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Zwanzig Jahre nachher

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Siebentes bis zehntes Bändchen

I
Mazarin und Madame Henriette

Der Cardinal stand auf, um die Königin Henriette zu empfangen. Er begegnete ihr mitten in der Gallerie vor seinem Cabinet.

Mazarin legte um so mehr Ehrfurcht gegen diese Königin ohne Gefolgt und ohne Schmuck an den Tag, als er wohl fühlte, daß er sich einen Vorwurf über seinen Mangel an Gemüth und über seinen Geiz zu machen hatte.

Aber die Bittsteller wissen ihr Gesicht zu nöthigen jeden Ausdruck anzunehmen, und die Tochter von Heinrich IV. lächelte, als sie demjenigen entgegentrat, welchen sie haßte und verachtete.

»Ach,« sagte Mazarin zu sich selbst, »was für ein sanftes Gesicht? Kommt sie etwa, um Geld von mir zu entlehnen?«

Und er warf einen unruhigen Blick auf den Deckel seiner Kasse. Er drehte sogar den Kasten des prächtigen Diamanten nach Innen, dessen Glanz die Augen auf seine übrigens weiße und schöne Hand ziehen konnte. Unglücklicher Weise hatte dieser Ring nicht die Eigenschaft des von Gyges, welcher seinen Herrn unsichtbar machte, wenn er that, was Mazarin gethan hatte.

Mazarin aber hatte in diesem Augenblick wohl unsichtbar zu sein gewünscht, denn er ahnte, daß Madame Henriette kam, um ihn um etwas zu bitten. Wenn eine Königin, welche er so behandelt hatte, mit einem Lächeln auf den Lippen, statt die Drohung im Munde zu haben, erschien, so kam sie als Flehende.

»Herr Cardinal,« sagte die erhabene Dame, »ich hatte Anfangs die Absicht, über die Angelegenheit, welche mich Hierher führt, mit der Königin, meiner Schwester, zu sprechen; aber ich bedachte, daß die politischen Dinge vor Allem die Männer angehen.«

»Madame,« sprach Mazarin, »glaubt mir, daß Eure Majestät mich ganz beschämt durch diese schmeichelhafte Unterscheidung.«

»Er ist sehr höflich,« dachte die Königin; »sollte er mich errathen haben?«

Man war in das Cabinet des Cardinals gelangt, Mazarin ließ die Königin sich setzen, und nachdem sie es sich in ihrem Lehnstuhle bequem gemacht hatte, sprach er:

»Gebt dem ehrfurchtsvollsten von Euren Dienern Eure Befehle.«

»Ach, mein Herr, ich habe die Gewohnheit, Befehle zu geben, verloren, und die, Bitten zu stellen, angenommen. Ich komme, um Euch zu bitten, und bin zu glücklich, wenn meine Bitte erhört wird.«

»Sprecht, Madame.«

»Herr Cardinal, es handelt sich um den Krieg, den der König, mein Gemahl, gegen seine rebellischen Unterthanen führt. Ihr wißt vielleicht nicht, daß man sich in England schlägt,« sagte die Königin mit einem traurigen Lächeln, »auf eine viel entscheidendere Art schlagen wird, als man sich bis jetzt geschlagen hat.«

»Ich weiß durchaus Nichts davon, Madame,« erwiderte der Cardinal, diese Worte mit einer leichten Schulterbewegung begleitend. »Ach, unsere eigenen Kriege verzehren völlig die Zeit und den Geist eines unfähigen, schwachen, armen Ministers wie ich bin.«

»Nun wohl, Herr Cardinal,« sagte die Königin, »ich theile Euch also mit, daß Carl I., mein Gemahl, im Begriffe ist, eine entscheidende Schlacht zu liefern. Im Falle einer Niederlage…« Mazarin machte eine Bewegung … »Man muß für Alles vorhersehen,« fuhr die Königin fort, »im Falle einer Niederlage wünscht er sich nach Frankreich zurückzuziehen und hier wie ein einfacher Privatmann zu leben. Was sagt Ihr zu diesem Plane?«

Der Cardinal hatte zugehört, ohne daß eine Fiber seines Gesichtes den Eindruck verriet, den die Worte der Königin auf ihn machten. Wahrend er hörte, blieb sein Lächeln das, was es immer war, falsch, schlau, und als die Königin geendet hatte, antwortete er mit seinem weichsten Tone:

»Glaubt Ihr, Madame, daß Frankreich, so aufgeregt, so brausend es in diesem Augenblicke ist, als ein Hafen des Heils für einen entthronten König betrachtet werden darf? Die Krone ist bereits nichts weniger als fest auf dem Haupte von Ludwig XIV. Wie sollte es eine doppelte Last tragen?«

