Бесплатно

Der Graf von Monte Christo

Текст
iOSAndroidWindows Phone
Куда отправить ссылку на приложение?
Не закрывайте это окно, пока не введёте код в мобильном устройстве
ПовторитьСсылка отправлена

По требованию правообладателя эта книга недоступна для скачивания в виде файла.

Однако вы можете читать её в наших мобильных приложениях (даже без подключения к сети интернет) и онлайн на сайте ЛитРес.

Отметить прочитанной
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

Und er reichte Julie die Hand und diese gab ihm die ihrige, hingezogen, wie sie sich fühlte, durch den Blick und den Ton des Grafen.

»Doch dieser Lord Wilmore,« sprach sie, sich an eine letzte Hoffnung anklammernd, »er hatte wohl ein Vaterland, Verwandte, eine Familie, er war bekannt? Könnten wir nicht? . . . «

»Oh! suchen Sie nicht, Madame, bauen Sie keine Chimären auf das Wort, das mir entschlüpft ist. Nein, Lord Wilmore ist wahrscheinlich nicht der Mann, den Sie suchen, er war mein Freund, ich kannte seine Geheimnisse, er hätte mir auch dieses mitgeteilt.«

»Und er sagte Ihnen nichts davon,« rief Julie.

»Nichts.«

»Nicht ein Wort, das Sie auf die Vermutung bringen könnte? . . . «

»Nie.«

»Sie nannten ihn aber doch sogleich?«

»Sie wissen, bei solchen Fällen stellt man Mutmaßungen auf.«

»Meine Schwester,« sagte Maximilian, Monte Christo zu Hilfe kommend, »der Herr Graf hat Recht. Erinnere Dich dessen, was unser guter Vater uns so Oft sagte, »»Es ist kein Engländer gewesen der Mann, der unser Glück machte.««

Monte Christo zitterte und sprach lebhaft:

»Ihr Vater sagte Ihnen dies, Herr Morrel?«

»Mein Vater, Herr Graf, erblickte in dieser Handlung ein Wunder. Mein Vater glaubte an einen für uns aus dem Grabe erstandenen Wohlthäter. Oh! welch ein rührender Aberglaube, mein Herr! . . . während ich selbst ihm nicht beipflichtete, war ich doch weit entfernt, diesen Glauben in seinem Herzen zerstören zu wollen. Wie oft träumte er davon und sprach ganz leise dabei den Namen eines geliebten Freundes, eines verlorenen Freundes aus, und als er nur noch einen Schritt vom Tode entfernt war und das Herannahen der Ewigkeit seinem Geiste etwas von der Erleuchtung des Grabes gegeben hatte, da wurde dieser Gedanke, welcher bis dahin eine dunkle Vermutung gewesen, war, zur Überzeugung, und die letzten Worte, welche er sterbend aussprach, lauteten: »»Maximilian, es war Edmond Dantes.««

Die seit ein paar Secunden immer mehr zunehmende Blässe des Grafen wurde bei diesen Worten furchtbar. All sein Blut war nach dem Herzen zurückgeströmt. Er konnte kaum mehr sprechen, zog seine Uhr, als hätte er die Stunde vergessen, nahm feinen Hut, machte eine ungestüme, verlegene Verbeugung vor Madame Herbault, drückte Emmanuel und Maximilian die Hand, und stammelte:

»Madame, erlauben Sie mir, Ihnen zuweilen meine Achtung zu bezeigen. Ich liebe Ihr Haus und bin Ihnen dankbar für Ihren Empfang, denn es ist das erste Mal seit Jahren, daß ich mich vergessen habe.«

Und er entfernte sich mit großen Schritten.

»Das ist ein seltsamer Mensch . . . dieser Graf von Monte Christo,« sagte Emmanuel.

»Ja,« erwiderte Maximilian, »aber ich glaube, er hat ein vortreffliches Herz, und ich bin überzeugt, daß er uns liebt.«

»Und mir,« sprach Julie, »mir war es, als erinnerte sich mein Inneres seiner Stimme, und wiederholt kam es mir vor, als hörte ich sie nicht zum ersten Male.«

Elftes Kapitel.
Pyramoz und Thisbe

Auf zwei Dritteln des Faubourg Saint-Honoré, hinter einem schönen, unter den merkwürdigen Gebäuden dieses reichen Quartiers sich auszeichnenden Hotel, dehnt sich ein weiter Garten aus, dessen blätterreiche Kastanienbäume die ungeheuren, wallhohen Mauern überragen, und wenn der Frühling kommt, ihre rosenfarbigen und weißen Blüthen in zwei Basen von gereifeltem Stein fallen lassen, welche parallel auf zwei viereckige Pilaster gestellt sind, in die ein eisernes Gitter aus der Zeit Ludwigs XIII. eingefügt ist.

