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Zwanzig Jahre nachher

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XVIII
Der Brief von Karl I

Nun muß der Leser mit uns über die Seine setzen und uns in das Carmeliterinnen-Kloster der Rue-Saint-Jacques folgen.

Es ist elf Uhr Morgens und die frommen Schwestern haben so eben eine Messe für den Erfolg der Waffen von König Karl I. gehalten. Von der Kirche aus sind eine junge Frau und ein junges Mädchen, beide schwarz gekleidet, die Eine wie eine Wittwe, die Andere wie eine Waise, in ihre Zelle zurückgekehrt.

Die Frau ist vor ein gemaltes hölzernes Betpult niedergekniet und einige Schritte von ihr steht, auf einen Stuhl gestützt, das junge Mädchen und weint.

Die Frau muß schön gewesen sein, aber man sieht, daß die Zähren sie alt gemacht haben. Das junge Mädchen ist reizend und die Thränen verschönern es noch. Die Frau scheint vierzig, das Mädchen vierzehn Jahre alt zu sein.

»Mein Gott, sprach die knieende Beterin, »erhalte meinen Gatten, erhalte meinen Sohn und nimm mein so trauriges, so elendes Leben.«

»Mein Gott,« sprach das junge Mädchen, »erhalte mir meine Mutter!«

»Deine Mutter vermag nichts mehr für Dich in dieser Welt, Henriette,« sprach, sich umwendend, die betrübte Frau; »Deine Mutter hat weder Thron, noch Gemahl, noch Sohn, noch Freunde. Deine Mutter, mein armes Kind, ist von der ganzen Welt verlassen.«

Und in die Arme ihrer Tochter stürzend, brach die Frau in ein lautes Schluchzen aus.

»Meine Mutter, fasst Muth,« rief das junge Mädchen.

»Ah, die Könige sind unglücklich in diesem Jahre,« sprach die Mutter und legte ihr Haupt auf die Schulter des Kindes. »Niemand denkt an uns in diesem Lande, denn Jeder denkt nur an seine eigenen Angelegenheiten. So lange Dein Bruder noch bei uns war, unterstützte er mich, aber Dein Bruder ist abgereist und gegenwärtig nicht einmal im Stande, Dir oder seinem Vater Nachricht zu geben. Ich habe meine, letzten Juwelen verpfändet, meine Kleider und die Deinigen verkauft, um die Gehalte seiner Diener zu bezahlen, welche sich weigerten, ihn zu begleiten, wenn ich nicht dieses Opfer gebracht hätte. Nun sind wir darauf beschränkt, auf Kosten der Töchter des Herrn zu lesen. Wir sind Arme, auf die Hilfe Gottes angewiesen.«

»Aber warum wendet Ihr Euch nicht an die Königin, Eure Schwester?« fragte das Mädchen.

»Ah,« antwortete die Bekümmerte, dies-Königin, meine Schwester, ist nicht mehr Königin, mein Kind, und ein Anderer regiert in ihrem Namen. Eines Tags wirst Du das begreifen.«

Also an den König, Euern Neffen; soll ich mit ihm sprechen? Ihr wißt, wie sehr er mich liebt, meine Mutter.«

»Ach, der König, mein Neffe, ist noch nicht König, und ihm selbst, wie Du weißt, La Porte hat es uns zwanzig Mal gesagt, fehlt es an Allem.«

»Dann wollen wir uns an Gott wenden,« sprach das junge Mädchen.

Und es kniete neben seine Mutter nieder.

Die zwei Frauen, welche so neben einander vor demselben Betpulte knieten, waren die Tochter und die Enkelin von Heinrich IV., die Frau und die-Tochter von Karl I.

Sie hatten so eben ihr Doppelgebet vollendet, als eine Nonne sachte an die Thüre klopfte.

»Herein, meine Schwester,« sprach die Aeltere von den Frauen, indem sie ihre Thränen abtrocknete und sich erhob.

Die Nonne öffnete ehrfurchtsvoll die Thüre.