»Diese Last ist in Beziehung auf das, was mich betrifft, nicht sehr schwer gewesen,« unterbrach ihn die Königin mit einem schmerzlichen Lächeln, »und ich fordere nicht, daß man mehr für meinen Gemahl thun soll, als man für mich gethan hat. Ihr seht, daß wir sehr bescheidene Könige sind, mein Herr.«

»Oh Ihr, Madame, Ihr,« sagte der Cardinal hastig, um die Erklärungen, denen er entgegensah, kurz abzuschneiden, »das ist etwas Anderes. Eine Tochter von Heinrich IV., eine Tochter von diesem großen, diesem erhabenen König!«

»Was Euch nicht abhält, seinem Schwiegersohne die Gastfreundschaft zu verweigern, nicht wahr, mein Herr? Ihr solltet Euch jedoch erinnern, daß dieser große, dieser erhabene König eines Tags geächtet, wie es mein Gatte werden wird, Unterstützung von England verlangte und daß England sie ihm bewilligte. Allerdings war die Königin Elisabeth nicht seine Nichte.«

»Peccato!« sprach Mazarin, sich unter dieser so einfachen Logik schüttelnd, »Eure Majestät versteht mich nicht. Sie beurtheilt meine Ansichten nicht richtig, ohne Zweifel, weil ich mich im Französischen schlecht ausdrücke.«

»Sprecht Italienisch, mein Herr, die Königin Maria von Medicis, unsere Mutter, hat uns diese Sprache gelehrt, ehe der Cardinal, Euer Vorgänger, sie in die Verbannung schickte, in der sie starb. Wenn etwas von diesem großen, von diesem erhabenen König Heinrich übrig ist, von dem Ihr so eben sprächet, so muß ich erstaunen über die tiefe Bewunderung für ihn, mit der so wenig Mitleid für seine Familie verbunden ist.«

Der Schweiß lief in schweren Tropfen von der Stirne von Mazarin.

»Diese Bewunderung ist im Gegentheil so groß und so wahr, Madame,« sprach Mazarin, ohne das Anerbieten, der Königin, sich einer andern Sprache zu bedienen, anzunehmen, »daß. wenn der König Carl I., den Gott vor jedem Unglück bewahren möge, nach Frankreich käme, ich ihm mein Haus, mein eigenes Haus anbieten würde. Aber leider wäre dieß ein durchaus nicht sicherer Aufenthaltsort. Eines Tages wird das Volk dieses Haus niederbrennen, wie es das des Marschall d’Ancre niedergebrannt hat. Armer Concino Concini! er wollte doch nichts, als das Wohl von Frankreich.«

»Ja, Monseigneur, wie Ihr,« versetzte die Königin ironisch.

Mazarin stellte sich, als verstünde er den Doppelsinn des Satzes nicht, den er selbst ausgesprochen hatte, und fuhr fort, über das Schicksal von Concino Concini zu seufzen.

»Aber, Monseigneur,« sagte die Königin ungeduldig, »was antwortet Ihr mir?«

»Madame,« rief Mazarin, »Madame, würde mir Eure Majestät wohl erlauben, ihr einen Rath zu geben? Wohl verstanden, ehe ich mir diese Freiheit nehme, fange ich damit an, daß ich mich Eurer Majestät für Alles, was Ihr gefallen dürfte, zu Füßen lege.«

»Sprecht, mein Herr,« antwortete die Königin, »der Rath eines Mannes, der so klug ist, wie Ihr, muß sicherlich gut sein.«

»Madame, glaubt mir, der König muß sich auf das Aeußerste vertheidigen.«

»Er hat es gethan, mein Herr, und die Schlacht, die er mit Hilfsmitteln, welche weit unter denen des Feindes stehen, zu liefern im Begriffe ist, beweist, daß er sich nicht ohne Kampf zu ergeben gedenkt. Aber im Falle, daß er besiegt würde?«

»In diesem Falle, Madame, ist mein Rath, … ich weiß, daß ich sehr kühn bin, wenn ich Eurer Majestät einen Rath gebe, … aber mein Rath ist, der König soll fein Reich nicht verlassen. Man vergißt sehr schnell die abwesenden Könige. Geht er nach Frankreich über, so ist seine Sache verloren.«

»Wenn dies Euer Rath ist.« sprach die Königin, »und Ihr wirklich eine Theilnahme für ihn hegt, so schickt ihm einige Hilfe an Mannschaft und Geld, denn ich vermag nichts mehr für ihn. Ich habe, um ihn zu unterstützen, meinen letzten Diamant verkauft. Es bleibt mir nichts mehr; Ihr wißt es besser, als irgend Jemand, mein Herr. Wenn mir ein Juwel geblieben wäre, hätte ich Holz dafür gekauft, um mich und meine Tochter in diesem Winter damit zu erwärmen.«

