergehen, ohne Sie zu grüßen. Ich denke, das sind Dinge, die man berücksichtigen muß. Und nun vergessen Sie nicht, daß Sie meine Verwandte sind, daß ich ein Recht habe, von Ihnen Gehorsam zu fordern. Ihre Schande fällt auf mein Haus zurück.



Diese Worte trieben mir ein wenig das Blut nach dem Kopfe. Ich beschloß, mich dafür auf der Stelle zu rächen.



– Madame, sagte ich, ist Frau von Parabère nicht von einem eben so guten Hause, als Frau von Verrue, und begeht, sie andere Dinge, als jene begangen hat? Ich habe die Ehre gehabt, Ihre Frau Schwägerin an Ihrer Tafel und auf Ihrem Schlosse von Dampierre anzutreffen, und ich glaubte nicht fehl zu gehen, wenn ich den Weg verfolge, auf den Sie selbst gehen.



Ich wußte, welch einen Schlag ich führte, denn die Herzogin konnte eine Anspielung auf die alte Intrigue der Gräfin von Verrue mit dem Könige von Sardinien nicht leiden. Sie Und ihr Mann hatten diese Dame nur mit großem Leidwesen, und so zu sagen wider ihren Willen empfangen. Sie sahen sie so wenig als möglich, und seufzten darüber; aber sie sahen sie, und dies war ein schweres Kreuz für sie.



Der Pfeil hatte also gut getroffen.



– Das wagen Sie mir zu sagen? rief sie aus.



– Sie zwingen mich dazu, Madame. Außerdem ist es meine Ansicht, und Sie wissen…



– Ich weiß, daß Sie eine verderbte Natur sind…



– Madame!



– Schweigen Sie!



Nach diesem Befehle veränderte sich plötzlich die Miene meiner Tante; sie schien zu bedenken, daß jede Bekämpfung meiner Ansichten vergebens war. Sie erhob sich kalt, als ob ich ihr lästig sei, und indem sie mir die Thür wies, sagte sie befehlend:



– So gehen Sie denn, Madame, da Sie es wollen. Aber wenn Sie Ihren Namen entehren, so zählen Sie nicht auf mich, daß ich Sie unterstütze. Ich habe meine Pflicht erfüllt – ich werde nie mehr mit Ihnen darüber sprechen!



Elftes Kapitel

Entzückt über meinen Sieg, ging ich also zur Frau von Parabère. Es war dies wirklich eine Schilderhebung: ich leistete in derselben Zeit meinem Manne und meiner Tante Widerstand, und diese Tante war noch obendrein die Herzogin von Luynes! Nach diesem ersten Auftreten versprach ich viel. Jetzt, wo ich die Dinge aus der Ferne und mit Verstand betrachte, gestehe ich ein, daß ich Unrecht hatte. Aber dies war nicht gänzlich meine Schuld: der Geist meiner Zeit, die Revolutionsgedanken, die heute so hervorstechend geworden sind, begannen aufzutauchen und rissen mich mit fort. Man hatte damals schon wenig Achtung vor den Eltern und den Pflichten; in einem andern Jahrhunderte seufzte man mit Recht darüber.



Frau von Parabère empfing mich mit offenen Armen.



– Ich erwartete Sie nicht mehr, meine Königin! rief sie aus. Wer hat Sie zurückgehalten?



– Nun, wer die Frauen zurückhält – der Mann!



– Ah, wie thöricht sind Sie gewesen, sich einen Mann zu nehmen! Wie bedauere ich, daß ich Sie nicht früher gekannt habe, ich würde Ihr Leben anders geordnet haben!



– Hätte ich, wie meine Tante Fräulein von Chamrond, eine alte Jungfer bleiben sollen?



– Sie hätten sich Gräfin Marie von Chamrond nennen und ein Stiftsfräulein wie die Gräfin Alexandrine von Tencin werden müssen.



– Ach, das ist wahr! antwortete ich seufzend. Warum haben meine Verwandte nicht daran gedacht?



– Ein Stiftsfräulein ist das Muster von Glück auf der Erde. Ein Stiftsfräulein ist frei, überall gut placirt, es hat den Bestand einer verheiratheten Frau, aber es hat keine Pflichten und keinen Mann; dagegen aber hat es ein Einkommen, das ihm erlaubt zu leben und die Hilfe Anderer anzunehmen; es hat die Unabhängigkeit einer Wittwe, ohne die Erinnerungen derselben, ein wenig Familienverbindung, einen unbestreitbaren Rang, den man Niemandem verdankt – und dabei Nachsichtigkeit, selbst Straflosigkeit. Witz und Spott können sie nicht treffen, weil sie an ihrem Stande nichts ändern. Für alle diese Vortheile haben sie die Mühe, ein Kreuz zu tragen, das ihnen ansteht, schwarze oder graue Kleider, die man so prächtig machen kann, wie man es nur immer wünscht – einen kleinen, kaum merklichen Schleier, und Frauenputz aller Art. Gestehen Sie, meine Beste, daß dies eine große Wohlthat ist. Ach, wenn ich nicht die Marquise von Parabère wäre, würde ich sicherlich die Gräfin Marie von Vieuville sein.



