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Zwanzig Jahre nachher

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Die Königin reichte Lord Winter die Hand; er küßte sie ehrfurchtsvoll, und sie sagte, sich gegen ihre Tochter wendend:

»Mylord. Ihr hattet den Auftrag, diesem Kinde etwas von seinem Vater zu überbringen.«

Lord Winter war sehr erstaunt; er wußte nicht, was die Königin damit sagen wollte.

Die junge Henriette schritt lächelnd und erröthend vor, bot dem Edelmanne ihre Stirne und sprach:

»Sagt meinem Vater: König oder Flüchtling, Sieger oder besiegt, mächtig oder arm, habe er in mir die gehorsamste und zärtlichste Tochter.«

»Ich weiß es, Prinzessin,« antwortete Lord Winter und berührte mit den Lippen die Stirne von Henriette.

Dann entfernte er sich, durchschritt, ohne zurückgeführt zu werden, die großen, verlassenen, dunkeln Gemächer und trocknete sich die Thränen, deren er sich, so abgestumpft er auch durch ein fünfzig Jahre langes Leben bei Hofe war, bei dem Anblick dieses zugleich so tiefen und so würdigen königlichen Unglücks nicht erwehren konnte.

III
Der Oheim und der Neffe

Lord Winter wurde von seinem Pferde und dem Lackeien an der Thüre erwartet. Er ritt ganz in Gedanken versunken nach seiner Wohnung und schaute dabei von Zeit zu Zeit zurück, um die schwarze, schweigsame Facade des Louvre zu betrachten. Da erblickte er einen Reiter, der sich so zu sagen von der Mauer losmachte und ihm in einer gewissen Entfernung folgte; er erinnerte sich, bei seinem Ausgange aus dem Palais-Royal einen ähnlichen Schatten gesehen zu haben.

Der Lackei von Lord Winter, der nur einige Schritte hinter ihm war, verfolgte auch mit unruhigem Auge diesen Reiter.

»Tomy!« sprach der Lord und machte dem Bedienten ein Zeichen, sich zu nähern.

»Hier, gnädiger Herr.«

Und der Bediente ritt an die Seite seines Herrn.

»Hast Du den Menschen bemerkt, der uns folgt?«

»Ja. Mylord.«

»Wer ist es?«

»Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß er Eurer Herrlichkeit von dem Palais-Royal an gefolgt ist, im Louvre angehalten hat, um Euern Abgang zu erwarten, und mit Eurer Herrlichkeit wieder vom Louvre weggeritten ist.«

»Ein Spion des Cardinals,« sagte von Winter zu sich selbst. »Wir wollen uns stellen, als bemerkten wir seine Späherei gar nicht.«

Und er gab seinem Pferde die Sporen und drang in das Irrsal der Gassen, welche nach seinem auf der Seite des Marais liegenden Hotel führten. Lord Winter hatte lange auf der Place-Royale gewohnt und nahm ganz natürlicher Weise sein Quartier in der Nähe seiner ehemaligen Wohnung.

Lord Winter stieg vor seinem Gasthause ab und ging in seine Wohnung hinauf, wobei er sich den Spion beobachten zu lassen gelobte. Als er aber seine Handschuhe und seinen Hut auf einen Tisch legte, sah er in einem Spiegel vor sich eine Gestalt, welche auf der Schwelle des Zimmers erschien.

Er wandte sich um, Mordaunt stand ihm gegenüber.

Lord Winter erbleichte und blieb unbeweglich stehen. Mordaunt hielt sich auf der Schwelle, kalt, drohend und der Bildsäule des Gouverneurs ähnlich.

Es herrschte einen Augenblick eisiges Stillschweigen zwischen diesen zwei Männern.

»Mein Herr, ich glaubte Euch bereits begreiflich gemacht zu haben, daß mich diese Verfolgung ermüdet. Entfernt Euch also, oder ich rufe Leute und lasse Euch wegjagen, wie in London. Ich bin nicht Euer Oheim, ich kenne Euch nicht,« sagte der Lord.

»Mein Oheim,« versetzte Mordaunt mit seinem höhnischen Tone, »Ihr täuscht Euch, Ihr werdet mich diesmal nicht wegjagen lassen, wie Ihr es in London gethan habt; nein, Ihr werdet es nicht wagen. Was den Umstand betrifft, daß Ihr leugnen wollt, ich sei Euer Neffe, so werdet Ihr Euch dies wohl zweimal überlegen, jetzt, da ich mancherlei Dinge erfahren habe, die ich vor einem Jahre nicht wußte.«

»Ei, was liegt mir an dem, was Ihr erfahren habt,« entgegnete Lord Winter.