»Ach! Madame,« versetzte Mazarin, »Ihr wißt nicht, was Ihr von mir verlangt. Von dem Tage an, wo eine Hilfe von Fremden im Gefolge eines Königs erscheint, um ihn wieder auf den Thron zu setzen, gesteht dieser König gleichsam zu, daß er kein? Hilfe mehr in der Liebe seiner Unterthanen zu suchen hat.«

»Zur Sache, mein Herr Cardinal,« sprach die Königin, welche die Geduld verlor, diesem feinen Geiste in das Labyrinth der Worte zu folgen, in welchem er sich umhertrieb, »zur Sache. Antwortet mir: ja oder nein, besteht der König darauf, in England zu bleiben, werdet Ihr ihm Hilfe schicken? kommt er nach Frankreich, werdet Ihr ihm Gastfreundschaft gönnen?«

»Madame,« antwortete der Cardinal, die größte Offenherzigkeit heuchelnd, »ich hoffe, Eurer Majestät zu beweisen, wie sehr ich ihr ergeben bin und wie sehr ich eine Angelegenheit zu Ende zu bringen wünsche, die ihr ungemein am Herzen liegt, wonach Eure Majestät an meinem Eifer, ihr zu dienen, nicht mehr zweifeln wird, wie ich denke.«

Die Königin biß sich in die Lippen und bewegte sich auf ihrem Stuhle voll Ungeduld hin und her.

»Nun, was wollt Ihr thun?« sagte sie, »sprecht.«

»Ich will auf der Stelle die Königin über diese Sache um Rath fragen, und wir werden sie dann sogleich dem Parlament vorlegen.«

»Mit dem Ihr in Fehde lebt, nicht wahr? Ihr beauftragt Broussel, Berichterstatter zu sein. Genug, Herr Cardinal, genug. Ich verstehe Euch, oder vielmehr ich habe Unrecht. Geht wirklich zum Parlament, denn von diesem Parlament, dem Feinde der Könige, ist der Tochter des erhabenen Heinrich IV. die einzige Unterstützung zugekommen, welche sie diesen Winter verhindert hat, vor Hunger und Kälte zu sterben.«

Nach diesen Worten erhob sich die Königin mit einer majestätischen Entrüstung.

Der Cardinal streckte die gefalteten Hände gegen sie aus.

»Ah, Madame, Madame! wie schlecht kennt Ihr mich doch.«

Aber, ohne sich nach demjenigen umzuwenden, welcher diese heuchlerischen Thränen vergoß, durchschritt die Königin das Cabinet, öffnete selbst die Thüre, ging mitten durch die zahlreichen Wachen Seiner Eminenz, mitten durch die Höflinge, welche sich herandrängten, um ihm ihre Huldigung darzubringen, auf Lord Winter zu, der vereinzelt da stand, und nahm seine Hand – eine arme, bereits gefallene Königin, vor der sich noch Alle aus Etikette verbeugten, die aber in der That nur noch einen einzigen Arm hatte, auf den sie sich stützen konnte.

 

»Gleichviel,« sagte Mazarin, als er allein war, »es hat mir Mühe gemacht, und ich hatte eine harte Rolle zu spielen. Aber ich habe weder dem Einen, noch der Andern etwas gesagt. Dieser Cromwell ist ein scharfer Königsjäger. Ich beklage seine Minister, wenn er je nimmt. Bernouin!«

Bernouin trat ein.

»Man sehe, ob der junge Mann mit dem schwarzen Wammse und den kurzen Haaren, den Du vorhin bei mir eingeführt hast, sich noch im Palaste befindet.«

Bernouin ging ab. Der Cardinal beschäftigte sich während der Zeit seiner Abwesenheit damit, daß er den Kasten seines Ringes umdrehte, den Diamant rieb, das Wasser bewunderte und, da in seinen Augen noch eine Thräne rollte, die ihm das Gesicht trübte, den Kopf schüttelte, um sie fallen zu machen.

Bernouin kehrte mit Comminges zurück.

»Monseigneur,« sagte Comminges, »als ich den jungen Mann zurückführte, nach dem Euere Eminenz fragt, näherte er sich der Glasthüre der Gallerie und beschaute etwas mit großem Erstaunen, ohne Zweifel das schöne Gemälde von Raphael, welches der Thüre gegenüber hängt. Dann träumte er einen Augenblick und stieg die Treppe hinab. Ich glaube, ich habe ihn seinen Grauschimmel besteigen und aus dem Hofe des Palastes reiten sehen. Aber geht denn Monseigneur nicht zu der Königin?«

»Was dort thun?«

»Herr von Guitaut, mein Oheim, sagt mir so eben, die Königin habe Nachricht vom Heere erhalten.«

In diesem Augenblick erschien Herr von Villequier. Er kam wirklich im Austrage der Königin, um den Cardinal zu holen.