»Eure Majestät wolle mich gnädigst entschuldigen, wenn ich sie in ihren Betrachtungen störe,« sagte sie; »aber es ist ein Fremder im Sprechzimmer, der von England kommt und sich die Ehre erbittet, Eurer Majestät einen Brief übergeben zu dürfen.«

»Ah, einen Brief! einen Brief vom König vielleicht! Hörst Du? ohne Zweifel Nachrichten von Deinem Vater, Henriette.«

»Ja, Madame, ich höre und hoffe.«

»Und wer ist der Herr, sprecht.«

»Ein Edelmann von fünfundvierzig bis fünfzig Jahren.«

»Hat er seinen Name genannt?«

»Mylord von Winter.«

»Mylord von Winter!« rief die Königin, »der Freund meines Gatten? O laßt ihn eintreten!«

Und die Königin lief dem Boten entgegen und faßte ihn bei der Hand.

Lord Winter kniete in die Zelle eintretend nieder und übergab der Königin einen in einem goldenen Etui verwahrten Brief.

»Ah, Mylord,« sprach die Königin, »Ihr bringt uns drei Dinge, die wir seit langer Zeit nicht mehr gesehen haben: Gold, eine ergebene Seele und einen, Brief von unserem Gemahl und Herrn.«

»Lord Winter verbeugte sich, aber er vermochte nicht zu antworten, so erschüttert war er.

»Mylord,« sprach die Königin auf den Brief deutend, »Ihr begreift, daß es mich drängt, zu erfahren, was dieses Papier enthält.«

»Ich entferne mich, Madame,« sprach der Lord.

»Nein, bleibt,« sagte die Königin, »wir werden vor Euch lesen. Begreift Ihr nicht, daß ich tausend Fragen an Euch zu machen habe?«

Der Lord ging einige Schritte zurück und blieb dann schweigend stille stehen.

Die Mutter und die Tochter zogen sich in eine Fenstervertiefung zurück und lasen gierig, die Tochter auf den Arm der Mutter gestützt, folgenden Brief:

»Madame und theure Gemahlin!

»Wir sind am Ziele angelangt. Alle Quellen, »welche mir Gott gelassen hat, sind in dem Lager von Naseby concentrirt, von wo aus ich Euch in Eile schreibe. Hier erwarte ich das Heer meiner meuterischen Unterthanen und ich werde zum letzten Male gegen sie streiten. Bin ich Sieger, so setze ich den Kampf auf lange Zeiten fort, werde ich besiegt, so bin ich gänzlich verloren. In letzterem Falle (ach! in unserer Lage muß man Alles vorhersehen) will ich die Küste von Frankreich zu erreichen suchen; aber kann man dort, will man einen unglücklichen König ausnehmen, der ein so trauriges Beispiel in ein bereits durch bürgerliche Zwistigkeiten aufgeregtes Land bringt?« Eure Weisheit und Eure Liebe sollen mir als Führer dienen. Der Ueberbringer dieses Briefes, Madame, wird Euch sagen, was ich nicht der Gefahr eines Zufalls anvertrauen kann. Er wird Euch erklären, welchen Schritt ich von Euch erwarte. Ich beauftrage ihn auch mit meinem Segen für meine Kinder und mit allen Gefühlen meines Herzens für Euch, Madame und theure Gemahlin.«

Der Brief war unterzeichnet statt Karl König – Karl noch König.

So traurig das Lesen dieses Briefes war, dessen Eindrücke Winter auf dem Gesichte der Königin verfolgte, so brachte es doch in ihre Augen einen Strahl der Hoffnung.

»Er mag nicht mehr König sein,« rief sie, »er mag besiegt, verbannt, geächtet werden, er lebe nur. Ach, der Thron ist heut zu Tage ein zu gefährlicher Posten, als daß ich wünschen könnte, er möchte auf demselben bleiben. Doch sagt mir, Mylord,« fuhr die Königin fort, »verhehlt mir nichts: wo ist der König? Ist seine Lage so verzweifelt, als er denkt?«

»Ach, Madame, noch verzweifelter, als er selbst glaubt. Seine Majestät hat ein so gutes Herz, daß er den Haß nicht begreift. Der König ist so ritterlich, daß er den Verrath nicht ahnt. England ist von einem Schwindelgeiste befallen, der, ich befürchte es, nur im Blute erlöschen wird.«

»Aber Lord Montrose,« antwortete die Königin, »ich hörte von raschen und großen Siegen, von Schlachten, gewonnen in Inverlashy, in Alfort und in Kilsyth, ich hörte sagen, er marschiere an die Grenze, um sich mit dem König zu verbinden?«