»Oh! es liegt Euch viel daran, mein Oheim, das weiß ich gewiß, und Ihr werdet sogleich meiner Meinung sein,« fügte er mit einem Lächeln bei, wobei ein Schauer durch die Adern dessen lief, zu welchem er sprach. »Als ich mich zum ersten Male in London bei Euch einfand, geschah es, um Euch zu fragen, was aus meinem Erbgute geworden wäre. Als ich mich zum zweiten Male bei Euch einfand, geschah es, um Euch zu fragen, wer meinen Namen befleckt hätte. Diesmal stelle ich mich vor Euch, um eine Frage an Euch zu richten, viel furchtbarer, als alle die vorhergehenden, um Euch zu sagen, wie Gott zu dem ersten Mörder gesagt hat: »»Kain, was Hast du mit deinem Bruder Abel gemacht?«« Mylord, was habt Ihr mit Eurer Schwester gemacht, mit Eurer Schwester, die meine Mutter war?«

Lord Winter wich vor dem Feuer dieser glühenden Augen zurück.

»Mit Eurer Mutter!« sagte er.

»Ja, mit meiner Mutter, Mylord,« antwortete der junge Mann, den Kopf von oben nach unten schüttelnd.

Von Winter machte eine heftige Anstrengung gegen sich selbst, tauchte in seine Erinnerungen, um einen neuen Haß daraus zu holen, und rief:

»Suchet, was aus ihr geworden ist, Unglücklicher, und fragt die Hölle; vielleicht wird Euch die Hölle antworten.«

Der junge Mann schritt nun im Zimmer, vor, bis er Auge in Auge Lord Winter gegenüber stand, und kreuzte die Arme.

»Ich habe den Henker von Bethune gefragt,« sprach Mordaunt mit dumpfer Stimme und das Gesicht leichenblaß vor Schmerz und Zorn, »und der Henker von Bethune hat mir geantwortet.«

Von Winter fiel auf einen Stuhl, als ob ihn der Blitz getroffen hatte, und bemühte sich vergebens, zu sprechen.

»Ja, nicht wahr,« fuhr der junge Mann fort, »mit diesem Worte erklärt sich Alles. Mit diesem Schlüssel öffnet sich der Abgrund. Meine Mutter hatte von ihrem Gatten geerbt, und Ihr habt meine Mutter ermordet! Mein Name sicherte mir das väterliche Erbtheil, und Ihr habt mich meines Namens beraubt. Als Ihr mich meines Namens beraubt hattet, beraubtet Ihr mich auch meines Vermögens. Ich wundere mich jetzt nicht mehr, daß Ihr mich nicht anerkennen wollt; wenn man sich Sauber weiß, ist es nicht ganz bequem, den Menschen, welchen man arm gemacht hat, seinen Neffen zu nennen, wenn man sich Mörder weiß, dem Menschen, den man zur Waise gemacht hat, den Titel seines Neffen zu gönnen.«

Diese Worte brachten eine ganz andere Wirkung hervor, als Mordaunt erwartet hatte. Lord Winter erinnerte sich, welches Ungeheuer Mylady gewesen war. Er erhob sich ruhig und ernst und bezwang mit seinem strengen Blicke das exaltierte Auge des jungen Mannes.

»Ihr wollt in dieses furchtbare Geheimniß dringen, mein Herr?« sprach er. »Nun wohl, es sei! Erfahrt also, wer die Frau war, über welche Ihr mir Rechenschaft abfordert: Diese Frau hat aller Wahrscheinlichkeit nach meinen Bruder vergiftet, und um mich zu beerben, wollte sie mich ebenfalls ermorden, dafür habe ich Beweise. Was sagt Ihr hierzu?«

»Ich sage, daß es meine Mutter war!«

»Sie hat einen gerechten, guten und reinen Mann, den Herzog von Buckingham, erdolchen lassen. Was sagt Ihr zu diesem Verbrechen, von welchem ich die Beweise habe?«

»Daß es meine Mutter war!«

»Nach Frankreich zurückgekehrt, hat sie in dem Kloster der Augustinerinnen in Bethune eine Frau vergiftet, welche einen ihrer Feinde liebte. Wird Euch dieses Verbrechen von der Gerechtigkeit der Strafe überzeugen? Ich habe die Beweise für dieses Verbrechen. Was sagt Ihr dazu?«

»Daß es meine Mutter war!« rief der junge Mann, der seinen drei Ausrufungen eine stufenweise zunehmende Verstärkung gegeben hatte.

