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Der Graf von Monte Christo

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Zwölftes Kapitel.

Toxicologie

Es war wirklich der Herr Graf von Monte Christo, welcher bei Frau von Villefort in der Absicht erschien, dem Herrn Staatsanwalt seinen Besuch zurückzugeben, und es wurde wie sich leicht denken läßt, bei diesem Namen das ganze Haus in Bewegung gesetzt.



Frau von Villefort befand sich allein im Salon, als man den Grafen meldete, und ließ sogleich ihren Sohn kommen, damit das Kind seine Danksagungen bei Monte Christo erneuern möchte; Eduard, der seit zwei Tagen unabläßig von dieser hohen Person hatte sprechen hören, lief eilig herbei, nicht aus Gehorsam gegen seine Mutter und ebenso wenig um dem Grafen zu danken, sondern aus Neugierde und um irgend eine Wahrnehmung zu machen, mit deren Hilfe er einen von jenen Lazzi anbringen könnte, welche seine Mutter stets zu der Äußerung veranlaßten: »O! das böse Kind; doch ich muß ihm verzeihen, es hat so viel Witz!«



Nach dem ersten Austausche der gewöhnlichen Höflichkeiten erkundigte sich der Graf nach Herrn von Villefort.



»Mein Gatte speist beim Herrn Kanzler,« antwortete die junge Frau; »er ist so eben weggefahren und wird es gewiss sehr bedauern, des Glückes, Sie zu sehen, beraubt gewesen zu sein.«



Zwei Besuche, welche vor dem Grafen in dem Salon gewesen waren und diesen mit den Augen verschlangen, entfernten sich nach einer den billigen Rücksichten auf Höflichkeit und aus Neugierde entsprechenden Zeit.



»Ei, was macht denn Deine Schwester Valentine?« sagte Frau von Villefort zu Eduard; »man benachrichtige sie, damit ich die Ehre haben kann, dieselbe dem Herrn Grafen vorzustellen.«



»Sie hoben eine Tochter, Madame?« fragte der Graf; »das muß ein Kind sein?«



»Es ist die Tochter von Herrn von Villefort,« erwiderte die junge Frau: »eine Tochter aus erster Ehe, eine hübsche, große Person.«



»Aber schwermütig,« unterbrach sie der stetige Eduard und riß, um einen Busch für seinen Hut daraus zu machen, die Federn aus dem Schweife eines prachtvollen Ara, der vor Schmerz auf seiner goldenen Aufsitzstange schrie.



Frau von Villefort beschränkte sich auf ein Einfaches:



»Stille, Eduard!«



Dann fügte sie bei:



»Dieser junge Naseweis hat beinahe recht und wiederholt nur, was er mich sehr oft mit Kummer hat sagen hören; denn Fräulein von Villefort ist, trotz alles dessen, was wir tun mögen, um sie zu zerstreuen, von einem traurigen Charakter, von einer schweigsamen Laune, welche häufig der Wirkung ihrer Schönheit Eintrag tut. Aber sie kommt nicht; Eduard, sieh doch nach, was das bedeutet.«



»Weil man sie da sucht, wo sie nicht ist.«



»Wo sucht man sie denn?«



»Bei Großpapa Noirtier.«



»Du glaubst, sie sei nicht dort?«



»Nein, nein, nein, nein, nein,« erwiderte Eduard trällernd.



»Wo ist sie denn? Wenn Du es weißt, so sprich.«



»Sie ist unter dem großen Kastanienbaum.« fuhr der boshafte Knabe fort, und reichte, ohne auf das Geschrei seiner Mutter zu achten, dem Papagei, welcher aus diese Art von Wildpret sehr lüstern zu sein schien, lebendige Fliegen.



Frau von Villefort streckte die Hand aus, um zu läuten und dann der Kammerfrau den Ort zu sagen, wo sie Valentine finden würde, als diese eintrat. Sie schien in der Tat traurig zu sein, und bei aufmerksamer Betrachtung hätte man an ihren Augen Spuren von Tränen wahrnehmen können.