Dieser großartige Eingang ist verurteilt, trotz der herrlichen Geranien, die in den zwei Basen wachsen und im Winde ihre gesprenkelten Blätter und purpurnen Blumen wiegen, seitdem sich die Eigenthümer des Hotel, und dies datiert sich von lange her, auf den Besitz des Hotel, des mit Bäumen bepflanzten Und nach dem Faubourg gehenden Hofes und des Gartens beschränken, den dieses Gitter schließt, welches einst auf einen zu dem Besitztum gehörenden, mehr als einen Morgen großen, herrlichen Küchengarten führte. Da aber der Dämon der Speculation eine Linie, das heißt eine Straße an dem Ende dieses Küchengartens gezogen, und die Straße, ehe sie bestand, bereits durch eine gebräunte Glasplatte einen Namen erhalten hatte, so glaubte man dieses Stück als Bauplatz verkaufen und zu der großen Arterie von Paris, genannt der Faubourg Saint-Honoré, beitragen zu können.

Doch der Mensch denkt und das Geld lenkt im Punkte der Spekulation; die getaufte Straße starb in der Wiege; der Erwerber des Küchengartens konnte, nachdem er ihn vollständig bezahlt hatte, nicht durch Wiederverkauf die Summe, die er dafür haben wollte, erlangen und begnügte sich in Erwartung eines Steigens der Preise, was eines Tags nicht ausbleiben kann, um ihn weit über seine früheren Verluste und sein ruhendes Kapital zu entschädigen, er begnügte sich, sagen wir, diesen umfriedeten Raum an Gemüsegärtner gegen die Summe von fünfhundert Franken jährlich zu verpachten.

Das heißt sein Geld zu einem halben Procent anlegen, was eben nicht sehr hoch ist in einer Zeit, wo es Menschen gibt, die es zu fünfzig unterbringen und immer noch finden, das Geld biete einen sehr armseligen Ertrag.

Nichtsdestoweniger ist das Gitter, welches einst auf den Küchengarten ging, verurteilt und der Rost zerfrißt seine Angeln; mehr noch: damit die schmutzigen Gemüsegärtner nicht mit ihren gemeinen Blicken das Innere des aristokratischen Eigentums beflecken. hat man einen sechs Fuß hohen Bretterverschlag an den Gitterstangen angebracht. Allerdings sind die Bretter nicht so gut zusammengefügt, daß man nicht könnte einen verstohlenen Blick durch die Zwischenräume gleiten lassen: doch dieses Haus ist ein strenges Haus und fürchtet sich nicht vor einer Indiskretion.

In diesem Kuchengarten wachsen, statt des Kohls, der Rüben, der Rettiche, der Erbsen und der Melonen, große Luzernen, die einzige Kultur, durch die es offenbar wird, daß man noch an diesen verlassenen Ort denkt. Eine kleine niedrige Thüre, die sich nach der noch im Plane schlummernden Straße öffnet, gewährt Eingang in dieses von Mauern umschlossene Gebiet; seine Pächter haben es kurz zuvor seiner Unfruchtbarkeit wegen verlassen, und seit acht Tagen trägt es, statt wie früher ein halbes Procent zu tragen, gar nichts mehr.

Auf der Seite des Hotel bekränzen die erwähnten Kastanienbäume die Mauer, was andere üppige und blühende Bäume nicht abhält, ihre luftgierigen Zweige durch ihre Zwischenräume zu strecken. An einer Ecke, wo das Blätterwerk so dick ist, daß das Licht kaum durchzudringen vermag, deuten eine steinerne Bank und Gartensitze einen Versammlungsort oder einen Lieblingswinkel für irgend einen Bewohner des hundert Schritte davon entlegenen Hotel an, welches man kaum durch den grünen, umhüllenden Wall erblickt. Die Wahl dieses geheimnisvollen Asyls wird zugleich durch die Abwesenheit der Sonne, durch die ewige Frische, selbst während der glühendsten Sommertage, durch das Gezwitscher der Vögel und durch die Entfernung des Hauses und der Straße, das heißt der Geschäfte und des Geräusches, gerechtfertigt.