»Von Mordthaten, von Ausschweifungen belastet, Jedermann verhaßt, drohend wie ein blutdürstiger Panther, unterlag sie den Schlügen von Männern, welche sie in Verzweiflung gebracht hatte, ohne daß ihr je von denselben der geringste Schaden zugefügt worden war. Sie fand Richter, welche ihre schändlichen Attentate hervorriefen, und dieser Henker, den Ihr gesehen habt, der Henker, von dem Euch, wie Ihr behauptet, Alles erzählt worden ist, dieser Henker, wenn er Euch Alles erzählt hat, muß Euch auch gesagt haben, wie er vor Freude bebte, als er an ihr die Schmach und und den Selbstmord seines Bruders rächte. Eine verkehrte Tochter, eine ehebrecherische Gattin, eine entartete Schwester, eine Giftmischerin. eine Mörderin, fluchwürdig bei allen Menschen, die sie kennen lernten, bei allen Nationen, welche sie in ihrem Schooße aufgenommen hatten, starb sie verflucht von dem Himmel und der Erde. Das ist das Bild dieser Frau.«

Ein Schluchzen, stärker als der Wille von Mordaunt, zerriß ihm die Kehle, machte das Blut in sein leichenbleiches Gesicht steigen; er ballte die Fäuste und rief, das Antlitz von Schweiß triefend, die Haare auf der Stirne gesträubt, wie die von Hamlet, von Wuth verzehrt:

»Schweigt, mein Herr, es war meine Mutter. Ihren ungeordneten Lebenswandel kenne ich nicht, ihre Verbrechen kenne ich nicht! Aber ich weiß, daß ich eine Mutter hatte, daß fünf Männer, gegen eine Frau verbunden, sie heimlich, nächtlicher Weise, schweigend wie Feige ermordet haben. Ich weiß, daß Ihr dabei wäret, mein Herr, daß Ihr dabei wäret, mein Oheim, daß Ihr, wie die Anderen und stärker als die Anderen, sprächet: Sie muß sterben! Ich sage Euch also, höret wohl auf diese Worte, und sie mögen sich in Euer Gedächtniß einprägen, damit Ihr sie nie vergesset: Dieser Mord, der mir Alles geraubt hat, dieser Mord, der mich namenlos, der mich arm, der mich boshaft und unversöhnlich gemacht hat… ich werde zuerst von Euch und dann von Euern Genossen, sobald ich sie kenne, Rechenschaft darüber verlangen!«

Haß in den Augen, Schaum auf dem Munde, die Fäuste geballt, machte Mordaunt einen Schritt mehr, einen furchtbar drohenden Schritt gegen Lord Winter.

Dieser griff mit der Hand nach dem Degen, und sagte mit dem Lächeln des Mannes, der seit dreißig Jahren mit dem Tode spielt:

»Wollt Ihr mich ermorden, mein Herr? Dann erkenne ich Euch als meinen Neffen, denn Ihr seid der Sohn Eurer Mutter.«

 

»Nein,« versetzte Mordaunt, und er zwang alle Fibern seines Gesichtes, alle Muskeln seines Körpers, ihren Platz wieder einzunehmen. »Nein, ich werde Euch nicht tödten, wenigstens in diesem Augenblicke nicht; denn ohne Euch würde ich die Andern nicht kennen lernen. Aber wenn ich sie kenne, dann zittert! Ich habe den Henker von Bethune erstochen; ich habe ihn ohne Barmherzigkeit erstochen, und er war der am Mindesten Schuldige von Euch Allen.«

Nach diesen Worten entfernte sich der junge Mann, und stieg mit hinreichender Ruhe, um nicht bemerkt zu werden, die Treppe hinab. Dann ging er auf dem inneren Treppenplatze vor Tomy vorüber, der, auf das Geländer gelehnt, nur auf einen Ruf seines Herrn wartete, um zu ihm hinauf zu eilen.

Aber Lord Winter rief nicht. Im höchsten Maaße erschüttert, blieb er mit gespanntem Ohre stehen. Erst als er den Tritt des Pferdes hörte, fiel er halb, ohnmächtig auf einen Stuhl zurück und sprach:

»Mein Gott, ich danke dir, daß er nur mich kennt!«

IV
Vaterschaft

Während diese furchtbare Scene sich bei Lord Winter ereignete, saß Athos am Fenster seines Zimmers, den Ellenbogen auf einen Tisch, den Kopf auf seine Hand gestützt, und hörte zugleich mit Augen und Ohren Raoul zu, der ihm die Abenteuer seiner Reise und die einzelnen Begebenheiten der Schlacht erzählte.