Valentine, welche wir, fortgezogen durch den raschen Gang der Erzählung unsern Lesern vorstellten, ohne sie mit ihr bekannt zu machen, war groß, schlank, achtzehn Jahre alt, hatte hell kastanienbraune Haare, dunkelblaue Augen, und zeichnete sich durch den würdevollen Gang und durch die Haltung aus, welche auch ihre Mutter charakterisirten; ihre weißen, zarten Hände, ihr Perlmutterhals, ihre von flüchtigen Farben gemarmorten Wangen verliehen ihr beim ersten Anblick das Aussehen von einer jener schönen Engländerinnen, welche man so poetisch in ihrem Wesen mit Schwanen verglichen hat, die sich auf der Fläche des Wassers spiegeln.



Sie trat also ein und grüßte, als sie bei ihrer Mutter den Fremden erblickte, von welchem sie so viel hatte sprechen hören, ohne mädchenhafte Ziererei und ohne die Augen niederzuschlagen, mit einer Anmuth, welche die Aufmerksamkeit des Grafen verdoppelte.



»Fräulein von Villefort, meine Stieftocher,« sagte Frau von Villefort zu Monte Christo, indem sie mit der Hand auf Valentine deutete.



»Und der Herr Graf von Monte Christo, König von China, Kaiser von Cochinchina,« rief der Bube seiner Schwester einen duckmäuserischen Blick zuwerfend.



Diesmal erbleichte Frau von Villefort, und sie wäre bald über diese häusliche Geißel, welche aus den Namen Eduard antwortete, ärgerlich gewordene doch der Graf lächelte im Gegenteil und schien das Kind mit Wohlgefallen zu betrachten, was die Freude und Begeisterung einer Mutter auf den höchsten Grad steigerte.



»Aber, Madame,« sagte der Graf, das Gespräch wieder anknüpfend und abwechselnd Frau von Villefort und Valentine anschauend, »habe ich nicht bereits die Ehre gehabt, Sie irgendwie zu sehen, Sie und das Fräulein? Ich dachte so eben daran, und als das Fräulein eintrat, warf sein Anblick einen Schimmer mehr auf eine verworrene Erinnerung.« verzeihen Sie mir diesen Ausdruck.«



»Es ist nicht sehr wahrscheinlich, mein Herr, Fräulein von Villefort liebt die Gesellschaft nur sehr wenig und wir gehen selten aus,« sprach die junge Frau.



»Auch war es nicht die Gesellschaft, wo ich das Fräulein, so wie Sie, Madame, und diesen reizenden Jungen gesehen habe. Die Pariser Welt ist mir überdies völlig unbekannt, denn ich habe, wie ich glaube, bereits die Ehre gehabt, Ihnen zu bemerken, daß ich erst seit ein paar Tagen in Paris bin. Nein, wenn Sie mir erlauben, einen Augenblick nachzudenken . . . Warten Sie . . . «



Der Graf legte seine Hand an seine Stirne, als wollte er seine Erinnerungen zusammendrängen:



»Nein, es ist außerhalb . . . es ist ich weiß nicht . . . aber es scheint mir, diese Erinnerung ist unzertrennlich nein einer schönen Sonne und einer Art von religiösem Feste . . . Das Fräulein hielt Blumen in der Hand; das Kind lief in einem Garten einem prächtigen Pfauen nach, und Sie Madame, saßen unter einer Weinlaube. Helfen Sie mir doch, Madame: erinnern Sie die Dinge, die ich Ihnen nenne, an nichts?«



»In der Tat, nein.« erwiderte Frau von Villefort; »und doch scheint es mir, wenn ich Sie irgendwo getroffen hätte, würde die Erinnerung an Ihre Person meinem Gedächtnis gegenwärtig geblieben sein.«



»Der Herr Graf hat uns vielleicht in Italien gesehen.« bemerkte Valentine schüchtern.



