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Zwanzig Jahre nachher

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X
Die Place Royal

Man ging stillschweigend bis in die Mitte des Platzes. Da aber in diesem Augenblick der Mond aus den Wolken hervortrat, so bedachte man, daß man an dieser entblößten Stelle zu leicht gesehen werden könnte, und zog sich unter die Linden, wo der Schatten stärker war.

Es waren Bänke in bestimmter Entfernung von einander aufgestellt. Die vier Männer hielten vor einer derselben an. Athos machte ein Zeichens d’Artagnan und Porthos setzten sich; Athos und Aramis blieben vor ihnen stehen.

»Nach einem kurzen Stillschweigen, bei welchem jeder die Verlegenheit fühlte, in die ihn das Anfangen der Erörterung setzte, sprach Athos:

»Meine Herren, ein Beweis der Macht unserer alten Freundschaft ist unsere Gegenwart an diesem Ort. Keiner hatte gefehlt, Keiner-hatte sich also einen Vorwurf zu machen.«

»Hört, Herr Graf,« erwiderte d’Artagnan, »statt uns Komplimente zu sagen, die wir vielleicht, weder die Einen noch die Andern verdienen, erklären wir uns als Leute von Herz.«

»Das ist ganz mein Wunsch,« antwortete Athos. »Ich weiß, daß Ihr offenherzig seid; sprecht auch mit Eurer ganzen Offenherzigkeit: Habt Ihr mir, oder dem Herrn Abbé d’Herblay etwas vorzuwerfen?«

»Ja,« sprach d’Artagnan. »Als ich die Ehre hatte, Euch in Eurem Schlosse Bragelonne zu besuchen, überbrachte ich Euch Anträge, die Ihr wohl begriffen habt. Statt mir zu antworten, wie einem Freunde, spieltet Ihr mit mir, wie mit einem Kinde, und diese Freundschaft, welche Ihr so sehr rühmt, hat sich nicht durch das Zusammenstoßen unserer Schwerter, sondern durch Eure Heuchelei in Eurem Schlosse gebrochen.«

»D’Artagnan!« sagte Athos mit einem Tone sanften Vorwurfes.

»Ihr habt Offenherzigkeit von mir verlangt,« sprach d’Artagnan, »hier ist sie. Ihr fragt mich, was ich denke, ich sage es Euch. Und nun habe ich Euch, Herr Abbé d’Herblay, dasselbe zu eröffnen. Ich handelte eben so bei Euch und Ihr habt mich ebenfalls getäuscht.«

»Ja der That, mein Herr, Ihr seid seltsam,« sprach Aramis, »Ihr kamet zu mir, um mir Vorschläge zu machen. Aber habt Ihr mir sie auch gemacht? Nein; Ihr habt mich nur ausgeforscht, und weiter nicht. Nun, was habe ich Euch gesagt? Mazarin wäre ein Knauser, und ich würde Mazarin nicht dienen. Das ist das Ganze. Sägte ich Euch, ich würde keinem Andern dienen? Im Gegentheil, ich gab Euch, glaube ich, zu verstehen, daß ich den Prinzen gehörte. Wir haben sogar, wenn ich mich nicht täusche, ganz angenehm über den sehr wahrscheinlichen Fall gescherzt, daß Ihr von dem Cardinal den Auftrag er halten würdet, mich zu verhaften. Waret Ihr Parteimann? Ja, allerdings. Nun wohl, warum sollten wir unserer Seits nicht auch Parteimänner sein. Ihr hattet Euer Geheimnis wie wir das unsere hatten. i Wir haben dieselben nicht ausgetauscht: desto besser. Das, beweist, daß wir unsere Geheimnisse zu bewahren wissen.«

»Ich Mache Euch keinen Vorwurf, mein Herr,« sagte d’Artagnan; »nur weil der Herr Graf de la Fère von Freundschaft gesprochen hat, unterweise ich Euer Benehmen einer Prüfung.«

»Und was findet Ihr dabei?« fragte Aramis stolz. Das Blut stieg d’Artagnan auch in den Kopf; er erhob sich und antwortete:

»Ich finde, es ist das Benehmen eines Zöglings der Jesuiten.«

Als Porthos d’Artagnan sich erheben sah, erhob er sich ebenfalls. Die vier Männer standen also einander aufrecht und drohend gegenüber.

Bei der Antwort von d’Artagnan machte Aramis eine Bewegung, als wollte er die Band an sein Schwert legen.

Athos hielt ihn zurück und sprach:

»D’Artagnan, Ihr kommt heute noch ganz wüthend über unser gestriges Abenteuer hierher.

