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Der Arzt auf Java

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Erster Band

I.
Der Orkan

An einem Novemberabend 1847 wurde die Stadt Batavia von einem jener furchtbaren Orkane heimgesucht, welche nur den indischen Meeren eigenthümlich sind und schon so oft die Insel Jana verheerten. Der Wind, der während des Tages nur heftig gewesen war, begann gegen 6 Uhr Abends in einzelnen Stößen zu stürmen. Das Meer wuchs und brach sich schäumend an dem Damme, der den Hafen bildet und ohne welchen Batavia nur eine Rhede haben würde.

Wer noch keinen Orkan in Indien sah, weiß nicht was ein solcher zu bedeuten hat. Es ist eine Verbindung aller Elemente zur Vernichtung des Menschen und seiner Werke. Das Meer scheint die Städte verschlingen, der Wind sie in das Meer schleuderte zu wollen. Die Blitze sind nicht mehr einzelne Strahlen, sondern ganze Feuergarben.

Um 9 Uhr Abends brach einer dieser Orkane in seiner ganzen Heftigkeit über Batavia aus. Der Wind heulte, knickte die höchsten Bäume, warf die Hütten der Neger nieder, hob die Bambusdächer von den Magazinen, bedeckte den Boden mit ihren Trümmern und spielte mit den stärksten Stämmen derselben, wie ein gewöhnlicher Wind mit einem Strohhalm.

Das Schauspiel der Rhede war besonders entsetzlich. Wüthende Wogen, Häuserhoch, stürzten sich schäumend und heulend auf die Küste und glichen eben so vielen Ungeheuern mit aufgesperrten Rachen, bereit, die Arbeiter zu verschlingen, welche von dem Ufer die Gegenstände zu entfernen bemüht waren, die man hier ihrem eignen Gewichte überlassen hatte.

Die Wassermassen, welche über den Hafendamm schlugen, gelangten bis zu den Schiffen, hoben sie bis zur Höhe der Dächer der Häuser, schleuderten sie gegen einander und zerschmetterten sie so mit einem entsetzlichen Gekrach. Der Regen goß in Strömen herab.

Wir sagten, daß es 9 Uhr Abends war, als der Orkan in seiner ganzen Wuth ausbrach. Zu dieser Stunde hat die Bevölkerung Batavias für gewöhnlich die obere Stadt erreicht. Batavia besteht nämlich aus zwei übereinander liegenden Städten. In der einen lebt und wohnt man, in der andern treibt man seinen Handel.

Außer diesen beiden gibt es noch eine dritte, Stadt, die wir hier aber nur nebenher erwähnen und die man das Lager der Chinesen nennt.

Die untere Stadt, längs der Brücke, in der Mitte von Sümpfen gelegen, umgeben mit einem Wald von Wurzelträgern, welche oft ihre Wurzeln in dem Meere baden und da, wo sie sich von dem Ufer desselben entfernen, kaum einen schmalen Streifen frei lassen, die untere Stadt, sagen wir, wird so ungesund, wenn mit dem Abend die Dünste über dem sumpfigen Boden aufsteigen, daß Niemand es wagt, die Nacht dort zuzubringen. Zwischen 6 und 7 Uhr, wenn die Dunkelheit von dem Himmel mit jener eigenthümlichen Schnelligkeit der tropischen Gegenden herab sinkt, verlassen alle Bewohner die Factoreien, die Comptoire, die Magazine, in denen sie während des Tages ihre Geschäfte verrichteten.

Die Regierungsgebäude, das Theater, die öffentlichen Anstalten, die Häuser der Europäer, sind auf dem Berge erbaut, welcher die Rhode beherrscht und durch ihre Höhe gegen die pestartigen Ausdünstungen, die von der Küste herkommen, gesichert.

Die chinesische und malayische Stadt liegt auf der andern Seite dieses Berges.

