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Zwanzig Jahre nachher

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IX
Der Thurm Saint-Jacques-la-Boucherie

Um drei Viertel auf sechs Uhr hatte Herr von Gondy alle seine Gänge gemacht und war in den erzbischöflichen Palast zurückgekehrt.

Um sechs Uhr meldete man den Pfarrer von Saint-Mery.

Der Coadjutor sah lebhaft in das Vorzimmer und bemerkte, daß ihm ein anderer Mann folgte.

»Laßt ihn eintreten,« sprach er.

Der Pfarrer trat ein und Planchet mit ihm.

»Monseigneur,« sagte der Pfarrer von Saint-Mery. »hier ist die Person, von der ich mit Euch zu sprechen die Ehre gehabt habe.«

Planchet grüßte mit der Miene eines Menschen, welcher gute Häuser besucht hat.

»Seid Ihr geneigt, der Sache des Volkes zu dienen?« fragte Gondy.

»Ich glaube wohl,« antwortete Planchet; »ich nenne mich von ganzer Seele Frondeur. Ich bin, so wie Ihr mich seht, zum Strange verurtheilt.«

»Aus welchem Anlasse?«

»Ich habe den Händen der Sergenten von Mazarin einen edlen Herrn entrissen, den sie nach der Bastille zurückführten, wo er seit fünf Jahren saß.«

»Er heißt?«

»Ah! Monseigneur kennt ihn Wohl: den Grafen von Rochefort.«

»In der That, ja,« versetzte der Coadjutor, »ich habe von dieser Geschichte sprechen Hören; Ihr brachtet das ganze Quartier in Aufruhr, wie man mir erzählte.«

»So ungefähr,« sagte Planchet mit selbstzufriedener Miene.

»Und Ihr seid Eueres Standes?«

»Zuckerbäcker in der Rue des Lombards.«

»Erklärt mir, wie es kommt, daß Ihr bei einem so friedlichen Gewerbe so kriegerische Neigungen habt?«

»Wie kommt es, daß mich Monseigneur, der der Kirche angehört, in Reitertracht, den Degen an der Seite und die Sporen an den Stiefeln empfängt?«

»Meiner Treue, nicht schlecht geantwortet,« sagte Gondy lachend, »aber Ihr wißt, daß ich trotz meines Nebenschlages stets kriegerische Neigungen gehabt habe.«

»Wohl, Monseigneur, ehe ich Conditor wurde, war ich drei Jahre Sergent im Regiment Piemont, und ehe ich drei Jahre Sergent im Regiment Piemont wurde, hatte ich achtzehn Monate als Lackei bei Herrn d’Artagnan gedient.«

»Bei dem Lieutenant der Musketiere?« fragte Gondy.

»Bei demselben.«

»Aber man sagt, er sei ein wüthender Mazariner?«

»Er hat Recht!«

»Was wollt Ihr damit sagen?«

»Nichts, Monseigneur; Herr d’Artagnan ist im Dienste; Herr d’Artagnan folgt seinem Berufe, wenn er Mazarin vertheidigt, der ihn bezahlt, wie wir Bürger dem unserigen folgen, wenn wir Mazarin angreifen, der uns bestiehlt.

»Ihr seid ein gescheiter Bursche, mein Freund; kann man auf Euch zählen?«

»Ich glaubte, der Herr Pfarrer hätte sich für mich verbürgt?«

»Allerdings, aber ich wünschte, diese Versicherung aus Euerem Munde zu vernehmen.«

»Ihr könnt auf mich zählen, Monseigneur, vorausgesetzt, daß es sich um eine Umwälzung durch die ganze Stadt handelt.«

»Gerade darum handelt es sich. Wie viel Mann glaubt Ihr diese Nacht zusammenbringen zu können?«

Zwei Hundert Musketen und fünf Hundert Hellebarden.«

»Wäret Ihr geneigt, dem Grafen von Rochefort zu gehorchen?«

Ich würde ihm bis in die Hölle folgen, und das will nicht wenig sagen, denn ich halte ihn für fähig, in dieselbe hinabzusteigen.«

»Bravo!«

»An welchem Zeichen wird man morgen die Freunde von den Feinden unterscheiden können?«

»Jeder Frondeur mag einen Strohknoten an seinem Hute befestigen.«

»Gut; gebt den Befehl. Die Parole.«

»Braucht Ihr Geld?«

»Geld kann in keiner Sache schaden, Monseigneur; hat man keines, so wird man sich ohne dasselbe durchhelfen, hat man, so werden die Dinge nur rascher und besser gehen.«

Gondy ging an eine Kasse und zog einen Sack daraus hervor.