»In der Tat, in Italien . . . das ist möglich.« sprach Monte Christo. »Sie haben Italien bereist, mein Fräulein?«



»Madame und ich waren vor zwei Jahren dort. Die Ärzte befürchteten für meine Brust und empfahlen mir die Luft von Neapel. Wir reisten durch Bologna, Perugia und Rom.«



»Ah! so ist es, mein Fräulein,« rief Monte Christo, als genügte diese einfache Andeutung, um seine Erinnerungen festzustellen. »Es war in Perugia am Tage des Frohnleichnamsfestes, im Garten des Gasthauses zur Post, wo der Zufall uns vereinigte, und wo ich, wie ich mich nun entsinne, Sie zu sehen die Ehre gehabt habe.«



»Ich erinnere mich der Stadt Perugia vollkommen, mein Herr, und ebenso des Gasthauses zur Post und des Festes, von dem Sie sprechen.« sagte Frau von Villefort; »aber ich mag mich befragen, wie ich will, ich muß mich meines Gedächtnisses schämen, denn ich entsinne mich nicht, die Ehre gehabt zu haben, Sie dort zu sehen.«



»Es ist sonderbar, ich auch nicht,« sagte Valentine ihre schönen Augen zu Monte Christo aufschlagend.



»Ah! ich erinnere mich wohl,« rief Eduard.



»Ich will Ihnen helfen, Madame,« versetzte der Graf. »Der Tag war glühend heißt Sie erwarteten Pferde, welche wegen der Feierlichkeit nicht kamen. Das Fräulein entfernte sich in die Tiefe des Gartens, und Ihr Sohn verschwand einem Vogel nachlaufend.«



»Ich erwischte ihn, Mama, Du weißt, ich riß ihm drei Federn aus dem Schweife,« sprach Eduard.



»Sie, Madame, Sie Verweilten unter der Weinlaube, erinnern Sie sich nicht, daß Sie auf einer Steinbank sitzend, während. wie gesagt, das Fräulein von Villefort und Ihr Herr Sohn sich entfernt hatten, ziemlich lange mit irgend Jemand plauderten?«



»Ja, wahrhaftig, ja,« sprach die junge Frau errötend, »ich entsinne mich dessen, mit einem Manne, der in einen langen wollenen Mantel gehüllt war . . . mit einem Arzte, glaube ich.«



»Ganz richtig, Madame, dieser Mann war ich: ich wohnte seit vierzehn Tagen in dem genannten Gasthofe und hatte meinen Kammerdiener von einem Fieber geheilt, weshalb man mich für einen großen Arzt hielt. Wir plauderten lange von gleichgültigen Dingen von Perugino, von Raphael, von Sitten und Gebräuchen, von jener berüchtigten Aqua Tofana, von der, wie man Ihnen, glaube ich, gesagt hatte, noch einige Personen in Perugia das Geheimnis bewahrten.«



»Ah! es ist wahr,« sprach Frau von Villefort mit einer gewissen Unruhe, »ich erinnere mich dessen.«



»Ich weiß nicht mehr, was Sie mir im Einzelnen sagten, Madame,« versetzte der Graf mit vollkommener Ruhe, »doch ich bin dessen noch vollkommen eingedenk, daß Sie, den allgemeinen Irrtum über meine Person teilend, mich über die Gesundheit von Fräulein von Villefort um Rath fragten.«



»Aber Sie waren wirklich Arzt, da Sie Kranke heilten?«



»Moliere oder Beaumarchais würden Ihnen antworten, Madame, daß ich, gerade weil ich es nicht war, nicht meine Kranken geheilt habe, sondern daß meine Kranken genesen sind; ich begnüge mich, Ihnen zu bemerken, daß ich ziemlich gründlich die Chemie und die Naturwissenschaften studierte. aber Sie begreifen, nur als Liebhaber.«



In diesem Augenblick schlug es sechs Uhr.



»Es ist sechs Uhr,« sagte Frau von Villefort sichtbar bewegt; willst Du nicht nachsehen, Valentine, ob Dein Großvater zum Mittagessen bereit ist?«

 



Valentine stand auf, verbeugte sich vor dem Grafen und verließ das Zimmer ohne ein Wort zu sprechen.