»Ja, Madame, aber an der Grenze traf er Lesly; er hatte den Sieg durch übermenschliche Unternehmungen ermüdet; der Steg verließ ihn. In Phillipaugh geschlagen, war Montrose, genöthigt, die Reste seines Heeres zu verabschieden und als Bedienter verkleidet zu fliehen. Er befindet sich in Bergen in Bergen in Norwegen.«

»Gott beschütze ihn!« sprach die Königin; »es ist wenigstens ein Trost, zu wissen, daß diejenigen, welche so oft ihr Leben für uns gewagt haben, in Sicherheit sind. Und nun, Mylord, da ich die Lage des Königs so sehe, wie sie ist, d.h. verzweifelt, so sagt mir, was Ihr mir im Austrage meines königlichen Gemahls mitzutheilen habt.«

»Wohl, Madame,« antwortete-Winter, »der König, Euer Gemahl, wünscht, daß Ihr die Stimmung des Königs und der Königin in Beziehung auf ihn erforschen möget.«

»Ach, Ihr wißt es,« antwortete die Königin, »der König ist nur ein Kind und die Königin eine Frau und zwar eine sehr schwache. Herr von Mazarin ist Alles.«

»Sollte er in Frankreich die Rolle spielen wollen, welche Cromwell in England spielt?«

»oh nein, es ist ein geschmeidiger, verschlagener Italiener, dem es vielleicht von Verbrechen träumt, der es aber nie wagt, sie zu begehen, und gerade im Gegensatz gegen Cromwell, welcher über zwei Kammern verfügt, hat Mazarin im Parlament nur die Königin zur Stütze.«

»Ein Grund mehr, daß er einen König beschützt, den die Parlamente verfolgen.«

Die Königin schüttelte voll Bitterkeit den Kopf.

»Wenn ich meinem eigenen Urtheile trauen darf,« sagte sie, »so wird der Cardinal nichts thun oder vielmehr gegen uns sein. Meine Gegenwart und die meiner Tochter belästigen ihn bereits; um so mehr wird ihm die des Königs zur Last sein. Mylord,« fügte Henriette schwermüthig lächelnd bei: »es ist traurig und beinahe schmählich, zu bekennen, daß wir den Winter im Louvre ohne Geld, ohne Wäsche, fast ohne Brod zugebracht haben und zuweilen in Ermanglung von Holz nicht aufgestanden sind.«

»Schauderhaft!« rief der Lord, »die Tochter von Heinrich IV., die Frau von König Karl. Warum wandtet Ihr Euch nicht an den ersten Besten von uns?«

»Das ist die Gastfreundschaft, welche einer Königin der Minister gibt, von dem sie ein König verlangen will.«

»Aber ich hörte von einer Heirath zwischen Seiner Hoheit, dem Prinzen von Wales, und Mademoiselle von Orleans sprechen,« sagte der Lord.

»Ja, ich hatte einen Augenblick Hoffnung dazu; die Kinder liebten sich; aber die Königin, welche Anfangs zu dieser Liebe die Hände bot, hat ihre Ansichten verändert; der Herr Herzog, der das Entstehen ihrer Vertraulichkeit ermuthigt hatte, verbot seiner Tochter, ferner an diese Verbindung zu denken. Ah, Mylord,« fuhr die Königin fort, ohne daß sie daran dachte, ihre Thränen zu trocknen, »es ist besser, zu kämpfen, wie es der König, gethan hat, und zu sterben, wie er es vielleicht thun wird, denn als Bettlerin zu leben, wie ich es thue.«

 

»Muth, Madame,« sprach Lord Winter, »Muth, verzweifelt nicht. Es liegt in den in diesem Augenblick so sehr erschütterten Interessen von Frankreich, den Aufruhr bei dem ihm benachbarten Volke zu bekämpfen. Mazarin ist ein Staatsmann und er wird diese Nothwendigkeit begreifen.«

»Aber seid Ihr sicher,« sagte die Königin, »daß man Euch nicht zuvorkommen wird?«

»Wer soll mir zuvorkommen?«

»Joye, Pridge, Cromwell.«

»Ein Schneider, ein Krämer, ein Bierbrauer! Ach, ich hoffe, Madame, der Cardinal würde mit solchen Menschen nicht in Verbindung treten.«

»Ei, was ist er denn selbst,« fragte Henriette.