Die Gewalt des Windes war so furchtbar, daß ungeachtet der Gefahr, in welcher die Magazine standen, da man sie am nächsten Tage gänzlich vernichtet zu finden glaubte, Niemand es wagte, seine Wohnung zu verlassen. Dennoch ging ungeachtet des Regens, ungeachtet des Sturmes, ungeachtet der Blitze, ein Mann allein rasch den Abhang hinab, der von der obern Stadt zu der untern führt. Man hätte glauben können, dieser Mann wäre gleichgültig gegen das Schauspiel der Vernichtung gewesen, welches sich rings um ihn her zeigte, hätte er sich nicht bei jedem Schritte, den er auf seinem Wege machte, festzuklammern gesucht, und nicht durch den Sturm fortgerissen oder umgeworfen zu werden. Das Wasser rieselte von seinen Kleidern, die Zweige der Bäume peitschten ihm das Gesicht, Stücke der Dächer schlugen um ihn her nieder und drohten ihn in ihrem Falle zu zerschmettern, ohne daß er sich um etwas Anderes zu kümmern schien, als seinen Weg bei dem Scheine der Blitze zu erkennen. So stieg er bis zur Rhede hinab, ließ den Hafen dann zu seiner Linken, wendete sich rechts und folgte dem Quai in seiner ganzen Länge Bei jedem Schritte bedeckte das Meer ihn mit Schaum. An dem Ende des Quais angelangt, blieb er stehen. Er wartete auf einen Blitz. Der Himmel öffnete sich und durch diese Oeffnung einen Flammenstrom herabsendend, erkannte er einen schmalen Pfad, der zwischen dem sumpfigen Wasser hinführte. Er verfolgte diesen Pfad, ging noch ungefähr 5 Minuten weiter und blieb endlich vor einem Bambushause stehen, welches größer war, als die Magazine der untern Stadt und dessen Zugänge mit Ballen und Collis jeder Größe bedeckt waren, geschützt durch große, getheerte Leinwanddecken.

Der Mann klopfte an die Thür. Es erfolgte keine Antwort. Er versuchte die Thür zu öffnen, doch sie widerstand seinen Anstrengungen. Dies schien ihn zu überraschen, denn in den Städten des indischen Archipels haben die meisten Wohnungen nur der Form wegen eine Thür.

Er hob ein großes Stück Holz auf, das der Orkan bis hierher geschleudert hatte und bediente sich desselben wie eines Hammers, um gegen die widerstrebende Thür so laute Schläge zu führen, daß sie selbst den Lärm des Sturmes übertönten. Ein schwacher Lichtschein drang durch die Bambusritze des ersten Stockwerkes und eine weibliche Stimme fragte in holländischer Sprache: »Wer ist da?«

»Oeffnen Sie,« erwiederte der Unbekannte, »öffnen Sie schnell!«

»Wer sind Sie und was wollen Sie?«

»Oeffnen Sie nur zuerst; Sie müssen sehen und hören, daß es bei solchem abscheulichen Wetter nicht Zeit ist, vor der Thür ein Gespräch zu führen.«

»Ich kann nicht öffnen, bevor ich weiß, was Sie hier suchen, und bei einem solchen Sturme und in einer so dunklen Nacht läuft man nicht in guter Absicht auf der Straße umher.«

»Meine Absicht ist gleichwohl höchst unschuldig und friedlich,« erwiederte der Unbekannte. »Meine Frau ist krank und von allen Aerzten Batavias und der im Hafen liegenden Schiffe aufgegeben und ich komme, den Doctor Basilius, dessen Gelehrsamkeit alle Welt rühmt, um seinen Rath zu bitten.«

»Wenn Sie deshalb kommen, so warten Sie einen Augenblick.«

Das Frauenzimmer, welches diese Antwort gegeben hatte, kam hierauf herunter, zog einen eisernen Riegel von der Thür und öffnete diese halb. Dann hielt sie zu dem Spalt ihre durchsichtige Hornlaterne hinaus, so daß der Schein derselben auf das Gesicht des Unbekannten fiel. Sie erkannte dabei, daß sie es mit einem Manne von ungefähr 25 Jahren, mit regelmäßigen Zügen und einem sanften, interessanten Gesichte, zuthun hatte. Ungeachtet seines niederländischen Ursprungs umgaben lange schwarze Haare sein Gesicht und hoben dessen matte Blässe hervor. Seine großen Augen, dunkelblau wie Saphir, obgleich geröthet durch Nachtwachen und Thränen, waren voll Ausdruck. Er trug europäische Kleidung, die zwar sauber war, aber dennoch lange Dienste verrieth. Des Wetters ungeachtet hatte er keinen Mantel, aber selbst die Aermlichkeit seines Anzugs hob seinen eleganten Wuchs und sein anständiges Benehmen noch mehr.

Der Anblick eines so schönen jungen Mannes, in welchem sie im Augenblick einen Landsmann erkannte, mußte natürlich unsere Holländerin beruhigen, eine junge und schöne Friesin, kaum 18 Jahre alt und noch immer in ihre Nationaltracht gekleidet.

Sie senkte die Laterne herab, um dem Fremden zu zeigen, daß er eine Stufe hinauf zu steigen hätte und sagte dabei: »Treten Sie ein und verschließen Sie die Thür, denn der Regen verfolgt Sie bis in das Haus.«

Der junge Mann folgte dieser Weisung, und während er die Straßenthür schloß, öffnete die junge Friesin die Thür eines Zimmers, in das sie den Fremden eintreten ließ.