»Hier sind fünfhundert Pistolen.« sprach er, »und geht die Angelegenheit gut, so zählt morgen auf dieselbe Summe.«

»Ich werde getreulich über dieses Geld Rechenschaft ablegen,« sagte Planchet und nahm den Sack unter den Arm.

»Es ist gut, ich empfehle Euch den Cardinal.«

»Seid unbesorgt, er ist in guten Händen.«

Planchet ging ab, der Pfarrer blieb ein wenig zurück und sagte:

»Seid Ihr zufrieden, Monseigneur?«

»Ja, dieser Mensch hat das Aussehen eines entschlossenen Burschen.«

»Er wird mehr thun, als er versprochen hat.«

»Dann ist es vortrefflich.«

Und der Pfarrer folgte Planchet, der ihn auf der Treppe erwartete. Zehn Minuten nachher meldete man den Pfarrer von Saint-Sulpice.

Sobald die Thüre des Cabinets von Gondy geöffnet wurde, stürzte ein Mann herein; es war der Graf von Rochefort.

»Ihr seid es, mein lieber Graf?« sagte von Gondy ihm die Hand reichend.

»Ihr seid also endlich entschlossen?« versetzte Rochefort.

»Ich bin es immer gewesen,« erwiderte Gondy.

»Sprechen wir nicht weiter hierüber, Ihr sagt es und ich glaube Euch. Wir geben Mazarin einen Ball?«

»Ich hoffe es.«

»Wann soll der Tanz beginnen?«

»Die Einladungen sind für diese Nacht gemacht,« sprach der Coadjutor, »aber die Geiger werden erst morgen früh zu spielen anfangen.«

»Ihr könnt auf mich und auf fünfzig Mann zahlen, die mir der Chevalier d’Humières versprochen hat, falls ich derselben bedürfen sollte.«

»Auf fünfzig Soldaten?«

»Er macht Rekruten und leiht sie mir; ist das Fest vorüber und es fehlen einige davon, so werde ich sie ersetzen.«

»Gut, mein lieber Rochefort, aber das ist noch nicht Alles.«

»Was gibt es sonst noch?« fragte Rochefort lächelnd.

»Was habt Ihr mit Herrn von Beaufort gemacht?«

»Er ist in der Provinz Vendome, wo er wartet, bis ich ihm schreibe, er möge zurückkommen.«

»Schreibt ihm, es ist Zeit.«

»Ihr seid also Euerer Angelegenheit gewiß?«

»Ja, aber er muß eilen, denn kaum wird das Volk zur Empörung gebracht sein, so haben wir zehn Prinzen für einen, welche sich an die Spitze stellen wollen; zögert er, so findet er den Platz besetzt.«

»Kann ich ihm den Rath in Euerem Auftrage geben?«

»Allerdings.«

»Darf ich ihm sagen, er könne auf Euch zählen?«

»Gewiß.«

»Und Ihr werdet ihm jede Gewalt überlassen?…«

»Für den Krieg, ja; was hie Politik betrifft …«

»Ihr wißt, daß das nicht seine Stärke ist.«

»Er wird mich nach Belieben um einen Cardinalshut unterhandeln lassen.«

»Ist Euch hieran gelegen?«

»Da man mich zwingt, einen Hut von einer Form zu tragen, die mir nicht gefällt, so verlange ich wenigstens, daß dieser Hut roth sei.«

»Wir wollen nicht über Geschmack und Falben streiten,« versetzte Rochefort lachend; »ich stehe für seine Einwilligung.«

»Und Ihr schreibt ihm noch diesen Abend?«

»Ich thue etwas Besseres, ich schicke ihm einen Boten.«

»In wie viel Tagen kann er hier sein?«

»In fünf.«

»Er mag kommen und wird eine Veränderung finden.«

»Ich wünsche es.«

»Ich bürge Euch dafür.«

»Also?«

»Sammelt Euere fünfzig Mann und haltet Euch bereit.«

»Gibt es ein Vereinigungszeichen?«

»Ein Strohknoten am Hute.«

»Schön. Gott befohlen, Monseigneur.«

»Adieu, mein lieber Rochefort.«

»Ah! Herr Mazarin,« sagte Rochefort, den Pfarrer, welcher nicht Gelegenheit gefunden hatte, bei dem ganzen Gespräche ein Wort anzubringen, mit sich fortziehend, »Ihr werdet sehen, ob ich zu einem Mann der Thätigkeit zu alt bin.«

Es war halb zehn Uhr, der Coadjutor bedurfte einer halben Stunde, um sich von dem erzbischöflichen Palaste nach dem Thurme Saint-Jacques-la-Boucherie zu begeben.