»Aber für die Ehre des Königs, für die der Königin …«

»Wir wollen hoffen, daß er etwas für diese Ehre thut,« erwiderte Henriette. »Ein Freund besitzt eine so gute Beredtsamkeit, daß Ihr mich beruhigt. Gebt mir also Eure Hand und gehen wir zu dem Minister.«

»Madame,« sprach der Lord sich verbeugend, »diese Ehre macht mich ganz verwirrt.«

»Aber wenn er sich weigerte,« sagte Henriette stille stehend, »und wenn der König die Schlacht verlöre.«

»So würde Seine Majestät nach Holland fliehen, wo, wie ich vernommen habe, Seine Hoheit, der Prinz von Wales, verweilt.«

»Könnte Seine Majestät für die Flucht auf viele so treue Diener zahlen, wie Ihr seid?«

»Ach nein, Madame, aber es ist für den Fall vorhergesehen, und ich habe Verbündete in Frankreich.«

»Verbündete?« sprach die Königin den Kopf schüttelnd.

»Madame, wenn ich alte Freunde wiederfinde, die ich einst gehabt habe, so stehe ich für Alles.«

»Vorwärts, Mylord,« sagte die Königin, mit dem peinigenden Zweifel von Leuten, welche lange Zeit unglücklich gewesen sind; »gehen wir, und Gott erhöre Euch.«

Die Königin stieg in den Wagen und der Lord begleitete sie zu Pferde, gefolgt von zwei Lackeien.

XIX
Der Brief von Cromwell

In dem Augenblick, wo Madame Henriette die Carmeliter verließ, um sich in das Palais-Royal zu begeben, stieg ein Reiter vor dem Thore dieses königlichen Wohngebäudes vom Pferde und kündigte den Wachen an, er habe dem Cardinal Mazarin etwas Wichtiges mitzutheilen.

Obgleich der Cardinal oft Furcht hatte, so war er doch ziemlich zugänglich, denn er bedurfte noch viel öfter des Rathes und der Auskunft. Man fand nicht an der ersten Thüre die wahre Schwierigkeit, selbst die zweite öffnete sich leicht; aber an der dritten wachte außer seiner Garde und den Huissiers der getreue Bernouin, der Cerberus, den kein Wort zu biegen, kein Stab, und wäre er von Gold gewesen, zu bezaubern vermochte.

An der dritten Thüre mußte also derjenige, welcher um eine Audienz bat oder diese forderte, sich einem förmlichen Verhöre unterziehen.

Der Reiter ließ sein Pferd an einem Gitter im Hofe gebunden, stieg die große Treppe hinaus und sagte, sich an die Wachen im ersten Saale wendend:

»Der Herr Cardinal Mazarin?«

»Gebt weiter!« antworteten die Wachen, ohne aufzuschauen; die Einen beugten sich über ihre Karten, die Andern über ihre Würfel, und sie waren insgesamt darüber erfreut, daß sie zu verstehen geben konnten, sie hätten nicht den Dienst der Lackeien zu thun.

Der Reiter trat in den zweiten Saal. Dieser war von den Musketieren und den Huissiers bewacht.

Er wiederholte seine Bitte.

»Ihr habt einen Audienzbrief?« fragte ein Huissier ihm entgegentretend.

»Ich habe einen, aber nicht von dem Cardinal von Mazarin.«

»Gebt hinein und fragt Herrn Bernouin, sprach der Huissier.

Und er öffnete die Thüre des dritten Zimmers.

Mag es Zufall sein, mag er sich auf seinem gewöhnlichen Posten befunden haben, Bernouin stand hinter dieser Thüre und hatte Alles gehört.

»Ihr sucht mich, mein Herr?« sprach er.

»Von wem ist der Brief, den Ihr Seiner Eminenz bringt?«

»Vom General Oliver Cromwell, antwortete der Reiter. »Wollt diesen Namen Seiner Eminenz sagen, und mir dann eröffnen, ob Monseigneur mich empfangen will, oder nicht.«

Und er verharrte in der düsteren, stolzen, den Puritanern eigenthümlichen Haltung.

Nachdem Bernouin den jungen Mann von oben bis unten mit einem forschenden Blicke angeschaut hatte, ging er in das Cabinet des Cardinals, dem er die Worte des Boten überbrachte.