»Oh! mein Gott, Madame, sollten Sie Fräulein von Villefort meinetwegen entfernt haben?« sagte der Graf, als Valentine weggegangen war.



»Durchaus nicht,« erwiderte lebhaft die junge Frau, »es ist die Stunde, zu der wir Herrn Noirtier das traurige Mahl einnehmen lassen, das sein unglückliches Dasein fristet; Sie wissen, mein Herr, in welch einem beklagenswerten Zustande sich der Vater meines Gatten befindet?«



»Ja, Madame, Herr von Villefort hat mir davon gesagt: eine Lähmung, glaube ich.«



»Ach! ja, es findet bei dem armen Greise eine völlige Abwesenheit der Bewegung statt, die Seele allein wacht in dieser menschlichen Maschine, aber ebenfalls bleich und zitternd, und wie eine Lampe, welche dem Erlöschen nahe ist. Doch verzeihen Sie, mein Herr, daß ich Sie mit unserem häuslichen Unglück unterhalte; ich unterbrach Sie in dem Augenblick, wo Sie mir sagten, Sie wären ein geschickter Chemiker.«



»Oh! das sagte ich nicht, Madame,« entgegnete lächelnd der Graf; »im Gegenteil. ich studierte die Chemie, weil ich, entschlossen hauptsächlich im Orient zu leben, das Beispiel des Königs Mithridates befolgen wollte.«



»

Mithridates rex Ponticus

,« rief der junge Naseweis, während er Silhouetten aus einem herrlichen Album schnitt, »derselbe, welcher jeden Morgen eine Tasse Gift mit Rahm frühstückte.«



»Eduard! abscheuliches Kind!« rief Frau von Villefort, das verstümmelte Buch den Händen ihres Sohnes entreißend; »Du bist unausstehlich mit Deinem Geschrei. Laß uns allein und suche Deine Schwester Valentine bei dem guten Papa Noirtier auf.«



»Das Album! . . . « sagte Eduard.



»Wie, das Album?«



»Ja, ich will das Album . .«



»Warum hast Du die Zeichnungen zerschnitten?«



»Weil es mich belustigt.«



»Geh’, geh’.«



»Ich gehe nicht, wenn man mir nicht das Album gibt,« rief das Kind, und setzte sich, getreu seiner Gewohnheit, nie nachzugeben, in einem großen Lehnstuhle fest.



»Nimm und laß uns in Ruhe.« sagte Frau von Villefort, und gab das Album Eduard, der sich, begleitet von seiner Mutter, entfernte.



Der Graf folgte Frau von Villefort mit den Augen und murmelte:



»Ich will doch sehen, ob sie die Thüre hinter ihm schließt.«



Frau von Villefort schloß die Thüre mit der größten Behutsamkeit hinter ihrem Sohne. Der Graf gab sich den Anschein, als bemerkte er dies nicht.



Dann schaute die junge Frau noch einmal aufmerksam umher und setzte sich wieder auf ihre Sauseuse.



»Erlauben Sie mir, Ihnen zu bemerken, Madame,« sagte der Graf mit seinem uns wohl bekannten gutmütigen Tone, »erlauben Sie mir, Ihnen zu bemerken, daß Sie sehr streng gegen diesen reizenden Jungen sind.«



»Ich muß wohl, mein Herr,« erwiderte Frau von Villefort mit einem wahrhaft mütterlichen Ausdrucke.



»Herr Eduard recitirte seinen Cornelius Nepos, als er vom König Mithridates sprach, und Sie unterbrachen ihn bei Anführung einer Stelle, wodurch er bewies, daß sein Lehrer die Zeit nicht mit ihm verloren hat, und daß Ihr Sohn für sein Alter sehr weit vorgerückt ist.«



»Es ist nicht zu leugnen, Herr Graf.« sprach die geschmeichelte Mutter, »daß er eine große Leichtigkeit besitzt, und Alles lernt, was er lernen will. Er hat nur einen Fehler, den, daß er zu eigensinnig ist. Doch um auf das zu kommen, was er vorhin sagte. glauben Sie, mein Herr Graf, daß sich Mithridates dieser Vorsichtsmaßregeln bediente, und daß dieselben wirksam sein dürften?«



