Бесплатно

Der Graf von Monte Christo

Текст
iOSAndroidWindows Phone
Куда отправить ссылку на приложение?
Не закрывайте это окно, пока не введёте код в мобильном устройстве
ПовторитьСсылка отправлена

По требованию правообладателя эта книга недоступна для скачивания в виде файла.

Однако вы можете читать её в наших мобильных приложениях (даже без подключения к сети интернет) и онлайн на сайте ЛитРес.

Отметить прочитанной
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

Neuntes Kapitel.

Hayde

Man erinnert sich, wer die neuen oder vielmehr alten Bekannten des Grafen Monte Christo waren, welche in der Rue Meslay wohnten: Maximilian, Julie und Emmanuel.



Die Hoffnung auf den angenehmen Besuch, den er zu machen gedachte, auf die paar glücklichen Augenblicke, die er zubringen würde, auf den Schimmer des Paradieses, welcher in die Hölle gleiten sollte, in die er sich freiwillig versetzt hatte, verbreitete von der Minute, wo er Villefort aus dem Gesichte verlor, die reizendste Heiterkeit über das Antlitz des Grafen, und als Ali, der bei dem Klange des Glöckchens herbeigelaufen war, dieses von einer so seltenen Freude strahlende Gesicht erblickte, zog er sich auf der Fußspitze und mit gehemmtem Atem zurück, als wollte er die guten Gedanken nicht scheu machen, die er seinen Gebieter umschweben zu sehen glaubte.



Es war Mittag: der Graf hatte sich eine Stunde vorbehalten, um zu Hayde hinaufzugehen; man hätte glauben sollen, die Freude könnte nicht mit einem Schlage in diese so lange gebrochene Seele zurückkehren, und sie müßte sich auf die sanften Bewegungen vorbereiten, wie sich andere Seelen aus heftige Erschütterungen vorbereiten müssen.



Die schöne Griechin befand sich erwähnter Maßen in einer Wohnung, welche von der des Grafen völlig getrennt war. Ihre Gemächer hatte man ganz auf orientalische Weise ausgeschmückt, das heißt die Böden waren mit dicken türkischen Teppichen bedeckt, Brokatstoffe fielen an den Wänden herab, und in jedem Zimmer breitete sich ein großer Divan rings umher mit Haufen von Kissen aus, die sich nach der Willkühr derjenigen, welche davon Gebrauch machten, von einer Stelle zur andern versetzen ließen.



Hayde hatte drei französische Kammerfrauen und eine griechische. Die drei französischen Kammerfrauen verweilten im ersten Zimmer, bereit auf den Ton eines goldenen Glöckchens herbeizulaufen und den Befehlen der romaischen Sklavin zu gehorchen, welche hinreichend Französisch sprach, um den Willen ihrer Gebieterin diesen drei Frauen zu verdolmetschen, die nach der Vorschrift von Monte Christo Hayde mit der Rücksicht zu behandeln hatten, die man nur gegen eine Königin beobachtet.



Die Griechin befand sich in dem hintersten Zimmer ihrer Wohnung, in einer Art von rundem, nur von oben beleuchteten Boudoir, in welches das Licht durch Scheiben von rosenfarbigem Glase drang. Sie lag auf dem Boden aus Kissen von blauen, mit Silber durchwirktem Atlaß, halb zurückgelehnt auf den Divan, den Kopf mit ihrem weich gerundeten rechten Arme umrahmend, während sie mit der Linken an ihre Lippen die Korallenspitze hielt, in welche das biegsame Rohr einer persischen Pfeife eingefügt war, die den Dampf in ihren Mund nur durch das Benzoewasser parfümiert gelangen ließ, durch das ihn ihr sanfter Atem zu ziehen zwang.



Ihre Lage, obgleich ganz natürlich für eine Frau aus dem Orient, wäre vielleicht für eine Französin von einer zu sehr gesuchten Coquetterie gewesen.



