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Der Graf von Monte Christo

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»Ei! Madame, das ist eine Bedenklichkeit, welche natürlich in einem Gewissen wie das Ihrige entstehen muß, aber durch das Raisonnement bald mit der Wurzel entfernt wird. Das Leben des Menschen geht damit hin, daß er dergleichen Dinge tut und sein Verstand erschöpft sich im Träumen derselben. Sie finden sehr wenige Leute, welche geradezu und auf eine ganz rohe Weise ihres Gleichen das Messer in das Herz stoßen oder einem Menschen, um ihn von der Oberfläche der Erde verschwinden zu machen, jene Quantität Arsenik einflößen, von der so eben die Rede war. Auf diese Art ist es wirklich Folge einer Überspannung oder eine Dummheit. Um dahin zu gelangen, muß sich das Blut auf sechs und dreißig Grad erwärmen, muß der Puls neunzig Schläge tun und die Seele aus ihren gewöhnlichen Grenzen treten. Aber wenn Sie, wie man dies in der Philologie tut, von dem Worte zu einer gemäßigten Synoyme übergehend, eine einfache Vertreibung vornehmen, statt einen gemeinen Mord zu begehen; wenn Sie ganz einfach von Ihrem Wege denjenigen entfernen, welcher Sie hindert, und zwar ohne einen heftigen Schlag, ohne eine Gewaltthat, ohne das Gepränge von Leiden, welche aus dem Opfer einen Märtyrer machen und aus dem Handelnden einen Carnifer in der ganzen Bedeutung des Wortes; wenn es weder Blut gibt, noch ein Gebrülle, noch Verkrümmungen, noch jene furchtbare, gefährdende Augenblicklichkeit in der Ausführung, so werden Sie sich der Gewalt des menschlichen Gesetzes entziehen, das Ihnen sagt: Störet die Gesellschaft nicht! So gehen sie zu Werke, so erreichen sie ihr Ziel, die Leute im Orient, ernste, phlegmatische Personen, welche sich wenig nur die Fragen der Zeit bei Conjuncturen von einer gewissen Wichtigkeit bekümmeren.«

»Es bleibt das Gewissen noch übrig,« sprach Frau von Villefort, mit bewegter Stimme und mit einem unterdrückten Seufzer.

»Ja, ja,« erwiderte Monte Christo, »zum Glück bleibt das Gewissen noch übrig, sonst wären wir sehr unglücklich. Nach jeder etwas kräftigen Handlung rettet uns das Gewissen, denn es liefert uns tausend gute Entschuldigungen, über welche wir allein zu Gericht sitzen, und diese Gründe, so vortrefflich sie auch sein mögen, um uns den Schlaf zu gestatten, wären doch vielleicht mittelmäßig vor einem Tribunal, um uns das Leben zu erhalten. So mußte Richard III. z. B. vortrefflich von seinem Gewissen bedient sein, nachdem er die zwei Kinder von Edward IV. auf die Seite geschafft hatte; er konnte sich in der Tat sagen: Diese zwei Kinder eines grausamen und rachsüchtigen Königs hatten alle Laster ihres Vaters geerbt, was ich allein in ihren jugendlichen Neigungen zu erkennen im Stande war, diese zwei Kinder verhinderten mich, das Glück des englischen Volkes zu machen, dem sie unfehlbar zum Unglück gereicht hätten. So wurde Lady Macbeth von ihrem Gewissen bedient, denn sie wollte, was auch Shakespeare gesagt hat, nicht Ihrem Gemahle, sondern ihrem Sohne einen Thron geben. Ah! die mütterliche Liebe ist eine so große Tugend, eine so mächtige Triebfeder, daß sie gar viele Dinge entschuldigt; Lady Macbeth wäre auch nach dem Tode von Duncan ohne ihr Gewissen eine sehr unglückliche Frau gewesen.«

Frau von Villefort nahm mit größter Gierde diese furchtbaren Maximen, diese schauderhaften Paradoxen in sich auf, welche der Graf mit der ihm eigenthümlichen naiven Ironie preisgab.