Es war ein kleines, achteckiges Gemach, ganz mit Teppichen behangen, auf denen sich phamitastische Bilder zeigten. Dies Zimmer mußte zu verschiedenartigem Gebrauche dienen, denn auf einem Lacktische in der Mitte sah man eine halbleere Arakflasche, Gläser, geöffnete Handelsbücher und auf der Ecke dieses Tisches, eben so wie in allen Winkeln des Zimmers, auf allen Möbeln, halbgeöffnete Ballen, die Stücke Seidenzeuge, Shawls und Kästchen erblicken ließen. Die letztern enthielten allem Anschein nach Opium, denn der scharfe Geruch desselben zog die Kehle zusammen. Außerdem erblickte man überall Elfenbeinarbeiten, die mit übermenschlicher Geduld und dem feinsten Geschmack geschnitzt waren, kostbare Porzellanbüchsen mit Thee, aus denen ein kräftiger Duft ausstieg, der während der langen Reise verfliegt, welche diese wohlriechenden Blätter zu machen haben, um Europa zu erreichen.

Das junge Mädchen warf einen dieser Ballen auf den Boden und reichte dem Fremden einen Bambusstuhl, nicht ohne ein mürrisches Gesicht zu machen, indem sie bemerkte, daß dieser mit seinen Schuhen und dem Wasser, das seinen Kleidern entfloß, die blendend weißen Matten, die den Boden bedeckten, kothig gemacht hatte.

Der junge Mann setzte sich, aber indem er umher sah, um den zu entdecken, welchen er suchte.

»Sie wollen den Doctor sehen?« fragte die Friesin.

»Ich möchte ihn nicht nur sehen,« erwiederte der Fremde, »sondern ich wünschte auch, daß er mich nach meiner Behausung begleitete, denn meine Frau ist ihrem Ende nahe; meine Frau, verstehen Sie wohl? Das heißt, das einzige Wesen, welches mich liebt und das ich auf dieser Welt liebe. Mein Gott, wenn ich daran denke, daß jede Minute, die ich verliere, ein Schritt mehr ist, den sie dem Tode entgegen geht. – Ach, Fräulein, bat der junge Mann schluchzend, indem er beide Hände gegen seine Landsmännin ausstreckte, um des Himmelswillen, führen Sie mich schnell zu Ihrem Herrn.«

 

»Ach, armer Herr,« sagte das junge Mädchen, »was verlangen Sie da?«

»Ich erbitte von Ihnen das Leben meiner Frau, denn man behauptet, daß nur Er allein sie retten kann.«

»Aber wissen Sie denn nicht« daß der Doctor Basilius seit seinen Streitigkeiten mit dem Polizeirichter, sich um keinen Menschen auf der Welt mehr aus dem Hause bringen läßt? Er empfängt seine Freunde bei sich, ertheilt ihnen Gesundheitsrathschläge, wie er sagt, wenn sie ihn darum bitten, aber darauf beschränkt sich auch seine Einmischung zwischen den Krankheiten und den Kranken. Was noch mehr ist – ich glaube, daß mein Herr seit zwei Jahren nicht in die obere Stadt hinaufgekommen ist.«

»Ach, sprechen Sie für mich,« rief der junge Mann, »um des Himmelswillen, sprechen Sie für mich, Fräulein, ich beschwöre Sie! Wenn Sie wüßten, wie ich meine Esther liebe! Er rettet, wenn er sie am Leben erhält, zwei menschliche Wesen, zwei Geschöpfe Gottes, zwei Brüder, die ihm das Leben verdanken. Mein Gott, mein Gott,« fuhr der junge Mann schluchzend fort, »seit 24 Stunden kämpft sie gegen den Tod und wie ich diese Zeit überlebt habe, weiß ich selbst nicht. – Lassen Sie mich zu dem Doctor, ich beschwöre Sie! Ich muß seine Knie umfassen und ihn bei Allem, was ihm in dieser und jener Welt heilig ist, anflehen, meine Frau zu retten, wenn sie noch gerettet werden kann.«

Die junge Friesin schüttelte zum Zeichen des Zweifels den Kopf und betrachtete den Fremden mit zärtlicher Theilnahme. »Ach,« sagte sie, indem sie die Stimme dämpfte, »Sie kennenden Doctor Basilius nicht?«

»Nein,« erwiederte der junge Mann, »ich bin kaum seit zwei Monaten in Batavia und seit dieser Zeit hat Esther das Bett nicht verlassen; ich blieb beständig an ihrem Lager.«

»Wer hat Sie denn an den Doctor gewiesen?« fragte die Friesin.