Comminges hatte gut gesehen, und Mordaunt hatte wirklich gethan, wie er erzählte. Die Gallerte durchschreitend, welche mit der großen Glasgallerie parallel lief, erblickte Mordaunt Lord Winter, welcher wartete, bis die Königin ihre Unterredung geschlossen haben würde.

Bei diesem Anblicke blieb der junge Mann plötzlich stille stehen, nicht in Bewunderung vor dem Gemälde von Raphael, sondern wie bezaubert beim Erschauen eines furchtbaren Gegenstandes. Seine Augen erweiterten sich, ein Schauer durchlief seinen ganzen Körper, es war, als wollte er den gläsernen Wall durchdringen, der ihn von seinem Feinde trennte; denn wenn Comminges gesehen hätte, mit welchem Ausdrucke des Hasses sich die Augen dieses jungen Mannes auf Lord Winter hefteten, so würde er keinen Augenblick daran gezweifelt haben, daß dieser englische Edelmann sein Todfeind war.

Aber er blieb stille stehen, ohne Zweifel, um zu überlegen, denn statt sich von seiner ersten Bewegung hinreißen zu lassen, der zu Folge er gerade auf Lord Winter zugehen wollte, stieg er langsam die Treppen hinab, verließ den Palast mit gesenktem Haupte, schwang sich in den Sattel, stellte sich mit seinem Pferde an der Ecke der Rue de Richelieu auf und wartete, die Augen auf das Gitter geheftet, bis der Wagen aus dem Hofe kam.

Er hatte nicht lange zu warten, denn die Königin blieb kaum eine Viertelstunde bei Mazarin aber diese Viertelstunde des Harrens schien dem Wartenden ein Jahrhundert. Endlich kam die plumpe Maschine, die man damals eine Carrosse nannte, ächzend durch das Gitter heraus und Lord Winter, der wieder zu Pferde saß, neigte sich abermals an den Kutschenschlag, um mit der Königin zu sprechen.

Die Pferde liefen im Trab und schlugen den Weg nach dem Louvre ein, in den sie den Wagen führten. Ehe Madame Henriette das Carmeliterkloster verließ, sagte sie zu ihrer Tochter, sie möge sie in dem Palais erwarten, das sie lange bewohnt und nun verlassen hatte, weil ihr ihr Elend in seinen vergoldeten Sälen nur noch drückender vorkam.

Mordaunt folgte dem Wagen, und als er denselben unter die dunkle Arkade hatte fahren sehen, lehnte er sich nur seinem Pferde an eine Mauer, über die sich der Schatten ausdehnte, und blieb unbeweglich wie ein Basrelief, eine Reiterstatue darstellend.

Er wartete, wie er es bereits im Palais-Royal gethan hatte.

II
Wie die Unglücklichen zuweilen den Zufall für die Vorsehung halten

»Nun, Madame,« sagte von Winter, als die Königin ihre Dienerin entfernt hatte.

»Nun, was ich vorhergesehen hatte, geschieht, Mylord.«

»Er weigert sich?«

»Habe ich es nicht gesagt?«

»Der Cardinal weigert sich, den König zu empfangen? Frankreich verweigert einem unglücklichen Fürsten Gastfreundschaft? Das geschieht zum ersten Male, Madame.«

»Ich habe nicht gesagt, Frankreich, Mylord. Ich habe gesagt der Cardinal, und der Cardinal ist nicht einmal ein Franzose.«

»Aber, die Königin, habt Ihr dieselbe gesehen?«

»Es ist unnütz,« erwiderte Madame Henriette und schüttelte traurig den Kopf, »die Königin wird nie ja sagen, wenn der Cardinal nein gesagt hat. Wißt Ihr nicht, daß dieser Italiener Alles leitet, sowohl auswärts, als im Innern. Mehr noch, ich komme auf das zurück, was ich euch bereits gesagt habe. Ich würde, mich nicht wundern, wenn uns Cromwell zuvorgekommen wäre. Er war verlegen, während er mit mir sprach, und dennoch fest in seinem Willen, sich zu weigern. Habt Ihr ferner die Bewegung im Palais-Royal bemerkt, das Hin- und Herlaufen geschäftiger Leute? Sollten sie Nachrichten bekommen haben, Mylord?«