Der Coadjutor bemerkte ein Licht an einem der höchsten Fenster des Thurmes.

»Gut,« sagte er, »unser Bettler ist an seinem Posten.«

Er klopfte, man öffnete ihm. Der Vicar selbst harrte seiner und führte ihn voranleuchtend bis oben in den Thurm; hier angelangt, zeigte er ihm eine kleine Thüre, setzte das Licht in eine Ecke der Mauer, damit es der Coadjutor bei seinem Abgange finden könnte, und stieg wieder hinab.

Der Coadjutor klopfte, obgleich der Schlüssel in der Thüre stack.

»Herein,« rief eine Stimme, in welcher der Coadjutor die des Bettlers erkannte.

Von Gondy trat ein. Es war wirklich der Weihwassergeber des Vorhofes von Saint-Eustache.

Er wartete auf einem ärmlichen Bette liegend.

Als er den Coadjutor eintreten sah, stand er auf.

Es schlug zehn Uhr.

»Nun,« fragte von Gondy, »hast Du mir Wort gehalten?«

»Nicht ganz.«

»Wie so?«

»Ihr habt fünfhundert Mann von mir gefordert, nicht wahr?«

»Ja.«

»Nun, ich werde zweitausend für Euch haben.«

»Du prahlst nicht?«

»Wollt Ihr einen Beweis?«

»Ja.«

Es waren drei Lichter angezündet, jedes derselben brannte vor einem Fenster; das eine von diesen Fenstern ging nach der Cité, das andere nach dem Palais-Royal, das dritte nach der Rue Saint-Denis.

Der Bettler ging schweigend zu jedem von diesen Lichtern und blies eines nach dem andern aus.

Der Coadjutor befand sich in der Finsterniß; das Zimmer wurde nur durch einen unsicheren Strahl des Mondes beleuchtet, welcher durch schwarze Wolken hinzog, deren Enden er mit Silber befranste.

»Was Hast Du gemacht?« sagte der Coadjutor.

»Ich habe das Zeichen gegeben.«

»Welches?«

»Das zu den Barricaden.«

»Ah! ah!«

»Wenn Ihr von hier weggeht, werdet Ihr meine Leute bei der Arbeit sehen. Nehmt Euch in Acht, daß Ihr Euch nicht an einer Kette stoßt oder in ein Loch fallt und ein Bein brecht.«

»Gut. Hier ist Deine Summe, dieselbe, welche Du bereits empfangen Hast. Bedenke nun, daß Du ein Anführer bist und gehe nicht trinken.«

»Ich habe seit zwanzig Jahren nur Wasser getrunken.«

Der Mann nahm den Sack aus den Händen des Coadjutors, welcher bald den Lärmen hörte, den die in dem Golde wühlenden Finger des Bettlers machten.

»Ah! ah!« sagte der Coadjutor, »Du bist geizig, mein Freund.«

 

Der Bettler warf den Sack zurück und stieß einen Seufzer aus.

»Werde ich denn immer derselbe sein?« sagte er, »wird es mir denn nie gelingen, den alten Menschen abzustreifen? Oh Elend, oh Eitelkeit!«

»Du nimmst es doch?«

»Ja, aber ich gelobe vor Euch, das, was mir davon übrig bleibt, zu frommen Werken zu verwenden.«

Sein Gesicht war bleich und zusammengezogen, wie das eines Menschen, der einen innern Kampf ausgestanden hat.

»Seltsamer Mensch!« murmelte Gondy.

Und er nahm seinen Hut, um zu gehen, aber sich umwendend erblickte er den Bettler zwischen der Thüre und ihm.

Sein erster Gedanke war, dieser Mensch wolle ihm etwas Schlimmes zufügen.

Bald sah er ihn aber im Gegentheil die Hände falten und auf die Kniee fallen.

