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Tausend und Ein Gespenst

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Tausend und Ein Gespenst
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Erster Band

Vorrede

»Mein lieber Veron!

Sie haben mir oft in diesen so selten gewordenen Abendgesellschaften, in welchen Jedermann nach seinem Gefallen plaudert, indem er entweder den Traum seines Herzens erzählt, oder der Laune seines Geistes folgt, oder den Schatz seiner Erinnerungen verschwendet, gesagt, daß ich seit Scheherazads und nach Nodier einer der unterhaltendsten Erzähler wäre, den Sie gehört hätten.

Da schreiben Sie mir heute, daß Sie in Erwartung eines langen Romanes von mir, – Sie wissen, eines jener endlosen Romane, wie ich deren schreibe, und in welchem ich ein ganzes Jahrhundert auftreten lasse, – Sie gern einige Erzählungen, – zwei, vier oder höchstens sechs Bände haben mögten, arme Blumen meines Gartens, welche Sie unter die politischen Sorgen des Augenblickes, – zum Beispiel zwischen den Prozeß von Bourges und die Wahlen des Monats Mai auszustreuen gedenken.

Leider! Mein Freund, ist die Zeit betrübt und ich sage Ihnen im Voraus, daß meine Erzählungen nicht lustig sein werden. Nur werden Sie erlauben, daß ich müde dessen, was ich täglich sich in der wirklichen Welt zutragen sehe, meine Erzählungen in der erdichteten Welt suche. Leider fürchte ich sehr, daß es allen ein wenig erhabenen, ein wenig poetischen, ein wenig tiefer denkenden Geistern in diesem Augenblicke geht wie mir, nämlich, daß sie das Ideale aufsuchen, die einzige Zuflucht, welche uns Gott gegen die Wirklichkeit läßt.

Sehen Sie, ich befinde mich da unter fünfzig Bänden, die ich in Bezug auf eine Geschichte der Regentschaft, welche ich so eben beendigt, aufgeschlagen habe, und ich bitte Sie, wenn Sie davon Bericht erstatten, die Mütter aufzufordern, ihre Töchter dieselbe nicht lesen zu lassen. Nun denn! Wie ich Ihnen sagte, bin ich daran, und indem ich Ihnen schreibe, verweilen meine Augen auf einer Seite der Memoiren des Marquis d'Argenson, auf welcher ich unter den Worten: Von der Unterhaltung ehedem und jetzt, ich Folgendes lese:

»»Ich bin überzeugt, daß zu der Zeit, wo das Hotel von Rambouillet der guten Gesellschaft den Ton angab, man aufmerksam zuhörte und vernünftig urtheilte. Man bildete seinen Geschmack und seinen Geist aus. Ich habe noch Muster dieser Art der Unterhaltung unter den Greisen des Hofes gesehen, mit denen ich umging. Sie hatten das richtige Wort, Energie und Feinheit, einige Gegensätze, aber Benennungen, welche den Sinn erhöhten; Gründlichkeit ohne Pedanterie, Munterkeit ohne Bosheit.««

Es ist gerade Hundert Jahre her, daß der Marquis d'Argenson diese Zeilen schrieb, welche ich aus seinem Buche abschreibe. – Er war zu der Zeit, in welcher er sie schrieb ohngefähr in unserem Alter, – und wie er, mein lieber Freund, – können wir sagen: – Wir haben Greise gekannt, welche das waren, was wir leider nicht mehr sind, – das heißt Leute von guter Gesellschaft.

Wir haben sie gesehen, aber unsere Söhne werden sie nicht sehen. Woraus hervorgeht, daß wir, obgleich wir nicht viel welch sind, doch noch mehr werth sein werden, als unsere Söhne.

Wahr ist es, daß wir mit jedem Tage einen Schritt auf die Freiheit, die Gleichheit, die Bruderliebe zu thun, drei gewichtige Worte, welche die Revolution von 93, Sie wissen, die andere, die alte, mitten unter die moderne Gesellschaft geschleudert hat, wie sie es mit einem Tiger, einem Löwen und einem Bären in Lammfelle gehüllt gethan hätte; unglücklicher Weise leere Worte, welche man durch den Pulverdampf des Juni auf unseren von Kugeln durchlöchern öffentlichen Gebäuden gelesen hat.