Gegen Abend au einem der heißesten Tage, welche noch das Frühjahr den Bewohnern von Paris bewilligt hatte, lagen auf dieser Steinbank ein Buch, ein Sonnenschirm, ein Arbeitskorb und ein Battistsacktuch, dessen Stickerei angefangen war; und nicht ferne von dieser Bank stand an dem Gitter vor den Brettern, das Auge an den durchsichtigen Vorschlag haltend, eine junge Frau, deren Blick sich durch eine Spalte auf den uns bekannten öden Raum senkte.

Beinahe in demselben Augenblick schloß sich geräuschlos die Thüre dieser kleinen Wüste, und ein junger Mann, groß, kräftig, in einer Blouse von roher Leinwand, eine Sammetmütze auf dem Kopf, dessen schwarzer Bart und schwarze, sorgfältig gepflegte Haare jedoch ein wenig mit dieser Volkstracht im Widerspruch standen, trat, nachdem er einen raschen Blick umhergeworfen hatte, um sich zu versichern, daß ihn Niemand bespähete, durch die erwähnte Thüre ein und wandte sich mit raschen Schritten nach dem Gitter.

Bei dem Anblicke desjenigen, welchen sie erwartete, doch wahrscheinlich nicht unter dieser Tracht, bekam das Mädchen bange und warf sich zurück.

Und dennoch hatte der junge Mann durch die Spalten der Thüre mit jenem Blicke, der nur Liebenden angehört, das weiße Kleid und das lange blaue Gürtelband flattern sehen; er eilte nach dem Verschlage, legte seinen Mund an eine Öffnung und sagte mit halblauter Stimme:

»Fürchten Sie sich nicht, Valentine, ich bin es.«

Die Genannte näherte sich und sprach:

»O, mein Herr! warum sind Sie heute so spät gekommen? Wissen Sie, daß man bald zu Mittag speisen wird, und daß es großer Diplomatie und Geschwindigkeit von meiner Seite bedurfte, um mich meiner Stiefmutter, die mich belauert, meiner Kammerfrau, die mich bespäht, meines Bruders, der mich quält, zu entledigen, und hier an dieser Stickerei zu arbeiten, welche, wie ich befürchte, lange nicht beendigt sein wird? Sobald Sie sich über Ihr Zögern entschuldigt haben, werden Sie mir sagen, was dieses neue Costume, wegen dessen ich Sie beinahe nicht erkannt habe, bedeuten soll.«

»Theure Valentine,« erwiderte der junge Mann. »Sie stehen zu hoch über meiner Liebe, als daß ich hiervon zu sprechen wagen sollte, und dennoch fühle ich, so oft ich Sie sehe, das Bedürfnis, Ihnen zu sagen, daß ich Sie anbete, damit das Echo meiner eigenen Worte sanft das Herz liebkosen möge, wenn ich Sie nicht mehr sehe, Nun danke ich Ihnen für Ihr Schmähen, es ist ganz bezaubernd, denn es beweist mir, ich wage nicht zu behaupten, daß Sie mich erwarteten, wohl aber, daß Sie an mich dachten. Sie wollten die Ursache meiner Zögerung und den Beweggrund meiner Verkleidung wissen, ich werde Ihnen Beides nennen, und hoffe, Sie entschuldigen mich: ich habe einen Stand gewählt.«

»Einen Stand . . . was wollen Sie damit sagen, Maximilian? sind wir denn so glücklich, daß Sie im Scherze über das sprechen, was uns betrifft?«

 

»Oh! Gott soll mich bewahren, daß ich mit dem, was mein Leben ist, Scherz treibe; aber müde, ein Feldläufer und Mauernerkletterer zu sein, ernstlich erschrocken über den eines Abends durch Sie bei mir rege gemachten Gedanken, Ihr Vater würde mich früher oder später als einen Dieb vor Gericht ziehen, was die Ehre der ganzen französischen Armee Verletzen müßte, nicht minder darüber erschrocken, daß man sich wundern könnte, in dieser Gegend, wo es nicht die geringste Citadelle zu belagern oder das kleinste Blockhaus zu verteidigen gibt, einen Kapitän der Spahis sich umhertreiben zu sehen, habe ich mich zum Gemüsegärtner gemacht und die Tracht meines Gewerbes angenommen.«

»Welch eine Tollheit!«

»Im Gegenteil, es ist, wie ich glaube, das Vernünftigste, was ich in meinem ganzen Leben getan habe, denn es verleiht uns vollkommene Sicherheit.«