Das schöne, edle Antlitz von Athos drückte ein unsägliches Glück bei der Mittheilung dieser ersten, so frischen und so reinen Gemüthsbewegung aus. Er sog die Töne dieser jugendlichen Stimme ein, welche sich bereits für schöne Gefühle begeisterte, wie man eine harmonische Musik einsaugt. Er vergaß, was Düsteres in der Vergangenheit, was Wolkiges in der Zukunft lag. Man hätte glauben sollen, durch die Rückkehr dieses vielgeliebten Kindes wären aus seinen Befürchtungen Hoffnungen geworden. Athos war glücklich, glücklich, wie nie zuvor.

»Ihr habt also der großen Schlacht beigewohnt und daran Antheil genommen, Bragelonne?« sprach der ehemalige Musketier.

»Ja, Herr.«

»Und der Kampf war heiß, sagt Ihr?«

»Der Herr Prinz hat elfmal in Person angegriffen.«

»Er ist ein großer Kriegsmann, Bragelonne.«

»Er ist ein Held. Ich habe ihn nicht einen Augenblick aus dem Gesichte verloren. O wie schön ist es, mein Herr, sich Condé zu nennen und seinen Namen so zu tragen!«

»Ruhig und glänzend, nicht wahr?«

»Ruhig wie bei einer Parade, glänzend wie bei einem Feste. Als wir uns dem Feinde näherten, geschah es im Schritte. Man hatte uns verboten, zuerst zu schießen, und wir marschierten gegen die Spanier, welche sich, die Muskete auf dem Schenkel, auf einer Anhöhe hielten. Auf dreißig Schritte zu ihnen gelangt, wandte sich der Prinz nach den Soldaten um und sagte: »Kinder, Ihr werdet eine furchtbare Ladung auszuhalten haben. Hernach aber, seid unbesorgt, habt Ihr geringe Arbeit mit allen diesen Leuten.« Es herrschte eine solche Stille, daß Freunde und Feinde diese Worte hörten. Dann seinen Degen erhebend, rief er:

»»Blaset, Trompeter!««

»Gut, gut, wenn »sich diese Gelegenheit findet, werdet Ihr es eben so machen, Raoul, nicht wahr?«

»Allerdings, Herr, wenn ich es vermag, denn es dünkte mich sehr groß und schön. Als wir noch zehn Schritte näher gekommen waren, sahen wir alle diese Musketen sich wie eine glänzende Linie senken; denn die Sonnenstrahlen funkelten auf den Läufen. »»Im Schritt, Kinder, im Schritt!«« sprach der Prinz, »»dieß ist der Augenblick!««

»Hattet Ihr bange, Raoul?« sagte der Graf.

»Ja, Herr,« antwortete der Jüngling naiv. »Ich fühlte eine große Kälte in meinem Herzen, und bei dem Worte Feuer, das in spanischer Sprache in den feindlichen Reihen ertönte, schloß ich die Augen und dachte an Euch.«

»Wirklich, Raoul?« sprach Athos und drückte ihm die Hand.

»Ja, Herr, in demselben Augenblicke entstand ein solcher Lärm, daß man hätte glauben sollen, die Hölle öffne sich, und diejenigen, welche nicht getödtet wurden, fühlten die Wärme der Flamme. Ich öffnete die Augen wieder, erstaunt, nicht todt oder wenigstens verwundet zu sein … Der dritte Theil der Schwadron lag verstümmelt und blutig auf der Erde. In diesem Momente begegnete ich dem Auge des Prinzen. Ich dachte nur noch an Eines, daran, daß er mich anschaute. Ich gab meinem Pferde beide Sporen und befand mich mitten unter den feindlichen Reihen.«

»Und der Prinz war mit Euch zufrieden?«

»Er sagte es mir wenigstens, als er mich beauftragte, Herrn von Chatillon zu begleiten, welcher diese Neuigkeit der Königin mitzutheilen und die eroberten Fahnen zu überbringen hatte. »»Geht,«« sprach der Prinz zu mir, »»der Feind kann sich vor vierzehn Tagen nicht wieder gesammelt haben. Bis dahin bedarf ich Eurer nicht. Geht und umarmt diejenigen, welche Euch lieben und welche Ihr liebt. Sagt Frau von Longueville, meiner Schwester, ich danke ihr für das Geschenk, das sie mir mit Euch gemacht habe.«« Und ich bin gekommen,« fügte Raoul bei und schaute den Grafen mit einem Lächeln tiefer Liebe an; »denn ich dachte, es würde Euch Freude machen, mich wieder zu sehen.«

Athos zog den Jüngling zu sich und küßte ihn auf die Stirne, wie er es bei einem jungen Mädchen gethan hätte.