»Von England kann dies nicht sein, Madame; ich habe mich so sehr beeilt, daß mir sicherlich Niemand zuvorgekommen ist. Ich bin vor drei Tagen abgereist, und wie durch ein Wunder durch die ganze puritanische Armee gelangt. Ich habe mit meinem Lackei Tomy die Post genommen, und die Pferde, welche wir reiten, haben wir in Paris gekauft. Uebrigens bin ich fest überzeugt, daß der König, ehe er etwas wagt, die Antwort von Eurer Majestät abwartet.«

Ihr werdet ihm melden, Mylord,« versetzte die Königin in Verzweiflung, »daß ich nichts vermöge, daß ich so viel gelitten habe, als er, mehr sogar als er, ich, die ich genöthigt bin, das Brod der Verbannung zu essen und Gastfreundschaft von falschen Freunden zu verlangen, und daß er, was seine Königliche Person betrifft, sich edelmüthig aufopfern und als König sterben müsse; ich werde an seiner Seite sterben.«

»Madame, Madame,« rief von Winter, »Eure Majestät überläßt sich der Muthlosigkeit, und es bleibt uns vielleicht noch einige Hoffnung.«

»Wir haben keine Freunde mehr, Mylord, keine Freunde in der ganzen Welt, außer Euch. Oh, mein Gott!« rief Madame Henriette, die Arme zum Himmel emporstreckend, »Haft Du denn alle edle Herzen, welche auf Erden bestanden, hinweggenommen?«

»Ich hoffe daß dies nicht der Fall ist, Madame,« erwiderte von Winter träumerisch, »ich habe Euch von vier Männern gesprochen …«

»Was wollt Ihr mit vier Männern machen?«

»Vier ergebene Männer, vier bis zum Tode entschlossene Männer vermögen viel, glaubt mir, Madame. Und diejenigen, welche ich kenne, haben in einer gewissen Zeit viel gethan.«

»Und diese vier Männer, wo sind sie?«

»Das ist es, was ich gerade nicht weiß. Seit etwa zwanzig Jahren habe ich sie aus dem Gesichte verloren und dennoch dachte ich bei allen Gelegenheiten, wo ich den König in Gefahr sah, an dieselben.«

»Und diese Männer waren Eure Freunde?«

»Einer von ihnen hatte mein Leben in seinen Händen und schenkte es mir. Ich weiß nicht, ob er mein Freund geblieben ist, aber seit jener Zeit bin ich wenigstens der seinige geblieben.«

»Und diese Männer sind in Frankreich, Mylord?«

»Ich glaube.«

»Sagt mir ihre Namen, ich habe sie vielleicht nennen hören und könnte Euch in Eurer Nachforschung unterstützen.«

Der Eine von ihnen nannte sich Chevalier d’Artagnan.«

»Oh! Mylord, wenn ich mich nicht täusche, so ist dieser Chevalier d’Artagnan Lieutenant bei den Garden. Ich habe seinen Namen aussprechen hören, aber merkt wohl, ich befürchte, dieser Mann gehört ganz dem Cardinal an.«

»Das wäre mein letztes Unglück,« erwiderte von Winter, »und ich müßte zu glauben anfangen, daß wir wirklich verdammt sind.«

»Aber die Anderen?« sagte die Königin, welche sich an diese Hoffnung anklammerte, wie ein Schiffbrüchiger an die Trümmer seines Fahrzeuges, »die Anderen, Mylord?«

»Der zweite —, ich hörte zufällig seinen Namen, denn ehe sie sich mit uns schlugen, sagten uns diese vier Edelleute ihre Namen – der zweite hieß Graf de la Fère. Die Namen der zwei Anderen habe ich vergessen, weil ich gewohnt war, sie bei ihren entlehnten Namen zu nennen.«

»Oh, mein Gott! es wäre doch vom höchsten Belange, sie wieder zu finden,« sprach die Königin, »da Ihr glaubt, diese würdigen Edelleute dürften dem König nützlich sein.«

»O ja,« sprach von Winter, »denn es sind dieselben … hört wohl, Madame, und ruft alle Eure Erinnerungen in Euch zurück, habt Ihr nicht erzählen hören, die Königin Anna von Oesterreich wäre einst aus der größten Gefahr, die eine Königin je gelaufen ist, errettet worden?«

»Ja, während ihrer Liebschaft mit Buckingham; es handelte sich um Diamantnestelstifte.«

»So ist es, Madame. Diese Menschen retteten sie. Es wundert mich nicht, wenn die Namen dieser Edelleute Euch nicht bekannt sind, da die Königin sie vergessen hat, während sie die Ersten ihres Königreiches aus ihnen hätte machen sollen.«

»Nun, Mylord, man muß sie suchen. Aber was werden vier Männer ober vielmehr drei vermögen, denn ich sage Euch, man kann nicht auf Herrn d’Artagnan zählen.«