»Erklären Sie sich deutlicher.«

»Wohl, ich habe den Eigenthümer dieses Bodens aufgesucht, der Vertrag mit seinen ehemaligen Pächtern war abgelaufen, und ich pachtete ihn für mich. Alle diese Luzernen gehören mir, Valentine, und nichts hindert mich, mir eine Hütte unter diesem Heu bauen zu lassen und fortan zwanzig Schritte von Ihnen zu leben. Oh! diese Freude, dieses Glück, ich weiß mich nicht zu fassen! Begreifen Sie, Valentine, daß man dergleichen Dinge bezahlen kann? Nicht wahr, es ist unmöglich? Nun wohl! diese ganze Seligkeit, dieses ganze Glück, diese ganze Freude, wofür ich zehn Jahre meines Lebens gegeben hätte, kosten mich, erraten Sie wie viel? . . . Fünfhundert Franken jährlich, zahlbar in vierteljährigen Raten. Sie sehen also, es ist in Zukunft nichts mehr zu befürchten. Ich befinde mich hier auf meinem Boden, kann Leitern an meine Mauer stellen und hinüberschauen, und bin, ohne vor einer Störung durch Patrouillen bange haben zu müssen, berechtigt, Ihnen zu sagen, daß ich Sie liebe, so lange sich Ihr Stolz nicht verwundet fühlt, wenn er dieses Wort aus dem Munde eines armen Tagelöhners mit Blouse und Mütze kommen hört.«

Valentine stieß einen leichten Schrei freudigen Erstaunens aus, erwiderte aber bald traurig und als hätte eine eifersüchtige Wolke plötzlich den Sonnenstrahl verschleiert, der ihr Herz erleuchtete:

»Ach! Maximilian, wir sind nun frei; unser Herz wird uns Gott versuchen lassen; wir werden unsere Sicherheit mißbrauchen, und unsere Sicherheit wird uns zu Grunde richten.«

»Können Sie mir das sagen, meine Freundin, mir, der ich Ihnen, seitdem ich Sie kenne, jeden Tag beweise, daß ich meine Gedanken und mein Leben Ihren Gedanken und Ihrem Leben untergeordnet habe? Wer hat Ihnen Zutrauen zu mir gegeben, nicht wahr, meine Ehre? Als Sie mir sagten, ein unbestimmter Instinkt versichere Sie, Sie liefen irgend eine große Gefahr, stellte ich meine Ergebenheit zu Ihren Diensten, ohne eine andere Belohnung von Ihnen zu verlangen, als das Glück, Ihnen dienen zu dürfen. Habe ich Ihnen seitdem durch ein Wort, durch ein Zeichen Veranlassung gegeben, zu bereuen, daß Sie mich unter denjenigen auszeichneten, welche glücklich gewesen wären., für Sie zu sterben? Armes Kind, Sie sagten mir, Sie wären mit Herrn d’Epinay verlobt, Ihr Vater hätte diese Verbindung geschlossen, das heißt, sie wäre gewiss, Alles was Herr von Villefort wolle, geschehe unfehlbar. Nun, ich bin im Schatten geblieben, Alles, nicht von meinem Willen, nicht nun dem Ihrigen, sondern von den Ereignissen, von der Vorsehung Gottes erwartend, und dennoch lieben Sie mich, haben Sie Mitleid mit mir, und sagten mir dies; Dank für dieses süße Wort, das ich Sie von Zeit zu Zeit zu wiederholen bitte, denn es wird mich Alles Vergessen lassen.«

»Das ist es, was Sie kühn gemacht hat, Maximilian, das ist es, was mir ein sehr süßes und zugleich sehr unglückliches Leben bereitet, so daß ich mich oft frage, was mehr für mich wert sei, der Kummer, den mir einst die Strenge meiner Stiefmutter und die blinde Bevorzugung ihres Kindes verursachten, oder das gefahrvolle Glück, welches ich bei Ihrem Anblick genieße.«