Ihr Anzug war der der epirotischen Frauen; sie trug nämlich Beinkleider von weißem, mit rosenfarbigen Blumen brochirtem Atlaß, welche zwei Kinderfüße entblößt ließen, von denen man hätte glauben sollen, sie wären von parischem Marmor, hätte man sie nicht mit zwei kleinen, mit Gold und Perlen gestickten Sandalen mit aufwärts gebogenen Spitzen spielen sehen; eine blau und weiß gestreifte Jacke mit weiten, unten geschlitzten Ärmeln, mit silbernen Knopflöchern und Knöpfen von Perlen; endlich eine Art von Leibchen, das durch seinen herzförmigen Schnitt den Hals und den ganzen obern Teil der Brust sehen ließ und unterhalb des Busens mit drei Diamantknöpfen geschlossen wurde. Der untere Teil des Leibchens und der obere des Beinkleides verschwanden unter einem von jenen Gürteln mit den lebhaften Farben und den langen seidenen Fransen, aus deren Besitz unsere eleganten Pariserinnen so stolz sind.



Auf dem Kopfe hatte sie ein mit Gold und Perlen gesticktes, auf die Seite geneigtes Mützchen, und unter dem Mützchen aus der Seite, auf welche sich dasselbe herabneigte, trat eine schöne, natürliche, purpurrote Rose, vermischt mit Haaren, so schwarz, daß sie blau zu sein schienen, hervor.



Die Schönheit dieses Gesichtes war die griechische Schönheit in der ganzen Vollendung ihres Typus, mit ihren großen, schwarzen, sammetartigen Augen, mit ihrer marmornen Stirne, mit ihrer geraden Nase, ihren Korallenlippen und ihren Perlzähnen.



Dann war über dieses reizende Ganze die Jugend mit all ihrem Schimmer, mit all ihrem Wohlgeruch ausgebreitet; Hayde mochte kaum neunzehn bis zwanzig Jahre alt sein.



Monte Christo rief der griechische Kammerfrau und ließ Hayde um Erlaubnis bitten, bei ihr eintreten zu dürfen.



Statt jeder Antwort hieß Hayde ihre Zofe den Vorhang zurückschlagen, welcher an der Thüre angebracht war, deren Simswerk das junge Mädchen wie ein reizendes Gemälde umrahmte.



Monte Christo trat ein.



Hayde erhob sich auf den Ellenbogen, reichte dem Grafen ihre Hand, lächelte ihm freundlich entgegen und sagte in der wohlklingenden Sprache der Töchter von Sparta und Athen:



»Warum läßt Du mich um Erlaubnis bitten, bei mir eintreten zu dürfen? Bist Du nicht mehr mein Gebieter, bin ich nicht mehr Deine Sklavin?«



Monte Christo lächelte ebenfalls und erwiderte:



»Hayde, Sie wissen . . . «



»Warum sagst Du nicht mehr

Du

 zu mir, wie gewöhnlich?« unterbrach ihn die junge Griechin; »habe ich denn irgend ein Versehen begangen? Dann mußt Du mich bestrafen und nicht mehr Sie nennen.«



»Hayde,« entgegnete der Graf, »Du weißt, daß wir in Frankreich sind, und daß Du folglich frei bist.«



»Frei, was zu tun?« fragte das Mädchen.



»Es steht Dir frei, mich zu verlassen.«



»Dich verlassen! . . . Und warum sollte ich Dich verlassen?«



»Was weiß ich? Wir werden die Welt sehen.«



»Ich will Niemand sehen.«



»Und wenn Du unter den jungen Leuten, denen Du begegnen wirst, einen träfest, der Dir gefiele, so wäre ich nicht so ungerecht . . . «



»Ich habe keinen schöneren Mann, als Du bist, gesehen, und nie einen andern geliebt, als meinen Vater und Dich.«



»Armes Kind,« sagte Monte Christo, »Du hast beinahe Niemand gesprochen, außer mir und Deinem Vater.«



»Wohl! was brauche ich mit Anderen zu sprechen? Mein Vater nannte mich s

eine Freude

, Du nennst mich

Deine Liebe

, und Ihr Beide nennt mich

Euer Kind.

«



»Du erinnerst Dich Deines Vaters, Hayde?«



Das junge Mädchen lächelte.



»Er ist da und da,« sprach die Griechin, ihre Hand auf ihre Augen und auf ihr Herz legend.