D’Artagnan, ich hielt Euch für so hochherzig, daß eine Freundschaft von zwanzig Jahren bei Euch eine Niederlage der Eitelkeit von einer Viertelstunde überstehen müßte. Laßt hören, sagt mir: glaubt Ihr mir also etwas vorwerfen zu können? Habe ich gefehlt, so werde ich meinen Fehler gestehen.«

Die ernste, klangreiche Stimme von Athos übte immer noch über d’Artagnan ihren alten Einfluß aus, während die von Aramis, in den Augen seiner schlechten Laune schrill und spitzig werdend, ihn aufbrachte. Er antwortete auch Athos:

»Ich glaube, mein Herr Graf, Ihr hättet mir in Eurem Schlosse Bragelonne eine vertrauliche Mittheilung zu machen gehabt, und dieser Herr,« fuhr er, Aramis bezeichnend, fort, »hätte mir eine ähnliche in seinem Kloster machen sollen. Ich würde mich dann nicht in ein Abenteuer geworfen haben, wo Ihr mir den Weg versperren mußtet. Weil ich jedoch discret war, muß man mich nicht ganz und gar für einen Dummkopf halten. Hätte ich die Verschiedenheit der Leute, welche Herr d’Herblay auf einer Strickleiter empfängt, von der der Menschen, welche er auf einer hölzernen Leiter empfängt, ergründen wollen, so würde ich ihn wohl zum Sprechen genöthigt haben.«

»In was mischt Ihr Euch?« rief Aramis bleich vor Zorn bei dem Zweifel, der sich in seinem Innern erhob, er könnte, von d’Artagnan bespäht, mit Frau von Longueville gesehen worden sein.

»Ich mische mich in das, was mich angeht, und gebe mir das Ansehen, als hätte ich nicht bemerkt, was mich nicht angeht. Aber ich hasse die Heuchler, und in diese Kategorie setze ich die Musketiere, welche die Abbé spielen, und die Abbés, welche die Musketiere spielen. Und dieser Herr,« fügte er, sich gegen Porthos wendend, bei, »dieser Herr ist meiner Meinung.«

Porthos, welcher noch nicht gesprochen hatte, antwortete nur mit einer Sylbe und mit einer Geberde.

Er sagtet »Ja!« und legte die Hand an den Degen.

Aramis machte einen Sprung rückwärts und zog den seinigen. D’Artagnan beugte sich, bereit zur Vertheidigung oder zum Angriff.

Nun streckte Athos mit der Geberde des obersten Befehles, welche nur ihm eigenthümlich war, die Hand aus, zog langsam den Degen aus der Scheide, zerbrach das Eisen über seinem Knie und warf die zwei Stücke zu seiner Rechten.

Dann sich gegen Aramis wendend, sagte er diesem: »Zerbrecht Euern Degen.«

Aramis zögerte.

»Es muß sein.« sprach Athos und fügte mit leiserem, sanfterem Tone bei: »Ich will es.«

Noch bleicher, aber beherrscht durch diese Geberde, besiegt durch diese Stimme, zerbrach Aramis in seinen Händen die biegsame Klinge, kreuzte die Arme und wartete bebend vor Wuth.

Diese Bewegung veranlaßte d’Artagnan und Porthos, zurückzuweichen. D’Artagnan zog seinen Degen nicht, Porthos steckte den seinen wieder in die Scheide.

»Nie,« sprach Athos, langsam seine rechte Hand zum Himmel erhebend, »nie, ich schwere es vor Gott, der uns in dieser feierlichen Nacht hört und sieht, nie wird mein Schwert die Eurigen berühren, nie wird, mein Auge einen Blick des Zornes, nie mein Herz einen Schlag des Hasses für Euch haben.

Wir haben mit einander gelebt, mit einander gehaßt und geliebt. Wir haben unser Blut vergossen und vermischt, und vielleicht, füge ich noch bei, besteht zwischen uns ein noch mächtigeres Band, als das der Freundschaft, vielleicht besteht der Vertrag des Verbrechens; denn wir haben alle vier ein menschliches Wesen verurtheilt und hingerichtet, das wir von dieser Welt auszuscheiden wohl nicht berechtigt waren, obgleich es mehr der Hölle als dieser Weit anzugehören schien. D’Artagnan, ich habe Euch immer wie meinen Sohn geliebt. Porthos, wir baden zehn Jahre Seite an Seite geschlafen; Aramis ist Euer Bruder, wie der meinige, denn Aramis hat Euch geliebt, wie ich Euch noch liebe, wie ich Euch stets lieben werde. Was kann der Cardinal für uns sein, die wir die Hand und das Herz eines Mannes wie Richelieu bezwungen haben! Was kann dieser oder jener Prinz für uns sein, die wir die Krone auf dem Haupte eines Königs befestigt haben? D’Artagnan, ich bitte Euch um Verzeihung, daß ich gestern den Degen mit Euch gekreuzt habe. Aramis thut dasselbe für Porthos. Und nun haßt mich, wenn Ihr könnt; aber ich, ich schwöre Euch, daß ich trotz Eures Hasses nur Achtung und Freundschaft für Euch haben werde. Nun wiederholt meine Worte, Aramis, und wenn sie wollen und Ihr wollt, so verlassen wir, unsere alten Freunde auf immer.«

Es herrschte einen Augenblick ein feierliches Stillschweigen, welches von Aramis unterbrochen wurde.