»Gefahrvoll!« rief Maximilian; »können Sie ein so hartes und so ungerechtes Wort aussprechen! Haben Sie je einen unterwürfigeren Sklaven gesehen, als ich bin? Sie erlaubten mir zuweilen, ein Wort an Sie zu richten, Valentine, aber Sie verboten mir, Ihnen zu folgen; ich gehorchte. Habe ich, seitdem ich Gelegenheit fand, in dieses Gehege zu schlüpfen, durch diese Thüre, mit Ihnen zu plaudern, so nahe bei Ihnen zu sein, ohne Sie zu sehen, sprechen Sie, habe ich je um Erlaubnis gebeten, den Saum Ihres Kleides durch dieses Gitter berühren zu dürfen? habe ich je einen Schritt getan, um über diese Mauer, ein lächerliches Hinderniß für meine Jugend und meine Kräfte, zu gelangen? Nie ein Vorwurf über Ihre Strenge, nie ein laut ausgedrückter Wunsch; ich blieb an mein Wort genietet wie ein Ritter in den alten Zeiten. Gestehen Sie dies wenigstens zu, damit ich Sie nicht für ungerecht halte.«

»Das ist wahr,« sprach Valentine, ihm zwischen zwei Brettern durch die Spitze von einem ihrer zarten Finger bietend, auf welche Maximilian seine Lippen drückte; »es ist wahr, Sie sind ein redlicher Freund. Aber Sie haben am Ende nur mit dem Gefühle Ihres Interesses gehandelt, mein lieber Maximilian; Sie wußten wohl, daß der Sklave von dem Tage an, wo er begehrlich würde, Alles verlieren müßte. Sie haben mir die Freundschaft eines Bruders versprochen, mir, die ich keine Freunde besitze, mir, die ich von meinem Vater vergessen, von meiner Stiefmutter verfolgt werde, mir, die ich als einzigen Trost nur den unbeweglichen, stummen, eisigen Greis habe, dessen Hand meine Hand nicht drücken kann, dessen Auge allein zu mir spricht und dessen Herz ohne Zweifel mit einem Überreste von Wärme für mich schlagt. Bitterer Hohn des Geschicks, das mich zur Feindin und zum Opfer von allen denjenigen macht, welche starker sind als ich, und mir einen Leichnam zur Stütze und zum Freunde gibt! Oh! wahrlich, Maximilian, ich wiederhole Ihnen, ich bin sehr unglücklich, und Sie haben Recht, wenn Sie mich um meiner selbst willen und nicht um Ihretwillen lieben.«

»Valentine,« sprach der junge Mann mit tiefer Rührung, »ich sage nicht, daß ich Sie allein auf der Welt liebe, denn ich liebe auch meine Schwester und meinen Schwager, aber mit einer sanften, ruhigen Liebe, welche in keiner Hinsicht dem Gefühle gleicht, das ich für Sie hege: wenn ich an Sie denke, wallt mein Blut, schwellt sich meine Brust, überströmt mein Herz, doch diese Kraft, diese Gluth, diese übermenschliche Macht, ich werde sie anwenden, um Sie bis zu dem Tage zu lieben, wo Sie mir sagen, ich solle sie in Ihrem Dienste verwenden. Herr Franz d’Epinay wird, wie ich höre, noch ein Jahr abwesend sein; wie viele günstige Wechselfälle können uns in einem Jahre ersprießlich werden, wie viele Ereignisse können uns unterstützen! Hoffen wir also, es ist so schön und süß, zu hoffen! Doch mittlerweile, Valentine, was sind Sie, die Sie mir meine Selbstsucht zum Vorwurfe machen, was sind Sie für mich gewesen? Die schöne und kalte Bildsäule der züchtigen Venus. Was haben Sie mir im Austausch für diese Ergebenheit, für diesen Gehorsam, für diese Zurückhaltung versprochen? nichts; was haben Sie mir bewilligt? sehr wenig. Sie erwähnen gegen mich des Herrn d’Epinay als Ihres Verlobten, und seufzen bei dem Gedanken, eines Tages ihm zu gehören. Sprechen Sie, Valentine, ist das Alles, was Sie in Ihrem Gemüthe tragen?? Wie! ich verpfände Ihnen mein Leben, ich gebe Ihnen meine Seele, ich widme Ihnen auch den unbedeutendsten Schlag meines Herzens, und während ich ganz Ihnen gehöre, während ich mir ganz leise sage, daß ich sterben werde, wenn ich Sie verliere, erschrecken Sie nicht schon bei dem Gedanken allein, eines Andern Gattin zu sein. O Valentine! Valentine! Wenn ich wäre, was Sie sind, wenn ich mich geliebt fühlte, wie Sie sich mit Sicherheit geliebt fühlen müssen, so hätte ich schon hundertmal meine Hand zwischen den Stangen dieses Gitters durchgeboten, die Hand des armen Maximilians gedrückt und ihm gesagt: »»Dir, Dir allein, Maximilian, in dieser und in der andern Welt.««

Valentine antwortete nicht, aber der junge Mann hörte sie seufzen und weinen.