»Monseigneur.« sagte der Bettler, ehe Ihr mich verlaßt, gebt mir Euren Segen, ich bitte Euch.«

»Monseigneur!« rief Gondy, »mein Freund, Du hältst mich für einen Andern.«

»Nein, Monseigneur, ich halte Euch für den, der Ihr seid, für den Herrn Coadjutor; ich habe Euch mit dem ersten Blicke erkannt.«

Gondy lächelte und erwiderte:

»Und Du willst meinen Segen?«

»Ja, ich bedarf desselben.«

Der Bettler sprach diese Worte mit einem Tone so großer Demuth, so tiefer Reue, daß Gondy seine Hand über ihn ausstreckte und ihm seinen Segen mit aller Salbung gab, welcher er fähig war.

»Nun besteht Gemeinschaft unter uns,« sagte der Coadjutor, »ich habe Dich gesegnet und Du bist mir geheiligt, wie ich es meinerseits für Dich bin. Sprich, Hast Du ein Verbrechen begangen, das die menschliche Gerechtigkeit verfolgt und wobei ich Dich beschützen kann?«

Der Bettler schüttelte den Kopf.

»Das Verbrechen, welches ich begangen habe, Monseigneur, ist nicht Sache der menschlichen Gerechtigkeit, und Ihr könnt mich nur davon befreien, wenn Ihr mich oft segnet, wie Ihr es soeben gethan habt.«

»Sei offenherzig,« versetzte der Coadjutor, »Du hast nicht Dein ganzes Leben das Gewerbe getrieben, das Du gegenwärtig treibst.«

»Nein, Monseigneur, ich treibe es erst seit zehn Jahren.«

»Wo warft Du vorher?«

»In der Bastille.«

»Und ehe Du in-die Bastille kamst?«

»Ich werde es Euch an dem Tage sagen, Monseigneur, wo Ihr mich Beichte hören wollt.«

»Es ist gut. Erinnere Dich, daß ich zu jeder Stunde des Tages oder der Nacht, in der Du Dich bei mir einfindest, bereit bin, Dir die Absolution zu geben.«

»Ich danke,« sagte der Bettler mit dumpfem Tone, »aber ich bin noch nicht bereit, sie zu empfangen.«

»Wohl denn. Gott befohlen.«

»Gott befohlen,« sprach der Bettler, die Thüre öffnend und sich vor dem Prälaten verbeugend.

Der Coadjutor nahm das Licht, stieg die Treppe hinab und verließ den Thurm träumerisch.

X
Der Aufstand

Es war ungefähr elf Uhr Nachts. Gondy hatte keine hundert Schritte in den Straßen von Paris gemacht, als er eine seltsame Veränderung wahrnahm.

Die ganze Stadt schien von phantastischen Wesen bewohnt; man sah schweigsame Schatten, welche die Pflastersteine aufrissen, andere, welche Karren zogen und diese umwarfen, wieder andere, welche Gräben machten, die ganze Reiter-Compagnien, verschlingen konnten. Alle diese so thätigen, rastlos hin und her taufenden, irgend ein unbekanntes Werk verrichtenden Personen waren Bettler, waren Agenten des Weihwassergebers aus dem Vorhofe der Saint-Eustache-Kirche, welche Barricaden für den andern Tag bereiteten.

Gondy betrachtete diese Männer der Finsterniß, diese nächtlichen Arbeiten mit einem gewissen Schrecken; er fragte sich, ob es, nachdem er die unreinen Geschöpfe aus ihren Schlupfwinkeln hervorgerufen, in seiner Gewalt läge, sie wieder dahin zurückzubringen. Wenn sich eines von diesen Wesen ihm näherte, war er bereit, das Zeichen des Kreuzes zu machen.

Er erreichte die Rue Saint-Honoré und folgte dieser, nach der Rue de la Ferronnerie zuschreitend. Hier änderte sich die Gestalt der Dinge. Kaufleute liefen von Bude zu Bude; die Thüren schienen geschlossen wie die Läden, aber sie waren nur angelehnt, so daß sie sich leicht öffneten und wieder zugemacht wurden, sobald die Menschen aus- und einschlüpfen wollten, welche sich zu fürchten schienen, man könnte das, was sie trugen, sehen. Diese Leute waren die Budeninhaber, welche Waffen besaßen und denen, die keine hatten, solche liehen.