»Und ich, wo bin ich?« fragte lächelnd Monte Christo.



»Du,« erwiderte sie, »Du bist überall.«



Monte Christo nahm die Hand von Hayde, uni sie zu küssen. aber das naive Kind entzog ihm seine Hand und bot ihm die Stirne dar.



»Nun weißt Du, Hayde,« sprach der Graf, »daß Du frei, daß Du Gebieterin, daß Du Königin bist; Du kannst Deine Tracht beibehalten oder nach Deiner Laune aufgeben. Du bleibst hier, wenn Du bleiben willst, Du fährst aus, wenn Du ausfahren willst; es wird stets ein Wagen für Dich angespannt sein, Ali und Myrtho begleiten Dich überallhin und sind zu Deinem Befehl; nur bitte ich Dich um Eines.«



»Sprich.«



»Bewahre das Geheimnis Deiner Geburt, sage kein Wort über Deine Vergangenheit, nenne bei keiner Veranlassung den Namen Deines erhabenen Vaters oder den Deiner armen Mutter.«



»Herr, ich habe Dir bereits gesagt, daß ich Niemand sehen werde.«



»Höre mich, Hayde: diese orientalische Abgeschlossenheit wird Dir in Paris vielleicht unmöglich werden, fahre fort, das Leben in unsern nördlichen Ländern kennen zu lernen, wie Du dies in Rom, in Florenz, in Mailand und in Madrid getan hast; dies wird Dir immerhin nützlich sein, magst Du nun beständig hier leben oder nach dem Orient zurückkehren.«



Das Mädchen schlug seine großen, feuchten Augen zu dem Grafen auf und erwiderte:



»Oder ob

wir

 nach dem Orient zurückkehren, willst Du sagen, nicht wahr, Herr?«



»Ja, meine Tochter, Du weißt wohl, daß ich Dich nie verlassen werde. Es ist nicht der Baum, der die Blüthe verläßt, sondern die Blüthe, die sich vom Baume trennt.«



»Ich werde Dich auch nicht verlassen, Herr, denn ich weiß, daß ich ohne Dich nicht leben konnte.«



»Armes Kind! in zehn Jahren bin ich alt, und in zehn Jahren bist Du noch ganz jung.«



»Mein Vater hatte einen langen, weißen Bart; das hinderte mich nicht, ihn zu lieben; mein Vater zählte sechzig Jahre und er kam mir schöner vor, als alle junge Leute, welche ich sah.«



»Doch sage mir, glaubst Du, daß Du Dich hier angewöhnen wirst?«



»Werde ich Dich sehen?«



»Jeden Tag.« .



»Nun! warum fragst Du mich dann, Herr?«



»Ich befürchte, Du langweilst Dich.«



»Nein, Herr, denn am Morgen denke ich, daß Du kommen wirst, und am Abend erinnere ich mich, daß Du gekommen bist; überdies habe ich, wenn ich allein bin, noch andere große Erinnerungen, ich erblicke wieder ungeheure Gemälde, große Horizonte mit dem Pindus und dem Olymp in der Ferne; dann habe ich im Herzen drei Gefühle, mit denen man sich nie langweilt: die Traurigkeit, die Liebe und die Dankbarkeit.«



»Du bist eine würdige Tochter des Epirus, Hayde, Du Anmutige, Du Poetische, und man sieht, daß Du von der in Deinem Lande geborenen Familie von Göttinnen abstammst. Sei also unbesorgt, meine Tochter, ich werde es so machen, daß Deine Schönheit nicht verloren geht, denn wenn Du mich wie Deinen Vater liebst, so liebe ich Dich wie mein Kind.«



»Du täuschest Dich, Herr, ich liebte meinen Vater nicht, wie ich Dich liebe, meine Liebe für Dich ist eine andere Liebe: mein Vater ist tot und ich bin nicht tot, während ich sterben müßte, wenn Du sterben würdest.«



Der Graf reichte Hayde die Hand mit einem Lächeln voll tiefer Zärtlichkeit; sie druckte wie gewöhnlich ihre Lippen darauf.