Die Gegenwirkung trat rasch bei Maximilian ein.

»O Valentine, Valentine!« rief er, »vergessen Sie meine Worte, wenn in denselben etwas liegt, was Sie beleidigen könnte!«

»Nein,« sprach sie, »Sie haben Recht; aber sehen Sie nicht, daß ich ein armes, in einem beinahe fremden Hause verlassenes Geschöpf bin, denn mein Vater ist mir wirklich beinahe fremd und mein Wille wird seit zehn Jahren, Tag für Tag, Minute für Minute durch den eisernen Willen von Gebietern gebrochen, welche unendlich schwer auf mir lasten. Niemand sieht, was ich leide, und ich habe es auch außer Ihnen Niemand gesagt. Scheinbar und in den Augen der Welt ist mir Alles gut, ist Alles liebevoll gegen mich, in Wirklichkeit aber ist mir Alles feindselig. Die Welt sagt: Herr von Villefort ist zu ernst und zu streng, um sehr zärtlich gegen seine Tochter zu sein: aber sie hat wenigstens das Glück, in Frau von Villefort eine zweite Mutter zu finden. Die Welt täuscht sich, mein Vater verläßt mich in völliger Gleichgültigkeit, meine Stiefmutter haßt mich mit um so furchtbarerer Erbitterung, als diese durch ein ewiges Lächeln verschleiert wird.«

»Sie hassen! Sie, Valentine! Und wie kann man Sie hassen?«

»Ach! mein Freund, ich muß gestehen, daß dieser Haß gegen mich von einem beinahe natürlichen Gefühle herrührt. Sie betet ihren Sohn, mein Bruder Eduard, an.«

»Nun?«

»Es kommt mir zwar sonderbar vor, daß ich eine Geldfrage in unser Gespräch mischen soll, aber ich glaube, mein Freund, daß ihr Haß von dieser Seite herrührt. Da sie kein eigenes Vermögen hat, da ich bereits durch die Erbschaft meiner Mutter reich bin und sich dieses Vermögen noch durch das, welches mir eines Tages von Herrn und Frau von Saint-Meran zukommen muß, mehr als verdoppeln wird, so glaube ich, daß sie neidisch ist. Oh, mein Gott! wenn ich ihr die Hälfte von diesem Vermögen geben und mich dann bei Herrn von Villefort wie eine Tochter in dem Hause ihres Vaters befinden könnte, so würde ich es auf der Stelle tun.«

»Arme Valentine!«

»Ja, ich fühle mich gekettet, und fühle mich zugleich so schwach, daß es mir vorkommt, als stützten mich diese Fesseln, daß ich sie zu zerbrechen bange habe. Überdies ist mein Vater nicht der Mann, dessen Befehle man ungestraft übertreten dürfte; er ist mächtig gegen mich, er wäre mächtig gegen Sie, er wäre sogar mächtig gegen den König, beschützt durch eine vorwurfsfreie Vergangenheit und eine beinahe unangreifbare Stellung. Oh! Maximilian, ich schwöre Ihnen, ich kämpfe nicht, weil ich ebenso sehr Sie, als mich in diesem Kampfe zu Grunde zu richten befürchte.«

»Aber, Valentine,« Versetzte Maximilian, »warum auf diese Art verzweifeln, warum die Zukunft stets so düster sehen?«

»Ah! mein Freund, weil ich nach der Vergangenheit urteile.«

»Doch bedenken wir, ob ich nicht eine ausgezeichnete Partie nach dem aristokratischen Gesichtspunkte bin, ich gehöre doch in Vielen Stücken zu der Welt, in der Sie leben; die Zeit, wo es zwei Frankreiche in Frankreich gab, besteht nicht mehr, die höchsten Familien der Monarchie haben sich mit den Familien des Kaiserreiches vermischt; die Aristokratie der Lanze hat sich mit dem Adel der Kanone vermählt. Nun wohl! ich bin von dem letzteren; ich habe eine schöne Zukunft in der Armee, ich besitze ein beschränktes, aber unabhängiges Vermögen; das Andenken an meinen Vater endlich wird in unserem Lande als das von einem der ehrlichsten Kaufleute, welche je gelebt haben, verehrt. Ich sage, unser Land, Valentine, weil Sie halb und halb von Marseille sind.«