Ein Mensch ging gebeugt unter der Last von Schwertern, Büchsen, Musketen, Waffen aller Art von Thüre zu Thüre und gab diese je nach den Verhältnissen ab. Bei dem Schimmer einer Laterne erkannte der Coadjutor Planchet.

Der Coadjutor erreichte durch die Rue de la Monnaie den Quai; auf dem Quai standen unbewegliche Gruppen von Männern in schwarzen oder grauen Mänteln, je nachdem sie der hohen oder der niedern Bürgerschaft angehörten, während einzelne Menschen von einer Gruppe zu der andern gingen. Alle diese schwarzen oder grauen Mäntel waren hinten durch das Ende eines Degens, vorne durch den Lauf einer Büchse oder einer Muskete aufgehoben.

Als der Coadjutor auf den Pont-Neuf kam, fand er diese Brücke bewacht. Ein Mann näherte sich ihm.

»Wer seid Ihr?« fragte dieser Mann, »ich erkenne Euch nicht als einen der Unsern.«

»Ihr erkennt Euere Freunde nicht, mein lieber Herr Louvières,« sprach der Coadjutor, den Hut lüpfend.

Louvières erkannte ihn und verbeugte sich.

Gondy setzte seine Runde fort und ging bis zu der Tour de Nesle hinab. Hier sah er eine lange Reihe von Menschen, welche an den Mauern hinschlüpften. Man hätte glauben sollen, es wäre eine Prozession von Gespenstern, denn sie hatten sich insgesamt in weiße Mäntel gehüllt. An eine gewisse Stelle gelangt, schienen alle diese Leute hinter einander zu verschwinden, als ob die Erde unter ihren Füßen gewichen Ware. Gondy lehnte sich in eine Ecke und sah sie von dem ersten bis zu dem vorletzten verschwinden. Dieser schlug die Augen ans, ohne Zweifel, um sich zu versichern, daß er und seine Genossen nicht bespäht würden, und erblickte Gondy trotz der Dunkelheit. Er ging gerade auf ihn zu und setzte ihm die Pistole auf die Brust.

»Holla! Herr von Rochefort,« sagte Gondy lachend, »keinen Scherz mit Feuergewehren.«

Rochefort erkannte die Stimme und erwiderte:

»Ah! Ihr seid es, Monseigneur.«

»Ich selbst. Aber was für Menschen führt Ihr da in die Eingeweide der Erde?«

»Meine fünfzig Rekruten vom Chevalier d’Humières. sie sind dazu bestimmt, bei den Chevaurlegers einzutreten, und haben als ganze Equipirung nichts erhalten, als ihre weißen Mantel.«

»Und Ihr geht?«

»Zu einem meiner Freunde, einem Bildhauer; nur steigen wir durch die Fallthüre hinab, durch welche er seine Marmorblöcke hinunterläßt.«

»Sehr gut.« sagte Gondy und druckte Rochefort die Hand; dieser stieg nun auch hinab und schloß die Fallthüre hinter sich.

Der Coadjutor ging wieder nach Hause. Es war ein Uhr Morgens. Er öffnete das Fenster und neigte sich hinaus, um zu horchen.

Durch die ganze Stadt herrschte ein seltsames, unerhörtes, unbekanntes Geräusch; man fühlte, daß in allen diesen finsteren Straßen etwas Ungewöhnliches, Furchtbares vorging. Von Zeit zu Zeit hörte man ein dumpfes Tosen, .dem eines sich zusammenballenden Sturmes oder einer steigenden Fluth ähnlich; aber nichts Klares, nichts Entschiedenes stellte sich vor den Geist; man hätte glauben sollen, es sei eines von den geheimnißvollen, unterirdischen Geräuschen, wie sieden: Erdbeben vorhergehen.

Das Werk der Empörung dauerte so die ganze Nacht fort. Am andern Morgen erwachend, schien Paris bei seinem eigenen Anblick zu beben. Alles hatte das Aussehen einer belagerten Stadt. Bewaffnete Männer standen bei den Barricaden mit drohenden Augen und die Muskete auf der Schulter. Patrouillen, Verhaftungen, sogar Executionen fand der Umhergehende auf jedem Schritte. Man packte die Federhüte und die goldenen Degen, um sie: »Es lebe Broussel! nieder mit Mazarin!« schreien zu lassen, und wer sich gegen die Ceremonie sträubte, wurde ausgezischt, angespuckt und sogar geschlagen. Man tödtete noch nicht, aber man fühlte, daß es nicht an Lust dazu gebrach.