»Ein Mensch, der einen Brief von Oliver Cromwell bringt?« sagte Mazarin, »und was für ein Mensch ist es?«

»Ein wahrer Engländer, Monseigneur. Haare blond, roth, mehr roth als blond; Augen grau, blau, mehr grau als blau. Im Uebrigen Stolz und Steifheit.«

»Laß Dir den Brief von ihm geben.«

»Monseigneur verlangt den Brief,« sprach Bernouin, aus dem Cabinet wieder in das Vorzimmer tretend.

»Monseigneur wird den Brief nicht ohne den Träger sehen,« antwortete der junge Mann; »aber um Euch zu überzeugen, daß ich wirklich der Träger eines Briefes bin, schaut, hier ist er.«

Bernouin betrachtete das Siegel, und als er sah, daß der Brief vom General Oliver Cromwell kam, schickte er sich an, zu Mazarin zurückzukehren.

»Fügt bei,« sagte der junge Mann, »daß ich nicht, ein gewöhnlicher Bote, sondern ein außerordentlicher Gesandter hin.«

Bernouin kehrte in das Cabinet zurück und kam nach einigen Secunden wieder heraus.

»Tretet ein, mein Herr,« sagte er, die Thüre offen haltend.«

Mazarin bedurfte alles dieses Hin- und Hergehens, um die Aufregung einigermaßen zu beschwichtigen, die ihm die Ankündigung dieses Briefes verursacht hatte. So scharfsichtig sein Geist auch war, so suchte er doch vergebens nach dem Beweggrunde, welcher Cromwell mit ihm in Verbindung zu treten veranlaßt haben dürfte.

Der junge Mann erschien auf der Schwelle des Cabinets. Er hielt seinen Hut in einer Hand und den Brief in der anderen.«

Mazarin stand auf.

»Ihr habt ein Beglaubigungsschreiben für mich, mein Herr?«

»Hier ist es, Monseigneur.«

Mazarin nahm den Brief, entsiegelte ihn und las;

»Herr Mordaunt, einer meiner Secretäre wird Seiner Eminenz, dem Cardinal Mazarin in Paris, dieses Einführungsschreiben überreichen. Er ist außerdem der Ueberbringer eines vertraulichen Briefes für Seine Eminenz.

Oliver Cromwell.«

»Sehr gut, Herr Mordaunt,« sprach Mazarin; »gebt mir den zweiten Brief und setzt Euch.«

Der junge Mann zog einen zweiten Brief aus seiner Tasche, gab ihn dem Cardinal und setzte sich.

Ganz in Gedanken versunken hatte der Cardinal mittlerweile den Brief genommen und drehte denselben, ohne ihn zu entsiegeln, in seiner Hand hin und her. Um aber den Boten von jeder Betrachtung abzubringen, fing er an, ihn seiner Gewohnheit gemäß zu befragen, und sagte, durch die Erfahrung überzeugt, daß es nur wenigen Menschen gelang, ihm etwas zu verbergen, wenn er zugleich fragte und anschaute:

»Ihr seid sehr jung, Herr Mordaunt, für das harte Geschäft eines Botschafters, wobei zuweilen die ältesten Diplomaten scheitern.«

»Monseigneur, ich zähle drei und zwanzig Jahre, aber Eure Eminenz täuscht sich, wenn sie mir sagt, ich sei sehr jung; ich bin älter als sie, obgleich ich nicht ihre Weisheit besitze.«

»Wie so, mein Herr?« sprach Mazarin, »ich verstehe Euch nicht.«

»Monseigneur, die Leidensjahre zählen doppelt, und ich leide seit zwanzig Jahren.«

»Ah, ja, ich begreife,« sagte Mazarin; »Ihr habt kein Vermögen, nicht wahr, Ihr seid arm?«

Dann fügte er in seinem Innern bei: »Diese englischen Revolutionäre sind lauter Bettler und Bauernkerle.«

»Monseigneur, ich sollte eines Tags ein Vermögen von sechs Millionen besitzen, aber man hat es mir genommen.«

»Ihr seid also kein Mann aus dem Volke?« fragte Mazarin erstaunt.

»Würde ich meinen Titel führen, so wäre ich Lord, würde ich meinen Namen führen, so hättet Ihr einen der erhabensten Namen Englands gehört.«

»Wie heißt Ihr denn?«

»Ich heiße Herr Mordaunt,« sprach der junge Mann sich verbeugend.