»Sprechen Sie mir nicht von Marseille. Maximilian, dieses einzige Wort erinnert mich an meine gute Mutter, an diesen guten, von der ganzen Welt beklagten Engel, an diese herrliche Frau, welche, nachdem sie während ihres kurzen Aufenthaltes auf Erden über ihrer Tochter gewacht, auch noch, ich hoffe es wenigstens, bei ihrem ewigen Aufenthalte im Himmel über ihr wacht. Oh! wenn meine Mutter noch lebte, Maximilian, so hätte ich nichts mehr zu befürchten: ich würde ihr sagen, daß ich Sie liebe, und sie würde uns beschützen.«

»Ach! Valentine,« entgegnete Maximilian, »wenn sie noch lebte, würde ich Sie ohne Zweifel nicht kennen; denn Sie wären dann, wie Sie sagten, glücklich, und die glückliche Valentine hätte mich verächtlich von ihrer Größe herab angeschaut.«

»Ah! mein Freund.« rief Valentine. »Sie sind ebenfalls ungerecht Doch, sagen Sie mir . . . «

»Was soll ich Ihnen sagen,« versetzte Maximilian, als er Valentine zögern sah.

»Sagen Sie mir,« fuhr das Mädchen fort, »waltete in Marseille nicht ein Mißverständniß zwischen Ihrem Vater und dem meinigen ob?«

 

»Nicht daß ich wüßte,« erwiderte Maximilian, »wenn nicht dadurch, daß Ihr Vater ein mehr als eifriger Parteigänger der Bourbonen, und der meinige ein dem Kaiser ergebener Mann war; das ist glaube ich, die einzige Uneinigkeit, welche zwischen ihnen stattgefunden hat. Doch warum diese Frage, Valentine?«

»Ich will es Ihnen gestehen,« versetzte das Mädchen, »denn Sie müssen Alles wissen. Es war an dem Tage, an welchem Ihre Ernennung zum Offizier der Ehrenlegion in der Zeitung bekannt gemacht wurde. Wir befanden uns Alle bei meinem Großvater, Herrn Noirtier, und dabei war noch Herr Danglars, Sie wissen, der Banquier, dessen Pferde vorgestern meine Mutter und meinen Bruder beinahe umgebracht hätten. Ich las die Zeitung meinem Großvater laut vor, während diese Herren von der wahrscheinlichen Verheiratung von Herrn von Morcerf mit Fräulein Danglars sprachen. Als ich zu dem Sie betreffenden Paragraphen kann welcher mir bereits bekannt war, denn Sie hatten mir am Tage vorher die frohe Kunde mitgeteilt, als ich, sage ich, zu dem Sie betreffenden Paragraphen kam, war ich sehr glücklich, zitterte jedoch, daß ich Ihren Namen laut aussprechen sollte, und ich würde ihn gewiss übergangen haben, hätte ich nicht befürchtet, man könnte mein Stillschweigen schlimm auslegen, ich raffte also meinen ganzen Mut zusammen und las.«

»Theure Valentine!«

»Nun wohl, sobald Ihr Name erklang, drehte mein Vater seinen Kopf; ich war so überzeugt (sehen Sie, wie töricht ich bin!), alle Welt würde von diesem Namen wie vom Donner gerührt werden, daß ich meinen Vater, und sogar (bei diesem war es eine Täuschung, dessen bin ich sicher) und sogar Herrn Danglars beben zu sehen glaubte.«

»»Morrel,«« sprach mein Vater, »»warten Sie doch! (er faltete die Stirne) sollte es einer von den Morrel von Marseille sein, einer von jenen wütenden Bonapartisten, welche uns im Jahre 1815 so viel Schlimmes zugefügt haben?««

»»Ja,«« erwiderte Herr Danglars; »»ich glaube sogar, daß es der Sohn des ehemaligen Reeders ist.««

»Wirklich!« versetzte Maximilian; »und was antwortete Ihr Vater, sprechen Sie, Valentine?«

»Oh! etwas Abscheuliches, was ich nicht zu wiederholen wage.«

»Sprechen Sie immerhin,« sagte Maximilian lächelnd.