»So seid Ihr also in die Welt eingetreten, Raoul,« sprach er, »Ihr habt Herzoge zu Freunden, einen Marschall von Frankreich zum Pathen, einen Prinzen von Geblüt zum Feldherrn und seid an einem Tage Eurer Rückkehr von zwei Königinnen empfangen worden. Das ist schön für einen Novizen.«

»Ah, Herr!« sprach Raoul plötzlich, »Ihr erinnert mich an einen Umstand, den ich in meinem Eifer, Euch meine Begebenheiten zu erzählen, vergessen hatte. Bei Ihrer Majestät der Königin von England befand sich ein Edelmann, der, als ich Euren Namen aussprach, einen Schrei des Erstaunens ausstieß. Er nannte sich einen von Euren Freunden, fragte mich nach Eurer Adresse und wird Euch besuchen.«

»Wie heißt er?«

»Ich wagte es nicht, ihn zu fragen. Aber obgleich sich zierlich ausdrückte, hielt ich ihn doch nach seinem Accente für einen Engländer.«

»Ah!« rief Athos, und sein Haupt neigte sich, als suchte er eine Erinnerung; dann als er die Stirne wieder erhob, wurden seine Augen betroffen von der Gegenwart eines Mannes, der vor der halb geöffneten Thüre stand und ihn mit einer gerührten Miene anschaute.

»Mylord von Winter!« rief der Graf.

»Athos, mein Freund!«

Und die zwei Männer hielten sich einen Augenblick umschlossen. Dann nahm Athos den Engländer bei beiden Händen und sprach, ihn anschauend:

»Was habt Ihr, Mylord? Ihr scheint eben so traurig, als ich heiter bin!«

»Ja, theurer Freund, es ist wahr. Und ich sage noch mehr: Euer Anblick verdoppelt meine Furcht.«

Und von Winter schaute um sich her, als suchte er allein zu sein. Raoul begriff, daß die zwei Freunde mit einander zu sprechen hatten, und entfernte sich in der Stille.’

»Nun, da wir allein sind, sprechen wir von Euch,« sagte Athos.

»Während wir hier allein sind, sprechen wir von uns,« erwiderte Lord Winter. »Er ist hier.«

»Wer?«

»Der Sohn von Mylady.«

Abermals von diesem Namen berührt, der ihn wie ein unseliges Echo zu verfolgen schien, zögerte Athos einen Augenblick, faltete leicht die Stirne und sprach dann mit ruhigem Tone:

»Ich weiß es.«

»Ihr wißt es?«

»Ja, Grimaud hat ihn zwischen Bethune und Arras getroffen und ist mit verhängten Zügeln zurückgekehrt, um mich von seiner Gegenwart zu benachrichtigen.«

»Grimaud kannte ihn also?«

»Nein, aber er war an dem Sterbebette eines Menschen, der ihn kannte.«

»Der Henker von Bethune!« rief von Winter.

»Ihr wißt es?« sprach Athos erstaunt.

»Er verläßt mich in diesem Augenblick und hat mir Alles gesagt,« antwortete Lord Winter. »Ah, mein Freund, was für eine furchtbare Scene! Warum haben wir nicht das Kind mit der Mutter erstickt!«

Athos, wie alle edlere Naturen, übertrug die schmerzlichen Eindrucke, welche er empfand, nicht an Andere, sondern er verarbeitete dieselben im Gegentheil in sich selbst und gab an ihrer Stelle Hoffnungen und Tröstungen aus. Es war, als gingen seine persönlichen Schmerzen aus seinem Gemüthe in Freuden für Andere verwandelt hervor.

»Was befürchtet Ihr?« sagte er, durch Vernunftschlüsse von dem instinktartigen Schrecken sich erholend, den er Anfangs empfunden hatte; »sind wir nicht da, um uns zu vertheidigen? Hat sich dieser junge Mensch zum gewerbsmäßigen Heuchler, zum Mörder mit kaltem Blute gemacht? Er konnte den Henker von Bethune in einem Anfalle von Wuth tödten, aber seine Rache ist nun gestillt.«

Lord Winter lächelte traurig und schüttelte das Haupt.

»Ihr kennt also dieses Blut nicht mehr?« sagte er.