Man hatte die Barricaden bis in die Nähe des Palais-Royal fortgeführt. Von der Rue des Bons-Enfans bis zu der Rue de la Ferronnerie, von der Rue Saint-Thomas du Louvre bis zum Pont-Neuf, von der Rue Richelieu bis zu der Porte Saint-Honoré waren zehntausend bewaffnete Menschen, von denen die Vordersten Aufforderungen den unempfindlichen Schildwachen des Regiments der Garden zuriefen, welche als Vedetten rings um das Palais-Royal aufgestellt waren, dessen Gitter man hinter ihnen wieder verschlossen hatte, eine Vorsichtsmaßregel, die ihre Lage sehr gefährlich machte. Mitten durch Alles dieses schwärmten Banden von hundert, von hundertundfünfzig, von zweihundert abgemagerten, bleichen, zerlumpten Menschen, welche eine Art von Standarten trugen, auf denen die Worte: »Seht das Elend des Volkes« geschrieben standen. Wohin die Menschen kamen, vernahm man wüthendes Geschrei, und es gab solcher Banden so viele, daß man überall schrie.

Groß war das Erstaunen von Anna von Oesterreich und von Mazarin. als sie aufstanden und man ihnen meldete, die am Abend zuvor noch so ruhige Cité erhebe sich in fieberhafter Bewegung; weder die Eine noch der Andere wollte an die Berichte glauben, die man ihnen erstattete, und Beide sagten, sie würden sich in dieser Hinsicht nur auf ihre Ohren und auf ihre Augen verlassen. Man öffnete ihnen ein Fenster: sie sahen, sie hörten und wurden überzeugt.

Mazarin zuckte die Achseln und gab sich den Anschein, als verachte er diesen Pöbel; aber er erbleichte sichtbar und lief zitternd in sein Cabinet, schloß sein Gold und seine Juwelen in seine Koffer und steckte seine schönsten Diamanten an die Finger. Wüthend und ihrem Willen allein überlassen, schickte die Königin nach dem Marschall Meilleraie, befahl ihm so viel Mannschaft zu nehmen, als er wollte, und nachzusehen, was dieser Spaß zu bedeuten hätte.

Der Marschall war gewöhnlich sehr verwegen und fürchtete sich vor nichts, denn er hegte gegen das Volk die hohe Verachtung, welche den Kriegsleuten eigenthümlich ist; er nahm hundertundfünfzig Mann und wollte über den Pont de Louvre hinausreiten, aber hier traf er Rochefort mit seinen fünfzig Chevaurlegers und in Begleitung von wenigstens fünfzehnhundert Personen. Eine solche Barrière zu durchbrechen war nicht möglich. Der Marschall versuchte es nicht einmal und kehrte auf den Quai zurück.

Aber auf dem Pont-Neuf fand er Louvières und seine Bürger. Diesmal versuchte es der Marschall anzugreifen, doch er wurde mit Musketenschüssen empfangen, während die Steine wie Hagel aus allen Fenstern flogen. Er ließ dabei drei Menschen.

Er zog sich nach dem Quartiere der Hallen zurück; hier aber fand er Planchet und seine Hellebardiere. Die Hellebarden wurden ihm drohend entgegengestreckt; er wollte über alle diese Graumäntel wegreiten, doch die Graumäntel hielten Stand und der Marschall wich, vier von seinen Garden, welche ganz sachte mit dem blanken Gewehr getödtet worden waren, auf dem Platze zurücklassend, nach der Rue der Saint-Honoré zurück.

Er drang nun in diese Straße; hier aber fand er die Barricaden des Bettlers von Saint-Eustache. Sie waren nicht nur von bewaffneten Männern, sondern auch von Weibern und Kindern bewacht. Meister Friquet, der Besitzer eines Degens und einer Pistole – Beides von Louvières ihm geschenkt – hatte eine Bande von Bürschchen wie er organisirt und mochte einen furchtbaren Lärmen.