 



Und so gestimmt für die Zusammenkunft, die er mit Morrel und seiner Familie haben sollte, entfernte er sich, folgende Verse von Pindar murmelnd:



»Die Jugend ist eine Blüthe, deren Frucht die Liebe ist . . . Glücklich der Leser, der sie pflückt, nachdem er sie langsam hat reifen sehen.«



Der Wagen war seinen Befehlen gemäß bereit. Er stieg ein und die Pferde führten ihn wie immer im Galopp fort.




Zehntes Kapitel.

Die Familie Morrel

Der Graf gelangte in wenigen Minuten in die Rue Meslay Nro. 7. Das Haus war weiß, lachend und vor demselben ein Hof, in welchem man zwei kleine Gartenstücke mit schönen Blumen erblickte.



In dem Concierge, der ihm die Thüre öffnete, erkannte der Graf den alten Cocles. Da dieser aber, wie man sich erinnert, nur ein Auge hatte und dieses Auge seit neun Jahren bedeutend geschwächt worden war, so erkannte Cocles den Grafen nicht wieder.



Wenn die Wagen vor dem Eingang anhalten wollten, mußten sie eine Wendung machen, um einen Wasserstrahl zu vermeiden, der aus einem grottenartigen Bassin hervorsprang . . . ein Prachtwerk, das viel Eifersucht in dem Quartiere veranlaßt hatte und die Ursache war, warum man dieses Haue »Klein-Versaille« nannte.



Es bedarf nicht der Erwähnung, daß in dem Bassin rote und gelbe Fische in großer Anzahl sich lustig umhertrieben.



Über einem Stockwerke aus Küchen und Kellern stehend, hatte das Haus, außer dem Erdgeschoße, noch zwei volle Stockwerke, die jungen Leute hatten es, mit dem was dazu gehörte, nämlich mit einer ungeheuren Werkstätte, zwei Pavillons im Hintergrunde eines Gartens und in dem Garten selbst gekauft. Emmanuel sah mit dem ersten Blicke, daß bei dieser Anordnung der Gebäulichkeiten eine Speculation zu machen war; er behielt für sich das Haus, die Hälfte des Gartens und zog eine Linie, das heißt er erbaute eine Mauer zwischen sich und den Werkstätten und vermiethete diese nebst den zwei Pavillons und den dazu gehörigen Gartenteilen: hierdurch wohnte er um eine sehr mäßige Summe und ebenso gut für sich abgeschlossen, wie der ängstlichste Eigenthümer eines Hotel im Faubourg Saint-Germain.



Das Speisezimmer war von Eichenholz, der Salon von Mahagoni und blauem Sammet. das Schlafzimmer von Citronenholz und grünem Damast, überdies fanden sich hier ein Arbeitscabinet für Emmanuel, der nichts arbeitete, und ein Musikzimmer für Julie, welche durchaus keine Tonkünstlerin war.



Den ganzen zweiten Stock hatte man Maximilian zur Verfügung gestellt. Man sah hier eine genaue Wiederholung der Zimmer seiner Schwester, nur hatte man den Speisesaal in ein Billardzimmer verwandelt, in das er seine Freunde zu führen pflegte.



Er überwachte selbst die Wartung seiner Pferde und rauchte eine Cigarre am Eingang des Gartens, als der Wagen des Grafen vor der Thüre anhielt.



Cocles öffnete, wie gesagt; Baptistin sprang von seinem Bocke und fragte, ob Herr und Madame Herbault und Herr Maximilian Morrel für den Grafen von Monte Christo sichtbar wären.



»Für den Grafen von Monte Christo!« rief Morrel seine Cigarre wegwerfend und dem Besuche entgegen eilend: »ich glaube wohl, ich glaube wohl, daß wir für ihn sichtbar sind. Ah! Dank, tausendmal Dank, Herr Graf, daß Sie Ihr Versprechen nicht vergessen haben.«



Und der Junge Offizier drückte dem Grafen so innig die Hand, daß dieser sich in der Treuherzigkeit seiner Kundgebung nicht täuschen konnte und mit dem erstere Blicke sah, daß er mit Ungeduld erwartet worden war und die wärmste Ausnahme fand.