»»Ihr Kaiser wußte alle diese Fanatiker an ihren Platz zu stellen,«« fuhr er, die Stirne immer düsterer faltend fort; »»er nannte sie Kanonenfutter, und das war der einzige Name, den sie verdienen; ich freue mich, daß die gegenwärtige Regierung dieses heilsame Princip wieder in Ausübung bringt. Behielte sie Algerien nur darum, so würde ich ihr Glück wünschen, obgleich es uns ein wenig viel kostet.««

»Das ist in der Tat eine ziemlich rohe Politik.« sprach Maximilian; »doch, meine teure Freundin, erröten Sie nicht über das, was Herr von Villefort gesagt hat: mein braver Vater gab über diesen Punkt dem Ihrigen in keiner Beziehung nach, denn er wiederholte unablässig: »»Warum macht der Kaiser, der so viel Schönes tut, nicht ein Regiment von Richtern und Advokaten und schickt sie stets in das erste Feuer?«« Sie sehen, meine Freundin, die Partien sind sich gleich in Beziehung aus das Pittoreske des Ausdrucks und die Weichheit des Gedankens. Doch was sagte Herr Danglars zu diesem Ausfalle des Staatsanwaltes?«

»Oh! er brach in jenes ihm eigenthümliche, widerwärtige Gelächter aus; einen Augenblick nachher standen sie auf und gingen weg. Mein Großvater war sehr ergriffen. Ich muß Ihnen sagen, Maximilian, daß ich allein die Bewegungen im Innern dieses armen Gelähmten errate, und ich vermutete, daß das Gespräch, welches in seiner Gegenwart stattfand (denn man nimmt keine Rücksicht mehr auf den armen Großvater), einem sehr starken Eindruck auf ihn hervorgebracht hatte, insofern man schlimm von seinem Kaiser gesprochen, und er, wie es scheint, ein fanatischer Anhänger des Kaisers gewesen ist.«

»Es ist wirklich einer von den bekannten Namen des Kaiserreichs,« sprach Maximilian, »er ist Senator gewesen und hat, wie Sie wissen, oder wie Sie nicht wissen, Valentine, beinahe an allen bonapartistischen Verschwörungen unter der Restauration Teil genommen.«

»Ja, ich höre zuweilen ganz leise von diesen Dingen sprechen, welche mir seltsam vorkommen; der Großvater Bonapartist, der Vater Royalist . . . Kurz, ich wandte mich also gegen ihn um. Er deutete mit dem Blicke auf die Zeitung:

»»Was haben Sie, guter Papa,«« sagte ich. »»Sind Sie zufrieden?««

»Er machte mit dem Kopfe ein bejahendes Zeichen.

»»Mit dem, was mein Vater so eben gesagt hat?»fragte ich.

»Er machte ein verneinendes Zeichen.

»»Mit dem, was Herr Danglars gesagt hat?««

»Er machte abermals ein verneinendes Zeichen.

»»Damit also, daß Herr Morrel (ich wagte nicht Maximilian zu sagen), zum Offizier der Ehrenlegion ernannt worden ist?««

»Er machte ein bejahendes Zeichen.

»Sollten Sie es glauben, Maximilian, er freute sich darüber, daß Sie zum Offizier der Ehrenlegion ernannt wurden, er, der Sie nicht kennt; es ist vielleicht etwas Narrheit bei ihm, denn er fängt an kindisch zu werden, wie man sagt; doch ich liebe ihn wegen dieser Bejahung.«

»Das ist seltsam, sprach Maximilian; »Ihr Vater würde mich also hassen, während im Gegenteil Ihr Großvater . . . Es ist doch etwas Sonderbares um die Liebe und den Haß der Parteien!«

»Stille!« rief plötzlich Valentine. »Verbergen Sie sich, fliehen Sie, man kommt!«

Maximilian eilte nach einem Spaten und fing an die Luzerne unbarmherzig umzugraben.

»Mein Fräulein! mein Fräulein!« rief eine Stimme hinter den Bäumen; »Frau von Villefort ruft und sucht Sie überall, es ist ein Besuch im Salon.«

»Ein Besuch!« sagte Valentine ganz bewegt, »und wer ist dieser Besuch?«

»Ein vornehmer Herr, ein Prinz, wie ich höre, der Herr Graf von Monte Christo.«

»Ich komme,« rief Valentine.

Dieser Name machte auf der andern Seite des Gitters denjenigen beben, welchem das »ich komme« von Valentine am Ende jeder Zusammenkunft als Lebewohl diente.

»Sieh da!« sagte Maximilian, nachdenkend auf seinen Spaten gestützt, zu sich selbst, »woher kennt der Graf von Monte Christo Herrn von Villefort?«

Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»