– Eins ist so gut wie das Andere



– Und dies verdanke ich meiner eigenen Wahl. Man muß mich nehmen, wie ich mich gebe. Ich werde mich für Niemanden verändern, ich habe es laut ausgesprochen. Ich bin jung, hübsch, frei, reich, ich besitze den Geist meines Alters und meiner Herkunft, ich amüsire mich, ich will mich amüsiren, und zwar so lange als möglich, ich will immer froh leben, und werfe die Sorgen zur Thür hinaus. Wer würde es mir danken, wenn ich es anders machte?



– Ohne Zweifel Niemand, wenn nicht der alte Hof…



– Ich ziehe es vor, mit ihm zu zerfallen, denn er langweilt mich, und auf diese Weise habe ich mich seiner entledigt.



– Der Regent liebt Sie herzlich, und Sie lieben ihn ohne Zweifel in demselben Grade wieder, dies tröstet und vertritt das Uebrige. Uebrigens setze ich voraus, daß Alles so ist, fügte ich verwirrt hinzu, denn ich schämte mich ein wenig, so unterrichtet zu erscheinen und der Erinnerung an Larnage eine so ausschließliche Herrschaft über mich eingeräumt zu haben.



Frau von Parabère sah mich lächelnd an, indem sie leicht die Achseln zuckte.



– Philipp! Ja, er liebt mich wohl… auf seine Weise, und ich liebe ihn eben so… auf meine Weise. Kennen Sie den Regenten?



– Ich habe nicht die Ehre gehabt, ihm vorgestellt zu werden.



– Ich werde Sie in den königlichen Palast führen, und werde Sie auch der Herzogin von Berry vorstellen. Sie werden diese Fürstin sehen und mir Ihre Meinung darüber sagen.



Bei diesem Vorschlage fühlte ich ein Schamgefühl aufsteigen, aber ich wagte es, aus Furcht vor Spott, nicht zu zeigen



– Ich hoffe, der Regent wird heute nicht zu Ihnen kommen!



– Wer weiß? Ich hoffe im Gegentheil, daß er kommen wird. Zu einem andern Zwecke habe ich Voltaire nicht eingeladen. Ich bin entzückt, sie zusammenzubringen. Dieser kleine Arouet rast inwendig, er hat einen tollen Geist. Der gute Philipp würde dieser Schlange gegenüber in Zorn gerathen, wenn er die Kraft dazu hätte; aber er verzeiht ihm im Voraus Alles, was er thun wird, wie er ihm das, was er bereits gethan, verziehen hat, wie er ihm überhaupt in seiner Gutherzigkeit sein ganzes Leben verzeiht. Ach, dies ist ein unterhaltendes Schauspiel, Sie werden sehen!



– Ist es denn passend, daß mich der Regent bei Ihnen findet? Wird es ihn nicht beleidigen?



– Halten Sie denn den Regenten für einen Ludwig XIV.? Er ist stets entzückt, wenn er eine hübsche Frau sieht, und in ihrer Nähe kümmert er sich wenig um ihren Rang.



Diese leichtsinnige Existenz, diese Unterhaltung, die nichts achtete, und diese Freiheit, die nicht einmal sich selbst einige Rücksicht auferlegte, bildete mit dem Leben in der Provinz und den gemessenen Worten meiner Tante und meiner Nonnen einen argen Contrast. Noch nahm ich kein Aergerniß daran, noch war ich nicht verletzt, aber ich war bis zur Bestürzung erstaunt. Frau von Parabère bemerkte es, sie umarmte mich mit einer wahren Ausgelassenheit und sagte in einem Tone, aus dem unwillkührlich ihre Empfindlichkeit hervorleuchtete:



– Ich verstehe Sie, meine Königin, ich bin eben so gewesen. Dies geht vorüber. Man ist viel glücklicher, wenn man kein anderes Geräusch hört, als das des Vergnügens.



In diesem Augenblicke ward Voltaire angemeldet; er trat ein, ohne verwirrt oder linkisch zu erscheinen.



Voltaire war damals ein drolliger junger Mann; es erinnern sich seiner nicht viel Leute mehr, denn wir sind aus jener Zeit nur wenige noch vorhanden. Er war eben so lang und mager als jetzt; sein Gesicht, nahe daran Falten zu bekommen, war dasselbe; sein Mund ward stets von einem Lächeln umschwebt, das schneidend und glänzend war wie eine Klinge; sein Auge blitzte. Er hatte eine bleiche, gallichte Gesichtsfarbe, und seine Miene war angenehm, wenn man ihn nicht reizte. Es bedurfte aber einer langen Gewöhnung an seinen Geist, wenn man sicher sein wollte, daß man von ihm nicht verspottet würde.