»Kommen Sie, kommen Sie,« sprach Maximilian, »ich will Ihnen als Einführer dienen; ein Mann, wie Sie sind, darf nicht durch Bedienten gemeldet werden; meine Schwester ist in ihrem Garten und bricht ihre verwelkten Rosen ab; mein Schwager liest seine zwei Zeitungen sechs Schritte von ihr, denn überall, wo man Madame Herbault sieht, darf man nur im Umkreise einer Ruthe umherschauen, und Herr Emmanuel wird sich finden, und so gegenseitig, wie man in der polytechnischen Schule sagt.«



Bei dem Geräusche der Tritte hob eine junge Frau von fünfundzwanzig biet dreißig Jahren in einem seidenen Hauskleide den Kopf. Diese Frau, welche mit besonderer Sorgfalt von einem herrlichen Rosenstock die Blumen abklaubte, war unsere kleine Julie, nunmehr, wie dies der Mandatar des Hauses Thomson und French vorhergesagt hatte, Frau Emmanuel Herbault.



»Sie stieß einen leichten Schrei aus, als sie einen Fremden erblickte, Maximilian aber sprach lachend:



»Laß Dich nicht stören, meine Schwester; der Herr Graf befindet sich erst seit zwei bis drei Tagen in Paris, weiß aber bereits, was eine Rentière des Marais ist, und wenn er es nicht weiß, so wirst Du es ihn lehren.«



»Ah! mein Herr.« sprach Julie, »Sie so hierherzuführen, ist ein Verrath von meinem Bruder, der nicht die geringste Eitelkeit für seine arme Schwester besitzt . . . Penelon! . . . Penelon! . . . «



Ein Greis, der eine Rabatte mit bengalischen Rosenstöcken umgrub, steckte seinen Spaten in die Erde und näherte sich die Mütze in der Hand, während er so gut als möglich den Kautaback verbarg, den er für den Augenblick in die Tiefen seiner Backen zurückgeschoben hatte. Einige weiße Büschel versilberten sein noch dickes Haupthaar, indes seine bronzefarbige Gesichtshaut und sein kühnes, lebhaftes Auge den alten, unter der Sonne des Äquators gebräunten und vom Hauche der Stürme geschwärzten Seemann verrieten.



»Ich glaube, Sie haben mich gerufen, Fräulein Julie, sagte er, »hier bin ich.«



Penelon hatte die Gewohnheit beibehalten, die Tochter seines Patrons Fräulein Julie zu nennen, und war nie im Stande gewesen, sich daran zu gewöhnen, ihr den Namen Madame Herbault zu geben.



»Penelon,« sagte Julie, »melde Herrn Emmanuel den angenehmen Besuch, der uns zu Teil wird, während Maximilian den Herrn Grafen in den Salon führt.«



Dann sich an Monte Christo wendend:



»Sie werden mir wohl erlauben, auf eine Minute zu entfliehen?«



Und ohne die Einwilligung des Grafen abzuwarten, eilte sie hinter eine Baumgruppe und erreichte das Haus durch eine Seitenallee.



»Ah! mein lieber Herr Morrel,« sprach Monte Christo, »ich bemerke zu meinem Schmerze, daß ich einen Aufruhr in Ihrer Familie veranlasst.«



»Sehen Sie,« erwiderte Maximilian lachend, »sehen Sie dort unten den Mann, der ebenfalls sein Wamms gegen einen Oberrock zu vertauschen im Begriffe ist? O! man kennt Sie, glauben Sie mir, Sie waren angekündigt.«



»Sie scheinen mir hier eine glückliche Familie zu haben, mein Herr,« sagte der Graf seinen eigenen Gedanken beantwortend.