Nach einem Augenblick des Stillschweigens sagte sie:

»Wissen Sie, mein Herr Graf, daß Sie ein furchtbarer Streitgeist sind, und daß Sie die Welt unter einem etwas leichenfarbigen Lichte ansehen? Haben Sie die Menschheit so beurteilt, indem Sie dieselbe durch Destillierkolben und Retorten betrachteten? Denn Sie hatten Recht, Sie sind ein großer Chemiker, und das Elixir, das Sie meinen Sohn nehmen ließen, rief ihn so schnell zum Leben zurück . . . «

»Oh! trauert Sie ihm nicht, sprach Monte Christo, »ein Tropfen von diesem Elixir genügte, um den sterbenden Knaben in das Leben zurückzurufen, aber drei Tropfen hätten das Blut so nach seiner Lunge getrieben, daß sein Herz gewaltig geschlagen haben müßte, sechs hätten ihm den Atem versetzt und eine viel ernstere Ohnmacht verursacht, als diejenige war, in welcher Sie ihn erblickten, zehn würden ihn getötet haben. Sie wissen, Madame, wie rasch ich ihn von den Flaschen entfernte, die er unkluger Weise berührte?«

»Es ist also ein furchtbares Gift?«

»O mein Gott! nein! Geben wir vor Allem zu, daß das Wort Gift nicht bestehe, denn man bedient sich in der Medicin der stärksten Gifte, welche durch die Art, wie man dieselben anwendet, sehr heilsame Arzneimittel werden.«

»Was war es denn?««

»Ein geistreiches Präparat von meinem Freunde, dem vortrefflichen Adelmonte, dessen Anwendung er mich gelehrt hat.«

»Das muß ein vortreffliches Mittel gegen Krämpfe ein.«

»Ausgezeichnet, Madame, ich mache häufig Gebrauch davon; versteht sich mit aller möglichen Vorsicht, fügte er lachend bei.

»Ich glaube es wohl,« versetzte Frau von Villefort in demselben Tone. »Ich meines Teils, die ich so schwache Nerven habe und so sehr zu Ohmachten geneigt bin, könnte wohl einen Doktor Adelmonte brauchen, der mir Mittel ersinnen würde, daß ich frei atmen und mich über die Gefahr, eines Tags an Erstickung zu sterben, beruhigen dürfte. Da jedoch die Sache in Frankreich schwer zu finden ist und Ihr Abbé mir zu Liebe wohl nicht geneigt wäre, die Reise nach Paris zu machen, so halte ich mich an die krampfstillenden Mittel von Herrn Blanche, und Münze und Hoffmännische Tropfen spielen eine große Rolle bei mir. Sehen Sie die Pastillen, die ich mir besonders machen lasse; sie sind von doppelter Dose.«

Monte Christo öffnete die Schildpattbüchse, welche ihm die junge Frau reichte, und zog den Geruch der Pastillen, als ein würdiger Kenner dieses Präparates, ein.

»Sie sind ausgezeichnet,« sagte er, »aber der Notwendigkeit des Verschluckens unterworfen, einer Funktion also, welche häufig von der ohnmächtigen Person nicht erfüllt werden kann. Mein Specificum ist mir lieber.«

Nach der Wirkung, die ich davon gesehen habe, würde ich es gewiss auch vorziehen, doch es ist ohne Zweifel ein Geheimnis, und ich bin nicht unbescheiden genug, Sie darum zu bitten.«

»Aber ich, Madame,« sprach Monte Christo, »ich bin artig genug, um es Ihnen anzubieten.«

»Oh, mein Herr . . . «

»Nur erinnern Sie sich, daß eine kleine Dose ein Heilmittel, eine große ein Gift ist. Ein Tropfen bringt wieder zum Leben, fünf oder sechs müßten unfehlbar töten, und zwar auf eine um so schrecklichere Weise, als sie in einem Glase Wein verbreitet, nicht im Geringsten Geschmack desselben verändern würden. Doch ich schweige, Madame denn ich bekäme bald das Ansehen, als wollte ich Ihnen rathen.«

Es hatte halb sieben Uhr geschlagen, man meldete eine Freundin von Frau von Villefort, welche mit ihr zu Mittag speisen sollte.

»Wenn ich die Ehre hätte, Sie zum dritten oder vierten Male, statt zum zweiten Male zu sehen, mein Herr Graf,« sprach Frau von Villefort, »wenn ich die Ehre hätte, mich Ihre Freundin trennen zu dürfen, statt nur einfach das Glück zu haben, Ihnen verbunden zu sein, so würde ich darauf bestehen, Sie beim Mittagsbrote zu behalten, und ließe mich nicht durch eine erste Weigerung schlagen.«

»Tausend Dank, Madame,« erwiderte Monte Christo, »ich habe selbst eine Verbindlichkeit, der ich mich nicht entziehen kann. Ich versprach einer mir befreundeten griechischen Fürstin, welche noch nie die große Oper gesehen hat und in dieser Hinsicht auf mich zählt, sie in das Schauspiel zu führen.«

»Gehen Sie, mein Herr, aber vergessen Sie mein Recept nicht.«

»Wie, Madame, dazu müßte ich die Stunde vergessen, die ich mit Ihnen im Gespräche zugebracht habe, und das ist völlig unmöglich«

Der Graf von Monte Christo verbeugte sich und verließ den Salon.