»Ich glaube so sehr daran, Madame, daß ich, der ich mit Ihnen spreche, in Neapel, in Palermo und in Smyrna, das heißt bei drei Veranlassungen, wo ich ohne diese Vorsichtsmaßregeln mein Leben hätte lassen können, davon Gebrauch gemacht habe.«



»Und das Mittel hat seinen Erfolg gehabt?«



»Vollkommen.«



»Ja, es ist wahr; ich erinnere mich, daß Sie mir bereits etwas Ähnliches in Perugia erzählten.«



»Wirklich!« rief der Graf mit einem bewunderungswürdig gespielten Erstaunen; »ich entsinne mich dessen nicht.«



»Ich fragte Sie, ob die Gifte gleichmäßig und mit derselben Energie auf die Menschen des Nordens und auf die des Südens wirken, und Sie erwiderten mir, die kalten und lymphatischen Temperamente bitten nicht dieselbe Empfänglichkeit, wie die weiche und energische Natur der Leute des Südens.«



»Es ist wahr, ich habe Rassen, ohne im Geringsten dadurch belästigt zu werden, vegetabilische Substanzen verschlingen sehen, welche unfehlbar einen Neapolitaner oder einen Araber umgebracht hätten.«



»Sie glauben also, das Resultat wäre bei uns noch sicherer, als im Orient, und inmitten unserer Nebel und Regen würde sich ein Mensch leichter an diese stufenweise Einsaugung des Giftes gewöhnen, als unter einer heißen Zone?«



»Allerdings, doch wohl verstanden, man wird nur gegen das Gift geschützt sein, an das man sich gewöhnt hat.«



»Ich begreife; und wie würden Sie sich daran gewöhnen oder vielmehr, wie haben Sie sich daran gewöhnt?«



»Das ist ganz leicht. Nehmen Sie an, Sie wüßten zum Voraus, welches Giftes man sich gegen Sie bedienen würde, nehmen Sie an, dieses Gift sei . . . Brucin zum Beispiel.«



»Das Brucin zieht man, glaube ich, aus der falschen Angosturarinde,«

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  »Brucea ferruginea,« sagt Alexander Dumas in einer Note, nach Rodiquet und Barka aber kommt die falsche Angosturarinde nicht von

Brucea ferruginea

, sondern von

Strychenos nux vomica

. D. Übers.



 sagte Frau von Villefort.



»Ganz richtig, Madame; aber ich sehe, ich brauche Sie nicht mehr viel zu lehren, und mache Ihnen mein Compliment; solche Kenntnisse sind selten bei den Frauen.«



»Oh! ich gestehe,« erwiderte Frau von Villefort, »ich habe die heftigste Leidenschaft für die verborgenen Wissenschaften, welche wie eine Poesie zu der Einbildungskraft sprechen und sich wie eine algebrische Gleichung in Ziffern auflösen; ich bitte Sie, fahren Sie fort, was Sie mir sagen, interessiert mich im höchsten Grade.«



»Nun wohl.« fuhr Monte Christo fort, setzen Sie, dieses Gift sei Brucin, und Sie nehmen am ersten Tag ein Milligramm, am zweiten zwei Milligramme, so haben Sie nach Verlauf von zehn Tagen ein Centigramm; nach Verlauf von zwanzig Tagen ein weiteres Milligramm beifügend, haben Sie drei Centigramme, daß heißt eine Dose, welche Sie ohne Beschwerde ertragen werden, während sie bereits für eine Person, welche nicht dieselben Vorsichtsmaßregeln getroffen hätte, sehr gefährlich wäre. Nach Verlauf eines Monats endlich werden Sie, Wasser aus derselben Flasche trinkend, die Person töten, welche zugleich mit Ihnen von diesem Wasser getrunken hat, ohne an etwas Anderem, als an einer leichten Unbehaglichkeit wahrzunehmen, daß irgend eine giftige Substanz mit dem Wasser vermischt gewesen ist.«



»Sie kennen kein anderes Gegengift?«



»Ich kenne keines.«



»Ich habe oft die Geschichte von Mithridates gelesen, hielt sie aber stets für eine Fabel.« sprach Frau von Villefort nachdenkend.