»Der Apotheker, von dem ich die Arzneien bekam. Er rühmte mir seine seltene Gelehrsamkeit und pries ihn als den einzigen Arzt, der vielleicht das Uebel bekämpfen könnte, welches meine Frau dem Grabe zuführt.«

»Und hat der Apotheker Ihnen nichts weiter über das Leben des Doctor Basilius gesagt?« fragte das junge Mädchen zögernd. »Theilte er Ihnen nicht mit, welches seine Gewohnheiten, seine Abenteuer sind? Setzte er Sie nicht in Kenntniß von den tausend Gerüchten, welche die Bosheit auf seine Rechnung in Umlauf brachte?«

»Nein, er sagte mir nur: »Gehen Sie zu diesem Manne; er kann Ihr Retter sein.« – Darauf bin ich gekommen.«.

»Ja, aber hat er nicht hinzugefügt: »Nehmen Sie Ihre Börse, junger Mann, und sorgen Sie dafür, daß sie gut gefüllt sei, ehe Sie es wagen, sich dem Doctor zu zeigen?«

»Ach, Fräulein, erwiederte der Unbekannte, »das wäre eine nutzlose Mahnung gewesen. Ich bin ein armer Handlungscommis, der nur von seiner Arbeit lebt und unglücklicher Weise mußte ich, um Esther nicht fremden Händen zu überlassen, gleich nach meiner Ankunft in Batavia auf die Stelle verzichten, wegen welcher ich 500 Meilen weit herkam. Bis ich daher eine Andere Stelle gefunden habe, bin ich ganz ohne alle Hilfsmittel.«

»Also indem Sie herkamen —?«

»Rechnete ich nur auf die Barmherzigkeit des Doctors.«

Die junge Holländerin stieß einen Seufzer aus und murmelte: »Armer junger Mann!«

»Was sagen Sie?« fragte der Unbekannte immer besorgter und besonders immer ungeduldiger.

»Ich sage, daß, wenn Sie nicht reich sind mein lieber Landsmann, der Doctor schwerlich einwilligen wird, Ihre Frau zu besuchen.«

»O mein Gott,« rief der Fremde, »da meine arme Esther zum Tode verurtheilt ist, mag man auch mein Leben nehmen!«

»Wenn ich es wagte —« sagte die junge Friesin schüchtern und indem sie einen Zipfel ihrer seidenen Schürze drehte.

»Was? Sprechen Sie! Erblicken Sie irgendein Mittel der Hilfe, so lassen Sie mich nicht darauf warten!«

»Ich habe einige Ersparnisse, von denen mein Herr nichts weiß; Sie sind ein Landsmann, Sie leiden, Ihr Schmerz thut mir weh, ich weiß nicht warum, aber ich habe gleich bei den ersten Worten Ihnen meine Theilnahme geschenkt. Es ist so selten, daß ein Mann seine Frau so liebt, wie Sie die Ihrige zu lieben scheinen. – Nun, nehmen Sie diese Ersparnisse an; Sie geben sie mir zurück, wenn Ihre Frau hergestellt ist, oder wenn Sie einen Posten haben.«

Der Fremde wollte dankend antworten und streckte schon die Hand aus, um die des jungen Mädchens zu drücken, als ein heftiger Schlag auf einen Gong durch das ganze Haus ertönte. Die junge Holländerin erbebte und ohne sich so viel Zeit zu lassen, dem Fremden nur noch ein Wort zu sagen, eilte sie hastig durch eine Seitenthür. Als der junge Mann allein geblieben war, verbarg er den Kopf in die Hände; er hielt jede Hilfe für verloren, sein Muth verließ ihn und er weinte heftig, doch still. Sein Schmerz nahm ihn so ganz ein, daß er die Rückkehr der hübschen Friesin nicht bemerkte. Sie tippte ihn mit dem Finger auf die Schulter. Er erbebte, hob den Kopf empor und als er das lächelnde Gesicht des jungen Mädchens sah, blieb er regungslos und erwartete mit offenem Munde ihre Worte. »Kehren Sie nach Hause zurück,« sagte sie. »Der Dr. Basilins wird Ihre Frau besuchen.« Plötzlich von dem äußersten Schmerz zur unbändigsten Freude übergehend, sank der junge Mann nieder auf s eine Knie, küßte die weißen, rundlichen Hände seiner Landsmännin und rief: »Ich danke Ihnen, mein rettender Engel! Denn ich zweifle nicht, daß das Opfer Ihrer Ersparnisse den Doctor bestimmt hat.« »Nein,« entgegnete das junge Mädchen, »ich begreife es selbst nicht. Ich habe nicht nöthig gehabt, an den Doctor nur die geringste Bitte zurichten. Als ich zitternd vor Furcht, ausgezankt zu werden – denn er hat mir verboten, jemals mit den Besuchern zu sprechen – eintrat, hat er die Augen von der Calcutter Zeitung nicht emporgehoben, sondern nur die Worte gesagt: »Sagen Sie Herrn Eusebius van der Beek, daß ich mich zu seiner Frau begeben werde.«

Er weiß meinen Namen?« rief der junge Mann verwundert.