»Ich schwöre, »sagte er mit ruhiger Miene und redlichem Blicke, aber mit einer Stimme, in welcher ein letztes Zittern der Aufregung vibrirte, »ich schwere, daß keinen Haß mehr gegen diejenigen hege, welche meine Freunde waren; ich schwöre, daß ich es bedaure, Euren Degen berührt zu haben, Porthos; ich schwöre endlich, daß sich nicht nur der meinige nicht mehr gegen Eure Brust wenden sondern daß in der Tiefe meiner geheimsten Gedanken für die Zukunft nicht einmal ein Schein von feindseligen Gefühlen gegen Euch mehr übrig bleiben wird. Kommt, Athos.«

Athos machte eine Bewegung, um sich zu entfernen.

»Oh! nein, nein! geht nicht,« rief d’Artagnan, hingerissen von einer der unwiderstehlichen Aufwallungen welche die Wärme seines Blutes und die angeborene Rechtschaffenheit seiner Seele verriethen; »geht nicht, denn ich habe auch einen Eid zu leisten. Ich schwöre, daß ich den letzten Tropfen meines Blutes, den letzten Fetzen meines Fleisches geben würde, um die Achtung eines Mannes, wie Ihr Athos, die Freundschaft eines Mannes, wie Ihr, Aramis, zu erhalten.«

Und er stürzte in die Arme von Athos.

»Mein Sohn!« rief Athos, ihn an sein Herz drückend.

»Und ich,« sagte Porthos, »schwöre nichts; aber ich ersticke, Sacrebleu! Wenn ich mich gegen Euch schlagen müßte, ich glaube, ich würde mich durchbohren lassen, denn ich, habe auf vergangen Welt nur Euch geliebt.«

Und der ehrliche Porthos zerfloß in Thränen, während er sich Aramis in die Arme warf.

»Meine Freunde,« sprach Athos, »das ist es, was ich erwartete, das, was ich von zwei Herzen wie die Eurigen hoffte; ja, ich habe es gesagt und wiederhole es, unsere Geschicke sind unwiderruflich verbunden, obgleich wir verschiedenen Wegen folgen. Ich achte Eure Meinung, d’Artagnan; sich ehre Eure Ueberzeugung Porthos; aber obgleich wir uns für entgegengesetzte Sachen schlagen, bleiben wir doch Freunde. Die Minister, die Prinzen werden wie ein Strom hinziehen, der Bürgerkrieg wird wie eine Flamme erlöschen, aber wir, wir werden bleiben, das sagt mir ein Vorgefühl.«

 

»Ja,« sprach d’Artagnan, »seien wir stets Musketiere, und behalten wir als einzige Fahne die berühmte Serviette der Bastei Saint-Gervais, auf welche der große Cardinal drei Lilien sticken ließ.«

»Ja,« sagte Aramis, »Cardinalisten oder Frondeure, was legt uns daran! Finden wir nur wieder unsere guten Sekundanten für die Zweikämpfe, unsere ergebenen Freunde für die wichtigen Angelegenheitem unsere lustigen Gefährten für das Vergnügen.«

»Und jedes Mal,« rief Athos, »so oft wir uns im Gefechte treffen, nehmen wir bei dem einzigen Wort: Place Royale! – den Degen in die linke Hand und reichen uns die Rechte, und wäre es mitten im Blutbade!«

»Ihr sprecht zum Entzücken,« sagte Porthos.

»Ihr seid der größte Mann,« erwiderte d’Artagnan, »und überragt uns um zehn Ellen.«

Athos lächelte mit einem Ausdrucke unbeschreiblicher Freude.

»Dies ist also abgemacht,« sprach er. »Auf, meine Herren, Eure Hand. Seid Ihr ein wenig Christen?«

»Bei Gott!« versetzte d’Artagnan.

Wir werden es bei dieser Gelegenheit sein, um unserem Schwure treu zu bleiben,« sagte Aramis.«

»Ah, ich bin bereit, bei Allem zu schwören, was man nur will, selbst bei Mahomet! Der Teufel soll mich holen, wenn ich je so glücklich gewesen bin, als in diesem Augenblick.«

Und der gute Porthos trocknete seine noch feuchten Augen.