»Nein, Madame, es ist gegen die Gewohnheit der Geschichte eine Wahrheit; doch was Sie mich da fragen, Madame, ist nicht das Resultat einer bloßen Laune, denn Sie richteten bereits vor zwei Jahren ähnliche Fragen an mich. und Sie sagen mir so eben, seit langer Zeit beschäftige Sie die Geschichte von Mithridates.«



»Es ist wahr, mein Herr, die zwei Lieblingsstudien meiner Jugend waren Botanik und Mineralogie, und als ich später erfuhr, die Anwendung einfacher Heilmittel erkläre häufig die ganze Geschichte der Völker und das ganze Leben der Menschen des Orients, wie die Blumen alle ihre Liebesgedanken erklären, so bedauerte ich, daß ich kein Mann bin, um ein Flamel, ein Fontana oder ein Cabanis zu werden.«



»Um so mehr,« versetzte Monte Christo, »als die Orientalen sich nicht, wie Mithridates, damit begnügen, sich aus den Giften einen Panzer zu machen, sondern sich auch einen Dolch daraus bilden; die Wissenschaft wird in ihren Händen nicht allein eine Verteidigungs- sondern häufig auch eine Angriffswaffe; die eine dient ihnen gegen die physischen Leiden; die andere gegen ihre Feinde: mit dem Opium, mit der Belladonna, mit dem Haschisch verschaffen Sie sich im Traume das Glück, das ihnen Gott in Wirklichkeit verweigert hat; mit der falschen Angosturarinde« mit dem Schlangenholz, mit dem Kirschlorbeer schläfern sie diejenigen ein, welche sie gern verstummt sehen möchten. Es ist nicht eine von jenen Frauen, welche Sie hier gute Weiber nennen, mag sie nun Ägyptierin, Türkin oder Griechin sein, die nicht im Felde der Medicin einen Arzt in Erstaunen zu setzen und im Gebiete der Psychologie einen Beichtvater zu erschrecken wüßte.«



»Wirklich!« rief Frau von Villefort, deren Augen bei diesem Gespräche von einem seltsamen Feuer erglänzten.



»Ei, mein Gott! Ja, Madame,« fuhr Monte Christo fort, die geheimen Dramen des Orients schürzen und entwickeln sich so, von der Pflanze, welche lieben macht, bis zur Pflanze, die den Tod bereitet, von dem Tranke, der den Himmel öffnet, bis zu demjenigen, welcher einen Menschen in die Hölle versenkt, und die Kunst dieser Chemiker versteht es auf eine bewunderungswürdige Weise, das Mittel und das Übel mit den Liebesbedürfnissen und mit dem Verlangen nach Rache in Einklang zu bringen.«



»Aber, mein Herr,« versetzte die junge Frau, »die orientalische Gesellschaften, in deren Mitte Sie einen Teil Ihres Lebens zugebracht haben, sind also wirklich phantastisch wie die Märchen, welche uns von ihrem schönen Lande zukommen; ein Mensch kann dort ungestraft aus dem Wege geschafft werden; es findet sich wirklich das Bagdad oder das Bassora von Herrn Galland? Die Sultane und die Wessire, welche diese Gesellschaften regieren und das bilden, was man in Frankreich das Gouvernement nennt, sind im Ernste Harun al Raschid’s oder Giaffar’s, welche nicht nur einem Giftmischer vergeben, sondern ihn sogar zum ersten Minister machen, wenn das Verbrechen geistreich ist, und dann die Geschichte desselben in goldenen Buchstaben gravieren lassen, um sich in den Stunden ihrer Langenweile damit zu belustigen?«