»Ach mein Gott, was weiß er denn nicht!« sagte die junge Holländerin mit dem Ausdruck der Furcht. »Und gleichwohl habe ich ihn nicht ein einziges Mal aus dem Hause gehen sehen, seitdem ich bei ihm bin und das ist schon beinahe zwei Jahre her.«

»Sonderbar,« sagte Eusebius; »indeß das Wesentliche ist erreicht. Ach, wie viel Dank bin ich Ihnen schuldig, denn ich habe Ihr großmüthiges Anerbieten nicht vergessen, wenn es auch nicht mehr nöthig war. Sobald meine arme Esther genesen ist – wenn dies je geschieht, – führe ich sie zu Ihnen, um Ihnen zu danken.«

»Ist sie eine Holländerin?« fragte das junge Mädchen.

»Aus Harlem, eben so wie ich.«

»Und – hübsch?«

»Beinahe eben so sehr wie Sie,« sagte Eusebius heiter.

»Bringen Sie sie nicht her, nein, ich werde sie aufsuchen. Doch gehen Sie; beeilen Sie sich; der Doctor wird ausgehen und wenn er Sie noch fände, würde er mich der Schwatzhaftigkeit beschuldigen.«

»Aber warten Sie wenigstens, bis ich Ihnen die Adresse meiner Wohnung gegeben habe.«

»Das ist nicht nöthig; der Doctor wird sie schon finden; hätte er sie verlangt, so würde er danach gefragt haben. Gehen Sie, gehen Sie nur.«

Und die hübsche Friesin drängte Eusebius van der Beek zur Thür hinaus, indem sie ihm die Hand drückte, um diese etwas unhöfliche Weise seiner Entfernung zu entschuldigen. Der junge Mann versuchte leise zu widerstehen. In diesem Augenblicke ertönte ein noch heftigerer Schlag auf den Gong, daß das ganze Haus davon widerhallte. Die junge Friesin sammelte alle ihre Kräfte, stieß die Thür auf und Eusebius hinaus, der sich so auf der Straße befand, bevor er noch seine Adresse hatte angeben können. Er hörte dann sogleich, wie die Thür wieder verschlossen und verriegelt wurde und dies geschah mit einem Eifer, welcher bewies, daß der Doctor Basilius in seinem Hause eine strenge Autorität ausübe.

Er rief die Holländerin, indeß vergebens, Keine Stimme antwortete ihm. Er wollte ein Gespräch anknüpfen, doch das Licht, welches bis dahin geschimmert hatte, verschwand.

»Acht« rief er verzweiflungsvoller wie je, »das ist ein grausamer Spott, und um sich meiner zu entledigen, hat das junge Mädchen mir gesagt, der Doctor Basilius würde meine Frau besuchen. Wie sollte ihm dies möglich sein, da er meine Adresse nicht kennt und das Haus überdies am äußersten Ende der oberen Stadt liegt, in einem der namenlosen Gäßchen, welche an das chinesische Viertel grenzen!«

Er rief von Neuem und als er wieder keine Antwort erhielt, brach er in Klagen aus.

»Mein Gott! mein Gott!« sagte er dumpf in sich hinein, »sollen denn alle diese Bemühungen vergeblich gewesen sein? Der unglückselige Arzt kann meine Wohnung in der Dunkelheit nimmermehr finden und wenn der Tag anbricht, ist meine arme Esther todt.«

Er verdoppelte sein Geschrei, und als im Hause Alles still blieb, erhob er das Stück Holz, dessen er sich schon früher bedient hatte und stieß es mit aller Gewalt gegen die Thür, um die Aufmerksamkeit der Bewohner zu erwecken. Doch Alles blieb nutzlos; das Haus schien ausgestorben zu sein und nur das Echo antwortete auf die Schläge des armen Eusebius van der Beek.

II
Der Doctor Basilius

Eusebius dachte nach diesen Versuchen, das Beste würde sein, wenn er wartete, bis Doctor Basilius sein Haus verließe, wie er dies zu thun versprochen hatte; dann wollte er ihn anreden und ihm bis zu seiner Wohnung führen.