»O ja! dafür stehe ich Ihnen, Herr Graf; es fehlt ihnen nichts zu ihrem Glücke, sie sind jung, sie sind heiter, sie lieben sich, und mit ihren fünfundzwanzigtausend Franken Rente bildete sie sich ein, sie besitzen den Reichtum der Rothschilde«



»Fünfundzwanzigtausend Franken Rente ist übrigens wenig.« sprach Monte Christo mit einer Weichheit, welche in Maximilians Herz drang, wie es nur die Stimme eines zärtlichen Vaters hätte tun können; »doch sie werden nicht hierbei stehen bleiben, unsere jungen Leute, sie werden ebenfalls Millionäre werden. Ihr Herr Schwager ist Advokat . . . Arzt? . . . «



»Er war Kaufmann, mein Herr Graf, und hatte das Haus meines armen Vaters übernommen. Herr Morrel starb mit Hinterlassung eines Vermögens von fünfmal hunderttausend Franken; ich bekam die eine Hälfte und meine Schwester die andere, denn wir waren nur zwei Kinder, Ihr Gatte. der sie ohne ein anderes Erbgut als seine Redlichkeit, seinen scharfen Verstand und seinen fleckenlosen Ruf geheiratet hatte, wollte ebenso Viel besitzen als seine Frau. Er arbeitete bis er zweimal hundert fünfzigtausend Franken zusammen gebracht hatte; hier genügten sechs Jahre. Ich schwöre Ihnen, Herr Graf, sie boten ein rührendes Schauspiel, diese zwei so fleißigen, so einigen Kinder, welche, durch ihre Fähigkeiten zum höchsten Vermögen bestimmt, dennoch nichts an den Gewohnheiten des väterlichen Hauses verändern wollten und sechs Jahre dazu verwendetem um das zu tun, was Neuerer in zwei bis drei hätten tun können; Marseille widerhallt auch noch heute von Lobeserhebungen, welche man so viel mutiger Verleugnung nicht verweigern konnte.



»Eines Tags suchte Emmanuel seine Frau auf und sprach zu ihr:



»»Julie, Cocles hat mir so eben eine Rolle von hundert Franken zugestellt, welche die Summe von zweimal hundertfünfzig tausend Franken voll macht, die wir als Grenze unseres Gewinnes feststellen. Wirst Du mit dem Wenigen, womit wir uns fortan begnügen müssen, zufrieden sein? Höre, das Haus macht jährlich für eine Million Geschäfte und kann einen Nutzen von vierzigtausend Franken abwerfen. Wir verkaufen, wenn wir wollen, die Kundschaft in einer Stunde für dreimal hunderttausend Franken, denn hier ist ein Brief von Herrn Delaunay, der uns dieselben für unsern Fonds anbietet, welchen er mit dem seinigen verbinden will. Was meinst Du, daß zu tun say?««



»»Mein Freund,«« erwiderte meine Schwester, »»das Haus Morrel kann nur durch einen Morrel gehalten werden. Ist es nicht dreihunderttausend Franken wert, den Namen unseres Vaters für immer vor schlimmem Wechsel des Schicksals zu schützen?««



»»Ich dachte es, »erwiderte Emmanuel, »»wollte jedoch Deine Ansicht wissen.««



»»Wohl, mein Freund, hier hast Du sie. Alle unsere Ausstände sind eingezogen, alle unsere Wechsel sind bezahlt; wir können einen Strich unter den letzten des Monats ziehen und unsere Comptoirs schließen; ziehen wir diesen Strich und schließen wir sie;«« was auch auf der Stelle geschah, Es war drei Uhr: um ein Viertel auf vier Uhr zeigte sich ein Kunde, um die Fahrt von zwei Schiffen versichern zu lassen; hierbei ließ sich ein reiner Gewinn von fünfzehntausend Franken erwarten.



»»Mein Herr.«« sprach Emmanuel, »»wollen Sie sich wägen dieser Versicherung an Herrn Delaunay wenden.

Wir

 haben das Geschäft aufgegeben.««



»»Seit wann?«« fragte der erstaunte Kunde.



»»Seit einer Viertelstunde.««



»Und auf diese Art haben meine Schwester und mein Schwager nur fünfundzwanzig tausend Franken Rente,« fügte Maximilian lächelnd bei.



Maximilian hatte kaum seine Erzählung, während der sich das Herz des Grafen immer mehr ausdehnte, vollendet, als Emmanuel, aufgefrischt durch einen Hut und einen Oberrock wieder erschien; er grüßte wie ein Mann, der den Wert des Besuches kennt, ließ den Grafen das kleine Luftstück umgehen und führte ihn in das Haus.