»Nein, Madame, das Phantastische besteht Nicht einmal mehr im Orient, es gibt dort auch, unter anderen Namen verkleidet und unter anderen Costumen verborgen, Polizeikommissäre, Untersuchungsrichter, Staatsprocuratoren und Experte. Man hängt, man köpft, man spießt dort die Verbrecher auf das Angenehmste; aber als gewandte Betrüger wußten diese Leute die menschliche Gerechtigkeit zu vereiteln und sich den Erfolg ihrer Unternehmungen durch geschickte Combinationen zu sichern. Hat bei uns ein von dem bösen Geiste des Hasses oder der Habgier besessener Einfaltspinsel einen Feind zu vernichten oder einen Verwandten auf die Seite zu schaffen, so geht er zu einem Apotheker, gibt einen falschen Namen an, durch den er leichter entdeckt wird, als durch seinen wahren, und kauft, unter dem Vorwande, die Ratten stören ihn im Schlafe, fünf bis sechs Gramme Arsenik; ist er sehr geschickt, so geht er zu fünf bis sechs Apothekern und wird nur fünf bis sechsmal leichter erkannt; besitzt er dann seine specifisches Mittel, so stößt er seinem Feinde, seinem Verwandten eine Dose Arsenik ein, woran ein Mammuth oder ein Mastdodon krepieren würde, so daß das Opfer ohne alles Weitere ein Gebrülle ausstößt, worüber das ganze Quartier in Aufruhr geräth. Dann kommt eine ganze Heerschaar von Polizeiagenten und Gendarmen; man schickt nach einem Arzte, der den Toten öffnet und in seinen Eingeweiden den Arsenik mit dem Löffel sammelt, Am andern Tag erzählen hundert Zeitungen die Begebenheit, sammt dem Namen des Opfers und des Mörders. Schon an demselben Abend kommt oder kommen der Apotheker oder die Apotheker und sagen: »»Ich habe den Arsenik an den Herrn verkauft;«« und eher als den Käufer keinen erkennen würde, erkennen ihn zwanzig; dann wird der einfältige Verbrecher verhaftet, eingekerkert, verhört, confrontirt, verurteilt und guillotiniert; ist es aber eine Frau von einiger Bedeutung, so wird sie auf Lebenszeit eingesperrt. So verstehen Ihre Nordländer die Chemie, Madame. Nur Desrues war stärker, das muß ich gestehen.«



»Was wollen Sie, mein Herr!« rief lachend die junge Frau, »man tut, was man kann. Es besitzt nicht die ganze Welt das Geheimnis der Medici oder der Borgia.«



»Soll ich Ihnen nun sagen« Madame, was die Ursache von allen diesen Albernheiten ist?« sprach Monte Christo, die Achseln zuckend. »Auf Ihren Theatern, wenigstens nach dein zu urteilen, was ich von den Stücken gelesen habe, die man auf denselben spielt, sieht man die Leute stets den Inhalt einer ganzen Phiole leeren oder das Gift eines Ringkastens verschlingen, und mausetot niederstürzen; fünf Minuten nachher füllt der Vorhang; die Zuschauer sind zerstreut. Man kennt die Folgen des Mordes nicht, man sieht nie den Polizeikommissär mit seiner Schärpe oder den Korporal mit seinen vier Mann, und dies berechtigt armselige Gehirne zu glauben, die Dinge gehen so zu. Aber verlassen Sie Frankreich ein wenig, gehen Sie nach Haleb, nach Kairo, oder auch nur nach Neapel und Rom, und Sie werden durch die Straßen aufrechte, frische. rosenfarbige Menschen schreiten sehen, von denen Ihnen der hinkende Teufel, wenn er Sie mit seinem Mantel streifen würde, sagen konnte: »»Dieser Herr ist seit drei Wochen vergiftet und wird in einem Monat völlig tot sein.««

 



»Sie haben also das Geheimnis der berüchtigten Aqua Tofana wieder gefunden, von dem man mir in Perugia sagte, es wäre verloren gegangen?« versetzte Frau von Villefort.