»Hat Einer von Euch ein Kreuz?« fragte Athos.

Porthos und d’Artagnan schauten sich an, wie Menschen, welche unversehens gefaßt werden.

Aramis lächelte und zog aus seiner Brust ein Kreuz von Diamanten, welches an einer Perlenschnur an seinem Halse hing.

»Hier ist eines,« sagte er.

»Nun wohl,« versetzte Athos, »schwören wir auf dieses Kreuz, das trotz seines Stoffes immerhin ein Kreuz ist, schwören wir, unter allen Umständen und immer vereinigt zu sein, und mochte dieser Schwur nicht nur uns allein, sondern auch unsere Nachkommen binden. Ist dieser Eid Euch genehm?«

»Ja,« antworteten sie einstimmig.

»Ah! Verräther,« sagte ganz leise d’Artagnan, indem er sich an das Ohr von Aramis neigte, »Ihr habt uns auf das Crucifix einer Frondeuse schwören lassen.«

XI
Die Fähre

Wir hoffen, der Leser hat den jungen Reisenden nicht ganz vergessen, den wir auf der Straße nach Flandern ließen.

Sobald Raoul seinen Beschützer, der ihm mit den Augen, vor der Basilica stehend, folgte, aus dem Blicke verlor, gab er seinem Pferde die Sporen, einmal, um seinen schmerzlichen Gedanken zu entfliehen, und dann um vor Olivain die Bewegung zu verbergen, welche mächtig auf seinen Zügen hervortrat.

Eine Stunde raschen Marsches zerstreute jedoch, bald alle die düsteren Dünste, welche die so reiche Einbildungskraft des Jünglings in Betrübniß versetzt hatten. Das unbekannte Vergnügen, frei zu sein, ein Vergnügen, das seine Süßigkeit selbst für diejenigen hat, welche nie unter einer Abhängigkeit litten, vergoldete für Raoul den Himmel und die Erde, und besonders den fernen, azurblauen Horizont des Lebens, den man Zukunft nennt.

Er bemerkte jedoch nach verschiedenen Versuchen eines Gespräches mit Olivain, daß lange Tage auf diese Art zugebracht, sehr traurig sein müßten, und die so sanfte, so überzeugende Rede des Grafen kam ihm in das Gedächtniß, in Beziehung auf die Städte, die man durchzog, worüber Niemand kostbarere Auskunft geben konnte, als ihm von Athos, dem gelehrtesten und unterhaltendsten von allen Führern, ertheilt worden war.

Noch ein anderes Andenken machte Raoul traurig; nach Louves gelangend, hatte er, hinter einem Vorhange von Pappelbäumen verloren, ein kleines Schloß erblickt, das ihn so stark an la Vallière erinnerte, daß er stille hielt, um es wenigstens zehn Minuten anzuschauen, und sodann seufzend seinen Weg fortsetzte, ohne nur Olivain zu antworten, der ihn nach der Ursache dieser Aufmerksamkeit fragte. Der Anblick der äußeren Gegenstände ist ein geheimnißvoller Conductor, welcher mit den Fibern des Gedächtnisses in Verbindung steht; ist dieser Faden einmal erregt, wie der der Ariadne, so führt er in ein Labyrinth von Gedanken, worin man sich verirrt, wenn man dem Schatten der Vergangenheit folgt, den man Erinnerung nennt. Der Anblick dieses Schlosses hatte Raoul fünfzig Meilen nach Westen zu geworfen, und ihn in seinem Leben zurückgehen lassen, von dem Augenblick, wo Er von der kleinen Louise Abschied nahm, bis zu dem, wo er sie um ersten Male gesehen hatte, und jedes Eichengebüsch, jede Wetterfahne auf einem Schieferdache erschaut, erinnerte ihn daran, daß er, statt zu den Freunden seiner Kindheit zurückzukehren, sich immer, mehr von denselben entfernte, und daß er sie vielleicht für immer verlassen hatte.

Das Herz aufgeschwollen, den Kopf schwer, befahl er Olivain, die Pferde in eine kleine Herberge zu führen, die er an der Landstraße, ungefähr in einer halben Büchsenschußweite vorwärts von dem Orte erblickte, zu, welchem man gelangt war. Er selbst stieg ab, blieb unter einer schonen Gruppe von blühenden Kastanienbäumen, um welche zahllose Bienen summten, und beauftragte Olivain, ihm durch den Wirth Briefpapier und Dinte auf einen Tisch bringen zu lassen, der wie zum Schreiben aufgestellt zu sein schien.