Frau von Villefort blieb in Träume versunken.

»Wahrlich, ein seltsamer Mann!« sprach sie, »er sieht mir ganz aus, als hieße er mit seinem Taufnamen Adelmonte.«

Was Monte Christo betrifft, so hatte der Erfolg seine Erwartungen übertroffen.

»Das ist ein guter Boden, sagte er, sich entfernend, »ich bin überzeugt, daß das Korn, welches man auf denselben fallen läßt, nicht unfruchtbar bleibt.«

Und am andern Tage schickte er seinem Versprechen getreu, das verlangte Rezept.

Dreizehntes Kapitel.
Robert der Teufel

Der Grund mit der Oper war um so eher anzugeben, als diesen Abend eine Feierlichkeit bei der Academie royal de musique stattfand. Levasseur trat nach einer langen Unpäßlichkeit wieder in der Rolle von Bertram auf und das Werk des Componisten, dem die Mode des Tages am meisten huldigte, zog die glänzendste Gesellschaft von Paris an.

Morcerf hatte, wie die meisten reichen jungen Leute, seinen Orchestersperrsitz, und konnte auch in zehn Logen von Personen seiner Bekanntschaft einen Platz verlangen, abgesehen davon, daß er zum Eintritt in die Loge der Löwen berechtigt war.«

Chateau-Renaud hatte seinen Sperrsitz zunächst bei ihm.

Beauchamp war als Journalist König des Saales und hatte seinen Platz überall.

Lucien Debray war an diesem Tage die Loge des Ministers zur Verfügung gestellt, und er hatte sie dem Grafen von Morcerf angeboten, der auf eine Weigerung von Mercedes zu Danglars schickte und ihm sagen ließ, er würde wahrscheinlich am Abend der Baronin und ihrer Tochter einen Besuch machen, wenn diese Damen, die Loge, die er ihnen antrage, annehmen wollten. Diese Damen hüteten sich wohl, es auszuschlagen. Niemand ist so lüstern nach Logen, die nichts kosten, als ein Millionär.«


Was Danglars betrifft, so erklärte dieser, seine politischen Grundsätze und seine Eigenschaft als Abgeordneter der Opposition erlaubten ihm nicht, in die Loge des Ministers zu gehen. Die Baronin schrieb folglich Lucien, er möge sie abholen, da sie nicht allein mit Eugenie in die Oper fahren könne.«

 

In der Tat, wären die zwei Frauen allein gekommen, so hätte man es sicherlich sehr schlimm gesunden; während nichts zu sagen war, wenn Fräulein Danglars mit ihrer Mutter und dem Liebhaber ihrer Mutter erschiene man muß die Welt nehmen, wie sie ist.

Der Vorhang ging wie beinahe immer vor einem halb leeren Hause auf. Es ist abermals eine von den Gewohnheiten unserer Pariser Fashion, in das Schauspiel zu kommen, wenn dasselbe bereits angefangen hat; die Folge hiervon ist, daß der erste Akt von Seiten der ankommenden Zuschauer damit hingeht, daß sie nicht das Stück ansehen und hören, sondern die eintretenden Zuschauer ansehen und nichts hören, als das Geräusch der Thüren und das der Gespräche.

»Halt!« sagte plötzlich Albert, als er eine Seitenloge des ersten Ranges sich öffnen sah; »halt! die Gräfin G***!«

»Wer ist die Gräfin G***?« fragte Chateau-Renaud.

»Ah« bei Gott! Baron, das ist ein Wort, das ich Ihnen nicht verzeihe; Sie fragen mich, wer die Gräfin G*** sei?«

»Ah, richtig, sprach Chateau-Renaud; »nicht wahr die reizende Venetianerin?«

»Allerdings.«

In diesem Augenblick gewahrte die Gräfin G*** Albert und tauschte mit ihm eine Begrüßung begleitet mit einem Lächeln aus.

»Sie kennen sie?« sagte Chateau-Renaud.

»Ja, ich bin ihr in Rom durch Franz vorgestellt worden.«

»Würden Sie mir wohl in Paris denselben Dienst leisten, den Ihnen Franz in Rom geleistet hat?«

»Seht gern.«

»Stille!« rief das Publikum.

Die zwei jungen Leute setzten ihr Gespräch fort, ohne daß es schien, als kümmerten sie sich nur im Geringsten um das Verlangen des Parterre, die Musik zu hören.

»Sie war bei dem Rennen aus dem Champ-de Mars.« sagte Chateau-Renaud.

»Heute?«

»Ja.«

»Ja der Tat, es fand heute ein Rennen statt. Haben Sie eine Wette gemacht?«

»Oh! um eine Erbärmlichkeit, um fünfzig Louisd’or.«

»Und wer hat gewannen?«

»Nautilus; ich wettete auf ihn.