»Das wäre ein tapferer Degen weniger, Madame, doch es blieben immerhin noch drei andere, ohne den meinigen zu zählen. Vier ergebene Männer aber in der Umgebung des Königs, um ihn vor seinen Feinden zu hüten, ihn in der Schlacht zu decken, im Rathe zu unterstützen, auf seiner Flucht zu geleiten, das wäre hinreichend, nicht um den König zum Sieger zumachen, doch um ihn zu retten, wenn er besiegt wäre, um ihm über das Meer zu helfen, und befände sich Euer königlicher Gemahl einmal auf der Küste von Frankreich, so würde er, was auch Mazarin sagen mag, so viele Zufluchtsorte finden, als der Seevogel bei den Stürmen findet.«

»Sucht, Mylord, sucht diese Edelleute, und wenn Ihr sie findet und sie willigen ein, mit Euch nach England zu ziehen, so gebe ich jedem von ihnen ein Herzogthum an dem Tage, wo wir wieder den Thron besteigen, und so viel Gold, als man brauchen würde, um den Palast Whitehall zu pflastern. Sucht also, Mylord, sucht, ich beschwöre Euch.«

»Ich würde wohl suchen, Madame,« sagte von Winter, »und fände auch, aber es gebricht mir an Zeit. Vergißt Eure Majestät, daß der König Ihre Antwort erwartet und zwar mit Bangigkeit erwartet?«

»So sind wir also verloren!« rief die Königin mit dem Ausdruck eines gebrochenen Herzens.

In diesem Augenblick öffnete sich die Thüre, die junge Henriette erschien, und die Königin drängte mit der erhabenen Kraft, welche der Heldenmuth der Mutter ist, ihre Thränen bis in den Hintergrund des Herzens zurück und gab Lord Winter ein Zeichen, das Gespräch zu verändern.

Aber diese Reaction, so mächtigste auch war, entging der jungen Prinzessin nicht. Sie blieb auf der Schwelle stille stehen, stieß einen Seufzer aus und sagte, sich an ihre Mutter wendend:

»Warum weint Ihr beständig ohne mich, meine Mutter?«

Die Königin lächelte und sprach, statt Ihr zu antworten:

»Hört, Lord Winter, ich habe wenigstens Eines dadurch gewonnen, daß ich nur noch zur Hälfte Königin bin, das, daß mich meine Kinder Mutter statt Madame nennen.«

Dann sich gegen ihre Tochter wendend, fuhr sie fort:

»Was willst Du, Henriette?«

»Meine Mutter,« antwortete die junge Prinzessin, »es ist ein Reiter im Louvre erschienen und bittet, Eurer Majestät seine Ehrfurcht bezeugen zu dürfen; er kommt vom Heere und hat, wie er sagt, Euch einen Brief vom Marschall von Grammont zu übergeben.«

»Ah, sprach die Königin zu Winter, »das ist einer von meinen Getreuen. Aber bemerkt Ihr nicht, mein lieber Lord, wie wir so armselig bedient sind, daß meine Tochter das Geschäft der Einführerin versehen muß?«

»Madame, habt Mitleid mit mir,« versetzte Lord Winter, »Ihr zerreißt mir das Herz.«

»Und wer ist der Reiter, Henriette?« fragte die Königin.

»Ich habe ihn aus dem Fenster gesehen, Madame. Es ist ein junger Mensch, der kaum sechzehn Jahre alt zu sein scheint und sich Vicomte von Bragelonne nennt.«

Die Königin machte lächelnd ein Zeichen mit dem Kopfe, die junge Prinzessin öffnete die Thüre wieder und Raoul erschien auf der Schwelle.

Er machte drei Schritte gegen die Königin, kniete nieder und sprach:

 

»Madame, ich überbringe Eurer Majestät einen Brief von meinem Freunde, dem Herrn Grafen von Guiche, welcher mir sagte, er habe die Ehre, zu Euern Dienern zu gehören. Dieser Brief enthält eine wichtige Nachricht und den Ausdruck seiner Ehrfurcht.«

Bei dem Namen des Grafen von Guiche verbreitete sich eine Röthe über die Wangen der jungen Prinzessin. Die Königin schaute sie mit einer gewissen Strenge an.

»Aber Du Hast mir gesagt, der Brief käme von dem Marschall von Grammont, Henriette?« sprach die Königin.

»Ich glaubte es, Madame, stammelte die Prinzessin.