Der Salon war bereits von Blumen durchduftet, welche nur mit großer Mühe in einer ungeheuren japanesischen Vase mit natürlichen Handhaben zusammengehalten wurden. Hübsch gekleidet und zierlich frisiert (sie hatte dieses große Werk in zehn Minuten vollendet), trat Julie hervor, um den Grafen bei seinem Eintritt zu empfangen.



Man hörte die Vögel in einer benachbarten Voliére zwitschern; die Zweige von Bohnenbäumen und Acacien dienten mit ihren hereinhängenden Blüthenbüscheln den blauen Sammetvorhängen als Stickerei. Alles atmete in diesem kleinen Winkel Ruhe, von dem Gesange des Vogels bis zu dem Lächeln der Gebieter.



Der Graf hatte seit dem Eintritte in das Haus die ganze Fülle dieses Glückes in sich aufgenommen; er blieb auch stumm und träumerisch, und vergaß, daß man ihn anschaute und von ihm die Wiederaufnahme des nach den ersten Komplimenten unterbrochenen Gespräches zu erwarten schien.



Endlich bemerkte er dieses beinahe unschicklich gewordene Stillschweigen, entriß sich mit aller Anstrengung seiner Träumerei und sprach:



»Madame, verzeihen Sie mir eine Gemüthsbewegung, welche Sie, die Sie an den Frieden und an das Glück, das ich hier treffe, gewöhnt sind, in Erstaunen setzen muß; doch für mich ist die Zufriedenheit auf einem menschlichen Antlitz etwas so Neues, daß ich nicht müde werden kann, Sie und Ihren Gatten anzuschauen.«



»Wir sind in der Tat sehr glücklich,« versetzte Julie; »aber wir hatten lange zu leiden, und wenige Menschen mußten ihr Glück so teuer erkaufen, wie wir.«



Die Neugierde prägte sich in den Zügen des Grafen aus.



»Oh! das ist eine ganze Familiengeschichte, wie Ihnen neulich Chateau-Renaud sagte.« sprach Maximilian; »für Sie, mein Herr Graf, der Sie gewohnt sind, erhabenes Unglück und glänzende Freuden zu sehen, dürfte wenig Interesse in diesem häuslichen Gemälde zu finden sein. Jeden Falls haben wir, wie Ihnen Julie so eben sagt, heftige Schmerzen ausgestanden, obgleich dieselben in diesen kleinen Rahmen eingeschlossen waren.«



»Und Gott hat Ihnen, wie er es bei Allen tut, den Balsam des Trostes aus das Leiden gegossen?« fragte Monte Christo.



»Ja, mein Herr Graf,« antwortete Julie; »wir können dies wohl sagen, denn er hat für uns getan, was er nur für seine Auserwählten tut; er schickte uns einen von seinen Engeln.«



Die Röte stieg dem Grafen in die Wangen, und er hustete, um ein Mittel zu haben, seine Aufregung, ein Sacktuch an den Mund haltend, zu verbergen.

 



»Diejenigen, welche in einer purpurnen Wiege geboren sind und nie etwas zu wünschen gehabt haben.« sprach Emmanuel, »wissen nicht, was das Glück, zu leben, heißt; wie diejenigen den Wert eines reinen Himmels nicht kennen, welche nie ihr Leben der Gnade von vier auf ein wütendes Meer geschleuderten Brettern preisgegeben haben.«



Monte Christo stand auf und ging, ohne etwas zu erwidern, denn am Zittern seiner Stimme hatte man die Erschütterung zu erkennen vermocht, Schritt für Schritt durch den Salon.



»Sie lächeln über unsere Herrlichkeit, Herr Graf.« sprach Maximilian, der ihm mit den Augen folgte.