Olivain gehorchte und setzte seinen Weg fort, während Raoul die Ellbogen auf den Tisch gestützt da saß, mit den Blicken hinausschweifend über diese schöne, ganz mit grünen Feldern und Baumgruppen durchstreute Landschaft, indeß von Zeit zu Zeit Blüthen wie Schneeflocken auf sein Haupt herabfielen.

Raoul verweilte hier ungefähr seit zehn Minuten und war etwa fünf in seine Träumereien versunken, als er in dem Kreise, welchen seine zerstreuten Blicke umfaßten, eine röthliche Figur sich bewegen sah, die, eine Serviette unter dem Arm, eine weiße Mühe auf dem Kopfe, sich mit Papier, Dinte und Feder ihm näherte.

»Ah! ah!« sprach die Erscheinung, »man sieht, alle Edelleute haben dieselben Gedanken, denn vor kaum einer Viertelstunde hat ein junger Seigneur, gut beritten, wie Ihr, von vornehmen Aussehen, wie Ihr, und ungefähr von Euerem Alter, vor dieser Baumgruppe Halt gemacht; er befahl diesen Tisch und diesen Stuhl zu bringen, speiste hier mit einem alten Herrn, der sein Hofmeister zu sein schien, eine Pastete, von der sie kein Stückchen übrig ließen, und trank mit seinem Begleiter eine Flasche alten Macon-Wein, von der nicht ein Tropfen übrig blieb; zum Glücke haben wir noch von demselben Wein und ähnliche Pasteten, und wenn der gnädige Herr befehlen wollte …«

»Nein, mein Freund,« antwortete Raoul lächelnd. »ich danke Euch, ich bedarf für jetzt nur der Dinge, die ich habe verlangen lassen; freilich würde es mir sehr lieb, sein, wenn die Dinte schwarz, und die Feder gut wäre; in diesem Falle würde ich für die Feder den Preis der Tasche, und für die Dinte den Preis der Pastete bezahlen.«

»Ganz wohl, gnädiger Herr,« sprach der Wirth., »dann will ich die Pastete und die Flasche Euerem Bedienten geben; Ihr bekommt auf diese Art die Feder und die Dinte in den Kauf.«

»Macht es, wie Ihr wollt,« erwiderte Raoul, der seine Lehre bei dieser ganz besonderen Klasse der Gesellschaft begann, welche als es auf den Landstraßen noch Räuber gab, mit diesen associrt war, und seitdem es keine mehr gibt, dieselben auf eine vortheilhafte Weise ersetzt hat.

Ueber seine Einnahme beruhigt, legte der Wirth Papier, Dintenfaß und Feder auf den Tisch. Zufälliger Weise war die Feder ziemlich gut und Raoul schickte sich an, zu schreiben.

Der Wirth blieb vor ihm stehen und betrachtete mit einer Art von unwillkürlicher Bewunderung dieses reizende, so sanfte und zugleich so ernste Antlitz. Die Schönheit ist stets eine Königin gewesen und wird immer eine sein.

»Das ist kein Gast, wie der von vorhin,« sagte der Wirth zu Olivain, welcher wieder zu Raoul zurückgekehrt war, um zu sehen, ob er nichts bedürfe, »und Euer junger Herr hat keinen Appetit.«

»Der Herr hatte noch vor drei Tagen, aber seit vorgestern hat er ihn verloren.«

Und Olivain und der Wirth wandelten nach der Herberge zurück, wobei Olivain, nach Art der über ihre Lage glücklichen Bedienten, dem Herbergsvater Alles erzählte, was er in Beziehung auf den jungen Edelmann sagen zu können glaubte.

Mittlerweile schrieb Raoul:

»Mein Herr!

»Noch einem Marsche von vier Stunden halte ich an, um Euch zu schreiben, denn Ihr fehlt mir jeden Augenblick, und ich bin immer im Begriff, den Kopf umzudrehen, wie um zu antworten, wenn Ihr mit mir sprachet. Ich war so betäubt von Euerem Abgang und wurde über unsere Trennung dergestalt von Kummer ergriffen, daß ich Euch nur schwach Alles das ausgedrückt habe, was ich an Zärtlichkeit und Dankbarkeit für Euch fühle. Ihr werdet mich entschuldigen, denn Euer Herz ist so edel, daß Ihr Alles begreift, was in dem meinigen vorging. Schreibt mir doch, ich bitte Euch, denn Euere Rathschläge bilden einen Theil meines Daseins; und dann, wenn ich es Euch gestehen darf, bin ich unruhig: es kam mir vor, als schicktet Ihr Euch selbst zu einer gefahrvollen Unternehmung an, über welche ich Euch nicht zu befragen wagte, weil Ihr mir nichts davon sagtet. Ihr seht, ich bedarf sehr der, Kunde von Euch. Seitdem ich Euch nicht mehr bei mir habe, befürchte ich jeden Augenblick zu fehlen. Ihr unterstütztet mich mächtig, Herr, und heute, ich schwöre es Euch, fühle ich mich sehr allein.