Der Sturm dauerte noch immer fort, das Toben des Meeres und das Pfeifen des Windes hatten sich nicht vermindert. Der Regen stürzte mit solcher Gewalt herab, daß es schien, als wären die Wolken durch Wasserstrahlen mit der Erde vereinigt. Aber der Schmerz, den Eusebius empfand, war so gewaltig und sein Geist von dem, was um ihn her vorging, so weit entfernt, daß er nicht einmal daran dachte, unter den Theerdecken Schutz zu suchen und frei dem Regen ausgesetzt blieb. Uebrigens glich der Sturm der Elemente nur dem in seinem Innern.

So wartete er eine Stunde lang. Als er denn sah, daß die Thür noch immer geschlossen blieb und daß kein Geräusch im Innern des Hauses verrieth, der Doctor treffe Anstalt, sein Versprechen zu erfüllen, klopfte er abermals wüthend an die Thür. Doch wieder vergebens. Jetzt fühlte er sich entmuthigt, vernichtet, überzeugt, daß die junge Holländerin seiner Leichtgläubigkeit gespottet hatte und daß der Doctor sich seinetwegen nicht bemühen wolle. Er kehrte daher niedergeschlagen auf dem Wege zurück, den wir ihn kommen sahen. Auf der Hälfte der Anhöhe blieb er stehen, um noch einen letzten Blick zurückzuwerfen. Soweit seine Augen bei der Dunkelheit und dem stürzenden Regen reichten, war die Straße öde.

»Ha, der Elende!« rief er, die Arme emporstreckend, als wollte er den Fluch Gottes auf ihn herabrufen. »Er hat in seinen Händen die Rettung eines seiner Mitmenschen und er hält sie geschlossen, weil man kein Geld hat, es ihm zum Austausch für ein Leben zu geben.«

Dann blickte er rings an dem Horizont umher und sagte: »Arme Esther, Du bist verurtheilt und ich kann keine barmherzige Seele finden, Dich dem unerbittlichen Schicksal zu entreißen, mit zwanzig Jahren zu sterben! Doch ich will kämpfen bis zum Ende und Dein Leben vertheidigen, bis Gott selbst es meinen Händen entreißt.«

Als hätte er einen Entschluß gefaßt, lief er plötzlich wie wüthend vorwärts, hatte nach wenigen Secunden den Berg vollends erstiegen und klopfte an die Thür der Wohnung eines der berühmtesten Aerzte Batavias. Auch dort weigerte sich die Dienerschaft, ihn bis zu ihrem Herrn vorbringen zu lassen. Doch Dieser hörte sein Geschrei, seine Thränen, seine Bitten, und kam zu ihm. Eusebius setzte ihm seinen Wunsch auseinander.

»Von welcher Krankheit ist Ihre Frau ergriffen?« fragte der Arzt.

»Die Aerzte haben sie bisher auf Schwindsucht behandelt,« erwiederte Eusebius.

Der Arzt schüttelte den Kopf, ging zu einem Tische, schrieb einige Zeilen auf ein Stück Papier und reichte dieses dem jungen Manne, indem er sagte: »Lassen Sie ihre Frau morgen nach dem Hospitale bringen; hier ist eine Anweisung zum Eintritte. Verlangen Sie für sie ein Bett, indem Saale D und ich werde ihr meine Aufmerksamkeit widmen. Aber ich darf Ihnen nicht verhehlen, daß diese Krankheit, in Europa beinahe immer tödtlich, hier nicht ein einziges Beispiel der Heilung bietet, obgleich dieser Empyriker Basilius behauptet, er könne die Schwindsüchtigen im dritten Grade (Stadium) heilen.«

»Basilius! Immer wieder Basilius!« rief Eusebius, indem er zum Zimmer hinausstürzte, ohne auch nur die Schrift anzunehmen, die der Doctor ihm bot. »Ha! Er muß kommen, er muß sie sehen und sollte ich ihn mit dem Tode bedrohen, um ihn dahin zu bringen, sollte ich Feuer an sein Haus legen, damit er es verläßt und ich ihn zu Esther schleppen kann!«

 

Außer sich über den Vorschlag, seine Frau nach dem Hospital bringen zu lassen, wollte Eusebius zurückkehren, um seine Drohung auszuführen, als er überlegte, daß er seine Wohnung schon vor längerer Zeit verlassen hatte, daß Esther seitdem allein war und daß sie seines Verstandes vielleicht dringend bedurfte.« Der Gedanke, daß Esther ihn riefe und daß das arme Geschöpf vielleicht glaubte, er hätte sie verlassen, brach ihm das Herz. Statt nach dem Hafen zurückzukehren, eilte er vorwärts nach der oberen Stadt. Einige Zeit ging er an den Mauern entlang, welche die Gärten der prachtvollen Villa’s der reichen Holländer umgaben; dann drang er in die verworrene Masse der schmutzigen und ungesunden Gassen, welche die Juden bewohnen, die gleich den Chinesen und Malayen in Batavia ihr eigenes Viertel haben. Endlich kam er zu seinem Hause. Es war ein Gebäude, das, ursprünglich von Bambus aufgeführt, allmälig aber in Verfall gerathen und mit Stücken von Matten und Segeltuch ausgebessert war. Man konnte sich nichts Elenderes denken, als diese Wohnung; sie hatte nur ein Erdgeschoß. Ein schwacher Lichtschimmer drang durch eine Matte, die zugleich als Thür und als Fenster diente. Das Licht rührte von der Nachtlampe her, die neben dem Bett der Kranken brannte. Als Eusebius es sah, erbebte er.