 



Man hielt ihn den Großen gegenüber für einen Schmeichler und Speichellecker, während seine ganze Person nur ein Epigramm war. An jenem Tage habe ich ihn kennen und schätzen gelernt; er bemerkte es, und wußte es mir Dank, er hat sich oft darüber ausgesprochen.



– Mein lieber Dichter, sagte die Marquise, Sie werden mit der Frau Marquise Du-Deffand, der ich Sie vorzustellen mir erlaube, das Mittagsmal einnehmen. Sie kommt aus der Provinz, um uns zu zeigen, daß man dort mehr Geist besitzt, als in Paris.



Voltaire prüfte mich, und warf einen jener Blicke auf mich, welche die ganze Person einzusaugen scheinen. Nach dem Gesagten wußte er, wer ich war, was ich galt, und er bedurfte keiner Auskunft weiter.



– Herr von Voltaire, haben Sie uns nicht einige Verse vorzulesen?



– Verse! Madame, ich sollte Verse machen und sie hierherbringen! Man hat für mich so viel gemacht, daß ich ausruhen kann.



– Das ist Groll, mein Herr!



– Groll? Nein, Madame, es ist Gerechtigkeit. Ich erinnere mich!



– Verlohnt es sich der Mühe, daß man für ein wenig Bastille gegen einen guten Fürsten so aufgebracht ist, dem Gott vergessen hat Galle zu geben?



– Ich bin gegen Niemanden aufgebracht, Madame, und gegen den Herrn Regenten noch weniger, als gegen irgend eine andere Person, denn er ist sehr gütig gegen mich gesinnt; aber ich werde seine Güte nicht vergessen, es ist meine Absicht, sie täglich zu verdienen, und darum lese ich meine Verse nicht, wenn ich das Unglück hätte, Verse zu machen. Ich denke, daß dies keine Majestätsbeleidigung ist



Die Marquise begann zu lachen. Man lachte damals sehr viel.



– Ich weiß nicht, warum Sie sich über Ihre Verse beklagen, Messire Arouet; sie haben stets einen guten Erfolg gehabt, und der Regent hat mit beiden Händen ihren Oedipus beklatscht, trotz der Anfeindungen, Auslegungen und Verleumdungen.



– Weil der Regent mehr Geist besitzt, als seine und meine Feinde, weil er die Menschen nach ihrem Werthe, und die Sachen wie sie sind, beurtheilt.



– Und vorzüglich weil er gut, sehr gut ist! fügte sie mit Intention hinzu.



– Was soll das heißen, Madame? Glauben Sie vielleicht, daß diese Güte sich auf mich verirrt hat, daß ich sie nicht verdiente, und daß ich schuldig war?



– Ich habe gesehen, mein bester Herr! Ich habe gesehen!



– Parbleu, Madame, auch ich habe gesehen! Ich habe vor allen Dingen die vier Mauern der Bastille, die häßliche Nase des Kerkermeisters und den flammenden Blick des Herrn Gouverneurs gesehen. Diese Dinge noch einmal zu sehen, habe ich keine Lust.



– Bekennen Sie aufrichtig: sollten Sie deshalb nicht diese Visionen gehabt haben, um sie in ihrer Kritik als ungereimte Erscheinungen zu bezeichnen?



– In Wahrheit, Madame, das Gedicht »Ich habe gesehen« ist nicht von mir, ich werde es bis zum Ueberdrusse wiederholen, ich werde es vor Gott und den Menschen verneinen; und da Sie mich einmal dazu drängen, so muß ich Ihnen sagen, daß ich es, wenn ich mich mit der Satyre befasse, auf eine andere Weise angreife.



– Nun, wie würden Sie es angreifen? fragte Frau von Parabère, indem sie sich auf dem Sopha wälzte wie eine durch Sahne angelockte Katze.



– Erlauben Sie, Madame, dies für mich zu behalten; denn wenn irgend Etwas in Versen oder in Prosa erschiene, in dem sich dieselben Gedanken fänden, so würde man es mir zuschreiben, und ich habe an meinen Sünden genug, ohne die Anderer zu büßen.



Man kündigte das Mittagsessen an, das sehr gut war. Die Marquise war eine Feinschmeckerin, wie alle Leute von Geist. Sie eröffnete mir diesen Tempel, der mir bis dahin verschlossen gewesen, und ich war ihr dafür sehr verpflichtet.