Ich! – ich gehe wie die Anderen voran; – ich folge der Bewegung. Gott bewahre mich, den Stillstand zu predigen. – der Stillstand ist der Tod. Aber ich gehe wie einer jener Männer, von denen Dante spricht, – dessen Füße freilich vorwärts schreiten, – dessen Kopf aber nach der Seite seiner Fersen gewandt ist.

Und das, was ich vor Allem suche, – das, was ich vor Allem bedaure,– das, was mein rückwärts gelichteter Blick in der Vergangenheit sucht, das ist die Gesellschaft, welche davon geht, – welche verdunstet, – welche wie eines jener Gespenster verschwindet, deren Geschichte ich Ihnen erzählen will.

Kurz eine Gesellschaft welche das elegante Leben, das höfliche Leben, dieses Leben ausmachte, das der Mühe werth war, gelebt zu sein (verzeihen Sie mir den Verstoß gegen die Sprache; da ich kein Mitglied der Akademie bin, so darf ich ihn wagen), ist diese Gesellschaft gestorben oder haben wir sie umgebracht?

Sehen Sie, ich erinnere mich, daß ich als kleiner Knabe von meinem Vater zu Frau von Montesson geführt worden bin. Sie war eine vornehme Dame, durchaus eine Frau des vorigen Jahrhunderts. Sie hatte vor ohngefähr sechszig Jahren den Herzog von Orleans, den Großvater Ludwig Philipps geheirathet; sie war neunzig Jahre alt. Sie wohnte in einem großen und glänzenden Hotel der Chaussée d'Antin. Napoleon setzte ihr einen Jahrgehalt von Hundert Tausend Thalern aus.

Wissen Sie, auf welchen Anspruch diese von dem Nachfolger Ludwig des XVI. in das rothe Buch eingeschriebene Rente gegründet war? – Nein. – Nun denn! Frau von Montesson bezog von dem Kaiser eine Rente von Hundert Tausend Thalern dafür, weil sie in ihrem Salon die Gebräuche der guten Gesellschaft aus den Zeiten Ludwig des XIV. und Ludwig des XV. erhalten hätte.

Das ist gerade die Hälfte von dem, was die Kammer jetzt seinem Neffen dafür gibt, daß er Frankreich das vergessen lasse, woran sein Onkel wollte, daß es sich erinnere.

Sie werden Eines nicht glauben, mein lieber Freund, daß diese beiden Worte, welche ich die Unvorsichtigkeit gehabt habe auszusprechen: die Kammer, mich gerade auf die Memoiren des Marquis d'Argenson zurückführen.

Wie das?

Sie sollen sehen.

»»Man beklagt sich, sagte er, daß es in unseren Tagen keine Unterhaltung mehr in Frankreich gibt. Ich weiß wohl den Grund davon. Er besteht darin, daß die Geduld zu hören mit jedem Tage bei unseren Zeitgenossen abnimmt. Man hört nicht aufmerksam, oder man hört vielmehr gar, nicht mehr. Ich habe diese Bemerkung in der besten Gesellschaft gemacht, welche ich besuche.««

Welches ist nun aber, mein lieber Freund, die beste Gesellschaft, die man in unseren Tagen besuchen kann? Es ist ganz zuverlässig die, welche acht Millionen Wähler für würdig gehalten haben, die Interessen, die Meinungen, den Genius Frankreichs zu vertreten. Kurz, es ist die Kammer.

Nun denn! Betreten Sie auf den Zufall hin, an welchem Tage und zu welcher Stunde Sie wollen, die Kammer. Es steht Hundert gegen Eins zu wetten, daß Sie auf der Rednerbühne einen Mann finden werden, welcher spricht, und auf den Bänken fünf bis sechs Hundert Personen, die nicht auf ihn hören, sondern die ihn unterbrechen.

Was ich Ihnen da sage, ist so wahr, daß es in der Constitution von 1848 einen Artikel gibt, der die Unterbrechungen untersagt.

Zählen Sie demnach die in der Kammer seit ohngefähr einem Jahre, als wie lange sie versammelt ist, gegebene Anzahl von Ohrfeigen und Faustschlägen, – sie ist unzählbar!

Wohl verstanden, immer im Namen der Freiheit, der Gleichheit und der Bruderliebe.

Wie ich Ihnen sagte, mein lieber Freund, bedaure ich daher gar Vieles, nicht wahr? Obgleich ich ohngefähr die Hälfte des Lebens überschritten habe; – nun denn! das, was ich am Meisten unter dem bedaure, was entschwunden ist oder was entschwindet, – das ist das, was der Marquis von Argenson vor Hundert Jahren bedauerte: – Die Höflichkeit.