»Bah!« sprach Athos, der ebenfalls zu lächeln suchte, »es wird in der zweiten Generation von seiner Wildheit verloren haben. Ueberdies, mein Freund, hat uns die Vorsehung zur rechten Zeit Kunde gegeben, damit wir auf der Hut sein mögen. Wir können nichts Anderes thun, als warten. Warten wir also. Aber wie ich von Anfang an sagte, sprechen wir von Euch. Was führt Euch nach Paris?«

»Wichtige Angelegenheiten, die Ihr später kennen lernen sollt. Doch was habe ich bei Ihrer Majestät der Königin von England sagen hören? Herr d’Artagnan ist Mazariner. Verzeiht mir meine Offenherzigkeit, Freund: ich Hasse den Cardinal nicht und schmähe ihn auch nicht, und Eure Ansichten werden mir stets heilig sein … solltet Ihr zufällig auch diesem Menschen angehören?«

Herr d’Artagnan ist im Dienste,« antwortete Athos, »er ist Soldat, er gehorcht der bestehenden Gewalt. Herr d’Artagnan ist nicht reich und bedarf, um zu leben, seiner Stelle als Lieutenant. Die Millionäre wie Ihr, Mylord, sind in Frankreich selten.«

»Ach! sprach Lord Winter, »ich bin heute so arm und noch ärmer als er. Aber kommen wir auf Euch zurück.«

»Gut! Ihr wollt wissen, ob ich Mazariner bin? Nein, tausendmal nein! vergebt mir ebenfalls meine Offenherzigkeit, Mylord!

Lord Winter stand auf, schloß Athos in seine Arme und sprach:

»Ich danke, Graf, ich danke für diese beseligende Kunde. Ihr seht mich glücklich und vergnügt. Ah! Ihr seid kein Mazariner, Ihr! Vortrefflich, das konnte freilich auch gar nicht sein. Aber vergebt mir abermals: seid Ihr frei?«

»Was versteht Ihr unter frei?«

»Ich frage Euch, ob Ihr nicht verheirathet seid?«

»Ah, was das betrifft, nein,« antwortete Athos lächelnd.

»Der schöne, zierliche, anmuthige junge Mann …«

»Ist ein Kind, das ich erziehe und das nicht einmal seinen Vater kennt.«

»Sehr gut, Ihr seid immer derselbe, Athos, groß und edelmüthig.«

»Laßt hören, Mylord, was wünscht Ihr von mir?«

»Ihr habt die Herren Porthos und Aramis immer noch zu Freunden?«

»Fügt auch d’Artagnan bei, Mylord, wir sind immer noch vier einander, wie früher, treu ergebene Freunde. Wenn es sich aber darum handelt, dem Cardinal zu dienen oder ihn zu bekämpfen, Mazariner oder Frondeurs zu sein, so sind wir nur noch zwei.«

»Herr Aramis ist bei d’Artagnan?« fragte Lord Winter.

»Nein, Herr Aramis erweist mir die Ehre, meine Ueberzeugung zu theilen.«

»Könnt Ihr mich mit diesem so reizenden und so geistreichen Freunde in Verbindung bringen?«

»Allerdings, sobald es Euch angenehm ist.«

»Hat er sich verändert?«

»Er ist Abbé geworden, sonst nichts.«

»Ihr erschreckt mich! Sein Stand mußte es dahin bringen, daß er auf die großen Unternehmungen Verzicht leistete?«

»Im Gegentheil,« versetzte Athos lächelnd, »er ist nie so sehr Musketier gewesen, als seitdem er Abbé geworden ist. Wollt Ihr, daß ich ihn durch Raoul holen lasse?«

»Ich danke Euch, Graf; man dürfte ihn zu dieser Stunde nicht zu Hause treffen. Da Ihr aber für ihn stehen zu können glaubt …«

»Wie für mich selbst.«

»Könnt Ihr Euch anheischig machen, ihn mir morgen um zehn Uhr auf den Pont-du-Louvre zu bringen?«

»Ah, ah,« sagte Athos lächelnd, »Ihr habt ein Duell?«

»Ja, Graf, und zwar ein schönes Duell, ein Duell, bei dem auch Ihr, wie ich hoffe, sein werdet.«

»Wohin gehen wir, Mylord?«

»Zu Ihrer Majestät der Königin von England, welche mich beauftragt bat, Euch ihr vorzustellen, Graf.«

»Ihre Majestät kennt mich also?«

»Ich kenne Euch.«

»Ein Räthsel,« sagte Athos; »doch gleichviel, wenn Ihr nur den Schlüssel dazu habt, so verlange ich nicht mehr. Werdet Ihr mir die Ehre erzeigen, mit mir zu Nacht zu speisen, Mylord?«

»Ich danke, Graf. Der Besuch dieses jungen Menschen hat mir, redlich gestanden, den Appetit genommen und wird mir auch den Schlaf nehmen. Was für ein Unternehmen hat er in Paris durchzuführen? Nicht um mich zu treffen, ist er Hierher gekommen; denn er wußte nichts von meiner Reise. Dieser junge Mensch erschreckt mich, Graf; es liegt eine blutige Zukunft in ihm.«