»Wolltet Ihr wohl die Gefälligkeit haben, wenn Ihr Nachricht von Blois bekommt, mir einige Worte von meiner kleinen Freundin, Fräulein de la Vallière, zu schreiben, deren Gesundheit, wie Ihr wißt, bei unserer Abreise zu einiger Besorgniß Anlaß geben konnte, Ihr begreift, mein Herr und theuerer Beschützer, wie die Erinnerungen aus der Zeit, die ich bei Euch zugebracht habe, mir so kostbar und wesentlich sind. Ich hoffe, Ihr werdet auch zuweilen an mich denken, und wenn ich Euch zu gewissen Stunden fehle, wenn Ihr etwas wie einen kleinen Kummer über meine Abwesenheit fühlt, so wird mich Freude bei dem Gedanken erfüllen, daß Ihr, meine Liebe und Ergebenheit für Euch empfunden habt, und daß ich, sie Euch begreiflich zu machen verstand, während ich das Glück genoß, in Euerer Nähe zu leben.«

Als dieser Brief vollendet war, fühlte sich Raoul ruhiger. Er schaute umher, ob Olivain und der Wirth ihn nicht betrachteten, drückte einen Kuß auf dieses, Papier, eine stumme, rührende Liebkosung, welche Athos, den Brief öffnend, zu errathen fähig war.

Während dieser Zeit hatte Olivain seine Flasche geleert und seine Pastete gegessen; die Pferde waren erfrischt; Raoul machte dem Wirth ein Zeichen, herbeizukommen, warf einen Thaler auf den Tisch, stieg wieder zu Roß und gab in Senlis den Brief auf die Post.

Die Ruhe, welche Pferde und Reiter genossen hatten, erlaubte ihnen, den Marsch ohne Aufenthalt fortzusetzen. In Berberie befahl Raoul Olivain, sich nach dem jungen Edelmann zu erkundigen, der ihm voraus reiste. Man hatte ihn vor drei Viertelstunden durchkommen sehen; aber er war gut beritten, wie der Wirth gesagt hatte, und marschierte in raschem Zuge.

»Wir wollen diesen Edelmann einzuholen suchen,« sprach Raoul zu Olivain; »er geht, wie wir, zum Heere, und wird eine angenehme Gesellschaft für uns sein.«

Es war vier Uhr Nachmittags, als Raoul nach Compiègne gelangte; er speiste mit gutem Appetit zu Mittag und erkundigte sich abermals nach dem jungen Edelmann, der ihm voraus ritt; er hatte wie Raoul, im Gasthofe zur Glocke und Flasche angehalten, welcher der beste in Compiègne war, und sodann seine Reise mit der Bemerkung fortgesetzt, er wolle in Noyon über Nacht bleiben.

»Bleiben wir auch in Noyon,« sprach Raoul.

»Gnädiger Herr,« erwiderte ehrfurchtsvoll Olivain, »erlaubt mir zu bemerken, wir haben diesen Morgen unsere Pferde bereits sehr angestrengt. Es wäre, glaube ich, gut, hier zu übernachtete und morgen frühzeitig weiter zu reisen. Achtzehn Meilen genügen für eine erste Etappe.«

»Der Herr Graf de la Fère wünscht, daß ich mich beeile,« antwortete Raoul, »und ich soll am Morgen des vierten Tages den Herrn Prinzen eingeholt haben. Reiten wir noch bis Noyon, das ist dann eine Etappe der ähnlich, welche wir bei, unserer Reise von Blois nach Paris gemacht haben. Wir kommen um acht Uhr an; die Pferde haben die ganze Nacht, um auszuruhen, und morgen früh um fünf Uhr setzen wir uns wieder in Marsch.«

Olivain wagte es nicht, sich diesem Entschlusse zu widersetzen, aber er folgte murrend.

 

»Gebt, geht,« sprach er durch die Zähne; »werft Euer Feuer am ersten Tage weg. Morgen macht Ihr statt eines Marsches von zwanzig Meilen einen von zehn, übermorgen einen von fünf und in drei Tagen liegt Ihr im Bette. Ah! Ihr hättet sehr der Ruhe nöthig; alle diese jungen Leute sind Prahler.«

Man sieht, daß Olivain in der Schule der Planchet und Grimaud erzogen worden war.