Mazarin begriff, daß der Abgesandte von Cromwell sein Incognito zu bewahren wünschte.

Er schwieg einen Augenblick, aber während dieses Augenblicks schaute er ihn mit noch größerer Aufmerksamkeit an, als er es das erste Mal gethan hatte.

Der junge Mann blieb völlig kalt und unempfindlich.

Zum Teufel mit diesen Puritanern!« sagte Mazarin ganz leise; »sie sind aus Marmor gehauen.«

Und ganz laut fügte er bei:

»Aber Ihr habt noch Verwandte?«

»Ja, einen, Monseigneur.«

»Er wird Euch unterstützen.«

»Ich habe mich dreimal zu ihm begeben, um ihn um seine Unterstützung zu bitten, und dreimal ließ er mich durch seine Bedienten fortjagen.«

»Oh, mein Gott, mein lieber Herr Mordaunt,« sprach Mazarin in der Hoffnung, ihn durch sein falsches Mitleid in irgend eine Falle zu bringen; »mein Gott, Eure Erzählung interessiert mich sehr. Ihr kennt also Eure Geburt nicht?«

»Ich kenne sie erst seit kurzer Zeit.«

»Und bis zu dem Augenblick, wo Ihr sie kennen lerntet?«

»Betrachtete ich mich als ein verlassenes Kind.«

»Ihr habt also Eure Mutter nie gesehen?«

»Doch wohl, Monseigneur. Als ich noch ein kleines Kind war, kam sie dreimal zu meiner Amme. Ihrer düsteren Erscheinung erinnere ich mich, als ob es heute wäre.«

»Ihr habt ein gutes Gedächtniß,« sprach Mazarin.

»O ja, Monseigneur,« antwortete der junge Mann mit einer so seltsamen Betonung, daß dem Cardinal ein Schauer durch die Adern lief.

»Und wer hat Euch aufgezogen?«

»Eine französische Amme, die mich fortschickte, als ich fünf Jahre alt war, weil sie Niemand mehr bezahlte. Sie nannte mir den Verwandten, von dem; meine Mutter oft mit mir gesprochen hatte.

»Was wurde dann aus Euch?«

»Da ich aus der Landstraße weinte und bettelte, nahm mich ein Pfarrer von Kingston auf, unterrichtete mich in der calvinischen Religion, ertheilte mir die ganze Wissenschaft, die er selbst besaß, und unterstützte mich in meinen Nachforschungen nach meiner Familie.«

»Und diese Nachforschungen?«

»Blieben fruchtlos; der Zufall that Alles.«

»Ihr entdeckt, was das Schicksal Eurer Mutter gewesen war?«

»Ich erfuhr, daß sie dieser Verwandte mit Hilfe von vier Freunden ermordet hatte. Aber ich wußte bereits, daß ich des Adels verlustig war und daß mich der König Karl l. aller meiner Güter beraubt hatte.«

»Ah, ich begreife jetzt, warum Ihr Herrn Cromwell dient. Ihr haßt den König?«

»Ja, Monseigneur, ich hasse ihn,« antwortete der junge Mann.

Mazarin gewahrte mit Erstaunen den teuflischen Ausdruck mit dem der junge Mann diese Worte sprach; während sich die gewöhnlichen Gesichter mit Blut färben, färbte sich sein Gesicht mit Galle und wurde leichenblaß.

»Eure Geschichte ist furchtbar, Herr Mordaunt, und rührt mich im höchsten Maße; aber zu Eurem Glücke dient Ihr einem allmächtigen Herrn; er muß Euch in Euren Nachforschungen unterstützen.«

»Monseigneur, einem guten Racehunde muß man nur das eine Ende einer Fährte zeigen, damit er sicher zu dem andern gelangt.«

»Aber der Verwandte, dessen Ihr erwähnt habt, wollt Ihr, daß ich mit ihm spreche?« fragte Mazarin, dem daran lag, sich einen Freund bei Cromwell zu machen.

»Ich danke, Monseigneur, ich werde selbst mit ihm sprechen.«

»Sagtet Ihr mir nicht, er habe Euch mißhandelt?«

»Das erste Mal, wo ich ihn nun sehe, wird er mich besser behandeln.«

»Ihr habt also ein Mittel, ihn zu erweichen?«

»Ich habe ein Mittel, mich gefürchtet zu machen.«

Mazarin schaute den jungen Mann an, aber bei dem Blitze, der aus seinen Augen zuckte, senkte er den Kopf und öffnete, verlegen, dieses Gespräch fortzusetzen, den Brief von Cromwell.