»Das ist mein Fehler, Madame. Ich meldete mich wirklich, als käme ich von Seiten des Marschalls von Grammont, aber am rechten Arme verwundet konnte er nicht schreiben und der Graf von Guiche diente ihm als Secretär.«

»Man hat sich also geschlagen?« sagte die Königin und gab Raoul ein Zeichen, sich zu erheben.«

»Ja, Madame,« antwortete der junge Mann und übergab den Brief an Winter, welcher vorgeschritten war, um denselben in Empfang zu nehmen, und ihn sodann der Königin einhändigte.

Bei der Nachricht, daß eine Schlacht geliefert worden sei, öffnete die junge Prinzessin den Mund, um eine Frage zu machen, welche sie ohne Zweifel interessierte, aber ihr Mund schloß sich wieder, ohne ein Wort gesprochen zu haben, während die Rosen ihrer Wangen nach und nach verschwanden.

Die Königin sah alle diese Bewegungen und übersetzte sie ohne Zweifel in ihrem mütterlichen Herzen; dann sich abermals an Raoul wendend, fragte sie:

»Dem jungen Grafen von Guiche ist nichts Schlimmes widerfahren? Er gehört nicht allein zu unsern Dienern, mein Herr, sondern auch zu unsern Freunden.«

»Nein, Madame,« antwortete Raoul, »er hat im Gegentheil an diesem Tage einen großen Ruhm errungen und es wurde ihm die Ehre zu Theil, voll, dem Herrn Prinzen auf dem Schlachtfelde umarmt zu werden.«

Die junge Prinzessin klatschte in die Hände, aber ganz beschämt, daß sie sich zu einer solchen Kundgebung der Freude hatte hinreißen lassen, wandte sie sich halb um und neigte sich über eine Vase voll Rosen, als wollte sie den Geruch einathmen.

»Laßt sehen, was uns der Graf schreibt,« sprach die Königin.

»Ich hatte die Ehre, Euerer Majestät zu sagen, daß er im Namen seines Vaters schrieb?«

»Ja, mein Herr.«

Die Königin entsiegelte den Brief und las:

»Madame und Königin,

»Da ich nicht die Ehre haben kann, Euch selbst zu schreiben, wegen einer Wunde, die ich an meiner rechten Hand erhalten, so lasse ich Euch durch meinen Sohn, den Grafen von Guiche, schreiben, von dem Ihr wißt, daß er ein eben so treuer Diener von Euch ist, als sein Vater, um Euch zu melden, daß wir die Schlacht von Lens gewonnen haben und daß dieser Sieg unfehlbar dem Cardinal Mazarin und der Königin eine große Gewalt über die Angelegenheiten von Europa geben muß. Möchte Eure Majestät, wenn sie meinem Raths trauen will, diesen Augenblick benutzen, um zu Gunsten ihres erhabenen Gemahls bei der Regierung des Königs nachdrückliche Schritte zu thun. Der Herr Vicomte von Bragelonne, der Euch diesen Brief übergeben wird, ist der Freund meines Sohnes, dem er aller Wahrscheinlichkeit nach das Leben gerettet hat. Es ist ein Edelmann, dem sich Eure Majestät vollkommen anvertrauen kann, falls sie mir einen mündlichen oder schriftlichen Befehl zukommen zulassen hätte.

Ich habe die Ehre zu sein

Mit Ehrfurcht u. s. w.

Marschall von Grammont.«

In dem Augenblick, wo von dem Dienst die Rede war, den er dem Grafen geleistet hatte, konnte sich Raoul nicht enthalten, der jungen Prinzessin den Kopf zuzuwenden, und er sah in ihren Augen einen Ausdruck unendlicher Dankbarkeit für seine Person. Es unterlag keinem Zweifel mehr, die Tochter von Karl I. liebte seinen Freund.

»Die Schlacht von Lens gewonnen!« sprach die Königin. »Sie sind glücklich hier, sie gewinnen Schlachten! Ja, der Marschall von Grammont hat Recht, das wird das Angesicht der Dinge verändern. Aber ich befürchte, es wirkt nicht für die Unseren, wenn es ihnen nicht gar schadet. Diese Nachricht ist neu, mein Herr,« fuhr die Königin fort, »ich weiß Tuch Dank, daß Ihr mir dieselbe mit so großer Eile überbracht habt. Ohne Euch, ohne diesen Brief hätte ich sie erst morgen, übermorgen vielleicht, die Letzte in Paris, erfahren.«

»Madame,« sprach Raoul, »der Louvre ist der zweite Palast, in welchen diese Nachricht gelangt ist; Niemand kennt sie noch, und ich habe dem Herrn Grafen von Guiche geschworen, diesen Brief Eurer Majestät zu übergeben, sogar ehe ich meinen Vormund umarmt haben würde.