»Aber es waren drei Rennen?«

»Ja. Der Preis des Jockey-Club war ein goldener Becher. Es fiel etwas Sonderbares dabei vor.«

»Was?«

»Stille doch!« rief das Publikum.

»Was?« wiederholte Albert.

»Ein völlig unbekanntes Pferd und ein ebenso unbekannter Jockey gewannen bei diesem Rennen.«

»Wie?«

»O, mein Gott! ja; Niemand hatte einem unter dem Namen Vampa eingeschriebenen Pferde und einem unter dem Namen Job eingeschriebenen Jockey Aufmerksamkeit geschenkt, als man plötzlich einen bewunderungswürdigen Fuchs und einen faustgroßen Jockey kommen sah; man war genötigt, diesem zwanzig Pfund Blei In die Taschen zu stopfen, was ihn nicht abhielt, auf drei Pferdelängen nur Ariel und Barbaru, welche mit ihm liefen, am Ziele anzulangen.«

»Und man hat nicht erfahren, wem das Pferd und der Jockey gehörten?«

»Nein.« .

»Sie sagen, das Pferd sei eingeschrieben gewesen unter dem Namen? . . . «

»Vampa

»Dann bin ich besser unterrichtet als Sie,« versetzte Albert: »ich weiß, wem das Pferd gehört.«

»Stille doch!« rief zum dritten Male das Parterre.

Diesmal war die Schilderhebung so groß, daß die zwei jungen Leute wahrnahmen, das Publikum wende sich an sie. Sie schauten sich einen Augenblick um und suchten in der Menge einen Menschen, der die Verantwortlichkeit für das übernähme, was sie als eine Unverschämtheit betrachteten; doch Niemand wiederholte die Aufforderung, und sie wandten sich nach der Szene.

In diesem Augenblick öffnete sich die Luge des Ministers, und Madame Danglars, ihre Tochter und Lucien Debray nahmen ihre Plätze.

»Ah! ah!« sprach Chateau-Renaud, »dort sind Personen von Ihrer Bekanntschaft, Vicomte. Was Teufels schauen Sie denn rechts? Man sucht Sie.«

Albert wandte sich um und seine Augen begegneten wirklich denen der Baronin Danglars, welche ihn leicht mit dem Fächer begrüßte. Was Fräulein Eugenie betrifft, so senkten sich ihre großen, schwarzen Augen kaum bis zum Orchester.

»In der Tat, mein Lieber.« fuhr Chateau-Renaud fort, »ich begreife nicht, abgesehen von der Mesalliance, und glaube nicht, daß Sie das sehr beunruhigt; ich begreife nicht, sage ich, was Sie, abgesehen von der Mesalliance gegen Fräulein Danglars, einzuwenden haben können; es ist wirklich eine sehr hübsche Person.«

»Allerdings sehr hübsch,« erwiderte Albert; »doch ich muß Ihnen gestehen, daß ich in Beziehung auf Schönheit etwas Milderes, Zarteres, Weiblicheres vorziehen würde.«

»So sind die jungen Leute,« versetzte Chateau-Renaud, der sich als ein Mann von dreißig Jahren Morcerf gegenüber ein väterliches Ansehen gab; »Sie sind nie zufrieden. Wie, mein Lieber, man findet für Sie eine Braut, geschaffen nach dem Muster von Diana der Jägerin, und Sie fühlen sich nicht dadurch befriedigt!«

»Gerade das ist es, ich hätte mir eher etwas in dem Genre der Venus von Milo oder von Capua gewünscht. Stets mitten unter ihren Nymphen, erschreckt mich diese Diana ein wenig; ich befürchte, sie könnte mich als Acteon behandeln.«

In der Tat, ein Blick auf das Mädchen geworfen, knurrte das von Morcerf zugestandene Gefühl beinahe erklären. Fräulein Danglars war schön, aber wie Albert gesagt hatte, von einer etwas starren Schönheit. Ihre Haare waren sehr schwarz, doch in ihren natürlichen Wellen bemerkte man einen gewissen Widerstand gegen die Hand, die ihnen ihren Willen aufnötigen wollte; ihre Augen, schwarz wie die Haare, überwölbt von herrlichen Brauen, die nur einen Fehler hatten, den, daß sie sich zuweilen zusammenzogen, waren besonders merkwürdig durch einen Ausdruck von Fettigkeit, den man in dem Blicke eines Mädchens zu finden staunte; ihre Nase hatte genau die Verhältnisse, welche ein Bildhauer einer Juno gegeben haben würde; ihr Mund war etwas zu groß, aber mit schönen Zähnen geschmückt, welche noch mehr ihre Lippen hervorhoben, deren zu lebhafter Carmin stark von der Blässe ihrer Gesichtsfarbe abstach; ein schwarzes Mahl endlich an der Ecke des Mundes und größer, als es gewöhnlich solche Launen der Natur sind, verlieh vollends dieser Physiognomie den entschiedenen Charakter, welcher Morcerf ein wenig erschreckte.