Und dennoch hatte man zu den Zeiten des Marquis von Argenson noch nicht den Einfall gehabt, sich Bürger zu nennen. – Urtheilen Sie daher.

Wenn man zum Beispiele dem Marquis von Argenson zu der Zeit, wo er diese Worte schrieb, gesagt hätte:

Sehen Sie, wie weit wir in Frankreich gekommen sind; der Vorhang fällt; jedes Schauspiel verschwindet; es gibt nur noch Pfeifen, welche pfeifen. Bald werden wir weder anmuthige Erzähler in der Gesellschaft, noch Künste, noch Malereien, noch erbaute Paläste mehr haben. Aber Neidische auf Alles und überall.

Wenn man ihm zu der Zeit, wo er diese Worte schrieb, gesagt hätte, daß man, – zum Mindesten ich, – dazu gelangen würde diese Zeit zu beneiden, so würde man diesen armen Marquis von Argenson sehr in Erstaunen versetzt haben, nicht wahr? – Was thue ich daher auch? – Ich lebe viel mit den Todten, – ein wenig mit den Verbannten. – Ich versuche, die erloschenen Gesellschaften, die verschwundenen Menschen wieder aufleben zu lassen, – die, welche nach Ambra rochen, statt nach der Cigarre zu riechen; – die, welche sich Degenstöße versetzten, statt die jetzt üblichen Faustschläge.

Und deshalb, mein Freund, verwundern Sie sich, wenn ich plaudere, eine Sprache sprechen zu hören, die man nicht mehr spricht. – Deshalb sagen Sie mir, daß ich ein unterhaltender Erzähler bin. – Deshalb wird meine Stimme, das Echo der Vergangenheit, noch in der Gegenwart gehört, welche so wenig und so schlecht hört.

Das kommt am Ende daher, weil wir, wie jene Venetianer des XVIII. Jahrhunderts, denen die Aufwandgesetze verboten, etwas Anderes als Leinwand und grobes Tuch zu tragen, – immer noch gern sich Seide und Sammet, und die schönen Goldbrocate entfalten sahen, aus denen das Königthum die Kleider unserer Väter anfertigte.

Ich sende Ihnen also Ihrem Wunsche gemäß die beiden ersten Bände von meinen Tausend und Ein Gespenst; es ist eine einfache Einleitung unter den Titel: Ein Tag in Fontenay-aux-Roses.

Ganz der Ihrige

Alexander Dumas.

Einleitung

Ein Tag in Fontenay-aux-Roses

I.
Die Straße Diana in Fontenay-aux-Roses

Im ersten September des Jahres I83l wurde ich von einem meiner alten Freunde, Büreauchef der Privatdomänen des Königs, eingeladen, mit seinem Sohne die Jagd in Fontenay-aux-Roses zu eröffnen.

 

Ich liebte zu jener Zeit die Jagd sehr, und in meiner Eigenschaft als großer Jäger war die Wahl der Gegend, in welcher jedes Jahr die Eröffnung derselben stattfinden sollte, eine wichtige Angelegenheit.

Gewöhnlich gingen wir zu einem Pächter, oder vielmehr einem Freunde meines Schwagers; bei ihm hatte ich, indem ich einen Hasen schoß, meinen Anfang in der Wissenschaft der Nimrods und der Elzéar Blazes gemacht. Sein Pachthof lag zwischen den Wildern von Compiègne und Villers-Cotterets, eine halbe Meile von dem reizenden Dorfe Morienval, eine Stunde von den prachtvollen Ruinen von Pierrefonds entfernt gelegen.

Die zwei.bis drei Tausend.Morgen Land, welche seine Pächtern bilden, bieten eine unermeßliche, fast ganz mit Waldung umgebene Ebene, welche etwa in Mitte von einem hübschen Thal durchschnitten ist, auf dessen Grunde man unter grünen Wiesen und Bäumen mit schillernden Farben halb in dem Laube verlorene Häuser liegen sieht, welche sich durch bläuliche Rauchsäulen ankündigen, die, durch die sie umgebenden Berge geschützt, anfangs gerade gen Himmel aufsteigen, und dann, in die höheren Luftlagen gelangt, sich, wie die Gipfel der Palmen ausgeweitet, in der Richtung des Windes beugen.