 

»Was macht er in England?«

»Er ist einer von den eifrigsten Anhängern von Oliver Cromwell.«

»Wer hat ihn mit dieser Sache in Verbindung gebracht? Seine Mutter und sein Vater waren, glaube ich, Katholiken.«

»Der Haß, den er gegen dm König hegt.«

»Gegen den König?«

»Ja, der König hat ihn zum Bastard erklärt, ihn seiner Güter beraubt und ihm verboten, den Namen Winter zu führen.«

»Und wie heißt er jetzt?«

»Mordaunt.«

»Puritaner, und als Mönch verkleidet reist er allein auf den Landstraßen Frankreichs umher?«

»Als Mönch, sagt Ihr?« »

Ja, wußtet Ihr das nicht?«

»Ich weiß nichts, als was er mir selbst gesagt hat.«

»Und auf diese Art hat er zufällig, ich bitte Gott um Verzeihung, wenn ich blasphemire, hat er zufällig dm Henker von Bethune Beichte gehört.«

»Dann errathe ich Alles. Er kommt von Cromwell abgesandt.«

»An wen?«

»An Mazarin. Und die Königin hatte Recht, man ist uns zuvorgekommen. Alles erklärt sich jetzt. Gott befohlen Graf. Morgen also!«

»Aber die Nacht ist schwarz,« sprach Athos, da er sah, daß Lord Winter von einer größeren Unruhe heimgesucht war, als er den Anschein haben wollte.

»Und Ihr habt vielleicht keinen Lackeien bei Euch?«

»Ich habe Tomy, einen guten aber einfältigen Menschen.«

»Hollah! Olivain, Grimaud, Blaisois! Man nehme die Muskete und rufe den Herrn Vicomte!«

Blaisois war jener große Bursche, halb Lackei, halb Bauer, den wir in dem Schlosse Bragelonne gesehen haben, wo er meldete, das Mittagsbrod wäre aufgetragen. Athos hatte ihn mit dem Namen seiner Provinz getauft.

Fünf Minuten, nachdem dieser Befehl gegeben war, trat Raoul ein.

»Vicomte,« sagte Athos, »Ihr geleitet Mylord bis zu seinem Gasthofe und laßt Niemand sich ihm nähern.«

»Ah, Graf,« sprach Lord Winter, »für wen haltet Ihr mich?«

»Für einen Fremden, der Paris nicht kennt,« sagte Athos, »und dem der Vicomte den Weg zeigen wird.«

Der Lord reichte ihm die Hand.

»Grimaud,« sprach Athos, »stelle Dich an die Spitze der Truppe und gib auf den Mönch Acht.«

Grimaud bebte. Dann machte er ein Zeichen mit dem Kopf und erwartete den Abgang mit schweigender Beredsamkeit, den Kolben seiner Muskete liebkosend.

»Morgen, Graf,« sagte Lord Winter.

»Ja, Mylord.«

Die kleine Truppe wandte sich der Rue Saint Louis zu. Olivain zitterte bei jedem zweideutigen Lichtreflexe. Blaisois war ziemlich fest, weil er nicht wußte, daß man irgend eine Gefahr lief. Tomy schaute rechts und links, konnte aber kein Wort sagen, weil er nicht Französisch sprach.

Von Winter und Raoul hielten sich neben einander und plauderten. Grimaud, der nach dem Befehle von Athos den Zug anführte, gelangte, die Fackel in einer, die Muskete in der andern Hand, an den Gasthof von Lord Winter und klopfte mit der Faust an die Thüre. Als man öffnete, verbeugte er sich vor Mylord, ohne etwas zu sagen.

Eben so ging es bei der Rückkehr. Die durchdringenden Augen von Grimaud sahen nichts Verdächtiges, als eine Art von Schatten, der an der Ecke der Rue Guénégaud gleichsam im Hinterhalte lag und den er von dem Quai aus gesehen zu haben glaubte. Er ritt auf ihn zu, aber ehe er ihn hatte erreichen können, war der Schatten in einer Gasse verschwunden, in welche einzudringen Grimaud nicht für klug hielt.

Man meldete Athos den Erfolg der Expedition, und da es bereits zehn Uhr Abends war, so zog sich jeder in sein Zimmer zurück.

Als der Graf am andern Morgen seine Augen öffnete, erblickte er Raoul an seinem Bette. Der junge Mann war völlig angekleidet und las ein neues Buch von Herrn Chapelaine.