Allmählich wurden die Augen des jungen Mannes wieder matt, glasig, wie gewöhnlich, und er versank in eine tiefe Träumerei. Nachdem Mazarin die ersten Zeilen gelesen hatte, wagte er es, verstohlen zu schauen, ob Mordaunt seine Physiognomie nicht beobachtete; als er seine Gleichgültigkeit wahrnahm, sagte er: unmerklich die Achseln zuckend:

»Laßt nur Eure Angelegenheiten von Leuten besorgen, die zugleich die ihrigen betreiben! Doch sehen wir, was der Brief von mir will.«

Wir geben hier diesen Brief wortgetreu.

»An Seine Eminenz Monseigneur den

Cardinal Mazarini.

»Ich wünschte Eure Absichten in Beziehung auf die gegenwärtigen Angelegenheiten von England zu kennen. Die zwei Königreiche sind sich zu nahe, als daß sich Frankreich nicht mit unserer Lage beschäftigen sollte, wie wir uns mit der von Frankreich beschäftigen. Die Engländer sind beinahe insgesamt einhellig für die Bekämpfung der Tyrannei von König Karl l. und seinen Parteigängern. Durch das öffentliche Vertrauen an die Spitze dieser Bewegung gestellt, weiß ich besser als irgend Jemand die Natur der Sache und ihre Consequenzen zu schätzen. Gegenwärtig führe ich Krieg und bin im Begriffe, König Karl l. eine entscheidende Schlacht zu liefern. Ich werde sie gewinnen, denn die Hoffnungen der Nation und der Geist des Herrn sind für mich. Ist diese Schlacht gewonnen, so hat der König weder in England noch in Schottland mehr Hilfsquellen, und wenn er nicht gefangen genommen oder getödtet wird, versucht er es, nach Frankreich überzugehen, um Soldaten rekrutieren und sich Waffen und Geld zu verschaffen. Bereits hat Frankreich die Königin Henriette aufgenommen und, ohne Zweifel unwillkürlich, einen Herd des unauslöschlichen Bürgerkrieges in meinem Lande unterhalten. Aber die Königin Henriette ist eine Tochter von Frankreich, und Frankreich war ihr wenigstens Gastfreundschaft schuldig. Was aber den König Karl betrifft, so nimmt die Frage ein anderes Gesicht an. Empfinge und unterstützte Frankreich den König, so würde es die Handlungen des englischen Volkes mißbilligen und England und namentlich dem Gange der Regierung so wesentlich schaden, daß ein solcher Zustand wirklichen Feindseligkeiten gleich käme.«

 

In diesem Augenblick hörte Mazarin, sehr beunruhigt durch die Wendung, die der Brief nahm, zu lesen auf und schaute den jungen Mann verstohlen an.

Er träumte immer noch.

Mazarin fuhr fort:

Es ist also dringend, Monseigneur, daß ich erfahre, woran ich mich in Beziehung auf die Absichten von Frankreich zu halten habe. Die Interessen dieses Königreichs und die von England sind, obgleich in umgekehrtem Sinne gelenkt, sich näher, als man glauben sollte. England bedarf der innern Ruhe, um die Vertreibung seines Königs zu vollenden. Frankreich bedarf dieser Ruhe, um den Thron seines jungen Monarchen zu befestigen. Ihr habt diesen innern Frieden so sehr wie wir nöthig, diesen Frieden, den wir durch die Energie unserer Regierung bereits berühren.

»Eure Streitigkeiten mit dem Parlament, Eure Zwistigkeiten mit den Prinzen, welche heute für Euch und morgen gegen Euch kämpfen, die Hartnäckigkeit des von dem Coadjutor, dem Präsidenten Blancmesnil und dem Rath Broussel angeführten Volkes, diese ganze Unordnung endlich, welche die verschiedenen, Stufen des Staates durchläuft, muß Euch mit Unruhe die Möglichkeit eines fremden Krieges betrachten lassen; denn dann würde England, im höchsten Maße aufgeregt durch die neuen Ideen, sich mit Spanien verbinden, das bereits auf eine solche Allianz abzielt. Bekannt mit Eurer Klugheit, Monseigneur, und mit der ganz persönlichen Stellung, die Euch die Ereignisse gegenwärtig geben, dachte ich, Ihr würdet lieber Eure Kräfte im Innern von Frankreich concentriren und die neue Regierung von England den ihrigen überlassen. Diese Neutralität besteht nun darin, daß Ihr den König Karl von dem Gebiete Frankreichs entfernt und diesen Eurem Lande völlig fremden König weder durch Waffen, noch durch Geld, noch durch Truppen unterstützt.