In diese Ebene und auf dem doppelten Abhange dieses Thales läßt sich das Wild der beiden Wälder wie auf einen neutralen Boden herab.

Man findet daher auf der Ebene von Brassoire Alles. – Rehe und Fasanen, indem man an den Waldungen entlang geht, – Hasen auf den Hochebenen, – Kaninchen an den Abhängen, – Rebhühner um die Meierei herum, – Herr Moequet, das ist der Name unseres Freundes, war also gewiß, uns ankommen zu sehen; wir jagten den ganzen Tag über, und kehrten am folgenden Tage um zwei Uhr nach Paris zurück, indem wir vier bis fünf Jäger Hundert und fünfzig Stück Wild geschossen hatten, von dem unser Wirth niemals ein Einziges hat annehmen wollen.

Aber dieses Jahr hatte ich, – Herrn Mocquet ungetreu. – den Bitten meines alten Bureaukameraden nachgegeben, indem ich durch ein Gemälde verführt worden war, das mir sein Sohn, ein ausgezeichneter Schüler der Römischen Schule gesandt hatte, und das eine Ansicht des Ebene von Fontenay-aux-Roses mit Stoppeln voller Hasen und Kleefelder voller Rebhühner vorstellte.

Ich war niemals in Fontenay-aux-Roses gewesen; Niemand kennt die Umgegend von Paris weniger, als ich. – Wenn ich Paris verlasse, so geschieht es fast immer, um fünf bis sechs Hundert Stunden zurückzulegen. Bei der geringsten Platzveränderung ist daher für mich Alles ein Gegenstand der Neugierde.

Um sechs Uhr Abends fuhr ich nach Fontenay ab, den Kopf wie immer aus dem Schlage gestreckt; ich fuhr durch die Barrière d'Enfer, ließ die Straße de la Tomde-Issoire zu meiner Linken und schlug die Straße von Orleans ein.

Man weiß, daß Issoire der Name eines berüchtigten Räubers ist, der zu den Zeiten Julians die Reisenden brandschatzte, welche sich nach Lutetia begaben. – Wie ich glaube, wurde er ein wenig gehangen, und an dem Orte, der jetzt seinen Namen führt, in einiger Entfernung von den Katakomben begraben.

Die Ebene, welche sich an dem Eingange von Klein Montrouge entfaltet, gewährt ein seltsames Ansehen. Unter künstlichen Wiesen, Feldern mit gelben Rüben und Streifen von Runkelrüben, erhebt sich eine Art viereckiger Schanzen von weißen Steinen, welche ein Rad mit Jähren gleich dem Skelette eines abgebrannten Feuerwerkes überragt. Dieses Rad hat an seinem Umkreise hölzerne Sprossen, auf welchen ein Mann abwechselnd den einen und den andern Fuß stützt. Diese Arbeit eines Eichhörnchens, welche dem Arbeiter eine anscheinend große Bewegung verursacht, ohne daß er in der Wirklichkeit den Platz verändert, hat zum Zwecke, ein Seil um eine Kurbel zu wickeln, das, indem es sich aufwickelt, einen Quaderstein aus der Tiefe des Steinbruches auf die Oberfläche des Bodens führt, welcher langsam zu Tage kömmt.

Diesen Stein führt ein Haken an den Rand der Mündung, wo ihn Rollen erwarten, um ihn an den Platz zu bringen, der ihm bestimmt ist. Dann fällt das Seil wieder in die Tiefe hinab, wo es eine andere Last sucht, indem es dem modernen Ixion einen Moment der Ruhe gewährt, dem bald ein Schrei meldet, daß ein anderer Stein die mühselige Arbeit erwartet, durch welche er den Steinbruch verlassen soll, und dasselbe Werk beginnt von Neuem, um nochmals wieder zu beginnen, um immer sich zu wiederholen.

Wenn der Abend herbeigekommen, so hat der Mann fünfzig Tausend Schritte gemacht, ohne den Platz zu wechseln; wenn er in der Wirklichkeit jedes Mal, wo sein Fuß sich auf eine Sprosse stellt, um eine Stufe höher, stiege, so würde er nach Verlauf von drei und zwanzig Jahren in dem Monde angekommen sein.