»Ach, mein Gott!« sagte er, »so schwach auch dieses Licht ist, hat es doch vielleicht meine arme Esther überlebt.«

Seine Angst war so gewaltig, daß er zögerte, einzutreten. Endlich sammelte er seine Kräfte, hob die Matte auf, eilte in das Zimmer und zu der Matratze, auf welcher Esther ruhte. Die junge Frau lag regungslos und schien zu schlafen. Ihre Augen waren geschlossen, ihr Mund halb geöffnet, ihr Athem unhörbar.

»Ach,« sagte Eusebius, »sie schläft!« Dann fuhr ihm ein anderer, fürchterlichen Gedanke durch den Kopf wie ein finsterer Blitz. Er beugte sich über die Lippen der Schlafenden, um ihren Athem zu hören, als eine Art von Gekicher, welches aus einer Ecke des Zimmers ertönte, ihn erbeben machte. Er wendete sich um und erblickte indem Halbdunkel einen Mann, der, aus einem Bambusschemel saß und im Munde eine Pfeife hielt, die seine Athemzüge glühend machten wie einen Ofen.

»He! he! he!« sagte dieser Mann, »es scheint, Sie sind um die Schule gegangen, mein junger Freund! Denn obgleich der Weg von dem Hafendamme bis hierher weit ist, warte ich doch schon länger als eine Stunde auf Sie.«

»Wer sind Sie, mein Herr?« rief Eusebius verwundert.

»Ei, der Doctor Basilius,« entgegnete der Raucher.

Eusebius wendete hierauf seinen Blick auf den sonderbaren Gast, der sich bei ihm eingeführt hatte. Der Doctor Basilius war ein dicker, kurzer, rundbäuchiger Mensch und dies widerlegte die geheimnißvollen Gerüchte, welche über diabiabolische Natur des Doctors in Umlauf waren, denn man ist gewohnt, sich Satan lang und mager zu denken.

Es wäre schwierig gewesen, sein Alter genau zu bestimmen. Er konnte ebenso gut 35 Jahre alt sein und älter aussehen, wie er war, oder 55 und jünger erscheinen. Sein Gesicht hatte jene ziegelrothe Farbe, wie man sie häufig bei Menschen findet, die dem weißen Stamme angehören, aber lange Jahre hindurch der Seeluft und der Gluth der tropischen Sonne ausgesetzt waren. Seine dicken Backen hatten eine beträchtliche Entwicklung erfahren und seine Kinnbacken, die sein Gesicht unten breiter machten als oben, verliehen seiner Physiognomie einen einfältigen Ausdruck, der nur durch seinen eigenthümlichen Blick beseitigt wurde.

Wenn in der That irgend eine Verwandtschaft zwischen dem Doctor Basilius und dem Geiste der Finsterniß bestand, so mußte man sie in den Augen des Doctors suchen. Obgleich sie in den Höhlen tief zurücklagen und halb durch dicke Augenbrauen verborgen wurden, waren die Augen des Doctor Basilius dennoch feurig und stechend und dieser Ausdruck stand in Harmonie mit der eigenthümlichen Feinheit feines Mundes, dessen Lippen sich an den Enden mit seinem Lächeln bogen, das vollständig gegen den übrigen Theil dieser höllischen Hülle abstach.

Seine Stirn war hoch und ganz kahl, so daß man einen doppelten Vorsprung bemerken konnte, welcher sich an der Stelle befand, welche die Mythologie den Hörnern der Satyre und die Magie des Mittelalters denen Satan’s anweist. Der Mangel der Haare war durch eine gewebte rothe Mütze ersetzt, welche sich über die Ohren ziehen ließ, wenn der Doctor sich gegen die Kälte oder den Regen schützen wollte, die er aber in Form einer chinesischen Kappe in die Höhe zog, wenn er glaubte, daß seine Ohren durch die Wirkung der Luft keine Gefahr liefen.