»Schon aufgestanden, Raoul?« sagte der Graf.

»Ja, Herr,« antwortete der junge Mann mit einem leichten Zögern, »ich habe schlecht geschlafen.«

»Ihr, Raoul, Ihr schlecht geschlafen! Es beschäftigte Euch also etwas?« fragte Athos.

»Werthester Herr, Ihr werdet sagen, ich habe große Eile, Euch zu verlassen, da ich kaum erst angekommen bin, aber …«

»Ihr habt also nur zwei Tage Urlaub, Raoul?«

»Im Gegentheil, Herr, ich habe zehn; ich wünschte auch nicht nach dem Lager zu gehen.«

»Wohin denn sonst,« versetzte Athos lächelnd, »wenn es nicht ein Geheimniß ist, Vicomte? Ihr seid beinahe ein Mann, da Ihr Eure erste Waffenthat verrichtet habt, und es steht Euch das Recht zu, zu gehen, wohin Ihr wollt, ohne es mir zu sagen.«

»Nie, Herr,« sprach Raoul; »so lange ich das Glück genieße, Euch zum Beschützer zu haben, werde ich mich nicht für berechtigt halten, mich von einer Vormundschaft zu befreien, die mir so theuer ist. Ich wünsche nur einen Tag in Blois zuzubringen. Ihr schaut mich an und werdet über mich lachen.«

»Nein, im Gegentheil,« erwiderte Athos, einen Seufzer unterdrückend, »nein, ich lache nicht, Vicomte. Ihr habt Lust, Blois wiederzusehen, und das ist ganz natürlich.«

»Ihr erlaubt es mir also?« rief Raoul freudig.

»Gewiß, Raoul.«

»Und Ihr seid nicht ärgerlich darüber?«

»Keineswegs. Warum sollte ich über das, was Euch Vergnügen macht, ärgerlich sein?«

»Ah, Herr, wie gut seid Ihr!« rief der junge Mann und machte eine Bewegung, als wollte er Athos an den Hals springen; aber die Achtung hielt ihn zurück.

Athos öffnete ihm die Arme.

»Also kann ich sogleich abreisen?«

Raoul machte drei Schritte, um sich zu entfernen.

»Herr,« sprach er, »ich dachte an Eines, daran, daß ich durch die Frau Herzogin von Chevreuse, welche so gut gegen mich ist, bei dem Herrn Prinzen eingeführt worden bin.«

»Und daß Ihr der Herzogin einen Dank schuldig seid, nicht wahr, Raoul?«

»So scheint es mir; doch es hängt von Eurer Entscheidung ab.«

»Geht durch das Hotel Luynes, Raoul, und laßt fragen, ob Euch die Frau Herzogin empfangen kann. Ich sehe mit Vergnügen, daß Ihr die Schicklichkeit nicht vergeßt. Nehmt Grimaud und Olivain mit.«

»Beide, Herr?« fragte Raoul erstaunt.

»Beide.«

Raoul verbeugte sich und ging ab.

Als ihn Athos die Thüre schließen sah und hörte, wie er mit seiner fröhlichen, wohlklingenden Stimme Grimaud und Olivain rief, seufzte er.

»Das heißt sehr geschwinde mich verlassen,« dachte er, den Kopf schüttelnd; »aber er gehorcht dem gemeinschaftlichen Gesetze. Die Natur ist so beschaffen; sie schaut vorwärts. Er liebt offenbar dieses Kind. Wird er mich aber darum weniger lieben, weil er auch Andere liebt?«

Athos gestand sich zu, daß er die so rasche Abreise nicht erwartet hatte. Aber Raoul war so glücklich, daß in dem Geiste von Athos Alles vor dieser Bettachtung verschwand.

Um zehn Uhr war Alles zum Abgange bereit. Als Athos Raoul zu Pferde steigen sah, kam ein Lackei, um ihn im Namen von Frau von Chevreuse zu begrüßen.

Er war beauftragt, dem Grafen de la Fère zu sagen, sie hätte die Rückkehr ihres jungen Schützlings, so wie sein Benehmen in der Schlacht erfahren, und es würde sie sehr freuen, ihn zu beglückwünschen.

»Sagt der Frau Herzogin,« antwortete Athos, »der Vicomte stiege zu Pferde, um sich nach dem Hotel Luynes zu begeben.«

Dann, nachdem er Grimaud neue Befehle ertheilt, machte Athos Raoul ein Zeichen mit der Hand, daß er abgehen könnte.

Athos bedachte übrigens bei näherer Ueberlegung, daß es vielleicht nicht schlimm wäre, wenn Raoul sich in diesem Augenblick von Paris entfernte.

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