Besonders am Abend, – das heißt zu der Stunde, zu welcher ich über die Ebene fuhr, die das Kleine Montrouge von dem Großen trennt,– nimmt die Landschaft durch diese unendliche Anzahl beweglicher Räder, welche bei der untergehenden Sonne kräftig hervortreten, einen phantastischen Anblick an. Man könnte ihn für einen jener Kupferstiche von Goya halten, auf welchen Zahnbrecher in dem Halbdunkel Jagd auf Gehängte machen.

Gegen sieben Uhr stehen die Räder still; das Tagewerk ist beendigt.

Aus diesen der Erde entrissenen Bruchsteinen bildet man Vierecke von fünfzig bis sechszig Fuß Länge, bei sechs bis acht Fuß Höhe. Sie sind das zukünftige Paris. Die Steinbrüche, aus denen dieser Stein kommt, werden mit jedem Tage ausgedehnter; sie bilden die Fortsetzung der Katakomben, aus denen das alte Paris hervorgegangen ist; es sind die Vorstädte der unterirdischen Stadt, welche unabläßlich Raum gewinnen und sich in dem Umkreise ausbreiten. Wenn man auf diesen Wiesen von Montrouge geht, so geht man auf Abgründen. Von Zeit zu Zeit findet man eine Vertiefung des Bodens, ein Thal im Kleinen, eine Runzel des Bodens, Das ist ein unterhalb schlecht gestützter Steinbruch, dessen Decke von Gyps gebrochen ist. Es hat sich eine Spalte gebildet, durch welche das Wasser in die Höhle dringt, das Wasser hat die Erde nachgezogen, daher rührt die Unebenheit des Bodens, welche man einen Erdfall nennt.

Wenn man das nicht weiß, wenn man nicht weiß, daß diese schöne Lage grüner Erde, die uns anlockt, auf nichts ruht, so kann man, indem man den Fuß auf eine dieser Spalten setzt, verschwinden, wie man auf den Montanvert zwischen zwei Eiswänden verschwindet.

Die Bevölkerung, welche diese unterirdischen Gallerien bewohnt, hat, wie ihre Existenz, ihren besonderen Charakter und Physiognomie.– In der Dunkelheit lebend, hat sie ein wenig die Instincte der Nachtthiere, das heißt, daß sie schweigsam und grimmig ist. Oft hört man von einem Unfalle sprechen: – eine Stütze hat nachgegeben, ein Seil ist gebrochen, ein Mann ist zerschmettert worden. – Auf der Oberfläche der Erde glaubt man, daß das ein Unglück ist; – dreißig Fuß unterhalb weiß man, daß es ein Verbrechen ist.

Das Aeußere der Steinbrecher ist im Allgemeinen widrig. – Am Tage blinzelt das Auge, – im Freien klingt ihre Stimme dumpf. – Sie tragen glatt gekämmte, bis auf die Augenbrauen herabfallende Haare; einen Bart, der nur jeden Sonntag Morgens Bekanntschaft mit dem Rassiermesser macht; – eine Weste, welche Aermel von grober grauer Leinwand sehen läßt; – ein Schurzfell, dessen Leder durch die Berührung des Steines weiß geworden; – ein Beinkleid von blauer Leinwand. – Auf der einen ihrer Schultern befindet sich ihre zusammengeschlagene Jacke, und auf dieser Jacke ruht der Stiel der Steinhaue oder das Brecheisen, das sechs Tage in der Woche den Stein ausgräbt.

Wenn es irgend einen Aufstand gibt, so ist es selten, daß die Männer, welche wir so eben zu schildern versucht haben, sich nicht hineinmischen. – Wenn man an der Barrière d'Enfer sagt! – Da kommen die Steinbrecher von Montrouge, so schütteln die Bewohner der benachbarten Straßen den Kopf und verschließen ihre Thüren.

Das ist es, was ich betrachtete, das, was ich während dieser Stunde der Dämmerung sah, welche im Monat September den Tag von der Nacht trennt; – dann, als die Nacht hereingebrochen, warf ich mich in den Wagen zurück, von wo aus zuverlässig keiner meiner Reisegefährten das gesehen hatte, was ich gesehen hatte. Dem ist so mit allen Dingen: – Viele betrachten, sehr wenige sehen.

Wir kamen gegen halb neun Uhr in Fontenay an; ein vortreffliches Abendessen erwartete uns; dann, nach dem Abendessen, ein Spaziergang in dem Garten.