Das ganze Übrige der Person Eugeniens stand indessen im Einklang mit dem Kopfe, den wir zu beschreiben versucht haben. Es war, wie Chateau-Renaud sagte, Diana die Jägerin, nur mit etwas noch Festerem, noch Muskeligerem in ihrer Schönheit,

Was ihre Erziehung betrifft, wenn ihr darüber ein Vorwurf zu machen war, so schien dieselbe, wie gewisse Punkte ihrer Physiogonomie, einem andern Geschlechte anzugehören. Sie sprach in der Tat mehrere Sprachen, zeichnete sehr leicht, machte Verse und Componirte Musik; sie war besonders leidenschaftlich für diese Kunst eingenommen, die sie mit einer von ihren Freundinnen aus der Kostschule studierte, mit einer jungen Person ohne Vermögen, welche jedoch, wie man versicherte, alle Anlagen hatte, um eine vortreffliche Sängerin zu werden. Ein großer Componist hegte der Sage nach für die letztere eine mehr als väterliche Teilnahme, und ließ sie mit der Hoffnung arbeiten, sie würde eines Tags ein Vermögen in ihrer Stimme finden.

Die Möglichkeit, Fräulein Louise d’Armilly, so hieß die junge Virtuosin, würde einst bei dem Theater eintreten, bewirkte, daß sich Fräulein Danglars, obgleich sie dieselbe bei sich empfing, nie öffentlich in ihrer Gesellschaft zeigte. Ohne indessen in dem Hause des Banquier die unabhängige Stellung einer Freundin zu haben, nahm Louise eine höhere Stellung ein, als die der gewöhnlichen Lehrerinnen.

Einige Sekunden nach dem Eintritt von Madame Danglars fiel der Vorhang, und in Folge der durch die Länge der Zwischenakte den Zuschauern gebotenen Gelegenheit, im Foyer spazierenzugehen oder aus eine halbe Stunde Besuche zu machen, entleerte sich das Orchester beinahe.

Morcerf und Chateau-Renaud gingen zuerst weg. Einen Augenblick glaubte Madame Danglars, Albert beabsichtige bei seinem Eifer, ihr seine Complimente zu machen, und sie neigte sich an das Ohr ihrer Tochter, um ihr seinen Besuch anzukündigen, aber diese begnügte sich, lächelnd den Kopf zu schütteln; und zu gleicher Zeit, als wollte er beweisen, wie sehr die Verneinung von Eugenie begründet war, erschien Morcerf in einer Seitenloge des ersten Ranges. Diese Loge war die der Gräfin G***.

»Ah! sieh da, mein Herr Reisender,« sprach die Gräfin. Albert die Hand mit aller Herzlichkeit einer alten Bekanntschaft reichend; »es ist sehr liebenswürdig von Ihnen, daß Sie mich erkannt haben, und besonders. daß Sie mit Ihrem ersten Besuche mich bevorzugten.«

»Glauben Sie mir Madame,« erwiderte Albert, »wenn ich Ihre Ankunft in Paris erfahren und Ihre Adresse gewußt hätte, so würde ich nicht so lange gewartet haben. Doch erlauben Sie mir, Ihnen den Herrn Baron nun Chateau-Renaud, meinen Freund, vorzustellen, einen nun den wenigen Edelleuten, welche in Frankreich noch übrig sind; von ihm habe ich gehört, daß Sie dem Wettrennen auf dem Champ-de-Mars bewohnten.«

Chateau-Renaud verbeugte sich.

»Ah! Sie waren bei dem Rennen, mein Herr,« sagte lebhaft die Gräfin.

»Ja, Madame.«

»Nun!« fuhr sie fort, »können Sie mir sagen. wem das Pferd gehörte, das den Preis des Jockey-Club gewonnen hat?«

»Nein, Madame,« erwiderte Chateau-Renaud, »ich richtete so eben dieselbe Frage an Albert.«

»Ist Ihnen viel daran gelegen, Frau Gräfin?« fragte Albert.