»Ei, mein Gott! verliert sich etwas bei den Menschen, Madame? Die Künste rücken von der Stelle und machen die Wanderung durch die Welt; die Dinge verändern nur ihren Namen, und der gemeine Haufe läßt sich dadurch täuschen; aber es ist immer dasselbe Resultat, das Gift. Jedes Gift wirkt besonders auf dieses oder jenes Organ, das eine auf den Magen, das andere auf das Gehirn, und wieder ein anderes auf die Eingeweide. Nun wohl, das Gift bestimmt einen Husten, dieser Husten eine Brustentzündung oder irgend eine andere Krankheit, welche im Buche der Wissenschaft einregistrirt ist, was dieselbe nicht abhält, vollkommen tödlich zu sein, und wäre sie es nicht, so würde sie dies durch die Mittel, welche die naiven Ärzte, gewöhnlich sehr schlechte Chemiker, anwenden, und so ist ein Mensch mit Kunst und nach allen Regeln getötet, wogegen die Justiz nichts einzuwenden hat, wie einer meiner Freunde, ein furchtbarer Chemiker, der ausgezeichnete Abbé Adelmonte von Taormina m Sicilien sagte, welcher diese nationalen Erscheinungen mit der größten Schärfe studiert hatte.«



»Das ist schrecklich, aber bewunderungswürdig,« sprach die junge Frau in starrer Aufmerksamkeit; »ich muß gestehen, ich hielt alle diese Geschichten für Erfindungen des Mittelalters.«



»Ja wohl, welche jedoch in unseren Tagen noch vervollkommnet worden sind. Wozu sollen die Zeit, die Ermutigungen, die Medaillen, die Kreuze, die Monthyon-Preise dienen, wenn nicht, um die Gesellschaft ihrer höchsten Vollendung zuzuführen? Der Mensch wird aber nur vollkommen sein, wenn er einmal wie Gott zu schaffen und zu zerstören versteht; er weiß bereits zu zerstören, und somit ist die Hälfte des Weges gemacht.«



»Auf diese Art,« versetzte Frau von Villefort, immer wieder auf ihr Ziel zurückkommend, »auf diese Art sind die Gifte der Borgia, der Medici, der René, der Ruggieri, und etwas später vielleicht des Baron von Trenk, womit das moderne Drama und der Roman. einen so großen Mißbrauch getrieben. ..«



»Gegenstände der Kunst, Madame, und nichts Anderes,« erwiderte der Graf. »Glauben Sie, der wahre Gelehrte wende sich unabänderlich an dasselbe Individuum? Keines Wegs. Die Wissenschaft liebt die Sprünge, die Kraftstücke, die Phantasie, wenn man so sagen darf. So hatte z. B. der vortreffliche Adelmonte, von welchem ich so eben sprach, erstaunliche Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht.«



»Wirklich!«



»Ja, ich werde Ihnen eine einzige anführen. Er hatte einen sehr schönen Garten, voll von Gemüsen, Blumen und Früchten; unter diesen Gemüsen wählte er das ehrlichste von allen, einen Kohl zum Beispiel. Drei Tage hinter einander begoß er diesen Kohl mit einer Arsenikauflösung; am dritten Tage wurde der Kohl krank und vergelbte; es war Zeit, ihn abzuschneiden; oben erschien er reif und er behielt sein anständiges Aussehen; für Adelmonte allein war er vergiftet. Dann trug er den Kohl nach Hause, nahm ein Kaninchen, der Abbé Adelmonte hatte eine Sammlung von Kaninchen, Katzen und indischen Schweinen, die in keiner Beziehung seiner Sammlung von Gemüsen, Blumen und Früchten nachgab: der Abbé Adelmonte nahm ein Kaninchen und ließ dasselbe ein Kohlblatt fressen; das Kaninchen starb. Welcher Untersuchungsrichter würde es wagen, hiergegen Einsprache zu tun, und welchem Staatsanwalt ist es je in den Sinn gekommen, gegen Herrn Magendie oder gegen Herrn Floureus ein Requisitorium in Beziehung auf Kaninchen, indische Schweine oder Katzen ergehen zu lassen? Keinem. Das Kaninchen stirbt also, ohne daß sich die Justiz darum bekümmert. Sobald das Kaninchen tot ist, l

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