»Euer Vormund ist ein Bragelonne, wie Ihr?« fragte Lord Winter. »Ich habe einst einen Bragelonne gekannt. Lebt er immer noch?«

»Nein, mein Herr, er ist todt, und von ihm hat mein Vormund, welcher in einem nahen Grade mit ihm verwandt war, das Gut geerbt, dessen Namen ich führe.«

»Und Euer Vormund, mein Herr?« fragte die Königin, welche nicht umhin konnte, an dem schönen jungen Manne Antheil zu nehmen, »wie heißt er?«

»Herr Graf de la Fère,« antwortete der junge Mann, sich verbeugend.

Lord Winter machte eine Bewegung des Staunens, die Königin schaute ihn freudestrahlend an.

»Der Graf de la Fère!« rief sie, »habt Ihr mir nicht diesen Namen genannt?«

Von Winter konnte nicht glauben, was er hörte.

»Der Herr Graf de la Fère!« rief er ebenfalls. »Oh! mein Herr, antwortet mir, ich bitte Euch: ist der Graf de la Fère nicht ein Mann, den ich einst als einen schönen, tapfern Herrn gekannt habe, ein Mann, der Musketier unter Ludwig XIII. war und jetzt ungefähr sieben und vierzig bis acht und vierzig Jahre alt sein kann?«

»Ja, mein Herr, ganz so ist es.«

»Und der unter einem entlehnten Namen diente?«

»Unter dem Namen Athos. Ich hörte kürzlich erst seinen Freund, Herrn d’Artagnan, ihm diesen Namen geben.«

»Es ist so, Madame, es ist so. Gott sei gelobt! Und er befindet sich in Paris?« fuhr der Lord, sich an Raoul wendend, fort. Dann wieder zu der Königin zurückkehrend: »Hofft, hofft, die Vorsehung erklärt sich für uns, da sie macht, daß ich diesen braven Edelmann auf eine so wunderbare Weise wiederfinde. Sagt mir, ich bitte, wo wohnt er, mein Herr?«

»Der Herr Graf de la Fère wohnt in der Rue Guénégaud im Hotel du Grand-Roy-Charlemagne.«

»Ich danke, mein Herr. Sagt diesem würdigen Freunde, er möge zu Hause bleiben; ich komme sogleich, ihn zu umarmen.«

»Mein Herr, ich gehorche mit großem Vergnügen, wenn Ihre Majestät mir Urlaub geben will.«

»Geht, Herr Vicomte von Bragelonne,« sprach die Königin, »geht und seid unserer Wohlgeneigtheit versichert.«

Raoul verbeugte sich ehrfurchtsvoll vor den zwei Fürstinnen, grüßte Lord Winter und entfernte sich.

Von Winter und die Königin besprachen sich noch eine Zeit lang mit so leiser Stimme, daß die Prinzessin dieselben nicht hörte; aber diese Vorsicht war überflüssig, denn sie unterhielt sich mit ihren eigenen Gedanken.

Als Lord Winter Abschied nehmen wollte, sagte die Königin:

»Hört, Mylord, ich hatte dieses Diamantkreuz, das meiner Mutter gehörte, und diesen Sanct-Michaels-Stern, welchen ich von meinem Gemahl erhielt, bis jetzt bewahrt. Diese beiden Gegenstände sind ungefähr fünfzigtausend Franken Werth. Ich hatte geschworen, eher bei diesen kostbaren Pfändern Hungers zu sterben, als mich derselben zu entäußern; jetzt aber, da diese zwei Juwelen ihm und seinen Vertheidigern nützlich sein können, muß man Alles dieser Hoffnung aufopfern. Nehmt sie, und wenn Ihr für Euere Expedition Geld braucht, verkauft sie ohne Scheu, Mylord. Seid Ihr aber im Stande, sie zu behalten, so bedenkt, Mylord, daß ich es betrachte, als hättet Ihr mir den größten Dienst geleistet, den ein Edelmann einer Königin zu leisten vermag, und daß derjenige, welcher mir am Tage unseres Glückes diesen Stern und dieses Kreuz wiederbringt, von mir und meinen Kindern gesegnet sein wird.«

»Madame,« erwiderte von Winter, »Euere Majestät wird von einem treu ergebenen Manne bedient werden. Ich gehe und hinterlege an sicherem Orte diese Gegenstände, welche ich nicht annehmen würde, wenn uns Mittel von unserem ehemaligen Vermögen übrig blieben; aber unsere Güter sind confiscirt, unser baares Geld ist versiegt, und wir sind dahin gekommen, uns aus Allem, was wir besitzen, Hilfsquellen machen zu müssen. In einer Stunde begebe ich mich zu dem Grafen de la Fère, und morgen soll Eure Majestät eine bestimmte Antwort erhalten.«

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