»Nein, nein,« entgegnete Monte Christo, äußerst bleich und mit einer Hand die Schläge seines Herzens zurückdrängend, während er mit der andern auf eine kristallene Kugel deutete, unter welcher eine seidene Börse, kostbar gelagert auf einem Kissen von schwarzem Sammet, ruhte. »Ich fragte mich nur, wozu diese Börse diene, welche, wie mir scheint, auf der einen Seite ein Papier, und auf der andern einen ziemlich schönen Diamant enthält.«



Maximilian nahm eine ernste Miene an und erwiderte:



»Dieses, mein Herr Graf, ist der köstlichste von unseren Familienschätzen.«



»Ja der Tat, der Diamant ist ziemlich hübsch,« wiederholte Monte Christo.



»Oh! mein Bruder spricht nicht von dem Werte des Steines, obgleich er zu hunderttausend Franken geschätzt wird, er will Ihnen nur sagen, daß die Gegenstände, welche diese Börse enthält, Reliquien von dem, Engel sind, von welchem vorhin die Rede war.«



»Ich begreife das nicht und darf auch nicht fragen, Madame,« erwiderte Monte Christo sich verbeugend; »verzeihen Sie mir. ich wollte nicht indiskret sein«



»Indiskret, sagen Sie? oh! wie glücklich machen Sie uns im Gegenteil dadurch, daß Sie uns Gelegenheit bieten, uns des Breiteren über diesen Gegenstand auszusprechen. Wollten wir als ein Geheimnis die schöne Handlung verbergen, an welche diese Börse erinnert, so würden wir sie nicht auf eine solche Art den Blicken aussetzen. Oh! wie gern möchten wir sie der ganzen Welt mitteilen, damit uns irgend eine Bewegung unseres unbekannten Wohlthäters seine Gegenwart enthüllte.«



»Ah! wirklich?« versetzte Monte Christo mit gepreßter Stimme.



»Mein Herr,« sprach Maximilian, die Kristallkugel aufhebend und gleichsam mit religiöser Verehrung die seidene Börse küssend, »dieses hat die Hand eines Mannes berührt, der meinen Vater vom Tode, uns vom Untergang und unsern Namen Von der Schande errettete; ein Mann, dem wir es zu verdanken haben, daß wir armen, bereits dem Elend und den Tränen bloßgestellten Kinder hören können, wie Menschen über unser Glück in Begeisterung geraten. Dieser Brief« Maximilian zog einen Brief aus der Börse und reichte ihn dem Grafen, »dieser Brief wurde von ihm an einem Tage geschrieben, wo mein Vater einen Verzweiflungsvollen Entschluß gefaßt hatte, diesen Diamant gab der edelmüthige Unbekannte meiner Schwester als Mitgift.«



Monte Christo nahm den Brief und las ihn mit einem unbeschreiblichen Ausdrucke von Glück; es war das unsern Lesern bekannte Billet, adressiert an Julie und unterschrieben von Simbad dem Seefahrer.



»Der Unbekannte, sagen Sie? Also ist der Mann, der Ihnen diesen Dienst geleistet hat, für Sie unbekannt geblieben?«



»Ja, mein Herr, nie haben wir das Glück gehabt, ihm die Hand zu drücken; doch nicht als hätten wir Gott nicht um diese Gunst gebeten,« sprach Maximilian: »in diesem ganzen Abenteuer waltete eine geheimnisvolle Leitung, welche wir noch nicht begreifen können; Alles wurde von einer unsichtbaren, mit der Macht eines Zauberers ausgerüsteten Hand geordnet.«



»Oh!« rief Julie, »ich habe noch nicht jede Hoffnung verloren, eines Tags diese Hand zu küssen, wie ich die Börse küsse, welche dieselbe berührt hat. Vor vier Jahren war Penelon in Triest: Penelon, Herr Graf, ist der brave Seemann, den Sie mit dem Spaten in der Hand gesehen haben; vom Hochbootsmann ist er Gärtner geworden. Penelon war also in Triest und sah auf dem Kai einen Engländer, der sich in einer Yacht einzuschiffen im Begriffe war; sogleich erkannte er denjenigen, welcher am 5. Juni 1829 meinen Vater aufgesucht und mir am 5. September dieses Billet geschrieben hatte. Es war, wie er versichert, derselbe Mann, doch er wagte es nicht, ihn anzureden.«



»Ein Engländer!« versetzte Monte Christo träumerisch, aber mit einer gewissen Unruhe

Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»