»Woran?«

»Den Herrn des Pferdes kennen zu lernen?«

»Unendlich viel. Stellen Sie sich vor . . . doch sollten Sie zufällig wissen, Vicomte?«

»Madame, Sie waren im Begriff, eine Geschichte zu erzählen; »»stellen Sie sich vor,«« sagten Sie.«

»Nun wohl! stellen Sie sich vor, daß der schöne Fuchs und der kleine Jockey mit der rosenfarbigen Kasake mir beim ersten Anblick eine so lebhafte Sympathie einflößten, daß ich für den einen, wie für den andern Gelübde that, als wäre ich dabei mit der Hälfte meines Vermögens beteiligt; als ich sie um drei Pferdelängen vor den andern am Ziele ankommen sah, war ich auch so freudig, daß ich wie toll in die Hände klatschte. Denken Sie sich mein Erstaunen, bei meiner Rückkehr traf ich auf meiner Treppe den kleinen rosenfarbigen Jockey; ich glaubte, der Sieger beim Rennen wohne zufällig in einem Hause mit mir, als ich, die Thüre meines Solon öffnend, mit dem ersten, Blicke den goldenen Becher gewahrte, der den von dem unbekannten Pferde und dem Jockey gewonnenen Preis bildete. In dem Becher lag ein Papierchen, worauf die Worte standen: »»Der Gräfin G***, Lord Ruthwen.««

»Ganz richtig, so ist es,« sagte Morcerf.

»Wie, ganz richtig? was wollen Sie damit sagen?«

»Ich will damit sagen, daß es Lord Ruthwen in Person ist.«

»Welcher Lord Ruthwen?«

»Der unsrige, der Vampyr, der vom Teatro Argentina.«

»Wirklich!« rief die Gräfin, »er ist also hier?«

»Gewiß.«

Und Sie sehen ihn? Sie empfangen ihn? Sie besuchen ihn?«

»Er ist mein Freund, und Herr von Chateau-Renaud hat ebenfalls die Ehre, ihn zu kennen.«

»Was macht Sie glauben, daß er gewonnen hat?«

»Sein unter dem Namen Vampa eingeschriebenes Pferd.«

»Nun, weiter?«

»Nun! erinnern Sie sieh nicht mehr des berüchtigten Banditen der mich zum Gefangenen gemacht hat?«

»Ah! es ist wahr.«

»Und dessen Händen mich der Graf auf eine so wunderbare Weise entriß?«

, , Allerdings.«

»Er hieß Vampa, Sie sehen, daß er es ist.«

»Aber warum hat er mir diesen Becher geschickt?«

»Einmal, Frau Gräfin, weil ich mit ihm von Ihnen sprach, wie Sie sich denken können, und dann weil er entzückt gewesen sein wird, eine Landsmännin wiederzufinden, und sich wohl unendlich über die Teilnahme gefreut hat, welche seine Landsmännin für ihn kundgab.«

»Ich hoffe, Sie haben ihm nie von den Tollheiten erzählt, die wir über seine Person sprachen?«

»Meiner Treue, ich würde nicht darauf schwören, und die Art und Weise, wie er Ihnen den Becher unter dem Namen Lord Ruthwen überschickte . . . «

»Das ist abscheulich; er wird im höchsten Grade über mich aufgebracht sein.«

»Ist sein Benehmen das eines Feindes?«

»Nein, ich muß es gestehen.«

»Nun wohl!«

»Er ist also in Paris?«

»Und welche Sensation hat er hervorgebracht?«

»Man sprach acht Tage von ihm, dann kam die Krönung der Königin von England und der Diamantendiebstahl bei Mademoiselle Mars, und man sprach nur noch hiervon.«

»Mein Lieber,« versetzte Chateau-Renaud, »man sieht wohl, daß der Graf Ihr Freund ist, Sie behandeln ihn dem gemäß. Glauben Sie nicht, was Albert sagt, Frau Gräfin, es ist im Gegenteil nur von dem Grafen Monte Christo in Paris die Rede. Er debutirte damit, daß Er Madame Danglars Pferde von dreißigtausend Franken im Wert schickte; er rettete Frau von Villefort das Leben und hat nun, wie es scheint, den Preis des Jockey-Clubs gewonnen. Ich behaupte im Gegenteil, was auch Morcerf sagen mag, daß man sich noch diesen Augenblick mit ihm beschäftigt, und daß man sich in einem Monate sogar nur mit ihm beschäftigen wird, wenn er fortfährt, so exzentrische Dinge zu tun, was übrigens, wie es scheint, seine gewöhnliche Art zu leben ist.«

 

»Wohl möglich,« sprach Morcerf; »doch mittlerweile, wer hat die Loge des russischen Botschafters genommen?«

»Welche?« fragte die Gräfin.