Seine Kleider glichen durchaus nicht denen, welche gewöhnlich seine Standesgenossen tragen. Ueber die Beinkleider von gestreiftem Baumwollzeuge hatte er, um sich gegen den Regen zuschützen, ein Paar jener gelb getheerten Hosen gezogen, deren die Matrosen sich auf dem Meere bedienen; ein Paletot von blauem Tuch, sehr grob, aber warm und bequem und ein rothes Madrastuch, um den Hals durch eine gewaltige Tuchnadel in Form eines Ankers befestigt, vollendeten eine Kleidung, die an den Ufern des Zuyderzees außerordentlich passend hätte erscheinen können, die aber sich dessen in Juba nicht rühmen durfte.

Wie wir erwähnten, hatte der Doctor auf einem Bambusschemel Platz genommen, und um den Schemel in einen Stuhl zu verwandeln, denselben in eine Ecke gestellt. Um sich die Langeweile zu vertreiben, rauchte er aus einer Pfeife von versilbertem Kupfer, die er mit einer Opiummischung gestopft hatte.

»Aber wie sind Sie denn hergekommen, Herr Doctor?« fragte Eusebius van der Beek verwundert.

»Durch die Luft und auf einem Besenstiel,« sagte der Doctor mit einem kurzen scharfen Lachen, welches ihm eigenthümlich war und so ziemlich dem Zirpen der Grille glich. »Sie begreifen wohl, daß ich bei einem solchen Winde nicht lange brauchte, um den Weg zurückzulegen.«

»Sie sind gekommen, Doctor,« sagte Eusebius, »und meine Dankbarkeit kümmert es nicht, welche Bewegungsmittel Sie angewendet haben. Ich danke Ihnen, guter Doctor, ich danke Ihnen.«

Er suchte nach der Hand des Doctors, um sie ihm voll Innigkeit zu drücken.

»Sehen Sie sich vor,« sagte der Doctor, indem er sie lebhaft zurückzog, »Sie möchten sich an meinen Krallen verbrennen.«

»Was wollen Sie damit sagen?« fragte Eusebius. »Sollten Sie der Einzige in dieser guten Stadt Batavia sein, welcher nicht weiß, daß Satan und ich ein paar gute Freunde sind; daß der Fürst der Finsterniß jeden Morgen mit mir meinen Milchcaffee und jeden Abend meinen schwarzen Caffee trinkt und daß ich es seinen Rathschlägen verdanke, wenn ich bei drei oder vier Gelegenheiten etwas weniger als ein Esel erschien, wie meine Herren Confratres?«

»Allerdings, Herr Doctor, habe ich darüber sprechen hören. Aber wie können dergleichen Albernheiten in unserer Zeit Glauben finden?«

»Ei, ei, mein junger Freund, man muß auf nichts schwören. Ueberdies ist die Dankbarkeit eine Last, die sich schwer bis an das Ende tragen läßt und viele Personen wären sehr froh, sich ihrer entledigen zu können, selbst um den Preis einer Albernheit.«

»Ach, Herr Doctor, glauben Sie mir, daß ich nicht zu Denen gehöre und ich mich mein ganzes Leben lang der Verpflichtung erinnern werde, welche ich Ihnen für die Schnelligkeit und Uneigennützigkeit schulde, mit der Sie mir zu Hilfe geeilt sind.«

»He! he! he!« rief der Doctor mit einem so wüthenden Gelächter, daß es in einen heftigen Husten überging. – »Er unterhält mich, der junge Mensch; er unterhält mich ganz gewaltig. – Fahren Sie fort, mein kleiner Freund;ich liebe es, die Aeußerungen des Herzens sich in einem Wasserfalle von Worten ergießen zusehen; sie beweisen eine schöne Seele bei Dem, welcher sich ihnen hingibt und ich bewundere die schönen Seelen. – Sie sagten also —?«

»Daß Sie zur Vergeltung des Dienstes, den Sie mir leisten werden, Doctor, wenn Sie meine Esther heilen, über mich verfügen dürfen, wie es Ihnen gut dünkt, und daß ich, welchen Preis Sie auch von meiner Dankbarkeit fordern werden, stets bereit sein will, Ihnen mein Leben zu opfern, weil Sie mir mehr als das Leben gegeben haben, indem Sie das meiner Frau erhielten, die ich mehr liebe, als mich selbst.« »Mein Gott, das ist ja ein förmlicher Vertrag, den Sie mir da vorschlagen, mein lieber junger Mann. Ganz gewiß nehmen Sie die Schilderung, welche die guten Seelen Ihnen von mir gemacht haben, buchstäblich. Doch die Dankbarkeit führt Sie zu weit. – Die Dankbarkeit – Pest! sehen Sie sich wohl vor, denn das ist ein Gefühl, dem man mißtrauen muß.«

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