Sorrento ist ein Wald von Orangenbäumen; Fontenay ist ein Rosenstrauch. Jedes Haus hat seinen Rosenstrauch, der an dem Fuße durch ein Gehäuse von Brettern geschützt, längs der Mauer hinaufsteigt; – zu einer gewissen Höhe gelangt, breitet sich der Rosenstrauch in einen riesenhaften Fächer aus; die Luft, welche vorüberzieht, ist mit Wohlgerüchen erfüllt, und wenn statt eines Luftzuges der Wind weht, so regnet es Rosenblätter, wie es Rosenblätter an dem Frohnleichnamsfeste regnete, als es noch ein Frohnleichnamsfest gab.

Von dem äußersten Ende des Gartens aus hätten wir eine unermeßliche Aussicht gehabt, wenn es Tag gewesen wäre. – Die in der Ferne ausgestreuten Lichter deuteten allein die Dörfer Sceaux, Bagneaux, Chàtillon und Montrouge an; – in dem Hintergrunde erstreckte sich eine große röthliche Linie, aus welcher ein Geräusch gleich dem Hauche des Leviathans drang: – das war das Athemholen von Paris.

Man war genöthigt, uns mit Gewalt zu Bett zu schicken, wie man es mit den Kindern macht. Gern hatten wir unter diesem schönen, ganz von Sternen funkeln, den Himmel, bei der Berührung dieser duftigen Nachtluft den Tag abgewartet.

Um fünf Uhr Morgens begaben wir uns, von dem Sohne unseres Wirthes geführt, der uns Berge und Wunder versprochen hatte, und der, ich muß es sagen, fortfuhr, uns den Reichthum seines Gebietes an Wild mit einer eines besseren Schicksals würdigen Beharrlichkeit zu preisen, auf die Jagd.

Um Mittag hatten wir ein Kaninchen und vier Rebhühner gesehen. – Das Kaninchen war von meinem Gefährten zur Rechten, ein Rebhuhn von meinem Gefährten zu Linken gefehlt worden, und von den drei andern Rebhühnern waren zwei von mir geschossen worden.

Auf der Ebene von Brassoire hätte ich um Mittag bereits drei bis vier Hasen und fünfzehn bis zwanzig Rebhühner nach der Meierei gesandt.

Ich liebe die Jagd, aber ich verabscheue das Herumlaufen, besonders das Herumlaufen über die Felder. Unter dem Vorwande, einen zu meiner äußersten Linken gelegenen Kleeacker zu durchsuchen, auf welchem ich fest überzeugt war nichts zu finden, entfernte ich mich daher auch aus der Linie, und machte einen Abstecher.

Aber das, was es auf diesem Felde gab, das was ich in dem Verlangen mich zurückzuziehen, welches sich meiner bereits seit länger als zwei Stunden bemächtigte, bemerkt hatte, war ein Hohlweg, der, indem er mich den Blicken der andern Jäger entzog, mich auf der Straße von Sceaux geraden Weges nach Fontenay-aux-Roses zurückführen mußte.

Ich irrte mich nicht. – Als es ein Uhr auf dem Kirchturme schlug, erreichte ich die ersten Häuser des Dorfes.

Ich ging eine Mauer entlang, welche mir ein ziemlich schönes Besitzthum einzuschließen schien, als ich in dem Augenblicke, wo ich an dm Ort gelangte, wo die Straße Diana sich mit der Großen Straße vereinigt, von der Seile der Kirche einen Mann von so sonderbarem Aussehen auf mich zukommen sah, daß ich stehen blieb und instinctmäßig meine Doppelflinte spannte, indem ich von dem einfachen Gefühle der Selbsterhaltung bewegt war.

Aber bleich, mit gesträubten Haaren, mit aus den Höhlen getretenen Augen, mit verwirrten Kleidern und blutigen Händen ging dieser Mann an mir vorüber, ohne mich zu sehen. – Sein Blick war starr und zugleich matt. – Sein Gang hatte den unüberwindlichen Ungestüm eines Körpers, der von einem zu steilen Berge hinabgeht, und inzwischen deutete sein röchelndes Athemholen mehr noch Entsetzen als Ermüdung an.

Bei dem Zusammenlaufen der beiden Straßen verließ er die Große Straße, um in die Straße Diana zu gehen, auf welche sich das Grundstück öffnete, an dessen Mauer ich während sieben bis acht Minuten entlang gegangen war. Diese Thür, auf der meine Augen auf der Stelle verweilten, war grün angestrichen und führte die Nr. 2. Die Hand des Mannes streckte sich, lange bevor er sie berühren konnte, nach der Schelle aus, dann erreichte er sie, zog sie heftig, und indem er sich um sich selbst drehte, befand er sich fast sogleich auf einem der beiden Ecksteine sitzend, welche diesem Thore zum Außenwerke dienen. Sobald er sich dort befand, blieb er regungslos mit herabhängenden Armen und den Kopf auf die Brust geneigt.