»Die zwischen den Säulen des ersten Ranges: sie scheint mir vollkommen neu hergestellt.«

»In der Tat,« sagte Chateau-Renaud, »war Jemand während des ersten Aktes dort?«

»Wo?«

»In jener Loge?«

»Nein,« erwiderte die Gräfin, »ich habe Niemand gesehen; »also, fuhr sie auf ihr erstes Gespräch zurückkommend fort, »also Sie glauben, Ihr Graf von Monte Christo habe den Preis gewonnen?«

»Ich bin dessen gewiss.«

»Und mir den Becher geschickt?«

»Ohne allen Zweifel.«

»Aber ich kenne ihn nicht,« sagte die Gräfin, »und habe große Lust, ihm denselben zurückzuschicken.«

»Oh! tun Sie das nicht: er würde Ihnen einen andern übersenden, der aus einem Saphir geschnitten oder aus einem Rubin ausgehöhlt wäre. Das ist die Art und Weise, wie er zu Werke zu. gehen pflegt, und man muß ihn nehmen, wie er ist.«

In diesem Augenblick hörte man das Glöckchen, den Anfang des zweiten Actes verkündigen. Albert stand auf, um zu seinem Platze zurückzukehren.

»Werde ich Sie wiedersehen?« fragte die Gräfin.

»In den Zwischenakten, wenn Sie erlauben. Ich komme dann, um mich zu erkundigen, ob ich Ihnen in irgend einer Beziehung in Paris dienen kann.«

»Meine Herren.« sagte die Gräfin, »jeden Samstag Abend, Rue de Rivoli 22, bin ich für meine Freunde zu Hause.«

Die zwei jungen Leute verbeugten sich und verließen die Loge.

Als sie in den Saal traten, sahen sie, daß das Parterre sich erhoben hatte und die Augen auf einen Punkt richtete; ihre Blicke folgten der allgemeinen Richtung und blieben bei der ehemaligen Loge des russischen Botschafters. Ein Mann in schwarzer Kleidung von fünf und dreißig bis vierzig Jahren war mit einer Frau in orientalischem Costume eingetreten. Die Frau war von der höchsten Schönheit und das Costume von einem solchen Reichtum, daß sich ihr, wie gesagt, auf der Stelle alle Augen zugewandt hatten.

»Ah!« rief Albert, »es ist Monte Christo mit seiner Griechin.«

Es war wirklich der Graf und Hayde. Nach weniger als einer Minute war die junge Frau der Gegenstand der Aufmerksamkeit nicht nur des Parterre allein, sondern des ganzen Saales; die Frauen neigten sich aus ihren Logen heraus, um unter dem Feuer des Kronleuchters diese Cascade von Diamanten funkelte zu sehen.

Der zweite Akt ging unter dem dumpfen Geräusche vorüber, das bei versammelten Massen ein großes Ereignis andeutet. Niemand dachte daran, Stillschweigen zu fordern. Diese so junge, so schöne, so blendende Frau war das seltsamste Schauspiel, das man sehen konnte.

Diesmal deutete ein Zeichen von Madame Danglars Albert klar an, daß er erwartet wurde. Sobald der Akt beendigt war, eilte er auf die Vorbühne.

»Er begrüßte die beiden Frauen und reichte Debray die Hand.

Die Baronin empfing ihn mit einem reizenden Lächeln und Eugenie mit ihrer gewöhnlichen Kälte.

»Meiner Treue, Freund,« sagte Debray, »Sie sehen in mir einen erschöpften Menschen, der Sie um Hilfe anruft, um wieder zu Kräften zu kommen. Die Frau Baronin drückt mich zu Boden mit Fragen über den Grafen, und ich soll wissen, von wo er ist, woher er kommt und wohin er geht; ich bin, bei Gott! kein Cagliostro, und um mich aus der Klemme zu ziehen, sagte ich: »Fragen Sie dies Morcerf, er kennt seinen Monte Christo an den Fingern auswendig dann machte man Ihnen ein Zeichen.«

»Ist es nicht unglaublich,« sprach die Baronin, »daß man, wenn man eine halbe Million geheime Fonds zu seiner Verfügung hat, nicht besser unterrichtet sein soll?«

»Madame.« entgegnete Lucien, »ich bitte Sie, zu glauben, daß ich, wenn ich eine halbe Million zu meiner Verfügung hätte, dieselbe zu etwas Anderem Verwenden würde, als um über Herrn Monte Christo Erkundigungen einzuziehen, denn in meinen Augen hat er kein anderes Verdienst, als daß er zweimal so reich ist, als ein Nabob; ich habe das Wort meinem Freunde Morcerf abgetreten, besprechen Sie sich mit ihm,  . . . mich geht es nichts mehr an.«

»Ein Nabob hätte mir sicherlich nicht ein Paar Pferde von dreißigtausend Franken, nebst vier Diamanten an den Ohren, von denen jeder fünftausend Franken wert ist, zugeschickt!«

»Oh! was die Diamanten betrifft,« erwiderte lachend Morcerf, »das ist seine Manie. Ich glaube, daß er, wie Potemkin, stets Diamanten in seinen Taschen trägt und davon auf seinem Wege ausstreut, wie es der kleine Däumling mit seinen Kieselsteinen machte.«

»Er wird eine Mine gefunden haben,« sagte Madame Danglars: »Sie wissen, daß er einen unumschränkten Credit auf das Haus des Barons hat.«

»Nein, das wußte ich nicht, aber es muß so sein,« versetzte Albert.