»Mein Brief ist also ganz vertraulicher Natur, und ich schicke Euch denselben durch einen Mann, der mein volles Zutrauen besitzt. Er geht in Folge eines Gefühles, das Eure Eminenz zu schätzen wissen wird, den Maßregeln voraus, die ich je nach den Ereignissen nehmen werde. Oliver Cromwell hat es für besser erachtet, mit einem verständigen Geiste, wie mit dem von Mazarin zu verhandeln, als mit einer Königin von allerdings bewunderungswürdiger Festigkeit, welche jedoch den eitlen Vorurtheilen der Geburt und der göttlichen Gewalt unterworfen ist.

»Gott befohlen, Monseigneur. Habe ich in vierzehn Tagen keine Antwort, so werde ich meinen Brief als nicht geschehen betrachten.

Oliver Cromwell.«

»Herr Mordaunt,« sagte der Cardinal, die Stimme erhebend, als wollte er den Träumer wecken; »meine Antwort auf diesen Brief wird um so befriedigender für den General Cromwell ausfallen, je mehr ich überzeugt sein kann, daß man nicht wissen wird, ich habe sie gegeben. Erwartet sie also in Boulogne-sur-Mer und versprecht mir, morgen früh abzureisen.«

»Ich verspreche es Euch, Monseigneur,« antwortete Mordaunt; »aber wie lange wird mich Eure Excellenz auf diese Antwort warten lassen?«

»Wenn Ihr sie in zehn Tagen nicht erhalten habt, könnt Ihr abgehen.«

Mordaunt verbeugte sich.«

»Das ist noch nicht Alles, mein Herr,« fuhr Mazarin fort. »Eure persönlichen Abenteuer haben mich lebhaft gerührt. Ueberdies macht Euch der Brief von Cromwell in meinen Augen so wichtig, wie einen Botschafter. Laßt hören, ich wiederhole es, was kann ich für Euch thun?«

Mordaunt überlegte einen Augenblick. Nach einem sichtbaren Zögern war er im Begriff, den Mund zu öffnen, um zu sprechen, als Bernouin hastig eintrat, sich an das Ohr des Cardinals neigte und ihm zuflüsterte:

»Monseigneur, die Königin Henriette erscheint soeben in Begleitung eines englischen Edelmanns im Palais-Royal.«

Mazarin machte auf seinem Stuhle eine heftige Bewegung, welche dem jungen Manne nicht entging und die vertrauliche Eröffnung zurückdrängte, die er ohne Zweifel machen wollte.

»Mein Herr,« sagte der Cardinal, »nicht wahr, Ihr habt gehört? Ich bestimme Euch Boulogne, weil ich denke, es wird Euch jede Stadt von Frankreich gleichgültig sein. Ziehet Ihr eine andere vor, so nennt dieselbe; aber Ihr begreift leicht, daß ich, umgeben von Einflüssen, denen ich nur durch Discretion entgehe, wünschen muß, daß Eure Anwesenheit in Paris unbekannt bleibe.«

»Ich werde abreisen, Monseigneur,« sprach Mordaunt und machte einige Schritte nach der Thüre, durch die er eingetreten war.

»Ich bitte Euch, nicht hier durch,« rief der Cardinal lebhaft; »wollt durch diese Gallerie gehen, von wo aus Ihr das Vestibule erreicht. Man soll Euch nicht sehen; unsere Zusammenkunft muß geheim bleiben.«

Mordaunt folgte Bernouin, der ihn in einen anstoßenden Saal treten ließ, wo er ihn einem Huissier, demselben eine Ausgangsthüre bezeichnend, übergab.

Dann kehrte er eilig zu seinem Herrn zurück, um die Königin Henriette einzuführen, welche bereits durch die Glasgallerie herbeikam.

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