Raoul fühlte sich wirklich müde; aber er wünschte seine Kräfte zu versuchen, und genährt von den Grundsätzen von Athos, fest überzeugt, daß er ihn tausendmal von Etappen von fünf und zwanzig Stunden hatte sprechen hören, wollte er nicht unter seinem Musterbilde bleiben. D’Artagnan, dieser Mann von Eisen, welcher ganz von Nerven und Muskeln gebaut zu sein schien, hatte seine Bewunderung hervorgerufen.

Er ritt also immer fort, wobei er von Zeit zu Zeit den Gang seines Pferdes, trotz der Bemerkungen von Olivain, zu beschleunigen suchte und einer reizenden schmalen Straße folgte, welcher zu einer Fähre führte und den Weg um eine Meile abkürzte, wie man ihn versichert hatte, als er den Gipfel eines Hügels erreichend, den Fluß vor sich erblickte. Eine kleine Truppe von Männern zu Pferde hielt am Ufer, bereit, sich einzuschiffen. Raoul zweifelte nicht, es wäre der Edelmann und sein Geleite. Er rief, war aber noch zu weit entfernt, um gehört zu werden. Raoul setzte sein Pferd, so müde es auch war, in Galopp, doch eine wellenförmige Erhöhung des Bodens entzog ihm bald den Anblick der Reisenden, und als er auf eine neue Anhöhe gelangte, hatte die Fähre das Ufer verlassen und schwamm nach dem entgegengesetzten Gestade.

Als Raoul sah, daß er nicht zeitig genug hinabgelangen konnte, um mit den Reisenden über den Fluß zu setzten, hielt er an und wartete aus Olivain.

In diesem Augenblick hörte man einen Schrei- welcher vom Flusse zu kommen schien. Raoul wandte sich auf die Seite, von wo der Schrei erscholl, hielt die Hand über seine Augen, welche die untergehende Sonne blendete, und rief:

»Olivain, was seht ich da unten!«

Ein zweiter, noch durchdringenderer Schrei erscholl unten!«

»Ei, gnädiger Herr,« sagte Olivain, »das Seil der Fähre ist gebrochen und das Schiff fällt ab. Aber was seh’ ich im Wasser? Es kämpft!«

»Allerdings!« rief Raoul, seine Blicke auf einen Punkt im Flusse heftend, welchen die Sonnenstrahlen glänzend beleuchteten, »ein Pferd, ein Reiter!«

»Sie sinken!« rief Olivain.

Es war so, und Raoul hatte die Gewißheit erlangt, daß ein Unfall geschehen war und daß ein Mensch mit den Wellen kämpfte. Er ließ seinem Pferde die Zügel schießen, drückte ihm die Sporen in den Leib, und das Thier sprang, vom Schmerze gestachelt, über eine Art von Geländer, welches den Landungsplatz umgab, und fiel in den Fluß, wobei Schaumwogen in die Ferne spritzten.

»Ah, gnädiger Herr!« rief Olivain, »was macht Ihr? Mein Gott und Vater!«

Raoul lenkte sein Pferd nach dem Unglücklichen, der in Gefahr schwebte. Es war dies übrigens ein ihm bekanntes Manöver. An den Ufern der Loire geboren, war er gleichsam in ihren Wellen gewiegt worden; hundertmal hatte er sie zu Pferde, tausendmal schwimmend durchzogen. Die Zeit vorhersehend, wo er aus dem Vicomte einen Soldaten machen würde, hatte Athos ihn an alle diese Unternehmungen gewöhnt.

»O mein Gott!« fuhr Olivain ganz in Verzweiflung fort, was würde der Herr Graf sagen, wenn er Euch erblickte!«

»Der Herr Graf hätte es gemacht, wie ich,« antwortete Raoul, sein Pferd kräftig antreibend.

»Aber ich, aber ich!« rief Olivain, der sich ganz bleich am Ufer hin und hertrieb, »wie soll ich hinüberkommen?«

»Spring, Hasenherz!« rief Raoul, beständig schwimmend.

Dann sich an den Reisenden wendend, der sich zwanzig Schritte vor ihm abarbeitete, sprach er:

»Muth, mein Herr,« Muth, man kommt Euch zu Hilfe!«

Olivain ritt vor und wich wieder zurück, ließ sein Pferd sich bäumen und sich winden und stürzte endlich, von der Scham im Herzen ergriffen, wie Raoul in den Fluß, wobei er aber wiederholte: »Ich bin todt! wir sind verloren!«

Die Fähre lief indessen rasch, von der Strömung erfaßt, den Fluß hinab, und man hörte diejenigen, welche sie forttrug, laut um Hilfe rufen.