»Und daß er Herrn Danglars ankündigte, er gedenke ein Jahr in Paris zu bleiben und hier sechs Millionen auszugeben?«

»Es ist der Schuh von Persien, welcher inkognito reist.«

»Und diese Frau, Herr Lucien,« fragte Eugenie, »haben Sie bemerkt, wie schön sie ist?«

»In der Tat, mein Fräulein, ich kenne Niemand, der den Personen Ihres Geschlechts so volle Gerechtigkeit widerfahren läßt, wie Sie.«

Lucien hielt sein Lorgnon an das Auge und rief:

»Reizend! in der Tat, reizend!«

»Und weiß Herr von Morcerf, wer sie ist?«

»Mein Fräulein, »sprach Albert, diese beinahe unmittelbare Aufforderung erwidernd, »ich weiß es so ungefähr, wie Alles, was die geheimnisvolle Person betrifft, mit der wir uns beschäftigen. Diese Frau ist eine Griechin.«

»Das sieht man leicht an ihrer Tracht, und Sie sagen mir nichts, was nicht bereits der ganze Saal so gut wüßte, wie wir.«

»Es tut mir leid, daß ich ein so unwissender Cicerone bin,« entgegnete Morcerf; »doch ich muß gestehen, daß sich meine Kenntnisse hierauf beschränken. Ich weiß überdies nur noch, daß sie vortrefflich in der Musik ist, denn als ich eines Tages bei dem Grafen frühstückte, hörte ich die Töne einer Guzla, die nur von ihr kommen konnten.«

»Ihr Graf empfängt also?« fragte Madame Danglars.

»Und zwar auf eine glänzende Weise, das schwöre ich Ihnen.«

»Ich muß Herrn Danglars bewegen, ihm ein Mittagsmahl, einen Ball anzubieten, damit er uns Ähnliches gibt.«

»Wie! Sie werden ihn besuchen?« sprach Debray lachend.

»Warum nicht? mit meinem Manne!

»Aber der geheimnisvolle Graf ist Junggeselle.«

»Sie sehen, daß dies nicht der Fall ist,« entgegnete die Baronin, ebenfalls lachend und auf die schöne Griechin deutend.

»Diese Frau ist eine Sklavin, wie er uns, Sie erinnern sich, Morcerf, bei Ihrem Frühstück selbst gesagt hat.«

»Gestehen Sie, mein lieber Lucien,« sprach die Baronin, »daß sie vielmehr das Aussehen einer Prinzessin hat.«

»Aus Tausend und eine Nacht.«

»Aus Tausend und eine Nacht, das sage ich nicht; doch was macht die Prinzessinnen, mein Lieber? die Diamanten, und damit ist sie bedeckt.«

»Sie hat sogar zu viele Diamanten an sich.« sprach Eugenie; »sie wäre schöner ohne dies, denn man würde ihren Hals und ihre reizend geformten Handgelenke sehen.«

»O die Künstlerin! sehen Sie, wie leidenschaftlich sie wird!« sprach Madame Danglars.

»Ich liebe Alles, was schön ist,« sprach Eugenie.

»Aber was sagen Sie dann zu dem Grafen?« fragte Debray, »es scheint mir, er ist auch nicht übel.«

»Der Graf?« entgegnete Eugenie, als wäre es ihr noch nicht eingefallen, ihn anzuschauen; »der Graf ist sehr bleich.«

»Gerade in dieser Blässe liegt das Geheimnis, das wir suchen,« sagte Morcerf. »Die Gräfin G*** behauptet, wie Sie wissen, er sei ein Vampyr.«

»Die Gräfin G*** ist also zurück?« fragte die Baronin.

»In jener Seitenloge,« erwiderte Eugenie, »uns beinahe gegenüber, meine Mutter, jene Frau mit den wunderbar schönen blonden Haaren.«

»Ah! ja,« sagte Madame Danglars, »wissen Sie, was Sie tun sollten, Morcerf?«

»Befehlen Sie, Madame.«

»Sie sollten Ihrem Grafen von Monte Christo einen Besuch machen und ihn zu uns bringen.«

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