Voltaire vergaß sein Gefängniß.und ward liebenswürdig. Er machte uns Complimente über den guten Ton, spottete über alle Welt, stichelte auf alle Lächerlichkeiten, und lästerte vorzüglich auf die Gräfin von Tencin, die er nicht leiden konnte. Sie behauptete nämlich, daß er sie sehr geliebt, und daß sie diese Liebe zurückgewiesen habe. Dies verzieh er ihr nicht. Ich zweifle daran. Voltaire hat die Frauen nie geliebt: er hat eine gelehrte und eitele Empfindung für Madame Düchatelet gehegt, welche sich dessen nur rühmte, indem sie seinen Geist hervorhob. Ich möchte indessen nicht beschwören, daß ihn auch irdischere Bande gefesselt haben. Zu ihrer Zeit werde ich die Liebschaften erzählen, von denen ich Zeuge gewesen bin, und man wird sehen, wieviel sich in den Sternen und in den Wolken zugetragen hat.



Als wir die Tafel verließen, fanden wir in dem Salon einen Herrn von mittlerem Wuchse, mit leutseligem Gesichte, vollkommen gutem Genehmen, einer großen Noblesse in seiner Haltung und mit einer geistreichen und zugleich guten Physiognomie.



Frau von Parabère, die mich bei der Hand führte, folgte ihrer Gewohnheit, indem sie mich bei seinem Anblicke losließ und zu ihm eilte.



– Ach, mein Herr, Sie sind schon da? sagte sie, indem sie sich leicht vor ihm verneigte. Sie sind liebenswürdiger, als Sie versprochen haben.



– Und das wünschten Sie vielleicht nicht! fügte der Fürst hinzu.



– Welche Thorheit! ich bin allein mit der jungen Freundin, von der ich Ihnen bereits gesagt habe, und mit Herrn von Voltaire.



– Der Niemand ist, mein gnädigster Herr, fügte dieser hinzu, indem er sich tief verneigte.



– Frau Marquise Du-Deffand, gnädigster Herr, fuhr das übermüthige Geschöpf fort, indem es mich zu dem Fürsten zog, eine liebenswürdige Frau, für die ich Ihre Güte erbitte. Ihr Mann ist im Dienste, es ist unmöglich, daß er nicht irgend eine Bitte an Sie zu richten hatte, die Sie ihm gnädigst bewilligen werden.



– Madame hat mir nur ihre Befehle zu ertheilen, und ich beeile mich zu gehorchen! antwortete der Fürst mit einem jener Blicke, welche die Frauen errathen und eine ganze Unterhaltung ausmachen.



Ich konnte nichts weiter finden als eine einfältige Verbeugung, einen jener Pfauen- oder Truthahn- Knixe, die Zeichen der Verlegenheit oder des Dünkels.



Der Fürst täuschte sich nicht darüber, er ließ mir Zeit mich zu fassen, und wandte sich lächelnd zu Voltaire, indem er sagte:



– Ach, Sie, Herr Prophet, Herr Raisonneur! Ich habe diesen Morgen an Sie gedacht.



– An mich, gnädigster Herr? Ich habe große Furcht. Liegt nicht etwas Bastille auf dem Grunde dieses Gedankens?



– Sie haben les Phillppiques nicht gemacht, Herr von Voltaire, Sie sind dessen unfähig, fuhr der Regent in bewegtem Tone fort.



– Hat man gewagt, mich dessen anzuklagen, gnädigster Herr? rief der beleidigte Dichter.



– Nein, nein, mein Herr! Der Verfasser verbirgt sich nicht, er ist La Grange Chancel, ein alter Page der Prinzessin von Conti, Haushofmeister bei meiner Mutter, der durch unser Haus ernährt und erzogen ist. Und dieser Mann beschuldigt mich, daß ich ein Blutschänder, ein Giftmischer, und Gott weiß was Alles sei.



Als Frau von Parabère sah, daß eine schmerzliche Bewegung in ihm aufstieg, wollte sie seine Hand ergreifen. Sie wußte, wie tief diese Wunde war, seit der Herzog von Orleans jene Verse kannte; er sagte Allen davon, die sich ihm näherten.



Der Fürst entzog sich ihr sanft.



– Beruhigen Sie sich, Madame, ich werde mich nicht mehr damit beschäftigen. Diesen Morgen habe ich Justiz geübt.



– Wie, gnädiger Herr! La Orange…



– Ich hoffe, Sie werden ihn rädern lassen? sagte rasch die Marquise.



– Nein, Madame, ich habe ihn kommen lassen und habe ihn gefragt, ob er alle Abscheulichkeiten dächte, die er geschrieben. Er hat mir mit Ja geantwortet.



– Um so besser! denn wäre es anders, so hätte ich Ihnen gerathen, ihn hängen zu lassen.



– Ich habe ihn einpacken und nach der Insel Saint-Marguerite schicken lassen, wo er nicht lange bleiben soll, da er nur mich beleidigt hat. In Bezug auf Sie, Herr von Volta

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