Ein Mann mit grauen Haaren war von der Fähre in den Fluß gesprungen und schwamm kräftig gegen die Person, welche dem Ertrinken nahe war. Aber er rückte nur langsam vorwärts, denn er mußte gegen den Strom schwimmen.

Raoul setzte seinen Weg fort, und kam sichtbar weitere aber das Pferd und der Reiter, die er nicht aus dem Blicke verlor, sanken offenbar immer mehr unter. Das Pferd hatte nur noch die Nüstern über dem Wasser und der Reiter, welcher bei der Anstrengung gegen die Wellen die Zügel los ließ, streckte die Arme aus und hielt seinen Kopf vorwärts. Noch eine Minute und Alles verschwand.

»Muth!« rief Raoul, »Muth!«

Das Wasser lief über den Kopf des Ertrinkenden und erstickte seine Stimme im Munde.

Raoul warf sich von seinem Pferde, dem er die Sorge für seine Selbsterhaltung überließ, und in drei bis vier Stößen war er bei dem Edelmann. Er ergriff sogleich das Pferd bei der Kinnkette und hob ihm den Kopf über das Wasser; das Thier athmete nun freier und verdoppelte seine Anstrengungen, als ob es begriffen hätte, man käme ihm zu Hilfe. Raoul faßte zu gleicher Zeit eine von den Händen des jungen Mannes und führte sie an die Mähne, an welcher sie sich mit der Fettigkeit des Ertrinkenden anklammerte. Ueberzeugt, daß der Reiter nicht mehr loslassen würde, beschäftigte sich Raoul nur noch mit dem Pferde, das er nach dem entgegengesetzten Ufer lenkte, wobei er es im Durchschneiden des Wassers unterstützte und mit der Zunge ermuthigte.

Bald stieß das Thier auf einen festen Grund und faßte Fuß auf dem Sande.

»Gerettet!« rief der Mann mit den grauen Haaren, welcher nun ebenfalls Fuß faßte.

»Gerettet!« murmelte maschinenmäßig der Edelmann, ließ die Mähne los und glitt über den Sattel herab in die Arme von Raoul.

Raoul war nur zehn Schritte vom Ufer entfernt. Er trug den ohnmächtigen Jüngling dahin, legte ihn auf das Gras, riß die Schnüre seines Kragens auf und löste die Spangen seines Wammses.

Eine Minute nachher war der Mann mit den grauen Haaren bei ihm.

Olivain hatte ebenfalls nach vielen Bekreuzungen das Ufer erreicht, und die Leute von der Fähre lenkten diese, so gut sie konnten, mit Hilfe einer Stange, welche sich zufällig in dem Schiffe befand, nach dem Lande.

Allmählich kehrte durch die Bemühungen von Raoul und dem Manne, welcher den jungen Cavalier begleitete, das Leben auf die bleichen Wangen des Sterbenden zurück, welcher nun die Augen wieder öffnete, ganz verwirrt umherschaute, dann aber bald seine Blicke auf denjenigen heftete, welcher ihn gerettet hatte.

»Ah, mein Herr!« rief er, »Euch suchte ich: ohne Euch wäre ich todt, dreimal todt!«

»Aber man erwacht wieder, wie Ihr seht, mein Herr,« antwortete Raoul, »und wir sind mit einem Bade davon gekommen.«

»Welchen Dank sind wir Euch schuldig!« rief der Mann mit dem grauen Haare.

»Ihr seid hier, mein guter d’Arminges! ich habe Euch sehr bange gemacht, nicht wahr? Aber das ist Euer Fehler: Ihr waret mein Lehrer, warum habt Ihr mich nicht besser schwimmen gelehrt?«

»Ah, Herr Graf,« sprach der Greis, »wenn Euch Unheil widerfahren wäre, ich hätte es nie wieder gewagt, mich vor dem Herrn Marichall zu zeigen!«

»Aber wie hat sich denn diese Sache ereignet?« fragte Raoul.

»Mein Herr, auf die einfachste Weise,« antwortete derjenige, welchem man den Grafentitel gegeben hatte. »Wir hatten ungefähr den dritten Theil des Flusses erreicht, als das Seil der Fähre zerriß. Bei dem Geschrei und den Bewegungen der Ruderer scheute mein Pferd und sprang in den Fluß. Ich schwimme schlecht und wagte es nicht, mich in das Wasser zu werfen. Statt die Bewegungen meines Rosses zu unterstützen, lähmte ich sie und war nahe daran, auf das Alterschönste zu ertrinken, als Ihr gerade zur rechten Zeit kamet, um mich aus dem Flusse zu ziehen. Wenn Ihr wollt, mein Herr, so gehören wir uns von nun an auf Leben und Tod.«

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