Der Marschall hielt diesen Punkt für schlechter bewacht, als die anderen, und wollte ihn forciren. Er ließ zwanzig Mann absitzen, um die Barricade zu durchbrechen und zu öffnen. Die zwanzig Mann gingen, während er und der Rest seiner Truppe die Angreifenden zu Pferde beschützen würden, auf das Hinderniß los, aber hier hinter den Kothhäufen hervor, zwischen den Rädern der Karren durch, von den Steinen herab begann ein furchtbares Schießen und bei dem Lärmen dieses Schießens erschienen die Hellebardiere von Planchet an der Ecke des Cimetière des Innocents und die Bürger von Louvières an der Ecke der Rue de la Monnaie.

Der Marschall de la Meilleraie war zwischen zwei Feuer genommen.

Der Marschall de la Meilleraie war tapfer und beschloß, auf dem Platze zu sterben. Er gab Schuß für Schuß zurück und das Gebrüll des Schmerzes fing an in der Menge zu ertönen. Besser geübt, schossen die Garden richtiger; aber viel zahlreicher, schmetterten sie die Bürger unter einem wahren Eisenorkan nieder. Seine Leute fielen um ihn her, wie sie nur bei Rocroy und Lerida hatten fallen können. Fontrailles, seinem Adjutanten, wurde der Arm zerschmettert, sein Pferd bekam eine Kugel in den Hals, und er hatte große Mühe, es zu bemeistern, denn der Schmerz machte es beinahe verrückt. Endlich war man zu dem äußersten Augenblicke gelangt, wo der Bravste den Schauer in seinen Adern und den Schweiß auf seiner Stirne fühlt, als plötzlich auf der Seite der Rue de l’Arbre-Sec die Menge unter dem Geschrei: »Es lebe der Herr Coadjutor!« sich öffnete und Gondy im bischöflichen Gewände erschien, ganz gelassen mitten durch das Gewehrfeuer wandelnd und rechts und links so ruhig seinen Segen spendend, als ob er die Frohnleichnams-Prozession führte.

 

Alles fiel auf die Kniee.

Der Marschall erkannte ihn, ritt auf ihn zu und sagte:

»Helft mir im Namen des Himmels von hier weg, oder ich muß meine Haut und die aller meiner Leute lassen.«

Es war ein solches Getöse, daß man das Rollen des Donners nicht gehört hatte. Gondy hob die Hände empor und forderte Stille. Man schwieg.

»Meine Kinder,« sprach er, »hier ist der Herr Marschall de la Meilleraie, in dessen Absichten Ihr Euch getäuscht habt; er macht sich verbindlich, bei seiner Rückkehr in den Louvre in Euerm Namen die Königin um die Freilassung unseres Broussel zu bitten. Macht Ihr Euch hierzu anheischig, Marschall?« fügte Gondy, sich an la Meilleraie wendend, bei.

»Bei Gott,« rief dieser, »ich mache mich allerdings hierzu anheischig. Ich glaubte nicht so wohlfeilen Kaufes loszukommen.«

»Er gibt Euch sein adeliges Ehrenwort,« sprach Gondy.

Der Marschall hob als Zeichen der Beipflichtung die Hand auf.

»Es lebe der Coadjutor!« rief die Menge. Einige Stimmen fügten sogar bei: »Es lebe der Marschall!« Alle aber wiederholten im Chor: »Nieder mit Mazarin!«

Die Menge wich auf beiden Seiten zurück; der Weg der Rue Saint-Honoré war der kürzeste. Man öffnete die Barricaden, der Marschall und der Rest seiner Truppe zogen sich zurück, Friquet und seine Banditen voran, wobei die Einen Trommeln, die Andern den Ton der Trompete nachahmten.

Es war beinahe ein Triumphzug; nur schlossen sich die Barricaden hinter dem Marschall wieder; der Marschall nagte sich an den Fingern.

Während dieser Zeit befand sich Mazarin, wie gesagt, in seinem Cabinet und brachte seine kleinen Angelegenheiten in Ordnung. Er hatte nach d’Artagnan, geschickt, hoffte aber nicht, ihn mitten unter diesem Tumulte zu sehen; d’Artagnan hatte nicht Dienst. Nach Verlauf von zehn Minuten erschien d’Artagnan, gefolgt von seinem unzertrennlichen Porthos, auf der Schwelle.