Ich kehrte wieder um, so sehr war ich überzeugt, daß dieser Mann der Haupturheber irgend eines unbekannten und schrecklichen Dramas sein müßte.

 

Hinter ihm und zu den beiden Seiten der Straße waren einige Personen, auf welche er ohne Zweifel denselben Eindruck hervorgebracht hatte, als auf mich, aus ihren Häusern herausgekommen, und betrachteten ihn mit einem Erstaunen gleich dem, das ich selbst empfand.

Bei dem Rufe der Glocke, welche heftig geläutet hatte, öffnete sich eine kleine, neben dem großen Thore gebrochene Thür, und eine Frau von vierzig bis fünf und vierzig Jahren erschien.

– Ah! Sie sind es, Jacquemin, sagte sie; was machen Sie denn da?

– Ist der Herr Maire zu Haus? fragte der Mann, den sie angeredet hatte, mit dumpfer Stimme.

– Ja.

– Nun denn, Mutter Antoine, sagen Sie ihm, daß ich meine Frau umgebracht habe, und daß ich mich als Gefangener zu stellen komme.

Die Mutter Antoine stieß einen Schrei aus, auf den zwei bis drei Ausrufe antworteten, welche das Entsetzen Personen entrissen hatte, die sich nahe genug befanden, um dieses schreckliche Geständniß zu hören.

Ich that selbst einen Schritt zurück und stieß auf den Stamm einer Linde, an den ich mich stützte.

Uebrigens waren alle die, welche sich in dem Bereiche der Stimme befanden, regungslos geblieben.

Was den Mörder anbetrifft, so war er von dem Ecksteine auf den Boden geglitten, wie als ob ihn die Kraft verlassen hätte, nachdem er die verhängnißvollen Worte ausgesprochen hatte.

Inzwischen war die Mutter Antoine verschwunden, indem sie die kleine Thür offen ließ. Es war augenscheinlich, daß sie den ihr von Jacquemin gegebenen Auftrag bei ihrem Herrn ausrichtete.

Nach Verlauf von fünf Minuten erschien der, den man geholt hatte, auf der Schwelle der Thür.

Zwei andere Männer folgten ihm.

Ich sehe noch den Anblick der Straße.

Jacquemin war, wie ich gesagt habe, auf den Boden geglitten. Der Maire von Fontenay-aux-Roses, den die Mutter Antoine geholt hatte, stand neben ihm, indem er ihn mit der ganzen Höhe seiner Gestalt überragte, welche groß war. In der Oeffnung der Thür drängten sich die beiden andern Personen, über welche wir bald ausführlicher sprechen werden. Ich war an den Stamm einer in der großen Straße gepflanzten Linde gelehnt, von wo aus sich aber, mein Blick in die Straße Diana senkte. Zu meiner Linken befand sich eine Gruppe, die aus einem Manne, einer Frau und einem Kinde bestand, das Kind weinte, damit seine Mutter es auf ihre Arme nähme. Hinter dieser Gruppe streckte ein Bäcker seinen Kopf aus einem Fenster des ersten Stockwerkes, indem er mit seinem Gesellen sprach, der sich unten befand, und ihn fragte, ob es nicht Jacquemin, der Steinbrecher wäre, der so eben im Laufe vorübergekommen sei; dann endlich erschien auf der Schwelle seiner Thür ein Hufschmied, schwarz von vorn, dessen Rücken aber durch das Licht seiner Schmiede erleuchtet war, deren Blasebalg ein Lehrling fortwährend zog. Das für die große Straße.

Was die Straße Diana anbelangt, so war sie mit Ausnahme der von uns beschriebenen Hauptgruppe verlassen. – Nur sah man an ihrem äußersten Ende zwei Gendarmen auftauchen, welche ihren Umgang in der Ebene gemacht hatten, um die Waffenpässe zu verlangen, und die, ohne das Geschäft zu ahnen, das sie erwartete, sich uns näherten, indem sie ruhig im Schritt ritten.

Es schlug ein Viertel auf zwei Uhr.

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