»Ah! herein, herein, Herr d’Artagnan,« rief der Cardinal, »und seid, so wie Euer Freund, willkommen. Aber was geht denn in dem verdammten Paris vor?«

»Was vorgeht, Monseigneur? nichts Gutes,« erwiderte d’Artagnan den Kopf schüttelnd; »die Stadt ist in vollem Aufruhr und so eben, als ich mit Herrn du Vallon hier, der Euer ergebener Diener ist, durch die Rue Montorgueil kam, wollte man uns trotz meiner Uniform und vielleicht gerade wegen meiner Uniform zwingen: »Es lebe Broussel!« zu rufen, und darf ich sagen, was wir noch mehr rufen sollten?«

»Sprecht, sprecht.«

»»Nieder mit Mazarin!«« Meiner Treue, das Wort ist heraus!«

Mazarin lächelte, wurde aber sehr bleich und versetzte:

»Und Ihr habt gerufen?«

»Meiner Treue, nein,« sprach d’Artagnan, »ich war nicht bei Stimme, und Herr du Vallon ist heiser und hat eben so wenig gerufen. Dann, Monseigneur …«

»Was dann?«

»Schaut meinen Hut und meinen Mantel an.«

Und d’Artagnan zeigte vier Löcher von Kugeln an seinem Mantel und zwei an seinem Hute. Ein Hellebardenstoß hatte den Rock von Porthos an der Seite aufgeschlitzt, ein Pistolenschuß hatte seine Feder weggerissen.

»Teufel!« sagte der Cardinal nachdenkend und die zwei Freunde mit naiver Bewunderung anschauend, »ich hätte gerufen.«

In diesem Augenblick kam der Lärmen näher.

Mazarin trocknete sich die Stirne ab und schaute umher. Er hatte große Lust, an das Fenster zu treten, aber er wagte es nicht.

»Seht nach, was vorgeht, Herr d’Artagnan,« sagte er.

D’Artagnan trat mit seiner gewöhnlichen Sorglosigkeit an das Fenster.

»Oh! oh!« rief er, »was ist das? Der Marschall de la Meilleraie kommt ohne Hut zurück, Fontrailles trägt seinen Arm in der Binde, verwundete Garden, Pferde ganz mit Blut überzogen … Doch was machen die Schildwachen? sie schlagen an, sie wollen schießen.«

»Sie haben Befehl erhalten, auf das Volk zu schießen,« rief Mazarin, »wenn es sich dem Palais-Royal nähern würden.«

»Wenn sie Feuer geben, ist Alles verloren,« sprach d’Artagnan.

»Wir haben die Gitter.«

»Die Gitter! sie sind für fünf Minuten; die Gitter! sie werden ausgerissen, umgedreht, zermalmt. Schießt nicht, Mord und Tod!« rief d’Artagnan, das Fenster öffnend.

Trotz dieses Befehls, der mitten im Tumulte nicht gehört werden konnte, erschollen drei oder vier Musketenschüsse, worauf ein furchtbares Feuern folgte: man Hörte die Kugeln an der Fassade des Palais-Royal rasseln; eine derselben ging unter dem Arme von d’Artagnan durch und zerschmetterte einen Spiegel, in weichem sich Porthos wohlgefällig betrachtete.

»Oh weh!« rief der Cardinal, »ein venetianischer Spiegel.«

»Oh! Monseigneur,« sprach d’Artagnan ruhig das Fenster wieder schließend, »weint noch nicht, es ist nicht der Mühe Werth, denn in einer Stunde wird wahrscheinlich nicht ein einziger von allen Euren Spiegeln, mögen sie von Venedig oder von Paris herstammen, im Palais-Royal mehr, übrig sein.«

»Aber wozu rathet Ihr denn?« sagte der Cardinal zitternd.

»Morbleu! ihnen Broussel herauszugeben, da sie denselben von Euch verlangen! Was Teufels wollt Ihr mit einem Rathe des Parlaments machen? Er taugt zu nichts.«

»Und Ihr, Herr du Vallon, was ist Euere Meinung? Was würdet Ihr thun?«

»Ich würde Broussel herausgeben,« erwiderte Porthos.

»Kommt, kommt, meine Herren!« rief Mazarin; »ich will mit der Königin von der Sache sprechen.«

Am Ende des Corridors blieb er stille stehen und sagte:

»Ich kann auf Euch zählen, meine Herren, nicht wahr?«

»Wir geben uns nicht zweimal,« antwortete d’Artagnan; wir haben uns Euch gegeben, befehlt, wir werden gehorchen.«

»Gut! sagte Mazarin, »tretet in dieses Cabinet und wartet.«

Und einen Umweg machend, kehrte er durch eine andere Thüre in den Salon zurück.

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